In dem folgenden Predigtarchiv finden Sie eine Auswahl von Predigten zum Nachlesen. Diese sind in einem Zeitraum bis zu einem Kalenderjahr zurück aufgeführt.
Neben dem Gottesdienst bieten wir auch die Möglichkeit das Sakrament der Beichte zu entrichten.
2021
Lesung 1 Sam 3,3b-10.19
Evangelium: Joh 1,35-62
Liebe Schwestern und Brüder!
„Wie Gott ruft“, so hieß ein Buch, das mir vor vielen Jahren einmal in die Hände gekommen ist. In dem Buch ging es, in meiner Erinnerung, vor allem darum, dass Priester von ihrem Lebensweg berichtet haben, dass beschrieben wurde, wie man eine Ahnung von dem Gott bekommen hat, der mich meint, ganz persönlich, wie Menschen geführt wurden, welche Entscheidungen nötig waren, welche Entwicklungen bis dahin, dass jemand schließlich bei seiner Diakonen- oder Priesterweihe sagen konnte: Hier bin ich Herr! Ganz selbstverständlich bezog man das Wort Berufung auf einen speziellen Dienst in der Kirche, den des Priesters. Natürlich ist das nicht falsch, aber heute scheint mir noch etwas anderes wichtiger und grundsätzlicher zu sein, die Tatsache, dass Gott überhaupt und wirklich beruft zu einem Leben als Christ, dass es auch hier eine Aufmerksamkeit braucht, eine bewusste Entscheidung, eine Antwort. Diese Berufung zum Christsein ist keineswegs selbstverständlich, auch wenn man in früherer Zeit nicht viel davon gesprochen hat, es war halt so. Auf zwei Probleme möchte ich dabei besonders eingehen. Zum einen ist es die Frage vieler, besonders junger Menschen: Meldet dieser Gott sich überhaupt einmal, bekomme ich etwas mit von ihm, meint er mich wirklich persönlich, spricht er mich an. Und die zweite Frage: Wenn es denn so etwas wie Berufung gibt, muss ich diese Berufung in dieser Kirche leben, die solch einen schlechten Ruf inzwischen hat, in der so vieles einfach festgefahren ist und in der ich selbst mich vielleicht auch gar nicht richtig wohlfühle.
Die Erzählung aus dem Buch Samuel kann in diesen Fragen sicher manche Hilfe geben. Gott beruft den jungen Samuel, wie wir gehört haben, in einer ganz alltäglichen menschlichen Situation, nachts im Schlaf. Und es braucht mehrere Anläufe, bis deutlich wird, nein es war nicht der alte Priester Eli, der den Samuel gerufen hat, der eine konkrete Bitte hatte, vielleicht eine Hilfe brauchte o. ä. Samuel kannte den Herrn noch nicht, so heißt es, also ihm war dieses Rufen fremd, er hatte keine Möglichkeit, es richtig zu deuten. Aber der alte Eli erkennt schließlich: dieses Rufen, das ist die Stimme Gottes. Gott ruft, vielleicht ganz unbestimmt, und er tut es oft nicht in einer eindeutigen und ganz besonderen Weise, sondern er tut es so, dass wir seine Stimme verwechseln können. Und die große Frage ist: Wenn Gott ruft, können wir ihn verstehen, können wir ihn hören, können wir seine Sprache deuten? Vielleicht ist das eine große Not unserer Zeit, dass wir technisch bestens ausgerüstet sind, um alle möglichen Nachrichten zu senden und zu empfangen, dass uns aber die Antenne für Gottes Stimme ein wenig verkümmert ist. Und dabei gibt es in jedem Leben Zufälle, Ereignisse, Fügungen, „Glück-gehabt-Situationen“, an denen wir gar nicht wirklich vorbei gehen können als bewusst lebende Menschen. Jedes Mal, wenn ich an einer Unfallstelle vorbeifahre, kommt mir der Gedanke: Wie schnell könnte ich derjenige sein, der da jetzt liegt, wie oft bin ich einfach bewahrt worden? Wie oft gibt es das große Gefühl der Dankbarkeit für einen gelungenen Tag, für eine Begegnung, für ein Natur- oder Kunsterlebnis – entdecken wir darin die Stimme Gottes? Ich erinnere mich an eine Bergwanderung, die ich mit Jugendlichen gemacht habe, es war ein wunderschöner Tag, ich war ganz erfüllt und hab mich auf die Badewanne und mein Bett gefreut, und als unser Bus fast zuhause an einer Tankstelle vorbeifuhr, sagte einer der Jugendlichen: Boah, heute ist der Sprit ganz billig, da muss ich sofort noch tanken fahren. Kann es sein, dass diese Geschäftigkeit uns die großen Erlebnisse nicht wirklich auskosten lässt, dass wir Gott immer wieder davon laufen. Oder dass ein Text mich tatsächlich ansprechen kann, ein Lied, ist das noch möglich, wenn ich unter Dauerberieselung stehe, wie viele junge Menschen sie häufig erleben. Oder dass ein Ereignis wie Corona einmal von den üblichen Fragen und Themen wegführt: Impfung, Inzidenzwerte, Lockdown, Distanzunterricht, Maske, Querdenken usw. hin zu der Frage: Kann das auch eine Botschaft von Gott sein, kann diese Zeit ein Geschenk von ihm sein, dass sich in der Stille und im Zurücknehmen etwas meldet, was sonst zu kurz kommt. Die Geschichte des jungen Samuel sagt dabei etwas Wichtiges: Ich kann die Stimme Gottes nicht allein deuten, ich brauche sozusagen eine Erfahrenen, einen Lehrer. Die Tradition der Kirche kennt dafür unterschiedliche Bezeichnungen: Seelsorger, Beichtvater, geistlicher Begleiter, Seelenführer. Suchen wir solche Menschen, mit denen wir über unsere Erfahrungen sprechen können, die uns etwas deuten können, die uns vielleicht auch anfragen oder korrigieren? – Das ist die eine Frage und die andere: Sind wir selbst auch bereit, für andere solch ein Ansprechpartner zu sein, gemeinsam mit ihm auf Gott zu hören, seine Wirklichkeit auszusprechen oder bleiben wir in unserm Denken und Reden selbst nur an den ganz praktischen Dingen hängen, an dem, was ohnehin klar ist, was sich mit Händen greifen lässt. Der alte Priester Eli hat sich dreimal wecken und von dem jungen Samuel herausfordern lassen.
Und damit bin ich bei der Frage, die ich hier auch nur in aller Kürze anreißen kann: Muss ich meine Berufung in dieser Kirche leben, die heute so angefragt ist, die auch sicher vieles falsch gemacht hat und vielleicht auch heute noch oder wieder falsch macht. Und eine kurze Antwort möchte ich geben, die heißt: Du bist doch selbst diese Kirche, ein Teil davon. Und wenn Du wirklich Berufung erlebst, wenn Du wirklich Gott erfahren hast, wie denn anders als in dieser Gemeinschaft, durch ihr Vorwissen, durch eine gewisse Prägung, durch Menschen, die diese Gemeinschaft ausmachen, durch die Botschaft, die von dieser Gemeinschaft weitergetragen wird trotz aller Fehler, trotz aller Entstellungen, trotz aller Menschlichkeit, Schwäche und Schuld. Der alte Priester Eli hätte allen Grund gehabt, seine Glaubensgemeinschaft zu verlassen, haben doch seine eigenen Söhne ihren Priesterdienst miserabel ausgeführt. Der alte Priester Eli hat sich bestimmt sehr dafür geschämt. Und doch begegnet Gott dem jungen Samuel im Tempel eben dieser Gemeinschaft. Wir können jedem, der fragt sagen: Du bist diese Kirche, und wenn Du etwas von Gott erfahren hast, dann braucht diese Gemeinschaft dich am allermeisten. Ich bin in einem Gästehaus der Franziskaner vor einigen Jahren einmal auf einen Text gestoßen, der hieß: Bausteine für einen Lebensentwurf, nach Franz und Clara von Assisi. Dieser Text beginnt mit den einfachen Sätzen: „Du bist einmalig. In dir steckt eine Idee Gottes. Dein Leben ist die Geschichte der Begegnung mit ihm.“ Und bezogen auf die konkrete Kirche sagt der Text: „Lebe solidarisch in der konkreten Kirche. Stelle deine Fragen und benenne die Ungereimtheiten. Aber grenze weder dich selbst noch andere aus.“ Damit kann ich gut leben.
Liebe Schwestern und Brüder, lassen Sie sich ansprechen von Gott und den Menschen, leben Sie ihre Berufung als Christ bewusst und lassen Sie sich ihren Platz in der Kirche von niemandem streitig machen.
Amen.
Fürchtet euch nicht L: Num 6,22-27
Ev: Lk 2,16-21
Liebe Schwestern und Brüder!
Das, was die Menschen umtreibt, was sie beschäftig, was ihr Leben beeinflusst, was es bestimmt, vielleicht sogar verändert, das nennen wir „aktuell“. Was auf diese Weise aktuell, also was für die Menschen im Leben „dran ist“, das merken wir, wovon und worüber man spricht. Wovon die Menschen, ja eigentlich die ganze Welt gerade spricht, das brauche ich jetzt wohl nicht auszusprechen, denn Sie und wir alle sprechen ja davon. Wir sprechen immer wieder davon, auch wenn wir es nicht unbedingt wollen und vielleicht auch nicht mehr hören können.
Durch dieses aktuelle Sprechen rücken Worte und Begriffe, die vielleicht vorher eher ein Schattendasein geführt haben ins Rampenlicht. Sie kommen plötzlich wieder ins Bewusstsein, sie stehen im Licht des öffentlichen aber auch des persönlichen Interesses. Ein solcher Begriff, über den vorher vielleicht eher beiläufig gesprochen wurde, der jetzt aber zu einem Schlagwort geworden ist und sich in den Schlagzeilen findet, lautet „impfen“.
Seit einer knappen Woche wird nun geimpft und dieses Impfen wird uns wohl in diesem neuen Jahr lange, vielleicht sogar das ganze Jahr über begleiten und sich in unserem Sprechen widerspiegeln, positiv wie negativ.
Die einen versprechen sich vom Impfen gegen Corona Gesundheit und Heil, andere weisen auf die Gefahren des Impfens hin, dass eventuelle Langzeitschäden gar nicht absehbar und unkalkulierbar sind und für Menschen auch zum Schaden und Unheil führen kann.
Die Wahrheit wird wie immer irgendwo in der Mitte sein. Das Impfen wird nicht mit einem Schlag alle Probleme lösen. Es wird auch Rückschläge und Fehlschläge geben, man wird weiter forschen, manches überdenken, verändern oder verbessern müssen. Ich denke aber, wir haben keine andere Wahl. Das Risiko bleibt so oder so und uns Menschen bleibt es nicht erspart, verantwortlich zu handeln, im eigenen Interesse und in dem der anderen. Vielleicht müssen wir mit Manchem leben lernen, das wir uns bisher gar nicht vorstellen konnten. Immer mal wieder denke ich daran, wie wir über Menschen aus fernöstlichen Ländern geschmunzelt haben, wenn sie einen Mundschutz getragen haben. Und jetzt?
Impfen, das ist nicht nur eine Frage der Medizin, also von Nadel und Spritze, sondern Impfen, das gibt es in vielen Bereichen unseres Lebens. Menschen werden auf ganz verschiedene Art und Weise geimpft. Es kommt oder tritt etwas in das Leben, das Reaktionen auslöst, das Menschen verändert, sie in einer gewissen Art und Weise immun werden lässt, zum Heil aber auch zum Schaden. Menschen können geimpft werden mit Bildern, mit Worten, mit Parolen, mit Erlebnissen und mit Ereignissen und es ist und bleibt immer ein Risiko, was im Menschen und seinem Leben daraus wird, ob es ihm zum Heil oder zum Schaden wird. Auch der Glaube und das Glaubensleben des Menschen sind nicht frei davon.
So gesehen wurden wir heute vor einer Woche, also an Weihnachten, alle „geimpft“. Wir wurden geimpft mit dem Leben und dem Menschsein. Jedes Jahr wird uns mit Weihnachten und allem, was für uns dazu gehört, eingeimpft, dass Leben ein Geschenk ist, dass wir unser Leben jemandem verdanken, dass leben zu dürfen etwas sehr kostbares ist und zwar vom ersten Augenblick an. Uns wird aber auch eingeimpft, dass Leben zerbrechlich und bedroht ist und deshalb geschützt werden muss. Zur Geschichte von Weihnachten gehört dazu, dass sich dieses Schöne und Positive des Lebens auch ins Negative und zu einer Fratze verkehren kann, in Ablehnung, Hass, Neid und Gewalt gegen das Leben. Diese Gefahr und dieses Risiko bestehen immer und oft braucht es gar nicht viel, dass Menschen den Blick für das Leben verlieren oder nur mehr das eigene Leben im Blick haben. In der Bibel steht Herodes für diese Umkehrung und Pervertierung. Wo das geschieht, sind die Folgen gewaltig. Die Geschichte der Menschheit ist voll davon und auch unser Land ist nicht frei davon. Es ist noch gar nicht so lange her, dass es nicht nur Leben 1. und 2. Klasse gab, sondern dass man auch lebenswertes und lebensunwertes Leben unterschieden hat. Was für eine Farce!
Liebe Schwestern und Brüder, in der Botschaft von Weihnachten kommt ein Satz vor, der das Leben von Menschen verändert hat. Eine ganze Reihe von Menschen wurde mit diesem Satz sozusagen geimpft. Er lautet: Fürchtet Euch nicht! Im Evangelium, das uns gerade vorgelesen wurde, durften die Menschen, die darin vorkommen, diesen Satz in ihrer Lebensgeschichte hören: Fürchtet Euch nicht!
Fürchtet Euch nicht! Das ist keine blauäugige Zusage, dass Menschen nichts zustoßen könnte oder würde, oder dass sie sich um nichts mehr zu kümmern bräuchten. Ihnen wurden auch keine Vorteile gegenüber anderen versprochen. Im Gegenteil, diese Menschen wurden in die Verantwortung und in die Pflicht genommen, aber sie durften mit dem Vertrauen leben, dass Gott ihre Wege mitgeht und dass ihr Leben ein Ziel hat.
Fürchtet Euch nicht! Das hat gewirkt! Dieser Satz hat etwas bewirkt! Die Menschen wurden stark, aber auch immun gegen das, was das Leben und seine Liebenswürdigkeit bedrohen und auch kaputt machen kann.
Fürchte dich nicht, sagte der Engel zu Maria. Du hast bei Gott Gnade gefunden. Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben.
Fürchte dich nicht, waren die Worte des Engels im Traum des Josef, er soll Maria als seine Frau zu sich nehmen.
Fürchtet Euch nicht, war die Botschaft der Engel zu den Hirten, denen das Licht in der Nacht nicht ganz geheuer war und die es nicht deuten konnten, dass dieser Retter auch ihr Leben betrifft.
Fürchtet Euch nicht! Liebe Schwestern und Brüder, vor uns liegt ein neues Jahr. Selten war der Anfang eines Jahres mit so viel Unsicherheit behaftet wie heuer. Oder waren wir es in den letzten Jahren nur gewohnt, dass Pläne und Prognosen überwiegend in Erfüllung gingen. Heuer ist vieles nicht so einfach plan- und kalkulierbar.
