In dem folgenden Predigtarchiv finden Sie eine Auswahl von Predigten zum Nachlesen. Diese sind in einem Zeitraum bis zu einem Kalenderjahr zurück aufgeführt.
Neben dem Gottesdienst bieten wir auch die Möglichkeit das Sakrament der Beichte zu entrichten.
2024
Predigt am Christkönigsfest 2024
1. Lesung: Dan 7,2a.13b-14
2. Lesung: Offb 1,5b-8
Evangelium: Joh 18,33-37
Liebe Schwestern und Brüder!
In der Hinführung zum heutigen Fest Christkönig steht in meinem kleinen Messbuch: „In politisch unsicheren Zeiten führte Papst Pius XI. das Fest 1925 ein: Christus, als König der Erde und des Himmels, damit die Menschen der göttlichen Macht und Herrschaft mehr vertrauen als den Insignien der menschlichen Herrschaftsmacht.“ 1925, also vor 99 Jahren, politisch unsichere Zeiten, – der Gedanke Christkönig könnte also auch heute wieder sehr aktuell sein. Und tatsächlich ist das für mich ein hoffnungsvoller und ein trostreicher Gedanke: Wir haben einen König, der größer ist als alle Herrscher dieser Erde, gute oder schlechte. Wir haben jemanden, dem wir in vielen Fragen das letzte Wort zutrauen, egal, was Menschen planen, was sie falsch machen, wo sie gegen Menschlichkeit und Würde verstoßen, ja wo sie Menschenleben verachten und leichtfertig aufs Spiel setzen. Wir haben einen, der ist größer als sie, mächtiger, und ihm gilt unser Vertrauen. Dieser Gedanke hilft mir wirklich, wenn mich oft Ratlosigkeit und auch Hoffnungslosigkeit überkommt, wenn mein Vertrauen schwach wird.
Und dann schaue ich mir den König an, der uns heute im Evangelium vorgestellt wird, und ich sehe keinen Herrscher, keinen glänzenden Sieger, sondern ich sehe einen Menschen, ganz erbärmlich: unverstanden von vielen, abgelehnt von den Gelehrten seines Volkes, verspottet von abgestumpften und brutalen Soldaten, verurteilt von einem kleinen Statthalter irgendwo in der Provinz des großen römischen Reiches. Dieser erbärmliche Mensch, der dasteht und etwas redet von Wahrheit und von seinem angeblichen Königtum, der genau ist es, den die Kirche uns als großen König, als Weltenrichter zumutet.
Aber bevor ich mich über diese – ja fast – Peinlichkeit hinweg mogele, und schnell darauf verweise, dass diese Szene der Schwäche ja nicht das letzte ist, woran wir glauben, sondern wie der Evangelist Johannes können wir ja schon durch diese Szene hindurch den Auferstandenen entdecken, der den Tod besiegt hat, ja der das Leben selbst ist; nein, bevor ich so schnell diese Szene verlasse, möchte ich fragen, ist es nicht doch genau dieser Mensch, der etwas hat, was viele Könige dieser Welt eben nicht haben, nicht haben dürfen. Unverstanden, abgelehnt, verspottet, verurteilt – dieses ganze Programm der Erbärmlichkeit, wer kann als König oder als Großer in dieser Welt so dastehen. Wird man nicht sogleich daran gehen, alles so zu deuten und vielleicht so zu verdrehen, dass man am Ende doch strahlend dasteht? Unverstanden, – ja natürlich, aber was kann ich denn dafür, wenn die anderen zu dumm sind, wenn sie nicht auf meinem Informationsstand sind, wenn sie um viele Zusammenhänge gar nicht wissen, wenn ihnen der Horizont fehlt; abgelehnt, – ja ich werde abgelehnt, weil andere mir nicht das Wasser reichen können, weil sie neidisch sind, weil sie mich nicht verstehen, weil andere kleinkariert sind und die großen Zusammenhänge nicht sehen, in denen ich denken muss. Verspottet, – ja natürlich lacht man über mich, aber was sollen Menschen denn machen, die zu einfach gestrickt sind; außerdem bin ich interessant, wenn man über mich redet, wenn man sich über mich ärgert, ja was soll´s, wo viel Licht ist, da sind eben auch Schatten und schließlich: viel Feinde, viel Ehr. Und verurteilt, – ja wer will mich denn verurteilen, ich entscheide doch, was Recht und Unrecht ist oder Wahrheit, schließlich lügen doch alle, wer ist denn noch so dumm und fragt nach der Wahrheit. Der König, den wir verehren, er hat dies alles angenommen und – ausgehalten, all das, was so schwer auszuhalten ist. Und weil er es angenommen hat, weil er es wirklich an sich herangelassen hat, weil er es nicht noch einmal für sich verbogen hat, genau darum, hat er etwas, was vielen anderen Herrschern abhanden kommt, die Fähigkeit, mit zu leiden, die Fähigkeit zur Empathie, sich in den anderen hinein zu versetzen, die Frage, was erlebt, was erleidet der andere. Bevor ich ganz schnell den Auferstandenen suche, und nur dadurch eben den König der Welt, möchte ich doch diesen empathischen und mitleidenden Menschen sehen. Ist er nicht gerade dadurch der stille König, zu dem Menschen sich hin trauen, weil sie wissen, dass er all das kennt, was ihr Leben belastet, die Bosheit der anderen, die Unfähigkeit, etwas zu erfassen von dem, was ihnen das Leben schwermacht. Der empathische König sagt nicht: “Kopf hoch“, oder „Es wird schon wieder“ oder „Da muss man halt durch.“ Der empathische König sagt: „Ich sehe, welche Last Du trägst, ich weiß, dass Du keinen Ort hast für deine vielen Fragen, ich weiß, dass Du dich schwach fühlst, obwohl Du so viel Leid zu tragen hast.“ Der empathische König sagt: „Ich sehe, wie man dich nicht zu Wort kommen lässt, wie du kämpfen musst, wie du nach Anerkennung ringst.“ Er sagt: „Ich weiß, wie Dir zumute ist, und wenn Du weinen willst, dann tu das einfach, vor mir brauchst Du nicht groß zu sein, vor mir brauchst Du nicht der Strahlende, nicht der Brillante zu sein.“
Liebe Schwestern und Brüder: Was würde sich ändern, wenn die Herrschenden in der Welt solche wirklich empathischen Menschen wären? Arm und Reich könnten auf Dauer nicht bleiben, es würde keine Kriege geben, Gewalt und Mobbing wären Fremdworte, Waffen bräuchte es nicht. Eine Gesellschaft die die Ressourcen der nachfolgenden Generationen verbraucht, gäbe es nicht. Unsere Welt hätte wieder eine Chance. Aber natürlich wird man mir klugerweise sagen: „Es ist doch eine Utopie, – wenn die Herrschenden dieser Welt empathische Menschen wären, dann wären sie ja nicht in der Position, Du kannst dort nur hinkommen, du kannst dort nur bestehen, wenn Du deine Ellenbogen gebrauchst, wenn Du lernst, dich durchzusetzen und ein Stück weit rücksichtslos zu werden.“ Da mag durchaus etwas dran, aber immer wieder und bei genauerem Hinsehen werden wir auch unter den Verantwortlichen so manch einen entdecken, der Mitleid kennt, der sein Amt wirklich als Dienst versteht, und genau solche Menschen machen Hoffnung, weil sie im Grunde die Welt tragen. Und dann schließlich darf der Hinweis auf eine Gesellschaft, die die Ellenbogen gebraucht, ja auch kein Vorwand sein, es nicht doch anders zu versuchen. „Dass die Menschen Christus, der göttlichen Macht und Herrschaft mehr vertrauen als den Insignien der menschlichen Herrschaftsmacht“, das war der bewegende Gedanke vor 99 Jahren. Feiern wir diesen König, der mitfühlt, der mitleidet, der wirklich groß und göttlich ist und vor allem dies: menschlich. Amen.
Les.: 1 Kön 17,10-16
Ev: Mk 12,38-44
Liebe Schwestern und Brüder!
Immer, wenn dieses Evangelium gelesen wird, werde ich ein klein wenig verlegen, und mich bewegt die Frage: Was würde Jesus heute über uns, über mich sagen, über manche Personen und Gruppen in der Kirche? Immerhin, lange Gewänder tragen wir auch, und dass man uns, den Pfarrern oder Mönchen einen besonderen Platz anbietet bei irgendwelchen Feiern, das man uns begrüßt, das ist wohl auch manchmal so. Ich frage mich dann, wie wichtig ist mir das wirklich, hängt davon irgendwas für mich ab? Bin ich darauf irgendwie angewiesen? Und wenn ich mir sagen kann: Nein, das bin ich wirklich nicht, dann bin ich beruhigt und es ist okay. Und dann glaube ich außerdem, die Zeiten, in denen Pfarrer oder Mönche wirklich und selbstverständlich bevorzugt behandelt wurden aufgrund ihres Berufsstandes, die Zeiten, in denen man als Hochwürden angeredet wurde und sich entsprechend gefühlt hat, diese Zeiten sind wohl hoffentlich vorbei. Und das ist gut so. Wir können also getrost erstmal wegkommen von diesem Abschnitt, darum geht es wohl nicht in der Hauptsache. In der Hauptsache geht es um eine Frau, die Jesus im Tempel beobachtet, eine arme Witwe. Während viele sehr viel Geld in den Opferkasten werfen, gibt diese Frau zwei kleine Münzen, allerdings – für sie ist es ein Vermögen, es ist alles, was sie besitzt. Wir können die Frage hier einmal beiseitelassen, ob es denn klug ist, was diese Frau tut. Vielleicht hätte sie das Geld wirklich einsetzen sollen, um sich etwas zu essen zu kaufen oder aber irgendetwas, was ihre Not ein wenig lindert, Aufs Ganze gesehen, machen diese zwei Münzen ohnehin nicht viel aus im Opferkasten. Aber wenn wir so fragen, zielen wir an der eigentlichen Aussage vorbei, diese Zwei Münzen, das ist wirklich alles für diese Frau, sie gibt alles, sie gibt ihr Leben. Und sie fragt noch nicht einmal, was mit diesem Geld passieren wird, für sie reicht es, dass das Geld im Tempel ist, es ist Geld für Gott, es ist dort richtig angelegt, bei ihm. Mein Leben ist dort bei Gott richtig angelegt, auf ihn richtet sich mein Vertrauen, ihm verdanke ich alles, von ihm habe ich empfangen, ihm gebe ich zurück, solche Gedanken stecken in der Haltung der armen Witwe, und mit solchen Gedanken ist sie tatsächlich ganz nah bei Jesus, bei seiner Lebenseinstellung. Unerschütterliches Vertrauen in den Gott, der mich hält. Mir kann nichts geschehen, Gott allein genügt – diese Worte, die der heiligen Theresia in den Mund gelegt wurden, kennzeichnen solch eine Haltung.
Die Erzählung von der Witwe im Tempel hat eine Entsprechung in der Erzählung von der Witwe in Sarepta. Hier ist es nicht zuerst das eigene Gottvertrauen, sondern das Wort des Propheten Elija, das die Witwe dazu bringt, ihr letztes Brot mit dem Propheten zu teilen, und sie erfährt, dass das Leben weitergeht, nicht in Hülle und Fülle aber ohne die Existenzangst; Mehl und Öl sind da, für die nächste Mahlzeit ist gesorgt, das Leben kann weitergehen. Das Wunder, das der Prophet Elija offenbar bewirkt hat, wird zu einer Erfahrung, zu einer Lebenserfahrung, und diese Erfahrung ist größer als alle Angst, sie schafft Vertrauen und Lebensmut, Ich weiß, ich bin gehalten, mich sieht jemand, für mich sorgt jemand.- Was als Tenor aus den heutigen Texten spricht, das haben große Heilige erfahren, darauf haben sie ihr Leben aufgebaut, nicht auf Zweifel, Angst und Misstrauen, sondern aus Hoffnung und Vertrauen. Wenn wir die Regel des Heiligen Benedikt daraufhin befragen, dann können wir erkennen, dass Benedikt seine Mönche genau dahingehend formen und prägen will: Verlass dich drauf, dass Du alles bekommst, was Du brauchst, was für dich wichtig ist, verlass dich darauf und höre auf, ängstlich um dich zu kreisen. Für Benedikt ist das Kloster eine Schule des Vertrauens, und den Oberen schärft er ein: Es kann gut sein, dass ihr nicht jeden Wunsch erfüllen könnt, dass ihr manche Bitte abschlagen müsst, aber seht zu, dass sich nicht Enttäuschung und Trauer breit machen, seht zu, dass kein Misstrauen wächst. Vertrauen und Hoffnung, das ist etwas Heilsames, etwas, womit sich gut leben lässt, etwas, was Menschen wachsen lässt. Misstrauen, Angst, Skrupel und Zweifel – das lässt Menschen nicht heil werden, es macht krank, es macht abhängig. Und da sind wir noch einmal bei den Schriftgelehrten in den langen Gewändern, die gegrüßt werden möchten, die gesehen werden wollen. Was ist denen denn passiert, dass sie solche seelischen Krüppel geworden sind? Sie sind offenbar nicht gesehen, wahrgenommen worden, sie haben nicht genug Zuwendung bekommen, nicht genug Anerkennung, und sie haben ihr Leben lang damit zu tun, sich das zu holen, was ihnen vorenthalten wurde. Es ist erbärmlich, wenn Menschen so werden, und die arme Witwe macht ihnen allen etwas vor, in dem sie das letzte Geld weggibt: ich brauche es nicht, für mich wird gesorgt, ich habe keine Angst.
Liebe Schwestern und Brüder, diese arme Witwe, ihre Lebenseinstellung, das hat uns etwas zu sagen: Die Schriftgelehrten von damals, das sind beileibe nicht nur die Priester oder Kirchenleute von heute, das sind viele, die ihre Sicherheit, ihre Stärke, ihr Ego aus Geld, Macht und allen möglichen Statussymbolen nähren. Wir haben es in dieser Woche erleben können: Ein alter Mann, der es unbedingt noch einmal wissen will und es nicht aushält, nicht, in seiner Vorstellung, der mächtigste Mann der Welt zu sein: Und mit wieviel Lüge, Manipulation, Beleidigungen und Drohungen hat er dieses Ziel erreicht? Es ist erbärmlich, und es ist erschreckend, wie diese Art auch unsere Politik und unseren Umgang miteinander noch mehr prägen wird als bisher und wie Empathielosigkeit und Rücksichtslosigkeit zur Normalität werden, wie wir als Menschen in der Gefahr sind, zu verkommen.
Jesus hat uns diese arme Witwe als Beispiel vor Augen gestellt, und wir spüren vielleicht mehr denn je, wie wir mit solch einer Haltung der Selbstlosigkeit nicht mehr die Mehrheit sind, wie wir eine kleine Minderheit werden, damit allerdings auch eine echte Alternative. Und vielleicht spüren wir auch: Wenn die Menschheit Zukunft haben will, wenn diese Welt eine Chance haben will, dann braucht es Menschen, viele Menschen, die sich diese Frau zum Vorbild nehmen, Menschen die so vertrauen können und leben wie sie. Amen.
L: 1 Thess 4,13-18
Ev: Joh 14,1-6
Liebe Schwestern und Brüder!
Vielleicht kennen Sie diese Erfahrung auch, man hört oder liest einen Satz, der einen anspricht, der Interesse und Aufmerksamkeit weckt, dann aber vergisst man ihn doch wieder, weil man anderes zu tun hat oder dem nicht nachgehen will. So war es immer Sommer dieses Jahres, als ich in Konstanz im Schaufenster eines Antiquariats ein Buch liegen sah mit dem Titel: „Sterben für Anfänger – Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können.“ Da ich im Urlaub war, hatte ich ehrlich gesagt, keine Lust, es mir zu kaufen und mich mit dem Thema zu beschäftigen.
Im Blick auf die vorige Woche mit zwei Beerdigungen, eine davon im eigenen Familienkreis, dachte ich mir, ich hätte das Buch im Sommer doch kaufen sollen. Der Umgang mit dem Thema Tod gehört wohl für niemanden zu den Lieblingsbeschäftigungen, auch für mich nicht. Und doch wäre es wichtig, nein, es ist wichtig!
Steben für Anfänger. Über das Internet weiß ich inzwischen, dass es auch einen Film aus dem Jahr 2007 mit dem gleichen Titel gibt: „Sterben für Anfänger“, allerdings ist der Film eine Komödie. Daneben gibt es auch noch einen Roman, der genauso betitelt ist.
Das Buch, das mir mit seinem Titel aufgefallen war, setzt sich ernsthafter mit diesem Thema auseinander. Es wirbt für einen offenen und unverkrampften Umgang mit dem Tod und weist zugleich darauf hin, dass es Menschen immer schwerer fällt, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Wir geben den Tod und alles, was damit zusammenhängt, lieber an „Fachleute“ ab, die damit professionell umgehen können, vielleicht aber auch nur so tun.
Für den Umgang mit dem Thema Tod sind Rituale ganz wichtig, von denen es in früheren Zeiten ganz viele gab, z. B. die offene Aufbahrung im Haus – als Klostergemeinschaft praktizieren wir das noch. Es gab eine Totenwache und noch anderes mehr.
Zu den Ritualen gehören aber auch die Tage von Allerheiligen und Allerseelen, an denen wir die Gräber der Verstorbenen besuchen, von denen wir sagen, dass sie „von uns gegangen“ sind. So treffen wir, die Anfänger, in diesen Tagen die „Fortgeschrittenen“ im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie uns einen Schritt, einen wichtigen Schritt voraus.
So wird in diesen Tagen beim Besuch eines Grabes, wohl jeder andere Gedanken im Kopf haben. Vielleicht mischen sich auch Fragen darunter: Wie wird das einmal sein, sterben? Was ist dann? Wo sind die hingegangen, von denen wir sagen, dass sie von uns gegangen sind? Mit diesen Fragen wird auch etwas in uns angefragt, was wir Hoffnung nennen. Was glauben wir? Was hoffen wir, auch einmal für uns selber?
Der Bibeltext, den wir gerade aus dem Johannesevangelium gehört haben, gehört auch zu den Texten, die uns helfen können, eine gewisse Sprachlosigkeit in Bezug auf den Tod zu überwinden. Jesus spricht ganz offen vom Tod, von seinem Tod. Er spricht über das Danach, er spricht davon, wo er hingehen wird. Dabei verwendet er das Bild von einem Haus, von einem großen Haus, in dem es viele Wohnungen gibt, mit vielen Plätzen, wo es für jeden einen Platz gibt, auch einmal für uns, für jeden von uns.
Sterben für Anfänger. Manchmal helfen und beeindrucken uns Kinder, wenn sie das in Worte fassen, was sie wahrnehmen und empfinden. Es war in Gerolsbach. Ein Mann war genau an seinem Geburtstag überraschend gestorben. So waren bei der Aussegnung auch viele da. Als wir am offenen Sarg Abschied genommen hatten, sagte ein Urenkel: „Der Pfarrer hat dem Opa ein neues Bett gebracht.“
Sterben für Anfänger. Ich möchte schließen mit einer Geschichte, die ich einmal gelesen habe und die sich mir eingeprägt hat. Ob sie wahr ist, weiß ich nicht, aber es könnte gut sein. Wenn nicht, dann ist sie wenigstens gut erfunden.: In einem Kindergarten diskutieren die Kinder über die Frage, ob Gott Hände hat. Die Meinungen gehen auseinander und durcheinander, wie das nicht nur bei Kindern der Fall ist. Plötzlich ergreift einer das Wort und sagt voll Überzeugung: Natürlich hat Gott Hände, wie könnte er sonst die G’storbenen alle halten?
Sterben für Anfänger – Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können.
Hat Gott Hände?
L: Offb 7,2-4.9-14
Ev: Mt 5,1-12a
Liebe Schwestern und Brüder!
Am vergangenen Dienstag ließ mich auf dem Weg nach Regensburg im Radio eine Meldung aufhorchen: „Asterix feiert Geburtstag!“ Diese Comicfigur, die der Comicserie auch ihren Namen gab und immer noch gibt, wurde am 29. Oktober 65 Jahre alt. Obwohl ich jetzt kein treuer Fan dieser Heldengeschichten bin, so kenne ich doch einige Szenen daraus und weiß auch, dass der Kern dieser abenteuerlichen Geschichten darin besteht, dass ein kleines Dorf in Gallien um das Jahr 50 v. Chr. der römischen Besatzungsmacht nicht nur einen erbitterten, sondern trotz der äußerlichen Übermacht der Römer, vor allem einen erfolgreichen Widerstand leistet.
Asterix, der Held der Geschichte, ist bei seinem Kampf zusammen mit seinen Gefährten um nichts verlegen und kann sich außerdem immer auf den Zaubertrank verlassen, der ihm übermenschliche Kräfte verleiht, und damit ist der Sieg praktisch vorprogrammiert.
Asterix wird 65, er geht aber nicht in Rente, sondern er macht weiter, denn im kommenden Jahr wird wahrscheinlich Band 41 erscheinen, und damit ist der Fortbestand dieser Erfolgsgeschichten gesichert. Mit ihnen wird nicht nur Kindern und Jugendlichen, sondern auch so manchem Erwachsenen ein Stück Geschichte nähergebracht, die sich in herkömmlichen Geschichtsbüchern viel trockener liest und auch langatmiger anhört.
Geschichte ist natürlich viel umfangreicher als bei Asterix dargestellt, und es gibt durchaus Berührungspunkte mit der Geschichte unseres christlichen Glaubens. Jesus kam mit seiner Botschaft auch mit der römischen Besatzungsmacht nicht nur in Kontakt, sondern vor allem in Konflikt. Die ersten aufstrebenden christlichen Gemeinden hatten im Römischen Reich nichts zu lachen, trotzdem war der „Siegeszug“ der christlichen Botschaft nicht aufzuhalten. Menschen haben gelebt und gekämpft, bis man dem römischen Reich den Stempel der christlichen Botschaft sozusagen aufgedrückt hatte. Das gehört auch zur Geschichte unseres Glaubens. Diese Symbiose hat viel bewirkt, aber sie war auch nicht immer glücklich.