Ob sie nun ein Impfbefürworter sind oder ob sie Bedenken haben, ich biete Ihnen allen heute am Neujahrstag diesen wichtigen Satz unseres Glaubens an: Fürchtet Euch nicht! Lassen wir uns davon betreffen, lassen wir ihn uns unter die Haut gehen, dass wir trotz aller Unsicherheit, voller Zuversicht und Hoffnung in dieses neue Jahr mit seinen Herausforderungen gehen. Möge uns dieser Satz nicht nur stark machen, sondern auch immun gegen alle Bilder und Parolen, die die Angst der Menschen ausnutzen und sie für sehr subjektive Zwecke missbrauchen.
So wünsche ich uns ein gutes und vor allem gesegnetes neues Jahr. Ich tue es mit den Worten aus dem Buch Numeri, die wir in der Lesung gehört haben. Irgendwie kommt mir der, der das geschrieben hat, wie einer vor, der mit einem Senfkorn Hoffnung geimpft wurde, so dass er sagen konnte:
Der Herr segne und behüte dich;
Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig;
Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil.
Ein gutes neues Jahr und fürchtet Euch nicht!
Der Mensch braucht den Menschen
Liebe Schwestern und Brüder!
Weihnachten hat immer auch etwas mit Überraschungen zu tun, ja es ist ein Fest der Überraschungen und das in gewisser Weise von Überraschungen auch lebt. In diesem Jahr überraschte uns im Vorfeld unsere Klosterküche mit einer Wunschliste. Wir wurden gebeten, unsere Lieblingsplätzchen darauf einzutragen. Jeder Mitbruder hatte sozusagen einen Wunsch frei. Es war interessant, als wir uns bei einer abendlichen Austauschrunde diese Liste vornahmen. Da gab es Dopplungen und es mussten einige mit ihrer „zweiten Wahl“ herausrücken, andere wussten gar nicht, wie die süßen „Lieblinge“ heißen. Miteinander haben wir es schließlich herausgebracht und die Liste vollgemacht.
Vielleicht hat mit dieser Initiative unsere Klosterküche den Namen einer Bäckereikette aufgegriffen, die in den EDEKA Märkten angesiedelt ist, auch in Scheyern: „Backstube Wünsche“.
Wenn man diesen Namen umdreht, dann wird daraus „Wünsche Backstube“, die nicht bloß für Backwaren gilt. Wir sind es gewohnt und wir haben auch die Möglichkeiten, dass unsere Wünsche in Erfüllung gehen, oft auch sehr schnell, so als warteten sie nur darauf, gebacken, also Wirklichkeit zu werden. Und das jeden Tag ganz frisch und neu.
In diesen Tagen kann man Menschen auch ansehen, ob ihre Wünsche in Erfüllung gegangen sind, ob die Überraschung sozusagen gelungen ist, nicht nur bei den Plätzchen, die für viele, vielleicht für uns alle zu Weihnachten gehören.
Von diesen ganz konkreten Erfahrungen in unserem Leben ist es schon ein weiter Sprung zu dem Text aus dem Johannesevangelium, den wir gerade gehört haben. Nichts ist da auf Anhieb von der Süße und dem Geschmack, den wir eben mit Weihnachten verbinden, zu entdecken, zu spüren oder gar zu schmecken. Und doch geht es auch in diesen spröden und abstrakten Worten „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott“ um Wünsche, um Erfüllung und um Überraschung.
Unsere Klosterküche wollte mit dieser Liste herausbekommen, was wir uns wünschen, was uns schmeckt. Wenn man diese Gedanken und diese Fragen ein wenig weiter fasst und auf das Leben ausdehnt, dann geht es an Weihnachten auch darum, was Menschen brauchen und brauchen könnten. Sehr schnell landen wird dann bei Gegenständen und Dingen, also praktischen Geschenken, mit denen man im alltäglichen Leben auch etwas anfangen kann. Auch ich habe solche praktischen Geschenke bekommen, und mich darüber gefreut. In einer Geschenke-Tüte entdeckte ich Socken. Oh, schöne warme Socken, dachte ich. Beim Versuch sie anzuziehen, entpuppten sich die vermeintlichen Socken jedoch als Handschuhe. Auch gut!
Weihnachten wäre aber nicht Weihnachten, wenn es da nicht noch einen Schritt weiter und einen Schritt tiefer gäbe. Was brauchen Menschen jenseits aller Dinge und Sachen? Was braucht der Mensch für sein Leben? Was braucht der Mensch für sein Lebensglück? Was braucht er, um glücklich zu werden?
Der Mensch braucht den Menschen. Wir brauchen einander!
In der Sprache des Evangelisten Johannes heißt das: Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohns vom Vater voll Gnade und Wahrheit. Ich weiß, das ist eine sehr komplizierte Umschreibung vom Glück des Menschen und vom allzu menschlichen Glück im wahrsten Sinne des Wortes. Es ist aber nicht so leicht, Wünsche, Erfüllung und Überraschung in Worte zu fassen, die ausdrücken können, was damit alles gemeint ist und was für Menschen dazugehört.
In diesem Jahr merken wir es auf ganz eigene Weise, wie sehr wir einander brauchen, wie sehr wir auf Menschen angewiesen sind, wie sehr wir Menschen den anderen Menschen für unser Glück brauchen. Aufgrund der gegenwärtigen Situation und der Umstände, die wir erleben, gibt es die viel diskutierten Kontaktbeschränkungen. Oft waren obligatorische Weihnachtsbesuche eher lästig, heuer merken wir vielleicht, dass sie doch mehr waren oder eine wichtige Bedeutung hatten, die man unterschätzt hat. Manche können und konnten das nicht so einfach wegstecken und auch nicht verstehen. Für manche war es deshalb gar kein richtiges Weihnachten. Um es in der Sprache der „Wünsche Backstube“ zu sagen: Heuer mussten wir in dieser Beziehung „kleinere Brötchen“ backen.
Kleinere Brötchen sind nicht nur Zeichen von Fehlen und Mangel, sondern kleinere Brötchen haben auch ihren Reiz. Vielleicht schmecken sie intensiver und wirken länger nach. Auch wenn sich Menschen in diesem Jahr nicht sehen konnten, so gab es andere Möglichkeiten sich nahe zu sein. Ein Anruf, ein Brief, von dem Menschen buchstäblich herunterbeißen können
Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohns vom Vater voll Gnade und Wahrheit.
Der Mensch, über den das gesagt wird, der hat uns etwas hinterlassen, ein Sakrament sozusagen der „kleinen Brötchen“ in der Eucharistie. Darin können sich Menschen auch nahe sein und begegnen. So möchte ich schließen mit einem Text, der nicht unbedingt weihnachtlich klingt, der aber diese „kleinen Brötchen“ aufgreift, von denen wir bis heute herunterbeißen und zehren.
Dieses kleine Stück Brot in unsern Händen reicht aus für alle Menschen.
Dieser kleine Schluck Wein in unsern Bechern gibt Kraft allen Menschen.
Jede Hoffnung, die lebt in unsern Herzen, ist Hoffnung für die Welt.
Du verwandelst das Brot in Jesu Leib.
Du verwandelst den Wein in Jesu Blut.
Du verwandelst den Tod in Aufersteh’n.
Verwandle du auch uns.
Liebe Schwestern und Brüder, so lassen wir uns unsere Wunschplätzchen schmecken. Ich hoffe, dass Sie auch solche „kleinen Brötchen“ haben, von denen Sie herunterbeißen können.
Frohe Weihnachten!
Warum?
Liebe Schwestern und Brüder!
Warum? Dieses kurze Wort und die Frage, die damit gestellt wird, haben es buchstäblich in sich.
Warum? Das kann eine Frage sein, die einfach nervt. Kinder können Erwachsene damit zur Weißglut bringen, wenn sie nach vielen Erklärungen und allem gutem Zureden mit einem mehr oder weniger unschuldigen „Warum?“ antworten.
Warum? Diese Frage bringt Menschen nicht nur an ihre Grenzen und in eine Erklärungsnot, sie ist auch Ausdruck von Ratlosigkeit oder gar Verzweiflung.
Warum? Diese Frage kann sehr unverhofft und plötzlich in das Leben treten und in unseren Köpfen auftauchen.
„Warum“ kennt keine Sonn- und Feiertage. „Warum“ unterscheidet nicht zwischen Tag und Nacht. „Warum“ bringt sich ins Spiel und drängt sich auf, wenn Menschen etwas widerfährt, das nach einer Lösung schreit und wo der sprichwörtliche gute Rat mehr als teuer ist.
Warum? Diese Frage wird auch in diesen Tagen und den Umständen, die wir gerade erleben oft gestellt und eine zufriedenstellende Antwort können wir nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Vor wenigen Tagen bekam ich eine Mail eines Mannes, dessen Mutter im Krankenhaus liegt und nach einer gut überstandenen, aber schweren Operation immer wieder fragt: „Ja, warum kimmt denn koana?“
Warum? In den letzten Wochen ist mir aufgefallen, dass der Bayerische Rundfunk auf seinem Hörfunkkanal B1 diese Frage in sein Programm aufgenommen hat. „Warum ist das so“, heißt diese immer wiederkehrende Einheit, mit der die Hörer darauf hingewiesen und auch ein wenig dafür sensibilisiert werden, wie oft wir Dinge einfach hinnehmen und als bekannt voraussetzen, ohne uns weiter darüber Gedanken zu machen. Die Themenpalette von „Warum ist das so?“ ist sehr breit und bunt gemischt. Nachdem ich diese Einheit gehört habe, musste ich für mich öfter sagen: Aha, interessant, das hätte ich nicht gewusst bzw. nicht gedacht.
In den letzten Tagen drehte sich bei „Warum ist das so?“ viel um Weihnachten und dem damit verbundenen Brauchtum. Die Antwortversuche waren amüsant und manchmal auch abenteuerlich. Es wurde beispielsweise danach gefragt, woher es denn kommt, dass wir ausgerechnet am 25. Dezember Weihnachten feiern. Ein Hörer meinte darauf, das sei doch klar, weil Jesus am 24. Dezember geboren wurde. Er ließ sich nicht davon abbringen, selbst als die Moderatorin die Kalenderreformen der Geschichte ins Spiel brachte.
Ein andermal wurde danach gefragt, woher denn Ochs und Esel in unseren Krippendarstellungen kommen, wo sie doch in den biblischen Erzählungen über die Geburt Christi gar nicht vorkommen.
Warum ist das so? Auf diese Frage hätte ich die Antwort gewusst. Darauf brauche ich mir jedoch nichts einbilden, denn schließlich durfte ich all das auch studieren und es gibt genug andere Fragen, auf die ich keine Antwort weiß.
Hinter Ochs und Esel in unseren Krippen steckt die Kritik des Propheten Jesaja an seinem Volk Israel, das anscheinend auch vieles fraglos hingenommen hat und gar nicht mehr auf die Idee gekommen ist, zu fragen, ob es noch etwas anderes geben könnte als das, was sie als bekannt voraussetzen. Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht, so haben wir gerade in der Lesung gehört. Einige Kapitel vorher aber steht die erwähnte Kritik: Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel kennt die Krippe seines Herrn. Israel aber hat keine Erkenntnis und mein Volk hat keine Einsicht. (Jes 1,3)
So dumm scheinen Ochs und Esel gar nicht zu sein. Ausgerechnet sie wissen Bescheid. Und auch heute machen wir vielleicht manchmal die Erfahrung, dass Tiere sogar ein besseres Gespür dafür haben, was im Leben wichtig sein kann und worauf es im entscheidenden Augenblick ankommt, auch wenn wir Menschen das manchmal etwas despektierlich als Instinkt abtun. Haben wir auch so etwas wie einen natürlichen Instinkt oder könnten wir ihn haben?
Warum? Unsere Krippen sind nicht einfach Darstellungen und Nachstellungen von etwas, das man historisch gar nicht so ohne weiteres belegen kann und auch nicht belegen muss, sondern es sind Anfragen an das Leben der Menschen in einer bestimmten Zeit.
Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel kennt die Krippe seines Herrn. Ochs und Esel sind so gesehen eine Anfrage und vielleicht manchmal auch der Vorwurf an unser Leben und unsere Lebensgewohnheiten, bei denen immer wieder in Vergessenheit geraten kann, dass unser Leben ein Geschenk ist, dass wir unser Leben jemandem verdanken und dass wir auf Beziehungen und Nähe auch angewiesen sind: „Warum kimmt denn koana?“
Warum ist das so? Für unser Fest Weihnachten bedeutet das: Warum soll denn dieser Gott überhaupt Mensch werden? Warum haben wir daraus so ein großes Fest gemacht, das uns so viel bedeutet? Die Antwort, die unser Glaubensbekenntnis auf diese Frage gibt, ist recht unspektakulär und wird nicht alle zufrieden stellen: Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.
Warum ist das so? Vielleicht hilft uns ein Text weiter, der es etwas anders formuliert, leichter, gefälliger, nicht bloß mit dem Kopf zu verstehen, sondern um es uns einfach gesagt sein lassen:
An Weihnachten sagt Gott zu mir: ich kann dich verstehen! Ich weiß, wie es um dich steht, wo dich der Schuh drückt, weil ich selber menschliche Füße hatte. Und ich weiß was in deiner Haut steckt, weil ich selber in sie geschlüpft bin. Ich bin Mensch geworden – deinetwegen um dich zu verstehen.
Um dich zu verstehen!
Warum? Darum!
Lesungen: Eph 1,3-6.15-18
Evangelium: Joh 1,1-14
Liebe Schwestern und Brüder!
Neben den schönen Erinnerungen an das Weihnachtsfest in meiner Kindheit gibt es auch so etwas wie einen unangenehmen Beigeschmack. Das war die Tatsache, dass Weihnachten, obwohl sich jeder darauf gefreut hat, doch ziemlich schnell vorbei zu sein hatte. Die Dekoration in den Geschäften und Straßen, ohnehin nicht vergleichbar mit der heutigen Fülle, hatte möglichst sofort nach dem 2. Weihnachtstag zu verschwinden, so schnell wie möglich wollte man das Fest offenbar vergessen und zur Normalität zurück kehren, die oftmals banal und langweilig war. Nur in der Kirche und bei uns Zuhause, da war irgendwie die Zeit stehen geblieben. Als Kind ist man nicht unbedingt stolz darauf zu der Kategorie Mensch zu gehören, die altmodisch sind, und dass bei uns der Weihnachtsbaum ziemlich lange stehen blieb, brachte uns manches Gespött anderer Kinder ein. Gott sei Dank, gewann auch bei uns zuhause irgendwann die Liturgiereform, und der Weihnachtsbaum flog bald nach dem 6. Januar raus, die Gründe waren aber eher praktische, die Weihnachtsbäume nadeln heute einfach eher.
Weihnachten im Sozialismus und das heutige Weihnachtsfest haben aber in dieser Beziehung viel gemeinsam, das Fest ist schnell vorbei. Das mag heute mehr materielle Ursachen haben, irgendwann drängen die Osterhasen in die leergewordenen Regale, aber vielleicht liegt die eigentliche Ursache für diese Art Weihnachtsverdrängung doch tiefer; es ist fast wie ein bisschen Scham darüber, dass man sich in diesen Tagen ein bisschen mehr Gefühl und Sentimentalität erlaubt hat, nun müssen wieder Sachlichkeit und Vernunft her und, noch tiefer, ist es vielleicht eine Ahnung davon, dieses Fest könnte etwas mit mir machen, es könnte mich verändern, es könnte meine Wertvorstellungen, meine Welt- und Lebenssicht in Frage stellen. Und wenn es diese Ahnung ist, die Menschen vom Weihnachtsfest wegflüchten lässt, dann ist man damit zumindest nahe dran an dem eigentlichen Kern des Weihnachtsgeheimnisses.