Liebe Schwestern und Brüder, am heutigen Fest Allerheiligen feiern wir und denken daran, dass es in der Geschichte unseres Glaubens viele Menschen gegeben hat, die für die Botschaft Jesu gekämpft, die vor allem aber dafür gelebt haben. Eine nicht unerhebliche Zahl hat dabei ihr Leben verloren.
Bei Christenverfolgungen im römischen Reich sind viele Menschen wegen ihres Glaubens umgekommen. Die Namen vieler sind im sog. Heiligenkalender bis heute festgehalten. Eine Anspielung darauf haben wir in der Lesung aus der Offenbarung des Johannes gehört: Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen? Ich erwiderte ihm: Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht.
Darüber hinaus gibt es aber noch viele andere, denen wir es zu verdanken haben, dass es der christliche Glaube und seine Botschaft bis in unsere Zeit geschafft haben. Menschen haben mit und durch ihren Glauben die Herausforderungen angenommen, die Chancen der jeweiligen Zeit genutzt und sie haben ihren Glauben so gelebt, wie sie es für angebracht und richtig gehalten haben. Authentisch, könnte man wohl besser sagen, und deshalb gibt es unter den Heiligen auch viele Originale und so manche originellen Menschen.
Die Botschaft Jesu von der Liebe ist im Lauf der Geschichte nicht überall auf Gegenliebe gestoßen, aber sie hat immer auch fasziniert, bis heute. Sozusagen ein Kernstück dieser Botschaft haben wir gerade im Evangelium gehört, die Seligpreisungen am Anfang der Bergpredigt. Diese Seligpreisungen gehören für mich zu den schönsten Stellen in der Bibel, sie zählen zugleich aber auch zu den schwierigsten.
Jesus stellt darin eine Lebensweise und eine Lebenseinstellung vor, die ein ganz klares Ziel hat: Das Glück des Menschen, und zwar das Glück aller Menschen! Dieses Glück wird mir nicht immer und vor allem nicht einfach so zufallen, sondern für dieses Glück muss man sich einsetzen. Für dieses Glück muss man etwas tun. Für dieses Glück muss man auch zurückstehen und zurückstecken können, vielleicht Kompromisse schließen, aber auch mit aller Kraft kämpfen. Menschen können dabei buchstäblich über sich hinauswachsen und vielleicht Dinge tun, die man ihnen nicht unbedingt zugetraut hätte.
Liebe Schwestern und Brüder, warum ist dieser Asterix auch noch nach 65 Jahren so beliebt und erfolgreich? Ich glaube, es liegt auch an der Sehnsucht der Menschen, stark zu sein. Diese Kraft bekommt er durch den Zaubertrank. Aber das alleine reicht nicht, auch Asterix braucht Mitstreiter und Mitkämpfer, die mit ihm am gleichen Strang ziehen, die mit ihm das gleiche Ziel verfolgen.
Die Heiligen, an die wir heute denken, hatten keinen Zaubertrank und waren doch auf ihre Weise starke Menschen. Manchmal würden wir als Christen vielleicht einen solchen Zaubertrank wünschen. Aber diesen Zaubertrank haben wir nicht und den brauchen wir auch nicht.
Als Christen kennen wir einen anderen „Zauber“, nämlich die Einladung Jesu, sich an einen Tisch zu setzen und dort nicht nur das Brot und den Wein zu teilen, sondern auch das Leben. Dieses Leben-Teilen hat Menschen Kraft gegeben und tut es bis heute. Ein Lied in unserem Gotteslob greif das auf:
Wenn wir das Leben teilen wie das täglich‘ Brot, wenn alle, die uns sehen, wissen: hier lebt Gott.
Wenn wir das Blut des Lebens teilen wie den Wein, wenn man erkennt: In uns wird Gott lebendig sein.
Wenn wir uns öffnen für den Herrn in dieser Zeit, Wege ihm bahnen, dass er kommt und uns befreit.
Wenn wir die Liebe leben, die den Tod bezwingt, glauben an Gottes Reich, das neues Leben bringt.
Wenn wir in unsern Liedern loben Jesus Christ, der für uns Menschen starb und auferstanden ist.
Jesus Christ, Feuer, das die Nacht erhellt, Jesus Christ, du erneuerst unsre Welt.
Liebe Schwestern und Brüder, ich denke heute an ganz konkrete Menschen, die für ihren Glauben und ihre Überzeugung in ganz unterschiedlicher Art und Weise eingestanden sind und gelebt haben und damit auch anderen zum Glück verholfen haben.
Unmittelbar nach der Weltsynode in Rom, die sich mit der „Frauenfrage“ so schwergetan hat, ist es mir wichtig zu sagen, dass unter diesen Menschen viele Frauen sind, die ohne viel Aufhebens im Alltag sozusagen ihren Mann gestanden haben.
Es sind Menschen aus meiner Heimat, Menschen, die ich an den verschiedenen Stationen meiner Ausbildung kennen lernen durfte, aber auch hier aus Scheyern und Umgebung. Ich nenne jetzt keine Namen, sonst könnte jemand sagen: „Der gehört aber nicht dazu!“. Das kann schon sein, mir gefallen auch nicht alle, die heiliggesprochen sind, und doch gehören sie dazu, weil sie zu ihrer Zeit und an ihrem Platz wichtig waren.
Die Lebenszeugnisse dieser Menschen haben mich nicht nur beeindruckt, sondern sie haben mich auch bewogen, diesen meinen Lebensweg einzuschlagen und ihn bis heute weiterzugehen. Dem Andenken solcher Menschen sind dieses Fest und dieser Tag gewidmet.
Gott, du schenkst uns die Freude, am heutigen Fest die Verdienste aller deiner Heiligen zu feiern. Erfülle auf die Bitte so vieler Fürsprecher unsere Hoffnung und schenke uns dein Erbarmen.
L: Hebr 5,1-6
Ev: Mk 10,46b-52
Liebe Schwestern und Brüder!
Als ich im Juli 2008 zum Abt von Scheyern gewählt wurde – inzwischen ist das schon 16 Jahre her – war das für mich schon eine Umstellung und es gab für mich plötzlich einiges zu organisieren, was die neue Aufgabe betraf. Ich war dankbar für jeden Hinweis, damit ich nichts übersehe, was getan werden musste und zu beachten war, auch im Hinblick auf die Abtweihe Ende August.
Eines habe ich jedoch nicht hingebracht, nämlich vor der Abtweihe irgendwo und irgendwie Exerzitien zu machen, um mich auch geistlich auf die neue Aufgabe vorzubereiten. So habe ich diese Tage der Exerzitien einfach nachgeholt und zwar in den letzten Oktobertagen in Vierzehnheiligen. Seitdem ist mir dieser Ort ans Herz gewachsen und ich fahre immer wieder mal dorthin, um etwas vorzubereiten oder durchzudenken.
Ein franziskanischer Mitbruder von Vierzehnheiligen, den ich schon aus der Zeit, in der ich das Abitur nachgeholt habe, kannte, schenkte mir seine Zeit und teilte mit mir seine geistlichen Gedanken und auch seine Lebenserfahrungen, was für mich sehr hilfreich war. Als Thema und Leitfaden für diese Tage schlug er mir die Fragen vor, die Jesus an die Menschen gestellt hat, und die uns immer wieder in den biblischen Texten begegnen, vielleicht ohne dass sie uns immer gleich auffallen.
Die erste Frage, die wir miteinander anschauten und die er dann auch an mich richtete, war die, die wir gerade im Evangelium gehört haben. Haben Sie sie noch im Kopf, im Ohr? Was soll ich Dir tun? So fragt Jesus den blinden Bettler. Man könnte auch sagen: „Was kann ich für dich tun?“, oder kürzer gesagt: „Was willst Du?“
Seit den Exerzitien damals vor 16 Jahren berührt mich diese Frage jedes Mal, wenn ich sie höre. Sie berührt mich, weil sie mich auch ganz persönlich betrifft: Was will ich eigentlich von diesem Jesus? Was kann der für mich tun? Wie kann er mir in meinem Leben weiterhelfen?
Diese Frage berührt mich aber auch deshalb, weil sie Jesus gestellt hat. Er hat sie einem Menschen gestellt, von dem alle wussten, dass er blind war und auch Jesus wird gemerkt haben, was mit ihm los war. Eigentlich hätte er doch wissen müssen oder zumindest erahnen können, was ein blinder Mensch von ihm wollen konnte, oder? Sagen wir doch auch: „Gesunde Menschen haben 1000 Wünsche, ein Kranker nur einen.“ Also ist es doch klar!
Trotzdem fragt Jesus. Er fragt, was er für ihn tun kann und tun soll. Die Antwort, die der Blinde gibt, hat wohl niemanden überrascht, viel eher doch die Tatsache, dass Jesus ihm seinen Wunsch erfüllt hat und erfüllen kann, nämlich sehen zu können, wieder sehen zu können.
Liebe Schwestern und Brüder, immer wenn ich diese Frage höre, ist es für mich ein Ansporn, den Menschen auch Fragen zu stellen. Bei verschiedenen Gelegenheiten tue ich das auch. Ich frage Menschen, woher sie kommen. Ich frage Menschen nach Ihrem Lebensweg, nach ihrem Beruf. Brautpaare frage ich nach ihren Hoffnungen und Wünschen für ihren gemeinsamen Weg und die Firmlinge nach ihren Berufswünschen usw. Auch, wenn ich mir nie alles merken kann, so interessiert es mich wirklich. Ich bin auch erstaunt, dass mir die eine oder andere Antwort aber doch im Gedächtnis bleibt, denn die Antworten sind spannend, interessant und manchmal auch erschütternd, was Menschen alles erlebt und ausgehalten haben. Damit sind sie auch eine Herausforderung für mich, ob man, ob ich ihnen helfen kann.
Jesus hat die Menschen nach ihrem Leben gefragt, er hat sich dafür interessiert. Die Menschen nach ihrem Leben zu fragen, das ist für mich auch ein Wunsch, den ich an die Gemeinschaft der Kirche habe. Ich glaube, als Kirche müssen wir ein ehrliches Interesse am Leben der Menschen und ihren Lebenswirklichkeiten haben. Es ist nicht gut, wenn man zu wissen glaubt, was Menschen fehlt und was sie wollen könnten. Genauso wenig helfen vorgefertigte Antworten.
Heute am Weltmissionssonntag geht in Rom die Weltsynode zu Ende, die unter dem Thema „Synodalität“ stand und in die viele Menschen große Hoffnungen gesetzt haben, dass es vielleicht Reformen und zaghafte Ansätze von Veränderungen gibt. Inzwischen gibt es auch schon ein Abschluss-Dokument, das ganz unterschiedlich interpretiert wird. Nach allem, was ich gehört habe, ist die Ausbeute relativ mager, was Menschen hierzulande enttäuschen wird und viele schon gar nicht mehr interessiert, denn sie glauben nicht mehr daran, dass Glaube und Kirche ihnen in ihrem Leben helfen und etwas bringen kann.
Mir ist schon klar, dass der deutschsprachige Raum nicht der Nabel der Welt ist. Die Kirche hat in vielen Ländern ganz andere Probleme, aber wir haben auch Probleme, die man nicht so einfach beiseiteschieben kann. Ich hätte mir daher gewünscht, dass die Gedanken, die sich Menschen in unserem Land dazu gemacht haben, etwas ernster genommen und nicht von vorneherein als unmöglich abgetan werden. Diese Gedanken haben sich die Menschen ja nicht grundlos gemacht.
Liebe Schwestern und Brüder, Mission hat etwas mit Vision zu tun, nämlich mit dem Blick in die Zukunft, in eine gute Zukunft für die Menschen und die Welt. Die Welt und damit auch das Leben der Menschen sind komplexer und auch komplizierter geworden. Vorgefertigte Antworten werden dem nicht gerecht werden. Es braucht daher wohl eine gemeinsame Suche nach Antworten, die auch je nach Kontext verschieden sein können und werden.
Der blinde Bettler Bartimäus hatte in Jesus Vertrauen, er hatte großes Vertrauen. Er lässt sich von niemandem davon abbringen, denn er setzt seine letzte Hoffnung in ihn: Wenn mir der nicht helfen kann, dann kann mir niemand mehr helfen. Sein Vertrauen hat ihn nicht getäuscht und seine Hoffnung hat ihn nicht enttäuscht.
Dein Glaube hat dir geholfen. So sagt Jesus, er sagt nicht: „Ich habe Dir geholfen“, sondern „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Liebe Schwestern und Brüder, das wünsche ich mir, das wünsche ich uns, dass wir das im Blick auf unser Leben sagen können: Der Glaube hat mir geholfen. Wenn das so ist, dann dürfen wir das auch sagen, nicht aufdringlich, aber doch bestimmt und vor allem authentisch. Das könnte ein kleiner persönlicher Beitrag für unser Land am Sonntag der Weltmission sein, der in diesem Jahr unter dem Motto steht: „Meine Hoffnung, sie gilt auch dir!“
Die Hoffnung gilt Dir und mir!
Les.:Jes 53,10-11
Ev: Mk 10,35-45
Allgemeiner Kirchweihsonntag
Liebe Schwestern und Brüder!
Jedes Jahr am Kirchweihsonntag freue ich mich auf einen bestimmten Gesang unseres Chores, das „Locus iste“. Ein sehr feierlicher, erhabener Gesang, und gerade, wenn er hier erklingt betont er die Würde und Schönheit auch unseres Gotteshauses. Geschrieben wurde diese Motette 1869 von Anton Bruckner für die Einweihung einer Votivkapelle im Neuen Linzer Dom. Erhabenheit, Schönheit, Würde – dazu passen die Worte: Dieser Ort ist von Gott geschaffen, ein unschätzbares Geheimnis, kein Fehl ist an ihm. Ich kann mir vorstellen, dass der Chor diesen Gesang ebenso gern hat wie ich. Wenn wir allerdings fragen, wo diese Worte ihren eigentlichen Ursprung haben, dann müssen wir weit zurückgehen in die Zeit der Erzeltern: Jakob, der Sohn Isaaks flüchtet vor seinem Bruder Esau, den er, auch auf Betreiben seiner Mutter, um den Erstgeburtssegen gebracht hat, nun muss er mit der Rache seines Bruders rechnen, er hat Angst. Und er kommt an einen Ort und übernachtet dort, legt sich einen Stein unter den Kopf, nicht gerade ein Ausdruck für Bequemlichkeit. Aber er ist ja auf der Flucht, wahrscheinlich will er gar nicht bequem schlafen. Und wenn es gefährlich würde, hätte er sogar sofort einen Stein zur Hand, um sich zu wehren. Aber offenbar schläft er doch, fest, er träumt, und er sieht im Traum Gott selbst am Ende der Treppe, die zum Himmel reicht und Gott macht ihm eine Zusage: Deine Nachkommen werden zahlreich sein, ich behüte dich, ich bin mit dir, ich verlasse dich nicht. Und als Jakob aus diesem Traum aufwacht, sagt er diese Worte: Locus iste – Der Herr ist an diesem Ort, wie ehrfurchtgebietend ist er, hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels.
Jakob, ein von Angst und Schuld Getriebener, er macht die Erfahrung: Gott steht zu mir, er hat etwas mit mir vor, meine Nachkommen werden zahlreich sein, ich habe Zukunft.
Locus iste, der eigentliche Ort Gottes ist nicht das steinerne Gotteshaus, kunstvoll und makellos gebaut, sondern der ursprüngliche Ort Gottes ist der Mensch, der Getriebene, derjenige, der Angst hat, der schuldig geworden ist, der nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll, der Kranke, der Gequälte – die Bibel ist voll von solchen Menschen, die in einer extremen Situation die Erfahrung machen: Hab keine Angst, ich bin bei Dir, ich verlasse dich nicht. Und in den Gottesknechtsliedern verdichtet sich diese Aussage, so sehr, dass wir mit der Tradition der Kirche fast unmittelbar an Jesus denken, wenn wir diese Texte hören: Der Herr hat Gefallen an dem von Krankheit Zermalmten, er wird Nachkommen sehen und lange leben, ja mein Knecht der Gerechte, macht die Vielen gerecht.
Natürlich komme ich mir mit solchen Gedanken schon fast wie ein Spielverderber vor: Nein, so ein schöner Gesang und wir sollen schon wieder an alles Leid der Welt denken, dabei ist doch die Sehnsucht nach Heilem, nach Schönem, diese Sehnsucht ist doch so groß, nach Genießen, nach „Keine Sorgen haben“. Und wir sind hier in guter Gesellschaft, auch die großen Apostel, Johannes und Jakobus, einer davon der Lieblingsjünger Jesu – sie sehnen sich nach Großem und Schönem, sie träumen von der Herrlichkeit in Jesu Reich, und sie möchten dort einen besonderen Platz haben, ganz nah beim Herrn, sie befinden sich, übertragen, schon mal in dem wunderschönen steinernen Gotteshaus ohne irgendeinen Fehler und Makel. Und Jesus muss sie von dort zurückholen, er muss sie auf die Erde zurückholen: Wisst ihr eigentlich, um was ihr da bittet? und er spricht von seinem Kelch, vom Kelch des Leidens, er spricht von seinem möglichen Tod, einem ganz schändlichen Tod, denn gerade hatte er ihnen erklärt, der Menschensohn wird den Heiden ausgeliefert werden, sie werden ihn verspotten, anspucken, geißeln und töten. Das ist etwas völlig anderes als in der Herrlichkeit zu sitzen, rechts und links neben dem Herrn, das ist sogar genau das Gegenteil.
Die anderen Jünger werden sehr ärgerlich über Jakobus und Johannes, sie ärgern sich wahrscheinlich über solch eine Anmaßung, sie ärgern sich über solche unbescheidenen Wünsche, aber ist dieser Ärger das einzig Denkbare? Sollten wir nicht den beiden dankbar sein, dass sie ihre Wünsche aussprechen und damit offenlegen, was es da für einen krassen Widerspruch gibt zwischen unseren Erwartungen und Wünschen einerseits und der Realität, die wir tatsächlich erleben. Und ist nicht der Ärger vielleicht sogar Neid, dass da jemand wagt, so Großes für sich zu erwarten. Ja, wir sollten den beiden dankbar sein, dass sie das aussprechen, was da in ihnen als Wunsch hochkommt, wir sollten ihnen dankbar sein, dass sie das aussprechen, was in den meisten Menschen irgendwie da ist, der Wunsch etwas zu sein, etwas Großes zu sein, sich nicht mit einer kleinen Nebenrolle zufriedenzugeben. Wer stellt sich schon gern hinten an, wer steht gern in der zweiten Reihe, wer möchte nicht der Erstgeborene sein, wie Jakob es sich erschleicht. Weil sie das aussprechen, Jakobus und Johannes, und nur weil sie es aussprechen, geben sie Jesus die Möglichkeit von seinem Maßstab zu sprechen, der anders ist und anders sein soll als es üblich ist, da sind auf der einen Seite die Großen, die herrschen und die andere unterdrücken und ziemlich virtuos mit ihrer Macht umgehen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer groß sein will, der soll zum Diener werden, und wer der Erste sein will, soll zum Sklaven für die anderen werden. Das ist der Maßstab Jesu, das ist die Umkehrung aller bekannten Erfahrungen, und das ist tatsächlich ein Maßstab, der etwas ganz anderes, ganz Neues ermöglicht, kein Gegeneinander, keine Ellenbogengesellschaft, kein Durchsetzen meiner Interessen, sondern eine Aufmerksamkeit für den anderen, für den Leiseren, für den Schwächeren, ein Zurücknehmen, das auch dem anderen die Möglichkeit bietet, seins zu sagen, vielleicht sogar einzufordern. Diesen Maßstab Jesu umzusetzen, damit werden wir nie an ein Ende kommen, damit werden wir nie fertig, es wird immer Grund genug geben, eben doch in die bekannten Muster zu fallen, aber ansatzweise gelingt es immer wieder. Und wenn man z. B. die Regel des Heiligen Benedikt einmal nur daraufhin liest, inwieweit sie sich von diesem Maßstab Jesu leiten lässt, wird man manche Entdeckungen machen.
Liebe Schwestern und Brüder, das sind einige Gedanken, die für mich zum Kirchweihsonntag auf jeden Fall dazu gehören, denn eines ist klar: Es gibt immer die Schwächeren, es gibt immer die Leidenden, es gibt immer die Ängstlichen, es gibt immer die, die aus irgendeinem Grunde Getriebene sind. Es gibt immer die, die sozusagen der Stoff sind, aus der die Bibel gemacht wurde. Und immer, wenn diese Menschen die Erfahrung machen, hier gibt es einen anderen Maßstab, hier gilt nicht das Recht des Stärkeren, hier wird Jesu Wille greifbar und lebendig, immer dann hat auch die andere Erfahrung eine Chance: Hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und das Tor des Himmels – Locus iste. Amen.
L: Eph 1,15-23
Ev: Lk 12,8-12
Liebe Altscheyrer,
liebe Schwestern und Brüder!
Wenn Menschen das letzte Wort haben oder haben wollen, dann ist das immer eine Mischung zwischen Rechthaben – unter Umständen auch Rechthaberei – und Verantwortung. Das letzte Wort zu haben bedeutet, entscheiden zu dürfen oder auch entscheiden zu müssen, anzusagen, was jetzt gilt und gelten soll, vor allem im Hinblick auf die Zukunft. Mit dem letzten Wort werden daher Menschen ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht haben, positiv wie negativ, je nachdem wie es sie trifft oder betrifft.
Gestern vor einer Woche haben wir die neuen Fachräume für die BOS und FOS, die im Bereich der alten Turnhalle entstanden sind und die wir heute gemeinsam anschauen werden, eingeweiht. Bei diesem Festakt gab es einen kleinen Programmablauf, in dem auch die Liste der Redner festgelegt war. Mir sollte dabei das letzte Wort zukommen. Als aber einer meiner Vorredner an mich vorschnell sozusagen das Wort weitergeben wollte, sagte ich dann doch: „Das letzte Wort habe heute ich.“
Das letzte Wort sollte nämlich ein Segenswort sein. Der Segen stand am Schluss dieses Festaktes. Der Segen stand am Schluss dieser Baumaßnahme, auch wenn noch nicht alles ganz fertig ist.