Das Johannesevangelium in seiner dichten Sprache bringt es heute noch einmal auf den Punkt: „In diesem Wort, das bei Gott war, war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.“ Leben und Licht, zwei elementare Worte, kraftvolle Worte. Wenn Leben und Licht in diesem Wort Gottes sind, dann hat es doch einen bedeutenden Einfluss auf meine gesamte Wirklichkeit. Licht, das von der Finsternis nicht erfasst wird, nicht verstanden, nicht besiegt, nicht kaputtgemacht, dieses Licht ist größer und stärker als alle Finsternisse. Und noch einmal das Evangelium: „Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“, das ist die Veränderung, die man ahnt, die man befürchtet, die mich zu einem anderen macht, ich bin wirklich Kind Gottes. Im Brief an die Gemeinde in Ephesus spricht Paulus von einer besonderen Erwählung: Gott hat uns zu seinen Söhnen und Töchtern gemacht durch Jesus, er ist unser Bruder geworden. Und Paulus betet für seine Gemeinde und für uns, dass uns die Augen aufgehen, dass wir erkennen und verstehen, was das bedeutet, welche Hoffnung damit verbunden ist, welcher Reichtum. „Auf das Kind kommt es an an diesem Weihnachtsfest“, so sagt es Karl Rahner „auf den Sohn Gottes, auf seine Geburt. Weihnachten heißt: Er ist gekommen. Er hat die Nacht hell gemacht, die Nacht unserer Finsternisse, die Nacht unserer Unbegreiflichkeiten, die grausame Nacht unserer Ängste und Hoffnungslosigkeiten hat er zur Heiligen Nacht gemacht. Und das sagt Weihnachten: Der Augenblick, da dies geschah, wirklich und für alle Zeiten, soll durch dieses Fest auch in unseren Herzen und Geist Wirklichkeit bleiben“ Die Ahnung oder Befürchtung bestätigt sich, dieses Fest will mich verändern, meine Weltsicht meine Einstellung zum Leben, meine Einstellung zu mir selbst, zum Mitmenschen. Dort, wo ich nur Finsternis sehen kann, dort leuchtet dieses Licht hinein und macht etwas hell; dort wo ich ängstlich bin, hoffnungslos, da kann es sein, dass dieses Licht etwas anleuchtet, was ich vorher nicht bemerkt habe, dort, wo ich nichts mehr begreife, da strahlt dieses Licht auf, wie eine neue Idee. Lassen wir uns von diesem Licht ergreifen, lassen wir uns von dieser Kraft verändern, es kann nur gut sein, es kann diese Welt nur besser machen, nur menschlicher, denn „Gott ist nahe der Niedrigkeit“, so sagt es Dietrich Bonhoeffer: „er liebt das Verlorene, das Unbeachtete, Unansehnliche, das Ausgestoßene, das Schwache und Zerbrochene; wo die Menschen sagen: verloren, da sagt er: gefunden, wo die Menschen sagen: gerichtet, da sagt er: gerettet, wo die Menschen sagen: Nein, da sagt er: Ja!“
Aber sind das nicht alles nur kluge Reden, feierlich wirklichkeitsfremde, theologische Gedankenspiele? Nein, abgesehen davon, dass beide Karl Rahner und Dietrich Bonhoeffer nicht wirklichkeitsfremde Theologen waren, können wir sagen: Frag dich doch einmal selbst, ob es das nicht in deinem Leben oft genug schon gegeben hat, die scheinbar unbegrenzte Finsternis, die Unbegreiflichkeit, die Angst und Hoffnungslosigkeit. Und dann ging es doch weiter, vorsichtig und zaghaft, aber die kleinen Schritte, die man machen konnte, sind sicherer geworden, fester, und irgendwann war die große Ausweglosigkeit überwunden. Frag dich doch einmal selbst: Wie oft hast du eine Sache aufgegeben oder einen Menschen, es hat ja doch alles keinen Zweck, hast du gedacht, wie oft ist etwas kaputtgegangen, und dann ging es doch weiter, anders vielleicht, oder wie oft hat ein anderer davon leben können, dass du ihn nicht beiseitegeschoben hast, dass du ihn nicht aufgegeben hast. In all diesen Situationen haben wir doch von einer Kraft gelebt, die nicht aus uns selbst kam, in all diesen Situationen haben wir doch längst das Licht der Weihnacht erfahren, haben wir davon gelebt, von dem Licht, das in der Finsternis leuchtet, und das die Finsternis nicht erfasst. Aber vielleicht ist es uns auch schon so gegangen, dass wir wirklich gar keinen Rat mehr wussten, dass das Leid so überwältigend war, dass uns die Worte ausgeblieben sind. Auch als Seelsorger kommen wir manchmal in solche Situationen. Aber selbst dort konnten wir vielleicht aushalten, selbst dort mussten wir nicht flüchten, selbst dort konnten wir uns vielleicht noch halten an eine letzte Hoffnung, die auch für den gilt, dessen Leben gerade zuende gegangen ist, vielleicht viel zu früh, viel zu schnell, viel zu plötzlich. Und selbst dann noch konnten wir vielleicht mit innerer Überzeugung sagen: Das ewige Licht leuchte ihm oder ihr.
Liebe Schwestern und Brüder, lassen wir das Licht des Weihnachtsfestes nicht zu schnell aus den Händen reißen, feiern wir Weihnachten ausgiebig, ob mit oder ohne Weihnachtsbaum. Geben wir dieses Licht und diese Hoffnung nicht mehr aus den Händen, die uns gegeben wurden, seit Gott unser Bruder wurde.
Amen.
Lesungen: Jes 63,1-2a.10-11
1 Thess 5,16-24
Liebe Schwestern und Brüder!
Gaudete! Heute steht diese Aufforderung über unseren Gottesdiensten. Und eigentlich, das sei einfach mal vorausgesetzt, geht es ja nicht nur um diesen Gottesdienst heute oder um die Adventszeit, sondern dieses Gaudete – Freuet euch ist viel grundsätzlicher; heißt der Eröffnungsvers doch: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit.“ Und: „Denn der Herr ist nahe.“ Was wir in jedem Jahr im Advent und an Weihnachten erinnern, das ist viel grundsätzlicher, das gilt immer. Diese Freude ist etwas ganz tief Christliches, und weil wir als Christen ja eine Hoffnung und eine Botschaft für alle Menschen haben, darum ist diese Freude auch etwas zutiefst Menschliches, sie schließt alles Menschliche mit ein.
Ja, aber, so höre ich den Einwand: Freude kann man doch nicht befehlen, ähnlich so, wie: Nun streng dich doch mal an. Dieser Einwand ist sehr berechtigt, und darum geht es tatsächlich nicht. Eher geht es um eine Erinnerung, um ein Wachrütteln: „Denk doch mal dran, was eigentlich in deinem Leben ist, woraus du lebst, von welcher Hoffnung du lebst; denk doch mal dran, dass es Grund gibt zur Freude.“
Ich möchte diese Art zu erinnern in einem Vergleich darstellen. Wer ein Altenheim betritt, im Moment ist das nicht so einfach, aber es ist trotzdem wichtig und bereichernd, kann sich oft des Eindrucks nicht erwehren, dass hier das Leben sozusagen am Ende ist. Da sitzt jemand, ganz nah am Eingang auf einer Bank und schläft, es ist zwar helllichter Tag, aber es gibt nichts mehr zu tun, nur das Warten bleibt: auf die nächste Mahlzeit, auf eine Beschäftigung, auf Besuch. Menschen geraten in eine Art Dämmerzustand und umso schneller, wenn eine gewisse Demenz eingesetzt hat. Man muss aufpassen, dass einen solche Stimmung nicht runterzieht. Wenn man mit diesen Menschen ein Gespräch beginnt, nicht nur einfach mal im Vorbeigehen, sondern wirklich sich Zeit nimmt, und wenn man gezielt nach Dingen in ihrem Leben fragt, nach Familie, Beruf, nach dem, was das Leben ausgemacht hat, schön gemacht hat oder auch schwer, dann erlebt man manchmal, dass dieser Dämmerzustand wie aufgebrochen wird, ganz langsam löst sich die Erstarrung, manchmal sprudelt es tatsächlich heraus aus diesen Menschen, was da war, wovon man gelebt hat, wie man die Kinder aufwachsen gesehen hat, der Garten, die Kirche, das Fronleichnamsfest, Weihnachten sowieso und vieles andere. Es tut gut, solch ein Aufblühen eines Menschen mitzuerleben, und es tut gut, dafür etwas tun zu können. Und kann es sein, dass es solch ein kollektives Vergessen auch bei uns Jüngeren gibt, solch eine Art Dämmerzustand, wo all das weit weg scheint, was doch unser Leben ist, was Grund ist zur Hoffnung und zur Freude?
Der Prophet Jesaja schreit es heraus: Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesandt, er hat mich gesalbt, um den Armen eine frohe Botschaft zu bringen, um die zu heilen, deren Herz zerbrochen ist. Wir können die Worte des Jesaja 1:1 für uns übernehmen. Ja, das ist an uns geschehen, dazu sind wir beauftragt, damals bei der Taufe, bei der Firmung und immer wieder in jeder Begegnung mit dem Herrn. Am Ende jedes Gottesdienstes heißt es: „Gehet hin in Frieden“, eigentlich, geht, ihr seid gesendet. Also nicht, geht in eure Seelenruhe und macht euch noch einen schönen Tag, sondern ihr seid gesendet, bedenkt, was mit euch geschehen ist, was euch verkündet wurde, gebt das weiter, wo immer ihr auch hinkommt, lasst die anderen nicht in der Dämmerung, sondern bringt ihnen das Licht Gottes, zeigt ihnen, wie das Leben gehen kann, zeigt ihnen, wie erfülltes Leben sein kann. Und Jesaja schließt daraus: Von Herzen will ich mich freuen über den Herrn, meine Seele soll jubeln über meinen Gott. Das ist die Freude, um die es geht, nicht um ein oberflächliches Gefühl, das sich über die Tiefen des Lebens hinwegmogelt, sondern um ein Wissen, das mir Halt gibt, eine positive Grundstimmung auch dann noch, wenn mir manches Sorgen bereitet, auch dann, wenn ich momentan nicht viel zu lachen habe, auch dann, wenn mich ein Kummer oder etwas anderes stark bewegt.
Diese positive Grundstimmung des Jesaja meint auch Paulus, wenn er im ersten Brief an die Gemeinde in Thessalonich zur Freude aufruft: „Betet ohne Unterlass – Dankt für alles.“ Wer nichts zu danken hat, wird diese Freude nicht verstehen, er wird immer außen vor bleiben; wer nichts zu danken hat, weil er sich anscheinend alles nur selbst erarbeitet hat, ist im Grunde ein armer Wicht, weil er vom Leben nichts verstanden hat. „Löscht den Geist nicht aus“, sagt Paulus. Wir müssen nicht ständig vom Geist reden, und wer viel und klug über etwas reden kann, muss darum noch nicht unbedingt wirklich etwas verinnerlicht haben. Geist Gottes macht wache und lebendige Menschen, die auch heute noch etwas erwarten von ihm, für die nicht alles abgeschlossen ist, nicht eingepackt in einem großen geheimnisvollen Paket, das man Tradition nennt, und das nur immer weitergereicht werden müsste von Generation zu Generation. „Verachtet prophetisches Reden nicht“ – Gott ist immer noch am Werk, und er wirkt – durch Menschen. Prüft darum alles und behaltet das Gute.
Dieser Satz scheint mir heute enorm wichtig zu sein. Im Prüfen und im Bewerten sind wir in unserer Gesellschaft Spitze. Aber haben wir auch den Mut, etwas Gutes zu benennen und dann und darum auch zu bewahren, traue ich dem anderen etwas Gutes zu, nehme ich sein Bemühen war, seine vielleicht begrenzten Möglichkeiten? Es gibt heute eine Bewegung in der Gesellschaft bis hinein in unsere persönlichen Beziehungen, aber auch in der Kirche, die mir große Sorgen bereitet. Da urteilt man den anderen nur noch ab, als ob man selbst Alternativen hätte oder eine Alternative wäre. Es gibt keinerlei Wertschätzung für das, was andere leisten, keinerlei Nachvollziehen, warum jemand zu dieser oder jener Einschätzung kommt. Nein, dann müsste man ja anerkennen und zugeben, dass die Wirklichkeit nicht so einfach gestrickt ist, wie in meiner Pippi-Langstrumpf-Welt, dass es nicht einfach Schwarz und Weiß, Oben und Unten, Arm und Reich oder Hell und Dunkel gibt, sondern viel und sehr viel dazwischen. Eine Haltung solcher besserwisserischen Totaloppositon ob in der Gesellschaft, in der Politik oder in der Kirche hat mit Christlichkeit gar nichts zu tun, auch dann nicht, wenn sie dies vorgibt.
Christlichkeit meint diese Dankbarkeit und Freude, diese positive Grundstimmung die sich ein bisschen auch im bayerischen „Leben und leben lassen“ niederschlägt. Demgegenüber steht die Undankbarkeit, die Aggressivität in Worten und Taten, die Bereitschaft, alles klein zu machen, was sich mir in den Weg stellt.
Christliche Freude ist aufmerksam auch gegenüber allem kleinen, gegenüber Anfängen, gegenüber Aufbrüchen. Und wo immer Menschen einander so Wertschätzung entgegenbringen, dass sie ein Stück weit aus dem Dämmerzustand herausfinden, der uns immer wieder ergreifen kann, wo immer Menschen diese Wertschätzung leben, da ist Gott, da ist sein Geist, und da ist die Freude, von der heute alle Texte sprechen.
Amen.
Vesper zum Adventsbeginn, 28.11.20
Liebe Mitbrüder!
Mit dieser Vesper eröffnen wir jetzt die Adventszeit und beginnen ein neues Kirchenjahr. Es ist heuer ein ganz anderer Übergang vom Jahreskreis in die Adventszeit und von einem Kirchenjahr in ein anderes. Solche Übergänge bedeuten nicht, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun hat und so ein Neuanfang ist auch nicht immer ganz unbefangen. Manches, was uns im zu Ende gehenden Kirchenjahr beschäftigt hat, wird uns auch im neuen Kirchenjahr beschäftigen oder reicht sogar noch weiter.
Wenn wir in diesem Jahr keinen Adventskranz hier in der Kapitelkirche stehen haben, sondern eine Wurzel, dann kommt dieser eigene Charakter in diesem Symbol auch irgendwie zum Ausdruck.
Die Wurzel, die da steht, ist aus unserem Forst. Sie ist auch eine Folge des großen Sturms „Sabine“, der im Februar über unser Land fegte, viele Bäume entwurzelte und großen Schaden anrichtete. Auch wenn die Schäden und Spuren im Forst schon ziemlich aufgearbeitet und beseitigt sind, so wird uns dieser Sturm in den Zahlen über den Ertrag aus unserem Forst noch länger begleiten. Und welche Kraft dieser Sturm hatte, sieht man auch daran, dass ein Teil der Wurzel einfach abgebrochen ist.