Der Segen als letztes Wort, das war nicht nur mir wichtig, sondern das ist uns als Gemeinschaft wichtig, weil wir nicht einfach nur in Betrieb nehmen oder der Bestimmung übergeben wollten. Der Segen schließt dankbar etwas ab und lenkt zugleich den Blick in die Zukunft. Der Segen ist daher nicht nur eine Formel und schon gar kein magisches Zeichen. Der Segen, das sind schlicht und einfach gute Wünsche, gute Worte, Gutes reden, Gutes sagen: bene dicere!
Dieses „Gutes sagen“ und „Gutes reden“ ist wichtig und entscheidend für die Zukunft, weil man vor allem gut über sie denken kann und auch gut darüber denken will. In diesem Sinne haben wir heute in dem Abschnitt der Lesung aus dem Epheserbrief viele gute und daher segensreiche Worte gehört.
Schon der erste Satz war ein guter Auftakt: Ich höre nicht auf, für euch zu danken, wenn ich in meinen Gebeten an euch denke. Ich glaube das schwingt nicht nur heute bei diesem Altscheyrertreffen mit, sondern immer, wenn Menschen zusammentreffen, die miteinander einen Weg gegangen sind oder immer noch gehen. Wegbegleiter und Weggefährten sind entscheidend, damit Menschen ihren Weg finden dürfen und ihn auch gehen können. Solche Weggefährten brauchen wir alle und haben wir alle und dafür sind wir dankbar, auch heute bei diesem Treffen.
Ein Satz der Lesung lenkt für mich den Blick besonders in die Zukunft: Er, der Geist, erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid. Wir sollen hoffnungsvolle und hoffnungsfrohe Menschen werden und auch sein.
Hoffnung, das ist mehr als nur gute Wünsche. Hoffnung, das sind Visionen für das eigene Leben, aber auch für das Zusammenleben der Menschen auf dieser Welt. Wo soll es hingehen mit meinem Leben und mit dieser Welt? Wie soll die Zukunft aussehen, im Großen und im Kleinen?
Am vergangenen Donnerstag fand hier bei uns im Wittelsbacher Saal der sog. Unternehmertag im Landkreis Pfaffenhofen statt. Die Redner haben nicht nur gut gesprochen und schon gar nichts schöngeredet. Sie haben die Dinge, also die Probleme, schon beim Namen genannt, aber sie hatten immer auch eine Vision, Gott sei Dank! Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr erkennt zu welcher Hoffnung ihr berufen seid.
Vor allem der Hauptreferent, der österreichische Professor Hengstschläger, hat das mit Witz und unverwechselbarem Charme getan. Sein Thema und sein Ansatz lautete: „Mit Lösungsbegabungen die Zukunft gestalten.“ Der Mensch ist begabt, er ist dazu begabt die Zukunft zu gestalten. Nur erkennen muss man es eben auch. Der Blick in die Vergangenheit ermutigt dazu, denn zu diesen Lösungsbegabungen gehört die Erkenntnis, dass Vieles und auch Bahnbrechendes entdeckt wurde, wonach man zuerst vielleicht gar nicht gesucht hatte. Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr erkennt zu welcher Hoffnung ihr berufen seid.
P. Lukas und ich mussten bei seinem Vortrag immer wieder schmunzeln, weil er als Aufhänger, als Beispiel immer vom „Turnsaal“ gesprochen hat, wo die Kinder lernen und üben, aus welcher Ecke die Bälle kommen. Nach dem Vortrag haben wir ihm erklärt, dass wir gar keinen Turnsaal mehr haben, sondernd dass dieser zu Fachräumen umgebaut wurde, in denen die jungen Menschen vor allem eines können und lernen dürfen, nämlich kreativ zu sein, zu versuchen und zu experimentieren. Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr erkennt zu welcher Hoffnung ihr berufen seid.
Liebe Altscheyrer, bei unserem heutigen Treffen und vor allem bei der Besichtigung der neuen Fachräume wird deutlich und sichtbar werden, wie sich Voraussetzungen und Rahmenbedingungen auch mit der Zeit ändern. Vielleicht sagen manche von Ihnen:“ Wenn wir das damals alles so gehabt hätten, dann…“ Es hat sich viel geändert, aber der Auftrag und das Ziel bleiben dennoch gleich: Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr erkennt zu welcher Hoffnung ihr berufen seid.
Das gilt auch dann, wenn man die Schule vielleicht schon lange verlassen hat oder auch das Berufsleben bereits hinter sich hat.
Liebe Schwestern und Brüder, das letzte Wort zu haben und haben zu dürfen, ist immer auch eine Gelegenheit und eine Chance nicht nur auf Wichtiges, sondern auch auf Schönes hinweisen zu dürfen. Und so soll das letzte Wort für jetzt ein Glückwunsch sein. Fr. Joachim hat heute Geburtstag und zwar einen ziemlich runden. Er wird heute 50. Lieber fr. Joachim, du wirst damit kein Altscheyrer, aber du wirst in Scheyern immer älter. Dazu herzlichen Glückwunsch und Gottes Segen. Er erleuchte die Augen deines Herzens, damit du Tag für Tag erkennen darfst, zu welcher Hoffnung du mit uns allen berufen bist.
L: Weish 7,7-11
Ev: Mk 10,17-30
Liebe Schwestern und Brüder!
Auf Nummer sicher gehen, bzw. sich abzusichern ist eine Haltung, vielleicht sogar eine Art Sehnsucht, die Menschen zu allen Zeiten aus verschiedenen Lebenserfahrungen gewonnen haben, denn das Leben kennt ganz viele Gefahren und Risiken, die es bedrohen, gefährden und einschränken können. Wir wissen aus Erfahrung aber auch, dass es eine totale Sicherheit nie geben kann und nie geben wird. Trotzdem bemühen sich Menschen um den weitreichendsten Schutz bzw. die größtmögliche Sicherheit.
Sozusagen ein Produkt dieser Haltung, sich nach vielen Seiten abzusichern, sind die sog. Versicherungen, die eigentlich nichts anderes sind als Konzerne, die mit Hilfe großer Geldeinlagen dann einspringen, wenn Schadensfälle ganz unterschiedlicher Art Leben irgendwie in eine Schieflage gebracht haben. Eigentlich ist das eine gute Idee, die Menschen wieder auf die Beine helfen kann. Wer aber mit Versicherungen schon zu tun hatte, weiß auch, dass diese sich genauso absichern und nicht immer gewillt sind, alles zu bezahlen, so wie wir uns das vielleicht vorstellen und erwartet hätten.
Trotz vieler Versicherungen wird ein Restrisiko im Leben immer bleiben, und außerdem kann durch Geld auch nicht alles wieder und immer gut gemacht werden.
Der Wunsch nach Sicherheit ist zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor in unserem Teil der Welt geworden und hat daher auch viele klangvolle Namen bei den Anbietern und Versicherungen hervorgebracht, die Sie alle kennen und die Sicherheit schon im Namen vermitteln wollen.
In unserem Nachbarland Österreich gab und gibt es einen Versicherungskonzern, der relativ unspektakulär „Erste allgemeine Versicherung“ heißt. Diese Versicherung stand 1978 unfreiwillig Pate bei der Namensgebung für eine Rock-Pop-Band, die sich dann „Erste allgemeine Verunsicherung“ nannte. Darüber war die Versicherung zuerst gar nicht erfreut, wollte diesen Namen sogar verbieten lassen. Doch als sie gemerkt hatten, dass dieser Bandname ihnen nicht schadet, wurden sie sogar zum Sponsor dieser Band.
Diese wurde durch ihre Art des Singens meistens als Klamauk-Band gesehen, aber sie hat Lieder auf den Markt gebracht, die alles andere als Klamauk waren.
Ihre Lieder rührten an so manchen wunden Punkt in Österreich, deshalb sah sich diese Band immer mit Klagen konfrontiert, wenn sich jemand auf den Schlips getreten fühlte. Auch Bayern blieb davon nicht ganz unberührt, der Bayerische Rundfunk hat ein Lied (s’Muaterl) nicht gespielt, weil es scharfe Kritik an Kirche und Papst übte. Man kann den Text auch googeln. Und ich glaube, so unrecht hatten sie dabei nicht, über die Schärfe lässt sich allerdings streiten.
Ein Lied dieser Band trägt den Titel: „Geld oder Leben“ und darin heißt es:
Es beherrscht der Obulus seit jeher unsern Globulus. Mit andern Worten: Der Planet sich primär um das eine dreht.
Drum: Schaffe, schaffe Häusle baue! Butterbrot statt Schnitzel kaue! Denn wer nicht den Pfennig ehrt, der wird nie ein Dagobert.
Es sagt das Sprichwort: Spare, spare, dann hast du in der Not! Der eine spart, kriegt graue Haare, der andere erbt nach seinem Tod.
Dollar, D-Mark, Schilling, Lire, Rubel, Franken oder Pfund, die Vermehrung unserer Währung ist der wahre Lebensgrund. Geld oder Leben!
Geld oder Leben! Dieser Gegensatz wird nicht immer so stimmen, aber es gibt ihn. Und Menschen werden sich in den unterschiedlichsten Situationen ihres Lebens immer wieder dazwischen entscheiden müssen, nicht nur bei einem Raubüberfall, wo es wirklich um Geld oder Leben gehen kann!
Geld oder Leben! Das ist eigentlich auch das Thema des Evangeliums, das wir gerade gehört haben. Geld oder Leben! Was Jesus da sagt, ist nicht unbedingt ein Hit, der gut ankommt und der sich gut vermarkten lässt. Die eben gehörte Geschichte bringt nicht nur einiges durcheinander, sondern sie macht, wenn man diesen Jesus ernst nimmt, vor allem eines: Sie macht unsicher. Von seinen Jüngern heißt es, dass sie über seine Worte bestürzt waren: „Das kann doch gar nicht sein. Das ist doch nicht dein Ernst, oder?“ Doch es war Jesus ernst.
Begonnen hat die Geschichte mit der Sehnsucht nach Sicherheit. Ein junger Mann kommt zu Jesus und will es von ihm ganz genau wissen: „Guter Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ Vielleicht könnte man es so sagen: Ewiges Leben, Leben, das einen Sinn hat und einen Sinn macht. Leben, das sich nicht immer mit Bedrohungen, Gefährdungen und Einschränken auseinandersetzen muss.
Am Ende der Sicherheitsanfrage steht eine Antwort, mit der dieser junge Mann nicht gerechnet hat, die er nicht erwartet hat: “Geh, verkaufe, was du hast, gib das Geld den Armen, und du wirst einen Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach“. Kurz gesagt: Geld oder Leben!
Das kann doch gar nicht sein. Das ist doch nicht dein Ernst, oder? Doch, liebe Schwestern und Brüder, es war Jesus ernst. Das kommt für mich in einem ganz kurzen Satz zum Ausdruck, über den man ganz leicht hinwegliest: Da sah er ihn an, und weil er ihn liebte, sagte er zu ihm!
Weil er ihn liebte. Eigenartig, so hat er sich Liebe wahrscheinlich nicht vorgestellt. Das, was Jesus sagt, ist harte Kost, wenn es jemanden persönlich trifft. Oder besser gesagt, wenn sich jemand davon angesprochen fühlt.