Die Wurzel, wie sie da ist, steht eigentlich auf dem Kopf. Auch das ist ein Zeichen dafür, dass die Zeit, die wir gerade erleben, nicht unbedingt „kuschelig“ oder behaglich ist. Dieses Virus hat auf der ganzen Welt vieles einfach auf den Kopf gestellt. An Vieles haben wir uns inzwischen gewöhnt oder wir haben uns damit arrangiert. An Manches dürfen und werden wir uns aber nicht gewöhnen. Es muss wieder anders werden, es braucht auch wieder ein Stück Normalität dessen, was Menschen zum Leben auch brauchen, wie etwa das Pflegen von persönlichen Kontakten und Begegnungen.
Auch wenn uns als Klostergemeinschaft die Einschränkungen ebenfalls treffen, so muss uns doch bewusst sein, dass viele Menschen um uns herum darunter wirklich zu leiden haben und es sie viel härter trifft als uns, weil wir in gewisser Weise in unserem Kloster auf einer Art Insel der Seligen leben dürfen.
Die Wurzel erinnert uns auch an ein Element des Glaubens. Vor wenigen Tagen haben wir bei der Schriftlesung bei Tisch aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer gehört: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“ Auch Menschen haben und brauchen Wurzeln. Menschen können durch Erlebnisse auch buchstäblich entwurzelt werden. So könnte es für uns in der Adventszeit eine Aufgabe sein, nach den Wurzeln unseres Lebens und unseres Glaubens zu suchen und zu fragen, wie sie heißen und wo sie sind, aber auch das in den Blick zu nehmen, wo Wurzeln abgebrochen oder wo wir selber irgendwie entwurzelt sind, als Gemeinschaft und als jeder Einzelne. Vielleicht können wir im Advent Wurzelarbeit betreiben und wieder so etwas wie neue Wurzeln ausbilden und Wurzeln schlagen.
Damit die Adventszeit, die nun vor uns liegt, in diesem Sinne eine gute und eine gesegnete Zeit wird, wollen wir jetzt diese Wurzel mit den vier Kerzen und den grünen Zweigen, die darunter liegen, segnen.
Wir sagen euch an den lieben Advent. Wir sagen euch an eine heilige Zeit. Machet dem Herrn die Wege bereit!
Etwas in der Hand haben – L: Joh 3,1-3
Ev: Mt 5,1-12a
Liebe Schwestern und Brüder!
„Können Sie mir sagen, was das für ein Heiliger ist?“ Diese Frage wird mir manchmal von Besuchern unserer Basilika gestellt und sehr oft bezieht sich diese Frage auf diese Figur hier vorne unmittelbar vor dem Altarraum. „Können Sie mir sagen, was das für ein Heiliger ist?“
Wissen Sie, was das für ein Heiliger ist? Haben Sie ihn sich schon einmal genau angeschaut? Wenn Sie ihn von Ihrem Platz aus sehen können, dann schauen Sie ihn sich mal an. Vielleicht fällt Ihnen auf, dass er etwas Seltsames in der Hand hat. Er hält eine Winde in der Hand. Oft wird diese Winde so gedeutet, dass sie auf sein Martyrium hinweist. Es ist der heilige Erasmus, dem der Legende nach die Gedärme bei lebendigem Leib aus dem Körper gezogen worden sind. Eine andere Legende erzählt, dass er auf einem Boot, das durch einen Sturm in Seenot geraten war, die Ruhe bewahrte und durch sein Gebet die Besatzung und alle Passagiere aus dieser Not rettete.
„Können Sie mir sagen, was das für ein Heiliger ist?“ Wie erkennt man also einen Heiligen? Man erkennt ihn an seinen Attributen. Menschen haben den Figuren, sei es nun plastisch oder bildlich, immer etwas in die Hand gelegt, was für ihr Leben und ihren Glauben charakteristisch gewesen ist. Und an dem, was man ihnen bei ihrer Darstellung in die Hand gelegt hat, kann man sie erkennen, wenn man um ihre Geschichte weiß.
Man könnte auch die Attribute einfach austauschen und sie der Figur auf der anderen Seite in die Hand geben, dann würde aus dem heiligen Bonifatius ein Erasmus und umgekehrt. So einfach und schnell würde das gehen.
Heilige haben also etwas in der Hand! „Etwas in der Hand haben“ muss sich nicht nur auf Gegenstände beziehen, sondern „etwas in der Hand haben“ ist in unserer Sprache auch eine Formulierung dafür, dass Menschen Macht haben. Macht, mit der sie etwas beeinflussen und verändern können. Menschen können etwas bewirken durch ihr Dasein und ihr Sosein.
Heute am Fest Allerheiligen denken wir vor allem an solche Menschen, die nicht unbedingt mit Gegenständen in den Händen dargestellt und abgebildet werden oder die auf einem Postament stehen, sondern wir denken an unzählig viele Menschen, die sich dessen bewusst waren, dass sie etwas in der Hand hatten. Und was sie in der Hand hatten, nämlich mit ihrer Geschicklichkeit, wie immer die auch ausgesehen haben mag, die Geschicke der Welt, sei es im Großen und im Kleinen, und ihre Zeit zu gestalten, manchmal auch zu lenken oder zu verändern. Man könnte es auch so sagen: Heilige haben die Herausforderungen, die ihnen das Leben gestellt und manchmal auch zugemutet hat, angenommen. Ob es ihnen gelungen ist oder eher nicht, ob sie mit ihrem Tun oder ihren Bemühungen Erfolge hatten oder gescheitert sind, das ist zuerst gar nicht so wichtig. Wichtig ist vielmehr, dass sie Verantwortung mit ihrem Leben und für ihr Leben übernommen haben.
Liebe Schwestern und Brüder, etwas in der Hand haben. Wir haben etwas in der Hand, wir haben alle etwas in der Hand, alleine dadurch, dass wir leben, dass wir jetzt leben, in dieser Zeit und an diesem Ort. Jeder von uns hat seine ganz persönlichen Fähigkeiten, die er einsetzen darf und auch einsetzen muss.
Es kommt aber auch darauf an, wie ich das tue, mit welcher Absicht und aus welcher Motivation heraus. Es gibt auch so etwas wie eine kriminelle Energie, die darauf angelegt ist, anderen zu schaden und im letzten auch sich selber. Darum wusste auch Jesus.
Wenn ich an das Evangelium denke, das immer am Allerheiligentag vorgelesen wird, dann gibt Jesus in den Seligpreisungen genau die andere Richtung vor. Es ist eine Richtung, die zuerst den anderen im Blick hat, im Letzten aber auch uns selber. Es geht darum die Herausforderungen anzunehmen und anzugehen, auch wenn das Glück nicht immer gleich auf der Hand liegt: Selig die Armen, selig die Hungrigen, selig die Traurigen. Ist das erstrebenswert?
Niemand wünscht sich arm zu sein, aber unser Leben und unser Glück hängen nicht am Besitz bestimmter Gegenstände.
Niemand wünscht sich hungern zu müssen, aber wir alle wissen, wenn wir statte Menschen sind, dann werden wir nichts mehr bewegen und es wird sich irgendwann nichts mehr bewegen.
Niemand wünscht sich traurig zu sein, aber trauern ist auch eine Fähigkeit und eine Möglichkeit mit Verlusten umgehen zu lernen.
Etwas in der Hand haben. Wir alle haben etwas in der Hand.
Liebe Schwestern und Brüder, in diesem Jahr feiern wir Allerheiligen irgendwie ganz anders. Vor allem heute Nachmittag beim Gedenken auf den Friedhöfen wird das spürbar und sichtbar werden. In der Andersartigkeit, die uns auferlegt und verordnet ist, spiegelt sich auch die Verantwortung, dass wir es in der Hand haben, wie es in den kommenden Wochen und Monaten weitergeht. Die ganze Welt sieht sich einer Herausforderung gegenüber, die es so noch nie gegeben hat. Ob das stimmt wage ich nicht zu beurteilen. Vielleicht sind wir es nur nicht mehr gewohnt, dass Gesundheit und Wohlergehen nicht nur eine Frage der Medizin und der Medikamente sind, sondern dass Gesundheit und Wohlergehen jeder Einzelne zuerst selber in der Hand hat.
„Können Sei mir sagen, was das für ein Heiliger ist?“ Wissen Sie noch, was das für ein Heiliger ist? Was er in der Hand hat und warum er es in der Hand hat?
Gott, du schenkst uns die Freude am heutigen Fest die Verdienste aller deiner Heiligen zu feiern. Erfülle auf die Bitten so vieler Fürsprecher unsere Hoffnung und schenke uns dein Erbarmen. Oder sollten wir es heute mit anderen Worten sagen:
„Schenke uns eine glückliche Hand für unser Leben und das Zusammenleben der Menschen auf dieser Erde.“ Wir alle haben es in Hand!
L: 1 Kor 15,20-27a
Ev: Lk 1,39-56
Liebe Schwestern und Brüder!
Etwas auf den Punkt bringen, wie wir sagen, ist alles andere als leicht und irgendwie auch eine Kunst.
Etwas auf den Punkt bringen. Manche können das einfach, andere müssen es womöglich mühsam lernen, das, was schwierig, komplex oder kompliziert, außerdem vielleicht auch noch langwierig oder langatmig ist, mit wenigen und sogar ganz einfachen Worten zu sagen, es eben auf den Punkt bringen.
Im Nachrichtengeschäft, aber nicht nur da, ist es überlebenswichtig, damit Informationen und Inhalte an den Mann oder die Frau gebracht werden und zugleich Interesse geweckt wird, weiter zu lesen, zu hören oder zu schauen.
Etwas auf den Punkt bringen. Als ich gestern die Zeitungen aus dem Briefkasten geholt habe, da musste ich an diesen Ausspruch und diese Fähigkeit denken, weil ich auf der Titelseite der Süddeutschen Zeitung folgendes las „Testen und Hoffen“. Ich glaube ich muss nicht lange erklären, worum es im folgenden Artikel, der sich über die halbe Seite erstreckte, ging. Vielleicht genügt zur letzten Sicherheit noch der Hinweis auf das Bild, mit dem diese Worte unterlegt waren: Ein Wattestäbchen mit einem langen Stil und eine Spritze. Testen und Hoffen.
Viele Menschen lassen sich in diesen Tagen testen oder müssen sich testen lassen. Sie halten sich mehr oder weniger gut an die Verordnungen, trotzdem steigen die Ansteckungszahlen und ein ausgereifter Impfstoff ist immer noch nicht so recht in Sicht. Am Schluss des Textes wird süffisant die Frage gestellt: Und was ist in Bayern los?
Dazu könnte man sicher viel sagen und manche tun es auch, je nachdem, wen sie fragen. Und was ist in Bayern los? Ich möchte versuchen, es so auf den Punkt zu bringen: Wir feiern ein Fest!
Wir feiern heute ein Fest. Es ist aber keine verrufene Party, die die Behörden aber auch andere Menschen so sehr fürchten, sondern wir feiern ein Fest, das man auch so auf den Punkt bringen könnte: Testen und Hoffen. Das heutige Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel ist ein Test. Es ist kein Test, an dessen Ende ein Ergebnis positiv oder negativ, infiziert oder nicht infiziert steht, sondern es ist ein Test unserer Hoffnung, unserer Hoffnung für das Leben und darüber hinaus.
Es geht bei unserem Fest nämlich um Leben und Tod, eine Thematik die durch dieses Virus wieder neu, allerdings ein bisschen anders in das Bewusstsein der Menschen gerückt ist und damit für Verunsicherung sorgt. Der Tod ist wieder ein Stück unberechenbarer geworden, selbst in unserem Land, das mit einem hohen medizinischen technischen Standard, den Tod ganz gut in den Griff bekommen hatte.
Leben und Tod. Der Abschnitt aus dem ersten Brief des Apostels Paulus, den wir in der Lesung gehört haben, spricht eine Sprache, die in diesen Zeiten auf etwas andere Ohren treffen könnte: Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden.
Es geht in diesen Zeilen des Paulus nicht um eine Infektionskette, die man bis ganz an den Anfang, fast sozusagen bis zu Adam und Eva zurückverfolgen möchte und könnte, sondern es geht heute um eine Hoffnungskette, die ihren Ursprung in Jesus Christus hat und in die sich viele Menschen eingeklinkt und sich ihr durch den Glauben angeschlossen haben. Maria ist ein wichtiges und starkes Glied in dieser Hoffnungskette.
Das heutige Fest ist ein Test unserer Hoffnung, die sich nicht an der Erforschung von Impfstoffen und Medikamenten festmachen lässt oder gar damit erledigt. Auch wenn es diese Dinge hoffentlich bald geben wird, so bleibt die Zäsur des Todes auch danach und trotz all der Medikamente eine Wirklichkeit.
Testen und hoffen! Was sind unsere Hoffnungen? Was ist meine Hoffnung? Haben wir überhaupt eine Hoffnung oder sind es lediglich Wünsche, die man sich leisten und erfüllen kann. Hoffnung bewährt sich im Leben. Erfüllen wird sie sich erst im Tod. Davon erzählt der Abschnitt mit dem Magnifikat aus dem Lukasevangelium, der immer an diesem Fest vorgelesen wird. Darin erfahren wir von den Hoffnungen, die das Leben von Maria prägten, die sich aber auch in ihrem Leben bewähren mussten, dass Gott ein Retter ist, dem das Leben der Menschen nicht gleichgültig ist, der auch „Niedriges und Unbedeutendes“ wertschätzt und zur Geltung bringen kann. Erfüllt hat sich diese ihre Hoffnung letztlich aber erst im Tod.
Liebe Schwestern und Brüder, oft konnte und habe ich an diesem Festtag von Erlebnissen und Eindrücken aus meinen Urlaubstagen erzählt. Heute muss ich sagen, dass in diesem Jahr der Urlaub ein Test für mich war. Er war ein Test für meine Hoffnung. Manche wissen es, genau heute vor zwei Wochen ging das Leben meines Vaters nach kurzer schwerer Krankheit plötzlich und unerwartet zu Ende. Wenige Tage vorher hatte er mich noch zum Bahnhof gebracht.
Bei jeder Beerdigung bete ich, wie oft ich das schon getan habe, weiß ich nicht mehr: Lasst uns auch beten für den aus unserer Mitte, der als Nächster dem Verstorbenen vor das Angesicht Gottes folgen wird. Schenke uns Reue und Umkehr. Jeder weiß, dass es diesen Nächsten gibt und geben wird. Doch meistes ist der oder die weit weg. Vor zwei Wochen war er mir sehr nah.
Vieles ist mir auf der Intensivstation der Unfallklink Murnau durch den Kopf gegangen, auch die Frage, die mir als Seelsorger immer wieder gestellt wurde und wird: Was würden Sie tun? Was würden Sie tun, wenn die Situation eintritt, in der das Leben eines Menschen an den Punkt gekommen ist, wo wir sagen: „Das ist doch kein Leben mehr“ und Entscheidungen über Leben und Tod getroffen werden müssen. Das ist die andere Seite des medizinischen Fortschritts, der den Tod zwar hinausschieben, aber letztlich nicht verhindern kann. Diese Frage, was ich tun würde, habe ich immer so beantwortet: „Ich weiß es nicht, es kommt auf die Situation an.“
Ich und meine Familie mussten vor zwei Wochen diese Entscheidung nicht treffen, die hat ein anderer getroffen. Die Entscheidung wurde uns abgenommen, aber die Antwort auf die Frage nach der Hoffnung die bleibt, die kann uns, die kann mir keiner abnehmen.