Aber das, was Jesus hier sagt, ist eigentlich der Grundgedanke jeder Versicherung, nämlich dass man mit denen teilt oder denen hilft, die sich selber nicht helfen können. Auch wenn immer ein Restrisiko bleibt und man die Verantwortung für das Leben nicht abgeben kann, auch an keine Versicherung.
Liebe Schwestern und Brüder, der Wunsch nach Sicherheit hat viele Versicherungen hervorgebracht, die für ihre Angebote mit ganz unterschiedlichen Slogans werben. Mit einem solchen Werbeslogan auch aus Österreich möchte ich schließen, er lautet: „Ihre Sorgen möchten wir haben.“
Ich glaube, das ist auch ein Anliegen und ein Angebot Jesu: Unsere Sorgen möchte er haben. Meine Sorgen möchte er haben. Deine Sorgen möchte er haben.
Wollen wir sie ihm auch wirklich geben? Geld oder Leben!
L: 2 Kön 5,14-17
Ev: Lk 17,11-19
Liebe Schwestern und Brüder!
Immer, wenn ich dieses Evangelium lese oder höre, geht mir ein Gedanke bzw. eine Frage durch den Kopf: Warum fällt es Menschen schwer, manchmal so schwer, sich zu bedanken oder einfach danke zu sagen? Dieser Abschnitt aus dem Lukasevangelium, in dem Jesus die Erfahrung gemacht hat, dass „nur“ einer zu ihm zurückkehrt, um sich für das zu bedanken, was geschehen ist, nämlich dass er gesund geworden ist, steht für viele Situationen im Leben, wo das so oder so ähnlich gewesen ist, nämlich dass ein Dank, den man zwar nicht erwarten durfte, aber doch für angebracht gehalten hätte, ausgeblieben ist.
Wie denken Sie? Ich weiß, es wird wohl auch Menschen geben, die anders denken, die vielleicht sagen: „Warum, was ist schon dabei? Die Menschen haben das bekommen, was sie wollten und damit ist es vorbei. Sie müssen nach vorne schauen und ihr Leben wieder auf die Reihe bekommen.“
Ist Danke zu sagen nur eine Höflichkeitsfloskel, die überflüssig ist oder geworden ist? Ich glaube das nicht.
Warum aber fällt es Menschen so schwer, Dankbarkeit zu zeigen? So war auch ein Artikel überschrieben, den ich vor kurzem irgendwo gelesen habe. Es ging darin um einen Begriff, der mehr ist als nur ein Begriff, nämlich um das Geschenk.
Wenn ich etwas kaufe, dann habe ich darauf einen Anspruch, es auch zu besitzen. Auf ein Geschenk aber habe ich keinen Anspruch. Ich kann es mir nicht kaufen, ich kann es mir nicht verdienen und ich brauche es mir auch nicht zu verdienen. Während beim Kauf ein Gleichgewicht durch das Bezahlen eines bestimmten Geldbetrages wieder hergestellt wird, bleibt es beim Schenken offen. Ich kann es ihm ja nicht einfach wieder zurückgeben, so dass wir wieder „quitt“ sind. Wer etwas geschenkt bekommen hat, steht bei einem anderen zunächst in einer Art „Schuld“. Ein Ausgleich wird durch ein Danke, durch die Dankbarkeit wieder hergestellt. Der Dank ist aber nicht einfach der Preis dafür, sondern es geht vielmehr um die Wertschätzung, die man empfindet.
Bevor Menschen Danke sagen, müssen sie „Danke denken“ und das ist gar nicht so einfach.
Danken verbindet auf der einen Seite Menschen, aber manchmal kann eine solche Verbindung auch schwierig und belastend sein, nämlich da, wo ein Danke nicht ausreicht. Um ein Beispiel zu nennen: In der Politik, können Geschenke schnell zu einer Affäre werden.
Wenn Menschen etwas geschenkt bekommen, dann wird das Danke oft mit einem Zusatz verknüpft: „Das wäre doch gar nicht nötig gewesen.“ Stimmt, es wäre nicht nötig gewesen, denn wenn es nötig gewesen wäre, dann wäre es eine Hilfe, auf die man angewiesen, von der man vielleicht sogar abhängig ist. Unabhängigkeit ist für Menschen ein hohes Gut, und doch sind und bleiben wir immer auch darauf angewiesen, dass uns auch etwas guttut.
Wenn Menschen Danke sagen können, dann gibt es auch so etwas wie Zufriedenheit. Ich brauche nicht immer ein Besser, ein Mehr, ein Weiter und ein Schneller. Sondern es ist Gut so wie es ist. Die Zufriedenheit darüber, dass etwas gut ist, sind die Momente, die wir Glück nennen.
Liebe Schwestern und Brüder, heute begehen wir den Erntedanksonntag, der mehr ist als nur ein schöner Brauch, sondern es ist ein Tag, der zuerst zum Denken einlädt, um auch Danke zu sagen.
Vor dem Altar liegen heute Dinge, die wir Tag für Tag brauchen und in unseren Breiten auch zur Genüge haben. Das kann dazu verleiten, dass wir mit diesen Gaben, die vor allem eines sind, nämlich Geschenke, gedankenlos umgehen und sie gar nicht mehr wertschätzen. So erinnern uns diese Gaben auch daran, dass in unseren Breiten viele Lebensmittel weggeworfen werden. Sie liegen sozusagen unter dem, was wir heute hier in der Kirche sehen dürfen.
Bevor Menschen Danke sagen, müssen sie zuerst „Danke denken“. Kann man dieses „Danke denken“ lernen? Ja, man kann es erlernen, indem man Enttäuschungen verkraftet und das Staunen neu einübt. Am ehesten lernt man es, wenn man das Alltäglichste als Wunder annimmt. So möchte ich schließen mit einem Text, der mit einem gewissen Augenzwinkern oder Schmunzeln zum Denken, zum Nachdenken anregt:
Sei dankbar, wenn dir der Partner jede Nacht die Decke wegzieht,
denn das bedeutet, dass er mit keinem anderen aus ist.
Sei dankbar, wenn du Steuern zahlen musst,
denn das bedeutet, dass du einen Job hast.
Sei dankbar, wenn dir deine Kleider zu eng geworden sind,
denn es bedeutet, dass du genug zu essen hast.
Sei dankbar, wenn du viele Emails bekommst,
denn es bedeutet, dass viele Menschen an dich denken.
Sei dankbar, wenn dich der Wecker früh morgens aus dem Schlaf reißt,
denn es bedeutet, dass du am Leben bist.
Das Alltäglichste als Wunder annehmen. Danke! Von Herzen Danke!
L: Jak 3,16-4,3
Ev: Mk 9,30-37
Liebe Schwestern und Brüder!
Es gibt bestimmte Themen in unserem Leben, um die wir lieber einen großen Bogen machen, wie wir sagen, weil wir uns nicht gerne damit beschäftigen und deshalb wahrscheinlich auch nicht gerne darüber reden oder reden wollen. Das Thema, das ich meine – vielleicht ahnen Sie es – ist der Tod. Wer beschäftigt sich schon gerne mit dem Tod? Wenn jemand trotzdem dieses Thema anschneidet oder offen darüber spricht, dann werden die Gesprächsteilnehmer wahrscheinlich versuchen, irgendwie das Thema zu wechseln.
So oder so ähnlich muss es Jesus gegangen sein, denn wir haben im Evangelium gerade gehört, dass er nicht nur ganz offen über den Tod redet, sondern er spricht von seinem eigenen Tod: Der Menschensohn wird den Menschen ausgeliefert, und sie werden ihn töten. An anderer Stelle, wo Jesus das auch anspricht, folgt darauf der Einwand des Petrus, der sagt, das möge Gott verhüten. Die beiden, Jesus und Petrus, geraten darüber fast in Streit.
Hier aber, in diesem Abschnitt, verstehen ihn seine Jünger gar nicht, ja eigentlich wollen sie es gar nicht wissen, denn sie fragen ihn nicht einmal, was er damit gemeint haben könnte oder wie er das gemeint hat, als er das sagte.
Auch die Jünger haben untereinander schnell das Thema gewechselt. Sie diskutieren lieber über etwas, was ihnen näher ist oder besser liegt: Sie sprechen über die Hierarchie. Dabei spielt der Tod keine Rolle. Hinter diesem Verhalten steht vielleicht auch eine Lebenseinstellung, die wir wahrscheinlich auch kennen und die sprichwörtlich geworden ist: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Also, ich will darüber lieber nicht so viel oder gar nichts davon wissen. So kann ich leichter ein ungestörtes oder stressfreies Leben führen und leben.
Jesus scheint ihre Gedanken zu ahnen oder zu wissen, denn er fragt sie danach, worüber sie denn unterwegs miteinander gesprochen haben. Auf diese Frage geben sie Jesus nicht nur keine Antwort, sondern ihr Schweigen sagt noch viel mehr aus. Gibt es doch ein beredtes Schweigen.
Was ich nicht weiß macht mich nicht heiß. Liebe Schwestern und Brüder, wir kennen diesen Satz und wir kennen wahrscheinlich auch solche Gedanken: Lieber nicht zu viel wissen. Ich glaube, es ist gut, dass wir manches nicht wissen. Es ist gut, dass wir unseren Todestag und unsere Todesstunde nicht kennen. Ich denke, unser Leben würde noch hektischer, vielleicht sogar verbissen werden. Und es würde viel Angst, noch mehr Angst geben. Doch es ist gut, sich wenigsten ab und zu daran zu erinnern, dass es einen Todestag und eine Todesstunde auch in meinem Leben geben wird, vielleicht sogar ganz überraschend und unvermutet.
Der Heilige Benedikt schreibt in diesem Sinne in seiner Regel folgenden Satz: Den unberechenbaren Tod täglich vor Augen haben. Dieser Satz findet sich im vierten Kapitel, das so überschrieben ist: „Werkzeuge der geistlichen Kunst.“
Ich glaube, diese Anregung des heiligen Benedikt gehört nicht nur zu den Werkzeugen der geistlichen Kunst, sondern sie ist auch Lebenskunst, weil das Anerkennen der eigenen Vergänglichkeit auch entlasten kann und manche Sorge, mancher Ärger und so manche Dringlichkeit und Wichtigkeit wird dadurch relativiert.
Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Hinter diesem Satz kann auch eine Haltung stehen, die sich zu einer falschen und gefährlichen Sorglosigkeit und Bequemlichkeit entwickeln kann und die deshalb jegliches Wissen und jegliche Art von Bildung ablehnt.
Davor warnt kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe, der bei diesem Satz, den es schon vor ihm gegeben hat, nicht stehen bleibt, sondern ihn aufnimmt und so fortfährt:
Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Und was ich weiß, machte mich heiß.
Wenn ich nicht wüsste,
wie’s werden müsste.
Jesus schimpft seine Jünger nicht, obwohl er allen Grund dazu gehabt hätte, sondern er nimmt sich Zeit und erklärt es ihnen noch einmal. Er sagt noch einmal, was er will, was ihm wichtig ist. Er sagt es noch einmal und noch ein bisschen anders, wie es werden müsste, wie es werden könnte.