Hoffen und Testen. Diese Hoffnung sozusagen auf den Punkt zu bringen ist gar nicht so leicht. Ich gebe zu, dass ich sie nicht einfach aus dem Ärmel schütteln kann, sondern dass ich sie ein Stück weit lernen muss, vielleicht wieder lernen muss, denn die Zeit zwischen dem Abschied am Bahnhof und dem Wiedersehen auf der Intensivstation war sehr kurz und auch einseitig, denn er war nicht mehr ansprechbar.
So möchte ich versuchen, mich mit dem heutigen Fest in diese Hoffnungskette einzugliedern, die von vielen Menschen eben auch von Maria zusammengehalten wird und es so auf den Punkt bringen: Heilige Maria Muttergottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes. Amen.
Pfingsten, 31.05.20 L: Apg 2,1-11
Ev: Joh 20,19-23
Liebe Schwestern und Brüder!
Sprache ist eine Möglichkeit, wie Menschen zueinander in Kontakt treten und wie sie Kom-munikation pflegen können. Sprache ist und kann aber noch viel mehr. Sprache ist in gewisser Weise auch ein Spiegelbild dessen, was Menschen beschäftigt, was sie umtreibt, was sie den-ken und was sie fühlen. So spricht ein Mensch, der gut gelaunt, freudig gestimmt oder gar verliebt ist, anders als einer, der traurig oder voller Ärger ist. Es gibt darüber hinaus aber auch so etwas wie Modeworte, die das wiedergeben, was über einen gewissen Zeitraum bei Men-schen in und dann wieder out ist. „Wovon das Herz voll ist, davon spricht der Mund“, so bringt es diese Redewendung auf den Punkt.
Das, was wir gerade mit der Pandemie erleben, spiegelt sich auch in der Sprache wider. Nicht nur, weil alle davon sprechen und es andere schon nicht mehr hören können, sondern auch in den Begriffen, die verwendet werden. Mir ist dabei ein Begriff aufgefallen, den die Umstände zwar nicht hervorgebracht haben, den sie aber durchaus fördern, nämlich „Der Unsichtbare Feind“. Dieses Virus, ja Viren insgesamt, sind unsichtbare Feinde, die Menschen als Bedrohung erleben und erfahren, die ihnen gefährlich werden und die Unsicherheit und auch Angst auslösen oder zurücklassen können.
Der unsichtbare Feind. Wenn es einen, diesen unsichtbaren Feind gibt, gibt es dann so etwas wie einen „unsichtbaren Freund“, auch wenn Freund und Freundschaft doch viel mit genau kennen und darum wissen zu tun hat?
Der unsichtbare Freund. Heute an Pfingsten denken wir an den Heiligen Geist, wir feiern den heiligen Geist. Wenn man Menschen, vor allem Kinder, fragt, was einen Geist ausmacht, dann werden wir von den meisten zu hören bekommen, dass ein Geist vor allem eines ist, nämlich unsichtbar. Egal ob es sich um einen heiligen Geist handelt oder nicht.
Vielleicht ist es eine Möglichkeit, dem Pfingstfest und damit dem heiligen Geist auf die Spur zu kommen, wenn wir ihn als „unsichtbaren Freund“ bezeichnen und betrachten. Der Heilige Geist, unser unsichtbarer Freund.
Dieser Kontrast zwischen einem unsichtbaren Feind und einem unsichtbaren Freund wird in der Lesung aus der Apostelgeschichte besonders deutlich. Darin war davon die Rede, dass am 50-sten Tag, also am Pfingsttag sich alle am gleichen Ort befanden. In Zeiten des unsichtbaren Feindes, Corona, wird so eine Situation nicht nur unbehaglich, sondern wahrscheinlich bedrohlich auf die Menschen wirken. Sollen wir doch vor allem größere Menschenansamm-lungen meiden und darauf verzichten, bis in unsere Gottesdienste hinein.
Alle befanden sich am gleichen Ort. Hier aber ist kein unsichtbarer Feind, sondern ein unsichtbarer Freund am Werk, auch wenn von einem heftigen Sturm und einem Getöse erzählt wird. Die Menschen fürchten sich nicht, sie können ihre Angst hinter sich lassen, sie fühlen sich nicht bedroht oder gefährdet, sondern geborgen und verbunden, weil sie nicht nur die gleiche Sprache sprechen und Sprache verstehen, sondern einander verstehen. Einander verstehen, das kann selbst dann gelingen, wenn Menschen verschiedene Sprachen sprechen. Sie können einander verstehen, wenn so ein unsichtbarer Freund mit dabei ist. Wir sagen dazu gerne: Wenn die Chemie stimmt.
Der unsichtbare Freund ist auch am Werk im Abschnitt des Evangeliums, als Jesus zu seinen Freunden kommt, die sich eingesperrt hatten. Er spricht ihnen diesen Heiligen Geist zu, er sichert ihnen seine Freundschaft zu. So können sie ihre Angst hinter sich lassen und sperren die Türen wieder auf.
Der Heilige Geist, ein unsichtbarer Freund. Wo dieser unsichtbare Freund zugegen oder mit dabei ist, da hat Vieles eine Chance, da kann Vieles gelingen. Da gibt es das, was wir Einheit nennen, Klarheit, Treue, Wahrheit, Frieden, Liebe und vieles Andere mehr, so dass Leben gelingen und auch als schön erfahren werden kann, weil man spürt, dass Wirklichkeit mehr ist als das, was man sehen kann.
Liebe Schwestern und Brüder, in diesen Tagen musste ich immer wieder an eine Firmung für Menschen mit Behinderung denken, die ich vor ein paar Jahren gehalten habe. In der Predigt habe ich versucht, den jungen Menschen den Heiligen Geist so zu erklären, dass man Angst überwinden kann, weil jemand da ist, dem man vertraut. Dass jemand da ist, dazu brauche ich ihn nicht unbedingt sehen, ich kann ihn auch hören, ich kann ihn spüren, ich kann ihn vielleicht sogar riechen. So habe ich die Brücke zum Chrisam, mit dem die Firmlinge gesalbt werden, zu bauen, das eben gut riecht.
Nach der Firmung hat mir der Pfarrer gesagt, dass ich sehr mutig war, weil ich mit den Firm-lingen gesprochen und sie etwas gefragt habe. Mir war zuerst gar nicht klar, wie er das meinte. Worauf er schmunzelnd erklärte: Der letzte Firmspender wollte nämlich von den Firmlingen auch etwas wissen, nämlich warum er diesen besonderen Hut, also die Mitra aufhat. Worauf einer dieser Firmlinge aus dem Hintergrund gerade heraussagte: „Weil’st a Angeber bist.“
Liebe Schwestern und Brüder, Sie haben es gehört oder gelesen, am vergangenen Donnerstag haben mich meine Mitbrüder für weitere 12 Jahre als Abt gewählt und deshalb trage ich auch die Mitra als Zeichen dieses Amtes. Es ist auch gut in manchen Funktionen jemanden zu ha-ben, der einem sagte, jetzt tu die Mitra mal wieder runter oder das braucht es jetzt. Auch so ein „Eitelkeitsbeauftragter“ das kann ein geistgewirkter unsichtbarer Freund im Hintergrund sein.
Der Heilige Geist, der unsichtbare Freund, unser unsichtbarer Freund, mein unsichtbarer Freund. Oder anders ausgedrückt, mit den Worten einer Theresia von Avila:
Ob wir Gott lieben, das kann man nicht wissen.
Aber ob wir den Nächsten lieben, das merkt man.
Ich glaube in dieser Beziehung haben uns Menschen mit Behinderung oft viel voraus.
Kreuzfest, 03.05.20 L: Num 21,4-9
Ev: Joh 3,13-17
Liebe Mitbrüder!
Zu forschen ist nicht nur eine Fähigkeit oder eine Leidenschaft von uns Menschen, sondern das Forschen und Erforschen ist auch eine Aufgabe, die uns mit in unser Leben gegeben ist und zugleich Ausdruck unserer Würde als Mensch, an dieser Welt mit bauen und gestalten zu dürfen. Zu allen Zeiten haben Menschen geforscht. Die Menschheitsgeschichte ist immer auch eine Forschungsgeschichte, mit ihren Errungenschaften und den „Fehlschlägen“. In diesen Tagen, die wir gerade erleben oder durchmachen, ist die Forschung dringlich gefordert, ja eigentlich unter Druck, um Medikamente, ein Gegenmittel oder einen Impfstoff gegen dieses Virus zu finden. Mit einem Augenzwinkern könnte man sagen: Es wird gerade geforscht „auf Teufel komm raus“.
So betrachtet könnte man den Abschnitt aus dem Buch Numeri, den wir meistens an unseren Kreuzfesten zu hören bekommen und auch heute gehört haben, in diese Forschungsgeschichte einreihen. Mose hat etwas gefunden, das hilft, auch wenn Gott den entscheidenden Tipp gegeben hat. Mose hat ein Gegenmittel gegen das Gift der Schlangen: Wenn jemand von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb er am Leben. Er war gerettet. Ein voller Erfolg!
Das Geheimnis von Forschung liegt darin, dass sie nicht stehen bleibt, sich nicht auf den Erfolgen ausruht, sondern dass sie immer weiter geht, sich weiterentwickelt, dass sie an und mit den Herausforderungen wächst. Auch das haben wir heute im Evangelium gehört: Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm das ewige Leben hat. Damit er gerettet wird. Ein Erfolg!
Was wird der nächste Schritt in unseren Tagen sein? Wer wird den entscheidenden Tipp geben?
Um in der Forschung zu einem Ergebnis zu kommen, muss man meistens vorne, ganz vorne anfangen. „Ur-Sache“ nennt man einen solchen Anfang. Was ist oder was war die Ursache? Auch das wollen die Forscher unserer Tage herausfinden, um zu einem Erfolg zu kommen.
Eigenartigerweise kommt zu diesem Begriff der Ursache noch ein anderer Begriff hinzu, der im Leben von uns Menschen auch immer eine Rolle spielt, nämlich der Begriff der Schuld. Was ist schuld? oder Wer ist schuld? Die Ursache kann auch ein fehlerhaftes oder schuldhaftes Verhalten sein. Alle Augen richten sich in der Frage nach der Schuld gerade nach China. An Vorwürfen wird nicht gespart und manche wissen es ganz genau: Die sind schuld!
Die Beantwortung der Schuldfrage entscheidet nicht nur darüber, in welche Richtung die Forschung gehen wird, sondern sie entscheidet auch darüber, wohin ein Leben gehen, wie es sich weiter entwickeln wird: Die sind schuld! Der ist schuld! oder: Ich bin schuld! Beide Antworten können im Extremfall sehr hinderlich für eine gute Entwicklung zum Heil sein.
Am bekanntesten und vielleicht am einfachsten ist es wahrscheinlich, die Schuld von sich zu weisen und bei den anderen zu suchen. „Die sind schuld, der ist schuld!“ Dazu werden uns viele Beispiele einfallen, vielleicht auch aus dem eigenen Leben, wo immer die anderen schuld sind. Irgendwann wird es aber so nicht mehr weiter gehen, weil es nicht stimmt.
Das andere aber gibt es auch. Im alten Scheyrer Psalter findet sich im Psalm 36 folgender Vers, der mir immer noch in Erinnerung ist: Er gefällt sich darin sich schuldig zu finden und zu hassen. Ich bin schuld! Und es ist sogar irgendwie auch schön und gut. Wohin wird eine solche Lebenseinstellung führen?
„Was ist doch wohl die Ursach solcher Plagen“, heißt es in dem Passionslied „Herzliebster Jesu, was hast Du verbrochen?“
Wer ist schuld? Was ist schuld? Diese Frage schwingt bei jedem Kreuzfest mit. Und uns werden auch immer verschiedene Antworten angeboten.
Die eine Antwort ist die, die auf dem oberen Balken unseres Scheyrer Kreuzes steht: „Jesus von Nazareth, der König der Juden“ oder wenn es nach dem Willen der Pharisäer gegangen wäre „dass er gesagt hat, er sei der König der Juden“. Und es gibt die Antwort aus dem heutigen Evangelium: „Denn so sehr Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat“.
So sehr hat auch Gott die Welt geliebt.
So sehr hat Gott den Menschen geliebt.
So sehr hat Gott mich geliebt.
Mit dieser Antwort darf ich auch schuldig werden, aber ich muss nicht immer schuld sein. Nur ehrlich muss ich dabei sein. Das ist ein wichtiger und wesentlicher Bestandteil der Forschung, die wir auch Gewissenserforschung nennen.
Das Ergebnis von Forschung ist oft technische Errungenschaften, mit denen wir ganz selbstverständlich umgehen. Auch das Kreuz wird oft mit solchen technischen Errungenschaften verglichen. Vielleicht ist es uns schon einmal aufgefallen, was wir in unseren Liedern singen: „Du bist die sichre Leiter. Du bist die starke Brücke.“ oder „Heilges Kreuz du bist der Mastbaum, der ein teures Segel trägt.“
Ich möchte schließen mit einem Text von Silja Walter, die einen anderen technischen Begriff ins Spiel bringt. Einen Begriff, den wir aus unserer technisierten Lebenswelt gut kennen. Es ist der Kran.
Kreuz des Herrn, du dunkler Kran,
hebst die Welt nach Gottes Plan aus dem Tod ins Leben.
Ziehst den Menschen aus dem Schacht,
deine Arme haben Macht ihn ins Licht zu heben.
Gottes Herrlichkeit und Kraft,
drängt aus deinem roten Schaft in die Kontinente.
Alle Welt, die dich umkreist,
wird durchglüht von Christi Geist, braust, als ob es brenne
Christi Kreuz du hebst ihr Nein,
in das Ja des Herrn hinein, und sie wird dich sehn.
Wenn er kommt am End der Zeit,
wirst du voller Herrlichkeit groß am Himmel stehen.
Forschen wir gewissenhaft, ehrlich liebevoll und lassen wir uns von diesem Kran ins Leben heben, vom Tod ins Leben, aus dem Nein ins Ja, aus dem Dunkel in das Licht, aus der Vergänglichkeit in die Herrlichkeit.
Liebe Leserinnen und Leser,
liebe Schwestern und Brüder!
Zum 20-igsten Mal darf ich heuer als Priester die Osternacht feiern. Ein Moment, der mich jedes Jahr bewegt ist der, wenn nach dem Ruf „Christus ist glorreich erstanden vom Tod. Sein Licht vertreibe das Dunkel der Herzen“, die am Osterfeuer entzündete Osterkerze in die dunkle Kirche getragen wird und wir mit den mitfeiernden Menschen das Licht teilen. Ganz langsam füllt sich unsere Scheyrer Basilika dann mit Licht. Sie wird hell.
In diesem Jahr werden wir uns schwertun, unsere Kirche mit Licht zu füllen und auszuleuchten. Die Umstände bringen es mit sich, dass wir Mönche ganz unter uns sein werden. Trotzdem teilen wir Licht, auch wenn wir es nicht schaffen werden, den Kirchenraum so hell zu bringen, wie in all den Jahren zuvor.
Wie sich das anfühlen wird, in der Osternacht so alleine zu sein, weiß ich noch nicht. Es wird für uns genauso eine interessante, aber hoffentlich einmalige Erfahrung wie für die Menschen, die kommen wollen, aber nicht kommen dürfen. Wir wissen uns aber mit vielen Menschen verbunden, auch wenn sie nicht persönlich anwesend sein können. Vielleicht wirkt die Basilika in dieser Verbundenheit gar nicht mehr so dunkel.
In den letzten Tagen ist mir mit Blick auf diesen Moment in der Osternacht immer wieder ein Lied durch den Kopf gegangen, welches sich in diesen Tagen fast kurios anhört und Menschen sogar erschrecken könnte. Es beginnt so: „Einer hat uns angesteckt.“ Wer dieses Lied kennt oder selber schon gesungen hat, weiß, dass hier nicht die Ansteckung mit einer Krankheit gemeint ist, aber harmlos ist sie trotzdem nicht, denn eine Ansteckung hat Auswirkungen auf das Leben. „Einer hat uns angesteckt mit der Flamme der Liebe. Einer hat uns aufgeweckt und das Feuer brennt hell.“
Die Osterkerze wird entzündet, sie wird angesteckt. Und dieses Licht wirkt ansteckend, es breitet sich aus, im Kirchenraum und weit darüber hinaus. Dieses Licht wird weitergetragen und es beginnt zu leuchten, es macht Dunkelheit und Finsternis hell. In diesem Jahr konnten wir das in den Wochen auf Ostern hin bereits wahrnehmen.
Die Ausbreitung des Virus auf der ganzen Welt lässt uns manches anders sehen, in einem anderen Licht erscheinen. Was bisher oft ein Schattendasein geführt hat, rückt plötzlich ins Rampenlicht der Medien und der öffentlichen Aufmerksamkeit. Manche Berufe und Tätigkeiten, die es in unserem Wirtschaftssystem eben auch gab, werden plötzlich „systemrelevant“ und werden wieder mehr geschätzt als in „normalen Zeiten“. Ich hoffe, dass die Menschen in den Pflegeberufen, alle, die in Geschäften und anderorts dafür arbeiten, dass der „Laden noch läuft“, davon auch etwas spüren dürfen. So möchte auch ich Danke sagen, angefangen bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bis hin zu denen, die auch über die Feiertage arbeiten. Ich denke aber auch an alle, die gerne arbeiten würden, es aber jetzt nicht dürfen.
„Einer hat uns angesteckt.“ Ansteckend sind nicht nur Krankheiten, auch ein Lächeln kann anstecken, genauso wie Hilfsbereitschaft, Wertschätzung, Achtsamkeit oder Dankbarkeit.
„Einer hat uns angesteckt mit der Flamme der Liebe und sein Feuer brennt hell.“ Christen und alle Menschen guten Willens sind Hellmacher, und doch keine Brandstifter. „Wer sich selbst verliert, wird das Leben finden. Wer die Freiheit spürt, kann sich selber finden.“ So heißt es weiter in diesem Lied.
So verbinde ich mit dem Weitergeben und dem Weitertragen des Lichtes in dieser Ausnahmesituation die Hoffnung, dass wir Menschen merken, wir werden den Kampf gegen diese Krankheit und alle anderen Krankheiten nur miteinander gewinnen können, wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt. Wir werden die Probleme der Welt nur gemeinsam lösen und nicht gegeneinander. Deshalb sollen wir uns eben nicht anstecken lassen von Angst, Vorurteilen, Neid oder Hass gegen andere. Alle, die ganze Welt ist doch betroffen, und jeden von uns kann es treffen. „Wer betroffen ist, wird das Wort neu sagen. Wer sich selbst vergisst, kann auch Lasten tragen. Einer hat uns angesteckt mit der Flamme der Liebe. Einer hat uns aufgeweckt und sein Feuer brennt hell.“ So singt das Lied in einer weiteren Strophe.
In den letzten Tagen hätte ich wie jedes Jahr und das Jahr hindurch alte und kranke Menschen besucht. Um niemanden zu gefährden, habe ich das „Krankenblättchen – nicht nur für Kranke“ ihnen mit der Post zugeschickt. In ein paar dazu geschriebenen Zeilen habe ich wie immer auf die letzte Seite hingewiesen, auf der die Witze abgedruckt sind, damit wir in diesen Zeiten das Lachen nicht verlernen.
Einen dieser Witze möchte ich an dieser Stelle erzählen und Ihnen in diese österlichen Tage mitgeben. „Ein Azubi, also ein Lehrling, rettet seinen Chef vor dem Ertrinken. Als dieser aus dem Krankenhaus wieder entlassen wird, lässt er den Azubi zu sich kommen, um sich in aller Form bei ihm zu bedanken. Er sagt zum Azubi ganz feierlich: Jetzt hast du aber einen Wunsch frei! Darauf der Azubi: Ja, bitte sagen sie niemandem, dass ich ihnen das Leben gerettet habe.“
Liebe Leserinnen und Leser! Doch, sagen wir es weiter! Sagen wir es weiter, dass Christus mit seiner Botschaft vom und für das Leben und in seiner Auferstehung Leben gerettet hat und immer noch retten kann. Auch unser Leben, auch mein Leben. Seien wir ansteckend mit Lebensfreude und Dankbarkeit für unser Leben. Sagen wir ruhig einfach einmal „Danke“. Es gibt so viele Menschen, die es verdienen, und noch mehr, denen es einfach mal guttut. „Einer hat uns angesteckt mit der Flamme der Liebe. Einer hat uns aufgeweckt und das Feuer brennt hell.“ Das wünsche ich Ihnen, denn „Christus ist glorreich erstanden vom Tod. Sein Licht vertreibe das Dunkel der Herzen.“
Evangelium: Joh 11,1-45
Liebe Schwestern und Brüder!
„Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.“ Diesen Satz haben wir in der Vorbereitung als zentralen Satz herausgefiltert. Es ist ein Satz, der zweimal in der sehr langen Perikope vorkommt, einmal wird er von Marta gesagt, wenig später, ein weiteres Mal von ihrer Schwester Maria. Bei Marta allerdings, bildet dieser Satz nur den ersten Teil, denn gleich darauf heißt es: Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben.
Ich möchte mich zunächst auf den ersten Teil beschränken: Herr, wärst Du hier gewesen. Als Überschrift über diese vierte Fastenpredigt haben wir den Satz geschrieben Wie kann ich angesichts von Leid beten? Das ist eine Frage, die letztlich zu der großen dogmatischen Frage führt, die wir auch Theodizee nennen, denn wir könnten diese Frage erweitern, wir könnten fragen: Wie können wir angesichts von Leid glauben, hoffen, vertrauen. Und es ist eine Frage, die wir nicht der hohen Theologie überlassen dürfen, sondern die uns täglich gestellt wird, ganz aktuell, gerade jetzt in dieser Zeit der Corona-Krise. Menschen sind zutiefst verunsichert, sie fragen nach Gott, und sie finden möglicherweise Antworten, die sich irgendwann einmal in ihr Glaubensgebäude eingenistet haben und von dort nicht mehr weg zu bekommen sind. Eine solcher Fragen heißt: „Wofür bestraft Gott uns?“ – Diese Frage treibt allen Ernstes ehrliche und fromme Christen um. Und wir haben, ich möchte sagen, die Pflicht, ihnen ein solch verdunkeltes Gottesbild zu nehmen. Nein, das ist nicht unser Gott, dieser kleinkarierte Bösewicht, der einen kleinen Virus dazu benutzt, um endlich einmal zu zeigen, wie mächtig er ist und um mal so richtig drein zu schlagen. Menschen sind zutiefst verunsichert, sie haben Angst. Und auf eine Art mit der Angst umzugehen, eine Art, die mir nicht weiterhilft, möchte ich hier kurz eingehen. Auf einem Tageskalender, den viele haben, fand sich vor einigen Wochen folgender Spruch: Im Sturm betet der kluge Mann zu Gott, nicht um Errettung aus Gefahr, sondern um Erlösung aus der Angst. Der Sturm in ihm ist es, der ihn gefährdet, nicht der Sturm draußen. So richtig es manchmal sein kann, was der amerikanische Philosoph Ralph Waldo Emerson hier beschreibt, aktuell und in vielen Lebenssituationen ist es fast ein beleidigender Zynismus. Denn es gibt eine berechtigte und reale Angst, die Angst, mich mit einem tödlichen Virus zu infizieren, die Angst, dass einer meiner Angehörigen gefährdet werden könnte, die Angst, Überträger dieses Virus zu sein, die Angst, dass Menschen die Einsamkeit und die Isolation dieser Tage nicht aushalten und durchdrehen, die Angst, dass mein kleines Unternehmen Pleite geht, weil solange nichts laufen kann, die Angst, meine Existenz zu verlieren.
Herr, wärst Du hier gewesen, so sagt es Marta. Das ist eine Klage, ja, es ist wirklich schade, dass Du so spät gekommen bist, wie sehr hatten wir gehofft, dass Du schnell kommst, dass Du dich beeilst, wie gut wäre das gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben, jetzt ist etwas eingetroffen, was vielleicht zu verhindern gewesen wäre. – Marta klagt, aber in dieser Klage schwingt noch etwas mit, eigentlich steht die Klage nie isoliert als solche da; wer klagt, hat schon einen Adressaten, und zumindest gibt es die vage, die diffuse oder auch die ganz konkrete Hoffnung, dass da jemand ist, der mich hört, der Hilfe sein kann, darum sind auch die Klagepsalmen ein ganz wesentlicher Teil des Gebetsschatzes der Bibel. Marta klagt, aber sie benennt auch ihre Hoffnung: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Und dieses Vertrauen wird noch bestärkt, wenn es weiter heißt: Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben. Der Anfang des Vertrauens vertieft sich im Gespräch mit Jesus zu der Spitzenaussage: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.“ Das ist ein Bekenntnis, das dem Messiasbekenntnis des Petrus in keiner Weise nachsteht: Marta wird hier für alle kommenden Generationen zu einer Lehrerin des Glaubens, und warum man das in der Geschichte der Kirche und der Theologie so wenig betont hat, bleibt mir ein Rätsel. Marta tut dann etwas Weiteres, was sie als qualifizierte Lehrerin des Glaubens ausweist, als Pädagogin, und eigentlich nimmt sie eine Lüge zu Hilfe: Sie ruft ihre Schwester Maria, diejenige, von der wir meinen, dass sie Jesus näher steht, weil sie ihm zugehört hat, weil sie den besseren Teil erwählt hat. Marta muss die Maria herbeirufen, und sie sagt ihr: Der Meister ist da und lässt dich rufen. Das stimmt überhaupt nicht, davon war keine Rede, und der Text beschreibt die Situation sehr ausführlich. Trotzdem gebraucht Marta diese Notlüge, und sie darf es, weil sie davon überzeugt ist: Hier steht Jesus, der Messias, und wenn es irgendjemanden gibt, der dir jetzt in deinem Schmerz helfen kann, dann, Maria, ist es Jesus, und darum ist es völlig legitim, wenn ich, um euch zusammen zu bringen, eine kleine Lüge gebrauche. Marta will und kann ihren Glauben, ihr Vertrauen, ihre Hoffnung nicht für sich behalten, sondern sie will ihn weitergeben. Diese Überzeugung ist da, noch bevor das Zeichen der Auferweckung des Lazarus geschieht, und diese Szene schildert uns ganz nebenbei unsere menschliche Verfasstheit, dass wir uns vorher entscheiden, oft mehr unbewusst als bewusst, ob und wem wir glauben, wem wir vertrauen. Es ist Tatsache, dass das Zeichen nicht ausreicht, dass es nicht überzeugt, nichts beweist und nicht zum Glauben führt, wenn wir nicht auch positiv dieses Zeichen deuten können, wenn wir nicht vorher ein Grundvertrauen entwickeln konnten. Darum ist es so wichtig, dass Menschen gut und auch früh zum Glauben hingeführt werden, und wenn, wie vorhin beschrieben, mein Gottesbild so verdunkelt wurde, dass ich nur den strafenden Gott glauben kann, dann habe ich Schaden genommen. Ich persönlich bin dankbar für eine gute christliche und kirchliche Sozialisation, die ich jedem Menschen wünsche, und ich bedauere es sehr, wenn viele Kinder und Jugendliche heute eine erstarrte Kirche erleben, in denen die Seelsorger und Seelsorgerinnen fehlen, die ihnen und den Familien ganz nahe sind, so wie Marta, die sich bemüht hat, ihre Schwester mit Jesus in Verbindung zu bringen.
Ich möchte darum schließen mit einigen Zitaten von Glaubenszeugen, die etwas zu sagen haben in unsere Zeit, die überzeugt waren von einer Hoffnung, die sie getragen hat auch durch Zeiten des Leidens, und die für uns echte Vorbilder sein können und müssen:
Karl Rahner: „Kann ich nicht sagen, dass ich Recht habe, wenn ich mich an das Licht halte, auch wenn es klein ist, und nicht an die Finsternis, wenn ich mich an die Seligkeit halte, und nicht an die höllische Qual meines Daseins? Wenn ich die Argumente des Daseins gegen das Christentum annehmen würde, was böten sie mir, um zu existieren? Die Tapferkeit der Ehrlichkeit und die Herrlichkeit der Entschlossenheit, der Absurdität des Daseins mich zu stellen? Aber kann man diese als groß, als verpflichtend, als herrlich annehmen, ohne schon wieder…gesagt zu haben, dass es ein Herrliches und Würdiges gibt? Aber wie sollte es dies geben im Abgrund absoluter Leere und Absurdität?“
Alfred Delp: Das wird die letzte Rühmung des Herrgotts in der Welt sein, dass es Menschen gibt, die alles versinken sehen können, die ihr letztes Herzblut erstarren fühlen und immer noch wissen: Sein Wort gilt… Da legt Gott eine große Frage und eine große Last auf Menschen, denen er vorher eine größere Botschaft und eine größere Kraft gegeben hat. Wenn das nicht der Gottesbeweis dieser Stunde ist, dass wir als Menschen dastehen, die gefestigt sind allein vom Wort des Herrn her und auf ihm stehen und auf keinem anderen Wort, dann hat diese Stunde für den Christen ihren Sinn und ihre Aufgabe verfehlt.
Kaplan Josef Wehrle, der einige Zeit auch in Scheyern gelebt hat, und dessen Schreibtisch in meinem Zimmer steht: Die Heiligen haben gewusst, dass jedes Leid näher zu Gott führt, und haben an dunkle Perioden ihres Lebens die Frage gestellt: Was will Gott jetzt von mir?
Und schließlich Dietrich Bonhoeffer in seinem sehr bekannten Text, das Walten Gottes in der Geschichte, den er im Gefängnis geschrieben hat:
Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandkraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.
Ich glaube, dass auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und dass es Gott nicht schwerer ist mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten.
Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum (Schicksal) ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet. Amen.
Wie kann mein Vertrauen beim Beten wachsen?
„Ich glaube, Herr!“ (Joh 9,38 = Evangelium des 4. Fastensonntag)
Lieber Abt Markus, liebe Brüder im Herrn! – Liebe Leserinnen und Leser!
Zuerst nehmen wir Themen aus dem gerade gehörten Evangelium auf:
+ „Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat; es kommt die Nacht, in der niemand etwas tun kann.“
= D. h.: Es gibt den Punkt wie beim Start des Flugzeugs, den Punkt des no return: Wenn der Arzt sagt, die OP ist unvermeidlich oder wenn ein Partner ausgezogen ist, wenn eine ansteckende Krankheit die Runde macht usw. Dann zu beten: „Ach, lieber Gott, mach das bitte alles wieder gut und rückgängig“ geht nicht. Fürbittgebet hat offensichtlich ein Zeitfenster. „Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat“.