Für Jesus wird Herrschen am besten und am sinnvollsten im Dienen verwirklicht: Wer der Erste sein will, soll der Letzte und der Diener aller sein. Und um das zu unterstreichen und sinnenfällig begreifbar zu machen, stellt er ein Kind in die Mitte und fügt hinzu: Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf und auch den, der Jesus gesandt hat, Gott.
Wenn ich nicht wüsste, wie‘ s werden müsste.
Für Jesus gibt es nicht nur die Herrscher, die das von Amtswegen sind oder die eine Herrschaft an sich gerissen haben, sondern für Jesus ist jeder Mensch ein Herrscher in dem Sinn, wie er sich und sein Leben beherrscht und was in seinem Leben vorherrscht.
Wenn ich nicht wüsste, wie’s werden müsste.
Wenn und weil Jesus ein Kind in die Mitte stellt, könnte das bedeuten, die Welt und das Leben, das doch sehr von Erwachsenen geprägt ist, einmal mit den Augen der Kinder zu betrachten. Kinder sehen anders, Kinder denken anders und Kinder fühlen anders.
Es kann auch bedeuten, die Welt und das Leben aus der Sicht eines Mannes, aus der Sicht einer Frau zu betrachten.
Die Welt und das Leben aus der Sicht eines jungen, aus der Sicht eines alten Menschen verstehen zu wollen.
Viele Blickwinkel können wir auf diese Weise einnehmen, die unser Denken und Fühlen, unser Reden und Tun verändern können.
Ich wurde einmal eingeladen, mich in einen Rollstuhl zu setzen und mich damit vorwärts zu bewegen. Da wurde mir sehr schnell klar, was Barrierefreiheit ganz konkret und ganz praktisch bedeuten kann und dass die Welt aus dieser Perspektive ganz anders ausschaut.
Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.
Und was ich weiß, machte mich heiß.
Wenn ich nicht wüsste,
wie’s werden müsste.
Oder wie es werden könnte. Reich Gottes mitten unter uns!
L: Dtn 4,1-2.6-8
Ev: Mk 7,1-8.14-15.21-23
Liebe Schwestern und Brüder!
Der Urlaub für dieses Jahr ist vorbei. „Aus is und gor is und schod is, dass wohr is.“ Es waren schöne und erholsame Tage, auf die ich jetzt gerne in Gedanken zufrieden zurückblicke und auch ein bisschen davon zehre für den Alltag, der jetzt langsam wieder beginnt.
Heute ist der 1. September, für viele beginnt morgen wieder die Arbeit oder ein neuer Lebensabschnitt. Und wenn in eineinhalb Wochen die Schule wieder begonnen hat, dann wird alles ziemlich schnell wieder so sein wie vorher. Zu meinem Gefühl der Zufriedenheit gehört auch, dass ich das Richtige eingepackt hatte, nicht zu viel aber auch nicht zu wenig.
Eine Erfahrung, die Sie wahrscheinlich auch schon gemacht haben, lässt mich immer noch schmunzeln. Während ich meine Urlaubssachen packte, kamen Dinge zum Vorschein, an die ich schon gar nicht mehr gedacht hatte. Im Rucksack fanden sich eine Maske, Desinfektionsmittel, ein Corona Test und sogar noch eine Bescheinigung über einen negativen Test, der damals in der Unterkunft verlangt wurde. Lang ist es her und Corona schon fast vergessen. 2020, 2021 und zum Teil auch noch 2022 wurde gezwungenermaßen sehr viel Wert auf Hygiene gelegt.
Hygiene spielte und spielt auch ohne Corona in unseren Breiten und in unserem Leben eine wichtige Rolle, auf die wir auch großen Wert legen, so bei den Lebensmitteln und ihrer Verarbeitung und im medizinischen Bereich, um nur zwei Beispiele zu nennen. Der Begriff Hygiene ist aus zwei griechischen Wörtern zusammengesetzt und bedeutet eigentlich „eine der Gesundheit dienende Kunst“. Von Vorschriften, die wir mit Hygiene meistens verbinden, ist da noch keine Spur.
Ganz anders im Evangelium, das wir gerade gehört haben, da geht es auch um Hygiene, die vorgeschrieben ist und eingefordert wird. Jesus wird vorgeworfen, dass seine Jünger das Brot mit unreinen, also ungewaschenen Händen, essen. Das geht nicht! Heute ist das Waschen der Hände vor dem Essen eigentlich Standard, im Kontext der Bibel eine religiöse Vorschrift, die einen kultischen Hintergrund hat und ihren Ausdruck in vielen Riten fand. Auch in unserem Gottesdienst gibt es immer noch die Händewaschung am Ende der Gabenbereitung.
Jesus kritisiert nicht nur die Haltung, die aus der „Kunst, die der Gesundheit dienen soll“, ein System vor Vorschriften gemacht hat, sondern weist noch auf eine ganz andere Hygiene hin: Nichts, was von außen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein.
Hygiene, eine der Gesundheit dienende Kunst. Hygiene, eine dem Leben dienende Kunst. Wir wissen heute viel darüber, was von außen die Gesundheit des Menschen gefährden, schädigen oder gar zerstören kann. Deshalb ist Hygiene wichtig, ohne dass man sich dabei „verkünsteln“ muss.
Aber ich glaube, der Einwand, den wir heute von Jesus gehört haben, wird eher vernachlässigt, vielleicht sogar sträflich vernachlässigt. Die Dinge, die Jesus aufzählt, kennen wir alle, manchen messen wir mehr Bedeutung zu, anderen weniger, aber wir wissen auch, was sie in unserer Welt anrichten, im Großen und im Kleinen, und dass sie Leben gefährden, schädigen oder gar zerstören.
Das, was uns die Medien in den letzten Tagen und Wochen berichteten über Menschen, die von anderen wahllos einfach angegriffen, verletzt oder gar getötet werden, lässt Menschen sagen: „Das ist doch krank!“ Verbunden mit dem Entsetzen ist die Frage, was in solchen Menschen vorgeht, dass sie das tun. Was sind das für Haltungen und Strebungen, die da plötzlich hervorbrechen, oft im Affekt?
Hygiene, eine der Gesundheit dienende Kunst. Hygiene, eine dem Leben dienende Kunst. So sehe und verstehe ich heute die beiden Texte, die wir aus der Bibel gehört haben, weil sie dem Leben dienlich sind, weil sei dem Leben dienen wollen. Hört und ihr werdet leben, so hat es in der Lesung aus dem Buch Deuteronomium geheißen: Hört und ihr werdet leben.
Obwohl es auch hier um Gebote, Gesetze und Vorschriften geht, ist damit auch eine Kunst gemeint, eine Kunst, die dem Leben dienen will und dienen soll.
Jesus sagt, dass es im Menschen Dinge und Haltungen gibt, die Leben gefährden können. Heute wissen wir auch, dass es sehr wohl Einflüsse von außen sind, die das anfeuern oder aber in Zaum halten können. Schärfere Gesetze allein werden es wohl nicht schaffen, vielleicht braucht es eine Art Hygiene in den Sozialen Kommunikationsmitteln und in den Medien.
Eine Strebung, die Jesus bei den Dingen nennt, die von innen kommen und Menschen unrein oder vielleicht sogar krank machen, ist der Neid. Neid hat viel mit vergleichen zu tun, nicht ein objektives Vergleichen, sondern ein sehr subjektives Vergleichen. Allen anderen scheint es besser zu gehen als mir selbst. Und daran sind auch noch die anderen schuld! Es gibt Bereiche in den Medien und die Art und Weise der Darstellung, die das ganz bewusst fördern und auch lenken.
Ich möchte schließen mit Vergleichsgedanken, die Jesus und seine Botschaft zum Inhalt haben:
Vergleiche ihn ruhig mit anderen Größen, mit Sokrates, Rosa Luxemburg, Gandhi, er hält es aus.
Besser ist es allerdings, du vergleichst ihn mit Dir.
Hygiene, eine der Gesundheit dienende Kunst.
Hygiene, eine dem Leben dienende Kunst.
Hört und ihr werdet leben.
L: 1 Kor 15,20-27a Ev: Lk 1,39-56
Liebe Schwestern und Brüder,
Dem Himmel so nah! Mit dieser Formulierung, die wir meistens eher in Gedanken haben, als wir sie vielleicht über die Lippen bringen, versuchen wir besondere Ereignisse und Erlebnisse in unserem Leben in Worte zu fassen.
Dem Himmel so nah! Meistens sind es Erfahrungen, die wir mit angenehmen Gefühlen, mit schönen Augenblicken oder auch mit wunderbaren Orten und Landschaften in Verbindung bringen.
Im Evangelium, das wir gerade gehört haben, ist eine solche Situation beschrieben. Maria besucht ihre Verwandte Elisabeth. Beide Frauen sind schwanger. Sie tragen zukünftiges Leben in sich. Aus dem, was wir gehört haben, lässt sich schließen, dass es eine sehr emotionale Situation gewesen sein muss. Beide Frauen verstehen sich nicht nur, sondern sie wissen, wovon sie reden. Von Elisabeth heißt es, als sie den Gruß Marias hörte, da hüpfte das Kind vor Freude in ihrem Leib.
Dem Himmel so nah! Damit kann aber auch etwas gemeint sein, das zu den sogenannten „Ausnahmesituationen“ in einem Leben zählt, die herausfordern, die belasten, die aber doch wichtig, vielleicht auch entscheidend oder gar schicksalshaft sind.
Dem Himmel so nah! Dieser Gedanke kam mir vorgestern Abend, als ich in Tirol im Kloster Georgenberg bei benediktinischen Mitbrüdern in fast 900 Höhenmetern zu Gast sein durfte, um den Gottesdienst zur Nachtwallfahrt zu halten, die von Mai bis Oktober immer am 13. eines Monats gehalten wird. Wer an diesem Ort selber schon einmal gewesen ist oder wer Bilder davon gesehen hat oder sich diese über das Internet besorgt, weiß, was ich meine. Das Klostergebäude ist auf einem Felsvorsprung gebaut und ringsherum geht es steil in die Tiefe. Ja, dort fühlte ich mich durch die Lage dem Himmel irgendwie nahe, aber auch beim Gottesdienst, der wegen eines Gewitters, das man so nah am Himmel auch ganz anders erlebt, in der Kirche gefeiert werden musste, war eine ganz besondere Stimmung, zu der man auch sagen konnte: Dem Himmel so nah!
Ziel der Wallfahrer ist das Gnadenbild der schmerzhaften Muttergottes, die ihren toten Sohn in den Armen hält. Als wir das Lied gesungen hatten: Du hast unterm Kreuze auf Jesus geschaut; er hat dir den Jünger als Sohn anvertraut. Du Mutter der Schmerzen, o mach uns bereit, bei Jesus zu stehen in Kreuz und in Leid, da konnte man an den Gesichtern der Menschen irgendwie ablesen, wie sehr sie sich an diesem Ort und vor diesem Gnadenbild geborgen fühlten und geborgen wissen mit ihren Anliegen, die sie auf diesen Berg hinaufgetragen haben, dorthin, wo man dem Himmel ein Stück näher ist.