Im Beten wächst das Vertrauen, dass wir die Kraft für unseren Beitrag bekommen, dass wir nicht einem namenlosen Schicksal ausgeliefert sind, sondern unter der Führung von Gottes Geist die richtigen Schritte tun können.
+ Beten bedeutet hier vor allem auch, dass ich mich meinen eigenen Grenzen und Ängsten stelle, weil ich mich vor Gott stellen darf, mit allem was ich bin und was in mir ist. Ich darf kommen, mit oder ohne Schuld: Zum einen hat Jesus damit aufgeräumt, dass Krankheit und Schicksal, im Evangelium die Erblindung, in einem Tun-und-Ergehen-Zusammenhang stehen würden. Zum anderen hat er in seinem Leiden und seiner Kreuzigung Gemeinschaft mit den Menschen, die Dinge erleiden welche sie nicht verursacht haben: „Weder er noch seine Eltern haben gesündigt.“
+ Jesus beurteilt nicht rückwirkend, so ist er nicht, sondern gegenwärtig handeln und Zukunft ermöglichen:
„Das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden.“
Wird es dann auch, mit dem Höhepunkt, dass der Mensch sagen kann: „Ich glaube, Herr!“ und sich niederwirft als Zeichen der Anbetung von Gottes Gegenwart. – Der Mann im Evangelium, blind von Geburt, hatte diese Heilung erlebt. Da lässt sich dann gut sagen: Dieser Mann muss von Gott sein.
Wie aber kann unser Vertrauen beim Beten wachsen?
+ Geschichte vom Sägewerkmitarbeiter, der um einen Mercedes betete: Alle lächelten darüber. Eines Tages kam er mit einem gebrauchten, alten Mercedes: Jemand hatte ihm dieses Auto geschenkt. Vermutlich jemand, der mitbekam, mit welch kindlichem Vertrauen er darum betete. Und statt das Fahrzeug in Zahlung zu geben, kam es zu dem Geschenk.
+ Erhörte Gebete: Alles Zufall? Alles Illusion? Oder nur im Rahmen des Placebo-Effekts? Oder doch das Wirken Gottes! –
Gegenseitige Stärkung ist wichtig:
Glaubenszeugnis eines noch jungen Mannes aus der Nähe, der für sich die Entdeckung des Rosenkranzgebetes machte und nach ein paar Tagen von einer Sucht frei wurde, die ihn schon mehr als ein Jahrzehnt gebunden hatte! Und schon ein halbes Jahr lang währt diese Befreiung, die er selbst so oft erfolglos versucht hatte. Solche Erfahrung gibt es immer wieder, die sind für mich im Einzelnen und in der Summe der Erlebnisse deutliches Indiz, dass beten Situationen verändern kann!
+ Nach Gottes Willen beten: Das Vater Unser nennt einige Themen:
sein Reich der Liebe soll kommen und dass Gott nicht ausgeblendet wird,
um das tägliche Brot,
um Vergebung untereinander,
und Stärke in Versuchungszeiten, Bewahrung vor dem Bösen.
und die Bitte um Arbeiter für den Weinberg Gottes:
„Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter zu senden, denn die Ernte ist groß.“
und die Bitte um den Heiligen Geist:
„Wie viel mehr wird der Vater denen den Heiligen Geist geben, die ihn darum bitten.“
Mein Vertrauen beim Beten wächst, wenn ich mir sicher bin, dass Gott das tun will. Dann ist mein Beten das Abholen dieser Gabe, das Öffnen der Hände, um es in Empfang zu nehmen.
Noch sind wir beim Thema Beten ganz bei den Dingen es praktischen Lebens.
Gott wäre nicht Gott, wenn es nicht auch darüber hinaus wachsen sollte:
+ Letztlich Alles in Gottes Hand legen!
Ein berühmt gewordenes Vertrauensgedicht stammt von Theresia von Avila:
„Nada te turbe, nada te espante“
= Nichts soll dich ängstigen, nichts dich verstören.
„Hier spricht ein Mensch zu sich selbst, in seine Seele hinein.“ Ähnlich, wie beim Psalm 42: „Meine Seele, warum bist du betrübt und bist so unruhig in mir?“
Der so sprechende Mensch steckt in Turbulenzen, etwas Verstörendes, ja Erschreckendes und Beängstigendes macht ihm zu schaffen.
Theresa kam durch ihre Reisen und die Mühen der Neugründungen für sich und ihre Schwestern oft in solche turbulenten Zeiten. Einmal konnten sie nur in ein Haus am Fluss einziehen. Sie nahm es auf sich, sagte aber gleich, dass man weiter suchen müsse, weil man wegen der vielen Mücken nicht hier bleiben könne, der Standort war viel zu ungesund. – Solche Nöte sind der Ausgangssituation, der Sitz im Leben des gesamten Gedichtes.
Es geht weiter: „todo se pasa“ = all das vergeht.
Das erinnert an das griechische Philosophenwort „panta reih“ = „alles fließt, alles ist im Fluss“. Doch damit wird an dieser Stelle nicht gesagt, dass alles seiner Vergänglichkeit wegen geringzuachten sei. Vielmehr sagt sich der Mensch, der in einer Not steckt, dass seine Notsituation vergänglich ist. Und das ist kein billiger Trost, denn der eine Satz geht weiter:
Gott wird dir nicht untreu, geduldiges Harren sucht alles in Ihm,
wer zu Gott sich hinwendet, dem fehlt nichts.“
Das ist jetzt nicht Weltflucht, sondern mitten in der Not einer gegenwärtigen Situation die Vergewisserung: Weil Gott in mir wohnen bleibt, kann er mir Halt geben. Mit demselben Zuspruch sprach schon der Beter im genannten Psalm zu seiner Seele: „Harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, meinem Gott und Retter, auf den ich schaue.“ (Ps. 42,6). Hier ist nicht von jener Art Geduld die Rede, die in einem passiven, gar schicksalsergebenen Aus-Harren besteht. Gemeint ist beide Male ein aktives Hin-Harren zu Gott selbst hin – mitten in der Not, auch wenn sie andauert und eben nicht vorübergeht.
Das Gedicht schließt mit dem Satz „wer zu Gott sich hinwendet, dem fehlt nichts und „Solo dios basta“. Im Deutschen oft als Spruchkarte zu finden in der Übersetzung „Gott allein genügt.“ Der Karmelit Pater Reinhard Körner OCD (Zitate[i] in kursiv) weist darauf hin, dass dieser Ausspruch nicht einseitig verstanden werden darf: Teresa brauchte sehr wohl mehr als nur Gott allein! Was wäre sie gewesen ohne die Schwestern, mit denen sie auszog, um ihr erstes Kloster zu gründen? Oder ohne die Schwester Ana de San Bartolomé, ihre Reisegefährtin, Krankenpflegerin und Sekretärin, ihre Vertraute in allem? Oder ohne Pater Gracián, mit dem sie eine tiefe Freundschaft verband? Und ohne Johannes von Kreuz, ihren „Vater meiner Seele“ [wie sie ihn nannte], über den sie in einem Brief an Schwestern schreibt: „Sie werden nicht glauben, wie einsam mich sein Fehlen macht.“Liebe Schwestern und Brüder, viele erleben in unseren Tagen viel intensiver, was ihnen die nahestehenden Menschen bedeuten: Entweder, weil ein lang ersehnter Besuch ausfallen muss, die Taufe verschoben, eine Reise abgesagt wird. Oder weil auf einmal mehr Zeit miteinander zu Hause verbracht wird, weil all das Rundherum ausfällt. Nachbarschaftliche Hilfen und Beziehungen werden wieder wichtiger, weil das weite Netzwerk des Lebens zusammenschrumpft. Mal wieder einen Brief schreiben, so richtig mit der Hand und liebevoll!
Das ist dann Beziehung um der Beziehung willen, nicht weil ich etwas brauche oder zu etwas einlade.
Genauso ist auch unser Reden mit Gott gemeint: „wer zu Gott sich hinwendet, dem fehlt nichts, solo dios basta“ meint: Bleib nicht bei dem stehen, was du Gott von dir erzählen willst, bleib auch nicht bei dem stehen, was du an Hilfe von ihm erbitten willst. Dieser Schlusssatz des Gedichtes ruft in Erinnerung, dass es nur dann genügt und nur dann nichts mehr fehlt, wenn es um ihn, um Gott selber geht. P. Körner übersetzt daher so: „Gott Seinetwillen lieben – erst das ist genug.“ Denk an ihn, wende dich ihm zu, ihm in Person! Er selbst ist dein Halt! Mit Sören Kirgegaard gesprochen: „Der Helfer ist die Hilfe!“
Liebe Schwestern und Brüder,
damit haben wir unsere Ausgangsfrage erweitert: Von dem Satz:
„Wie kann mein Vertrauen beim Beten wachsen?“
zu: „Wie kann ich mich beim Beten dem Anvertrauen, zu dem ich bete?“
Nur indem wir immer wieder – nicht ohne Mithilfe des Hl. Geistes – diesen Sprung über uns selbst hinaus in Gottes Hand hinein wagen, werden wir wachsen.
Diese besondere Zeit, in der vieles wegfällt, können wir vertun mit endlosen Sorgen oder sich wiederholenden Nachrichten. Besser ist es, eine liegengebliebene Arbeit anzugehen.
Heute am Sonntag werden wir an unseren eigentlich Focus erinnert:
„wer zu Gott sich hinwendet, dem fehlt nichts, solo dios basta“. „Gott Seinetwillen lieben – erst das ist genug.“
[i] „Gott allein“ genügt nicht!, in: zur debatte, Themen der Katholischen Akademie Bayern 3/2015, Seiten 12-16.
- Fastensonntag, 2. Fastenpredigt, 15.03.20
L: Ex 17,3-7
Ev: Joh 4,5-42
Liebe Schwestern und Brüder!
Es sind eigenartige Tage, die wir gerade erleben, vielleicht werden es sogar ein paar Wochen, weil scheinbar nichts mehr so ist, wie es vorher war und weil dieser kleine Virus, den eine Zeitung auf ihrer Titelseite als den „unsichtbaren Feind“ bezeichnet hat, alles durcheinander bringt oder zumindest verschiebt. Menschen müssen ihr Leben anders organisieren, setzen mit einem Schlag andere Prioritäten; Fragestellungen verändern, verschieben sich oder bekommen einen anderen Unterton.
Was bringt mir das? Was habe ich davon? Das ist eine Frage, die Menschen mehr oder weniger laut und offen stellen. Jetzt kommt vielleicht als Unterton hinzu: „Hoffentlich hole ich mir nichts dabei!“ Es kommen Bedenken auf, vielleicht auch ein wenig Angst.
Was bringt mir das? Was habe ich davon? Diese Frage stellen Menschen, und wir müssen sie auch stellen, denn alles was Menschen tun oder auch nicht tun, hat Auswirkungen auf das eigene Leben. Manchmal merken wir das mehr, ein andermal weniger; in diesen Tagen von einer ganz anderen Warte aus.
Was bringt mir das? Was habe ich davon? Wenn Menschen so fragen, dann steht meistens noch etwas im Raum, was wir nicht so leicht zugeben, nämlich, ob wir etwas gern tun oder auch nicht. Wenn mir etwas Freude macht, dann werde ich nicht lange nachdenken und fragen, ob und was es mir bringt, dann tue ich es, ob der Nutzen groß ist oder auch nicht, dann ist die Freude, vielleicht auch die Befriedigung Nutzen genug. Wenn ich etwas aber am liebsten wieder loswerden möchte und eigentlich gar nicht mag, dann ziehe ich den Nutzen und die Mühe mit dieser Frage ganz einfach und auch sehr leicht in Zweifel: Was bringt mir das? Was habe ich davon?
Was kann ich mir vom Beten erhoffen? Diese Frage steht heute im Rahmen unserer Fastenpredigten zum Thema „Einfach beten“ im Raum. Man könnte es auch anders sagen, nämlich: Was bringt mir das? Was habe ich davon? Wie gesagt, wenn ich es gerne tue, dann werde ich auch beim Beten nicht lange fragen, dann ist mir dir Freude Nutzen genug. Wenn ich es aber nicht gerne tue, dann werde ich schnell der Meinung sein, dass es mir eigentlich nichts bringt, auch wenn ich vordergründig diese Fragen noch stelle: Was bringt mir das? Was habe ich davon?
Liebe Schwestern und Brüder, wir haben gerade in diesem langen Evangelium von der Begegnung Jesu mit einer Frau aus Samarien gehört. Jemand hat es einmal so betitelt „Das Randgespräch am Brunnenrand“ Zunächst geht es dabei um Belanglosigkeiten, ein bisschen aufgelockert mit religiösen Sticheleien und Standesbewusstsein: „Die Juden verkehren nämlich nicht mit den Samaritern“. Dabei könnte man es auch belassen.
Wie wir das aber vielleicht auch in unserem eigenen Leben kennen, wird plötzlich aus einem belanglosen Geplauder ein sehr intensives und tiefgehendes Gespräch. Das Leben dieser Frau rückt vom Rand, vom Brunnenrand, in die Mitte des Gespräches. Es wird sehr offen und vor allem sehr ehrlich gesprochen. Zusammen mit Jesus kann die Frau die Wahrheit ihres Lebens anschauen, so wie sie eben ist, mit allen den Brüchen, mit den Versuchen und auch dem Scheitern.
Das ist für mich etwas, was ich vom Beten erwarten kann: In diesem geschützten Raum des Betens rückt Leben in den Mittelpunkt, so dass man es in aller Ehrlichkeit anschauen kann. Das Leben mit den Stärken und Schwächen, mit dem Gelingen und dem Scheitern, mit den Hoffnungen und Sehnsüchten: Das Leben, mein Leben, so anschauen, wie es eben ist.
Liebe Schwestern und Brüder, meine Mitbrüder wissen es und manche von Ihnen auch, dass ich ein großer Fan der Filme von Don Camillo und Peppone bin. In diesen Filmen, es ist der letzte von den insgesamt fünf, gibt es eine Szene, die uns das eben gesagte humorvoller näherbringen kann, was da auch am Brunnenrand im Evangelium geschehen ist. Vielleicht kennen Sie diese Szene auch oder erinnern sich daran.
Don Camillo und Peppone waren nach Rom versetzt worden, um ihrem ewigen Zwist ein Ende zu bereiten. Nach Jahren kehren beide für einige Zeit an ihre alte Wirkungsstätte zurück. Don Camillo geht nach seiner Ankunft in die Kirche, um zu beten, wo er plötzlich die Stimme Jesu wieder hört.
Don Camillo erklärt Jesus, dass er ein hohes Tier in der Kirche geworden ist, nämlich Monsignore. Worauf Jesus zu ihm sagt: „Das ist viel zu wenig für einen, der so viel gelitten hat, wie ich hörte, haben sie dich sechsmal verprügelt und sogar auf dich geschossen und dich verwundet. Warum hast du mir nichts davon erzählt?“ Darauf antwortete Don Camillo: „Vielleicht, weil es nicht wahr ist.“ Darauf Jesus: „Was ein Monsignore der lügt?“
Leider hören wir diese Stimme Jesu nicht so klar und deutlich, wie Don Camillo im Film. Vielleicht wäre es uns auch unangenehm. Mir fällt in diesen Filmen aber auf, dass sich Don Camillo die Antwort oft selbst gibt, weil er in seinem Gewissen haargenau weiß, was richtig ist bzw. wäre. Im gleichen Film fragt Don Camillo Jesus auch: “Ist Gott hier den Menschen näher als in Rom?“ Und er bekommt zur Antwort: “Gott ist den Menschen überall gleich nah, vielleicht ist er dir hier nur näher, weil du dir selbst näher bist.“ Sich selber so nahe sein, um die Wahrheit des eigenen Lebens anschauen zu können!
„Was ein Monsignore der lügt?“ (Don Camillo hatte mit seinen Schilderungen einem anderen Priester Angst gemacht, der in das Dorf hätte fahren sollen. So konnte Don Camillo schließlich selbst dorthin fahren.) Man könnte jetzt anstelle des Monsignore alle möglichen Berufe und Gruppen einsetzen: Politiker, Arzt, Richter, Bänker, genauso wie Hausfrau, Handwerker, Landwirt oder auch Mönche. Die Filme von Don Camillo zeigen auch, dass die Menschen, alle Menschen, nicht frei davon sind, egal welchem Stand sie angehören
Warum belügen wir uns oft selbst? Was haben wir davon? Was bringt uns das? Wir versuchen uns damit Vorteile zu verschaffen, besser da zu stehen, uns an der Wirklichkeit vorbei zu mogeln. Aber haben wir wirklich etwas davon? Habe ich das wirklich nötig?
Manchmal müssen Menschen diese Unaufrichtigkeit gegen andere und gegen sich selbst teuer, sehr teuer bezahlen, mit dem Leben, mit der Gesundheit, im Zerbrechen von Beziehungen, mit Einsamkeit, mit Spott….
Was bringt mir das? Was habe ich davon? Liebe Schwestern und Brüder, es sind seltsame Tage, die wir gerade erleben. Wir erkennen nämlich auch, wie zerbrechlich und verletzlich unser Leben und unsere Welt eigentlich ist. Ein kleiner Virus, den eine Zeitung als unsichtbaren Feind bezeichnet hat. Es ist immer auch das Bestreben von Menschen sich gegen Feinde zur Wehr zu setzen. Man wird dabei alles aufbieten, was man hat, alle Gewalt aktivieren. Aber wo will ich hin mit dieser Gewalt und Kraft, wenn ich den Feind gar nicht sehen kann? Vielleicht ist es dann besser zu versuchen, sich davor zu schützen. Da ist es gut und wichtig, wenn man seine Schwachstellen kennt. Das aber erfordert bedingungslose Ehrlichkeit, im Großen wie im Kleinen. So werden in diesen Tagen nicht nur die Schwächen unseres Gesundheitssystems offenkundig, sondern auch unseres Lebenswandels und unserer Lebenseinstellung.
Selbstverständlichkeiten und Unbedenklichkeiten werden mit einem Mal auf den Prüfstand gestellt. Sind wir es doch gewohnt oder waren es zumindest, dass es gegen alles ein Mittel gibt, so dass ich selber gar nicht mehr so sehr auf mich achten und schauen musste. Ein Gang zum Arzt oder in die Apotheke reichte. „Gib auf dich acht.“ So entlässt Jesus in der oben geschilderten Szene seinen Don Camillo. Was bringt mir das? Was habe ich davon? oder doch: Habe ich das nötig?
Liebe Schwestern und Brüder, jede Krise hat auch eine Chance. So sagte in den letzten Tagen ein Arzt zu mir. Vielleicht liegt in diesen Tagen die Chance nicht nur darin, die Ausbreitung einer Krankheit zu verlangsamen, sondern auch unser Leben zu entschleunigen und unsere Gewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen. Habe ich das nötig? Was habe ich wirklich nötig?
Vielleicht liegt in dieser Krise auch die Chance zu erkennen, dass man die Probleme dieser Welt nur gemeinsam lösen kann, weil Viren und so manches andere eben nicht an Grenzen halt machen, auch wenn viele Länder ihre Grenzen jetzt schließen.
Ich möchte jetzt keine Grenzen schließen, sondern ich möchte jetzt schließen mit einem Abschnitt aus dem Lied „Geboren um zu leben“ von der Gruppe „Unheilig“, der es noch einmal von einer anderen Seite her betont: Wir waren geboren, um zu leben, mit den Wundern jeder Zeit. Sich niemals zu vergessen, bis in alle Ewigkeit. Wir waren geboren, um zu leben, für den einen Augenblick. Bei dem jeder von uns spürte, wie wertvoll Leben ist.
Was darf ich vom Gebet erwarten? Genau diesen einen Augenblick, bei dem jeder von uns spürt, wie wertvoll Leben ist. Und zu erkennen, womit unser langes Evangelium heute zu Ende ging: „Er ist wirklich der Retter der Welt!“ Amen.
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, liebe Scheyrer Pfarrgemeinde,
„Einfach beten“ so ist unsere Reihe der Fastenpredigten überschrieben – „einfach beten“, doch so einfach ist das, wie wir alle wissen, gar nicht. Und so ist es gut, wenn wir uns in dieser Predigtreihe in den Wochen auf Palmsonntag hin, immer wieder mit dem Beten beschäftigen.
Wenn heute gefragt wird: „Wann und wo kann ich beten?“, dann ist das ein Einstiegt, der an das gehörte Evangelium vom heutigen 2. Fastensonntag gut anknüpft.
Denn Jesus führt seine Jünger auf einen Berg, wo sie Zeugen von Gottes Offenbarung werden, von dem Aufweis der göttlichen Herrlichkeit in diesem ihren Meister Jesus, ja von seiner Gottsohnschaft. „Herr es ist gut, dass wir hier sind“ erklären die Jünger. Sie spüren, dass diese Nähe zu Gott ihnen guttut, sie erfüllt, sie beschenkt. Sie wollen diesen Augenblick festhalten, doch nicht nur sie erfahren, sondern auch wir wissen, dass man nichts und schon gar nicht kostbare Augenblicke festhalten kann.
Am Berg machen die Jünger also eine tiefe Gotteserfahrung. Am Berg erleben sie, was Gebet in seine Vollendung sein kann: die zur gewissheitwerdende Erfahrung, dass Gott da ist, dass Gott nicht alleine lässt.
Wenn diese Erfahrung am Berg beschrieben wird, so lädt das ein, den oder die Berge als besondere Orte der Gottesbegegnung, ja des Gebetes zu entdecken. Und wirklich, am Berg geht vielen Menschen das Herz auf. Das ist aber nicht nur die von Vielen gemachte eigene Erfahrung, sondern das steht auch in der Tradition unserer biblischen Überlieferung. Immer wieder ist der der Berg – so etwa auch bei Mose, bei Elia und, wie gehört auch bei Jesus und seinen Jüngern: Die Namen der heiligen Berge der Bibel sind vielfältig: Ararat, Sinai, Zion, Karmel, Garizim, Morija, Tabor, bis hin zum Ölberg und dem Berg Golgota. Der Berg ist somit ein herausragender Ort der Gottesbegegnung und das übrigens nicht nur im Christentum. Auch im Islam ist es ein Berg, der Berg mit dem Namen Hira in der Nähe von Mekka, auf dem der Prophet Mohamed seine erste Offenbarung erhalten haben will.
Auf dem Berg fühlen sich die Menschen Gott nahe – bis heute. So ist und bleiben die Berge sicher nicht nur schöne Ausflugsziele, sondern auch Orte der Gottesbegegnung und des Gebetes. In dieser Tradition werden nicht nur bis heute „Gipfelkreuze“ aufgerichtet, sondern wurden auch viele Kirchen und Klöster auf Bergen oder zumindest auf Hügeln errichtet. Und nicht umsonst haben viele Regionen einen sogenannten heiligen Berg: der der Franken ist wohl der Kreuzberg in der Röhn; und wer in Altbaiern nach dem Heiligen Berg fragt, der wird sicher auf Andechs verwiesen.
Der Berg als Ort des Gebetes führ uns moderne Menschen zum Gotteserlebnis in der Natur. Auch wenn das von so einem Manchen als Ausrede für den Kirchgang genannt wird, dass er in der Natur doch besser beten könne, so wollen wir doch nicht leugnen, dass Gott uns in der Natur nahe sein kann und will. Darauf verweist beispielsweise auch der Apostel Paulus in den ersten Zeilen seines Briefes an die Römer: (Röm 1,20) „Seit Erschaffung der Welt wird seine (Gottes) unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen…“ Dabei bleibt für Paulus klar, dass die Schöpfung selbst noch nicht zur Vollendung gelangt ist, nicht angebetet werden kann, aber eben doch etwas von Gottes Herrlichkeit sichtbar und spürbar werden lässt. Auch übrigens für Jesus selber sind es Orte in freier Natur, wo er betet, wo er seine Jünger lehrt, wo sie quasi in die Gebetsschule Jesu gehen dürfen.
Doch in seiner Lehre geht Jesus auch direkt auf das Gebet ein. Ich denke da nun nicht zuerst an das „Vater unser“, an das Gebet, das er, der Meister, die Seinen gelehrt hat – das war letztes Jahr Thema der Fastenpredigten, sondern Jesus gibt auch im Blick auf den Gebetsort hinweise.
So empfiehlt er – wohl für das persönlich Beten: „Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten.“ (Mt 6,6)
In diesem Jesuswort verbinden sich seine Warnung, sich selbst äußerlich als fromm zur Schau zu stellen mit seiner eigenen Erfahrung, dass ein guter Gebetsort ein Rückzugsort ist. Die „Kammer“ steht so genauso für einen Ort wie für eine Situation: für das Alleinsein vor und mit Gott. Unsere christliche Tradition hat in diesem Gedanken tiefe Erfüllung gefunden. Nicht nur in unserem Haus wird so den jungen Mönchen entsprechend eines Väterwortes aus dem 3./4. Jahrhundert gelehrt: „Geh in deine Zell, sie wird dich alles lehren“ (Apophtegmata patrum).
Solche heute noch in der Gebetspraxis weitergegebenen Erfahrungen führen uns nicht nur in die Zeit der frühen Kirche, sondern in die Wüste.
Damals zogen Massen von Menschen in diesen unwirtlichen Raum – sie suchten nicht nur die Einsamkeit, sie glauben in dieser Abgeschiedenheit der realen Wüste Gott zu finden, den Ort ihrer Gottesbegegnung, den Ort für das Gebet. Viele haben von ihnen in einem solchen Extrem ihr Ziel erreicht, viele sind gescheitert – nicht nur an der Wüste, sondern auch an den extremen Anforderungen.
Extrem war nämlich nicht nur der Ort, sondern auch das Maß des Gebetes. Immer wollten sie beten. Und weil das mit anderen Tätigkeiten nicht wirklich auf einen Nenner zu bringen war, und weil sie ja doch auch – gemäß dem Vorbild der Apostel – von etwas leben mussten, begannen sie Bastmatten zu knüpfen. Ja, liebe Schwestern und Brüder, die Väter und wohl auch teilweise Mütter unseres Glaubens, haben in der Wüste Bastmatten geknüpft, eben eine Tätigkeit geübt, die vom Gebet nicht ablenken sollte.
Doch schon das frühe Mönchtum – auch unter dem Hl. Benedikt – hat gespürt, dass das auf Dauer nicht zielführend war und das Gebet rhythmisiert. Das „Ora et labor“, das Gebet und die Arbeit wurden auf je eigene Zeiten geschoben und auf Grundlage der Erfahrungen das altestamentlichen Psamenbeters, der siebenmal am Tag dem Herrn sein Lob anstimmt und auch in der Nacht sich zum Herrn erhebt (vgl. PS 119,62), eine Ordnung von Gebets und Arbeitszeiten entwickelt. Auch wenn wir im Kloster für uns an einem solch vielfach gegliederten Tag festhalten, so hat sich daraus für alle Gläubigen die Empfehlung entwickelt, zumindest in der Früh, mittags vor dem Essen und abends zu beten. Das Gebetleuten erinnert auch daran.
Wir merken nun, dass wir vom Ort des Gebetes schon zu den Zeiten des Gebetes gekommen sind.
Die Zeit des Gebetes und der Feier der Christen ist und bleibt aber in herausragender Weise das Gedächtnis von Tod und Auferstehen Jesu, die Feier des Sonntages. Darin finden wir das entscheidend Christliche schon der ersten Jüngerinnen und Jünger. Schon die Urkirche versammelt sich am ersten Tag der Woche zu diesem Gedächtnis, zu Lob-, Dank- und Bittgebet.
Und nun kommt – für alle, die nach Berg, Natur, dem eigenen Zimmers oder der Wüste schon etwas vermisst haben – nämlich der gemeinsam Gebetsraum.
Eine Kirche, wie wir sie kennen, kannten die ersten Christen freilich noch nicht. Selbst der Titel unserer Klosterkirche „Basilika“ weist auf diese Frühzeit zurück und bedeutet übersetzt so etwas wie „Markthalle“. Doch gerade das macht klar: Gebet braucht auch das Miteinander und ein Miteinander braucht Räume – Räume der Begegnung untereinander und vor allem, wenn es um das Gebet geht, mit Gott.
So sind aus unseren Gebetshäusern Gotteshäuser geworden und diese laden heute noch ein zur Andacht und zum Gebet.
Wann und wo kann ich beten? Wir alle sind eingeladen dieser Frage in unserem persönlichen Leben weiter nach zu spüren: Vielleicht kommt uns da auch die Geschichte der beiden Ordensleute in den Sinn, die da ihren Oberen fragen, ob Beten und Rauchen vereinbar sind. Der Benediktiner fragt seinen Abt, ob er beim Beten rauchen darf und erhält selbstredend eine Absage. Der vielleicht schlauere Jesuit fragt hingegen, ob er beim Rauchen beten darf und findet bewundernde Zustimmung.
Diese kleine Geschichte betont die Bedeutung des Gebetes – nichts dabei ist gegeneinander auszuspielen, Gott lässt sich überall finden, überall wo Menschen ihn suchen. Und so kommt es dann nicht mehr auf einen geographischen Ort an.
Schon Paulus erinnert, nochmal im Römerbrief (Röm 8,15): „Ihr habt einen Geist empfangen, der euch zu Söhnen/Töchtern Gottes macht, den Geist, in dem wir rufen Abba Vater.“
Echtes Gebet wurzelt also im Geist, der uns geschenkt ist. Echtes Gebet wurzelt also im Inneren des Menschen.
Wo und wann auch immer der Mensch lauter nach Gott fragt, da kann das unversehens zu einem tiefen Gebet werden; da wird der Mensch, gleich dem Abraham in der ersten Lesung, zum Segen!
2019
- sie vermögen nichts gegen die gesellschaftlichen Trends zu unternehmen,
- sie können keinen davon abhalten, sich von der Kirche abzuwenden, – sie haben keinen Plan, wie in 20 Jahren überhaupt das Gesicht der Kirche von München-Freising aussehen kann.
- Du verwandelst das Brot in Jesu Leib.
- Du verwandelst den Wein in Jesu Blut.
- Du verwandelst den Tod in Auferstehn.
2018
- sie vermögen nichts gegen die gesellschaftlichen Trends zu unternehmen,
- sie können keinen davon abhalten, sich von der Kirche abzuwenden, – sie haben keinen Plan, wie in 20 Jahren überhaupt das Gesicht der Kirche von München-Freising aussehen kann.