Liebe Schwestern und Brüder, wir feiern heute ein Fest, bei dem wir vielleicht auch sagen oder gar spüren können: Dem Himmel so nah! Wir feiern das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Eine andere Bezeichnung für dieses Fest lautet: „Entschlafung Mariens“. Es geht also um Leben und Tod, es geht um Tod und Leben. Momente, die sehr schön, die aber auch sehr herausfordernd sein können und Menschen an ihre Grenzen bringen.
Wenn das Leben eines Menschen zu Ende gegangen ist, dann wird für Momente die ganze Fülle, die ganze Tragweite mit dem Schönen und dem Schweren, was dieses Leben ausmachte, was es auszeichnete, noch einmal bewusst, auch in den Beziehungen und Begegnungen mit anderen Menschen.
Beim Blick auf das Gnadenbild am Georgenberg kam mir schließlich auch der Gedanke, dass beim heutigen Fest sozusagen die Rollen vertauscht sind. Heute hält nicht Maria den toten Leib ihres Sohnes, sondern Maria wird nach ihrem Tod von Gott in Händen gehalten: Ihr Leben wird angenommen und ihr Leib wird aufgenommen.
Maria hat ihren Sohn im Tod nicht allein gelassen, was sicher ein herausfordernder Moment, aber ein wichtiger Moment im Leben Mariens war. Und Gott hat im Tod die Mutter seines Sohnes nicht allein gelassen: „Die Mutter war’s, was bedarf‘s der Worte mehr“. So steht es ab und zu bei Todesanzeigen. Zwei Situationen von großer und tiefer Geborgenheit: Dem Himmel so nah!
Dem Himmel nah fühlt sich auch der Apostel Paulus, wenn er seine Gedanken, seine Hoffnung und seinen Glauben an die Auferstehung so in Worte fasst: Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht. Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören.
Liebe Schwestern und Brüder, als ich am vergangenen Dienstag auf dem Georgenberg nach dem Gottesdienst mit ein paar Teilnehmern ins Gespräch kam, da hatte ich den Eindruck, dass sie ein Stück Himmel mit ins Tal und in ihren Alltag nehmen möchten und auch nehmen können. Himmel, der einen Namen hat. Himmel, der ein Gesicht hat. Himmel, der immer auch ein Stück Lebensgeschichte ist. Denn:
Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen und neu beginnen ganz neu.
Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken und neu beginnen ganz neu.
Wo Menschen sich verbünden, den Hass überwinden und neu beginnen ganz neu.
Da berühren sich Himmel und Erde, dass Friede werde unter uns.
Es gibt viele Gelegenheiten, wo sich Himmel und Erde berühren können, auch durch unser Tun, durch unser Denken und unsere Hoffnung. Das feiern wir heute an diesem Tag. Das bekennen wir heute mit diesem Fest, wenn wir beten: Gib, dass wir auf dieses Zeichen der Hoffnung und des Trostes schauen und auf dem Weg bleiben, der hinführt zu deiner Herrlichkeit.
Also dem Himmel ganz nah!
L: Eph, 4,30-5,2
Ev: Joh,6,41
Liebe Schwestern und Brüder!
Nie mehr Schule, so beginnt und so lautet der Titel eines Liedes des österreichischen Entertainers Falco aus dem Jahr 1982. Wenn Sie dieses Lied nicht kennen, dann kennen Sie wahrscheinlich den Gedanken bzw. die von Falco besungene Sehnsucht, die ziemlich sicher zu jedem Schülerleben einfach irgendwie dazugehört: „Nie mehr Schule“.
Nie mehr Schule, ab und zu kann man dieses Lied im Radio hören, vor allem dann, wenn es auf die Ferien zugeht. Ich kann diesen Gedanken gut nachvollziehen, denn ich muss zugeben, dass ich nicht gerne in die Schule gegangen bin und sehr froh war, als ich 1982, also genau in dem Jahr, als dieses Lied auf den Markt kam, die Realschule abgeschlossen habe. Ich glaube, mich daran erinnern zu können, dass dieses Lied auch bei unserer Abschlussfeier gespielt wurde: Nie mehr Schule.
Nie mehr Schule, so ganz hat es bei mir aber nicht funktioniert. Ein Lehrer in der Realschule hatte es meiner Mutter einmal prophezeit, dass ich wahrscheinlich noch mal auf die Schule gehen werde. Damals habe ich darüber gelacht und es nicht geglaubt: Ja, wahrscheinlich! Aber sechs Jahre später war es soweit. Ich habe tatsächlich die Hobelbank gegen die Schulbank eingetauscht und bin wieder auf die Schule gegangen, um das Abitur nachzuholen. In diesen vier Jahren, gab es dann und wann schon auch wieder den Gedanken, warum ich mir das überhaupt antue, Latein, Griechisch und vieles andere zu lernen, zu „pauken und zu büffeln“, um sozusagen mit dem Schüler-Jargon die Mühe und Anstrengung auszudrücken.
Heute bin ich froh, dass ich es gemacht habe, und ich bin dankbar für das, was ich in der Schule, in der Berufsausbildung und beim Studium alles lernen und kennenlernen durfte. Es ist ein Erfahrungsschatz, den mir niemand mehr nehmen kann. Und zu diesem Erfahrungsschatz gehört auch der Gedanke und die Sehnsucht „Nie mehr Schule“, die vielleicht auch beinhaltet, Ziele erreichen zu dürfen, etwas abschließen zu können mit der gleichzeitigen Erkenntnis, dass man im Leben nie auslernt, auch wenn man die Schule schon längst verlassen hat.
Ich weiß nicht, ob es Ihnen aufgefallen ist, dass Jesus im heutigen Evangelium auch davon spricht, dass es zu unserem Leben einfach dazu gehört, ein Leben lang zu lernen, auch wenn es uns nicht gefällt oder passt. Sagt er doch in diesem Abschnitt fast so nebenbei: Und alle werden Schüler Gottes sein. Jeder, der auf den Vater hört und seine Lehre annimmt, wird zu mir kommen.
Er sagt es in einem Konflikt, in dem Menschen ihm nicht glauben wollten, was er da von sich sagt. Sie nehmen es ihm nicht ab, dass er das Brot ist, das vom Himmel herabgekommen ist. Sie argumentieren dagegen: „Ist das nicht Jesus, der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen?“
Nie mehr Schule. Hinter diesem Gedanken, hinter diesem Satz steht gewiss auch ein Zweifel nach dem Sinn, ob man das alles wirklich im Leben einmal brauchen wird, was man im Laufe des Schülerdaseins so alles lernen muss und dann auch noch können sollte. Sicher, vieles haben wir schon lange wieder vergessen, was wir in der Schule einmal gelernt haben. Manches aber auch nicht. Es gibt Dinge, die haben sich uns schnell und tief eingeprägt. Und es gehört zu unseren Lebenserfahrungen, dass Manches plötzlich wieder aktuell werden kann und uns der Gedanke in den Sinn kommt: Wie war das doch gleich damals in der Schule?
Und alle werden Schüler Gottes sein. Man lernt im Leben nie aus. Ich glaube, wenn wir Schülerinnen und Schüler Gottes sind bzw. bei Gott in die Schule gehen, dann ist das nichts anderes als die Schule des Lebens, die schöne, aber auch weniger schöne Erfahrungen kennt. Und es wird sich dann zeigen, was der Einzelne gelernt hat und was er daraus macht, wie er mit all dem umgeht, was er erlebt hat oder was ihm widerfährt.
Der Apostel Paulus hat es in seinem Brief an die Gemeinde in Ephesus ganz praktisch so ausgedrückt: Jede Art von Bitterkeit, Wut, Zorn, Geschrei und Lästerung mit allem Bösen verbannt aus Eurer Mitte! Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, wie auch Gott euch in Christus vergeben hat.
Schülerin, Schüler Gottes zu sein ist aber noch ein bisschen mehr, als etwas zu tun oder zu lassen, etwas zu können oder zu kennen, sondern Schülerin, Schüler Gottes sein bedeutet den Sinn des Lebens kennenzulernen, ihn zu entdecken. Es ist die Art zu leben, es ist die Sicht des Lebens.
Ein Lied in unserem Gotteslob stammt von Huub Oosterhuis, der so eine Art kirchlicher Entertainer war, der wie Falco mit seinen Liedern auch provoziert hat. Manche mögen seine Lieder bist heute nicht. Ich aber mag und schätze sie sehr. Huub Oosterhuis formuliert das so:
Wer leben will wie Gott auf dieser Erde, muss sterben wie ein Weizenkorn, muss sterben, um zu leben.
Er geht den Weg, den alle Dinge gehen, er trägt das Los, er geht den Weg, er geht ihn bis zum Ende.
Der Sonne und dem Regen preisgegeben, das kleinste Korn in Sturm und Wind muss sterben, um zu leben.
Die Menschen müssen füreinander sterben. Das kleinste Korn, es wird zu Brot, und einer nährt den andern.
Den gleichen Weg ist unser Gott gegangen, und so ist er für dich und mich das Leben selbst geworden.
So werden wir und so sind wir alle Schülerinnen und Schüler Gottes. Manchmal dürfen wir es im Leben lernen und manchmal müssen wir es lernen.
L: Ex 16,2-4.12-15
Ev: Joh 6,24-35
Liebe Schwestern und Brüder!
Wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben. Mit diesen Worten endete heute der Abschnitt aus dem Johannesevangelium, der uns vom Hören wahrscheinlich irgendwie geläufig ist und der zu den markanten Worten Jesu gehört.
Nie mehr hungern und nie mehr Durst haben, das stellt Jesus heute in Aussicht, wenn man sich auf ihn einlässt, wenn man an ihn glaubt. Mir kam der Gedanke, ob das wirklich so erstrebenswert ist. Nicht hungern zu müssen, das ist sicher erstrebenswert, aber hungrig sein und Durst haben, das ist doch gar nicht so schlecht, leben wir doch auf einem Teil der Erde, wo es viele gute Sachen gibt, unseren Hunger und Durst zu stillen, und es ist doch auch ein Genuss, essen und trinken zu können bzw. zu dürfen. Jetzt in den Sommertagen ist es doch köstlich in den Biergärten ein kühles Radler zu trinken und dazu einen Wurstsalat zu essen, oder nicht?
Wir wissen – auch wenn es uns in bestimmten Momenten, vielleicht im Biergarten, nicht immer präsent bzw. nicht immer ganz bewusst ist – dass Hunger auf der Erde ein Problem für viele Menschen ist und dass Menschen auch verhungern, weil sie viel zu wenig zu essen haben. Genauso verhält es sich mit sauberem Trinkwasser, das an vielen Orten „Mangelware“ ist. Für viele Menschen ist die Beschaffung von Nahrung und Trinkwasser mit viel Mühe und Arbeit verbunden.
In der Lesung aus dem Buch Exodus haben wir gehört, dass die Israeliten diese Erfahrung auch plötzlich gemacht haben und machen mussten, als sie nicht mehr an den Fleischtöpfen von Ägypten saßen, sondern sich in anderer Weise selber darum kümmern mussten und es wahrscheinlich auch gar nicht so leicht war, an die entsprechende Nahrung zu kommen. Es macht sich große Unzufriedenheit breit, es kommt Unwille auf.
Wir haben das Glück, das große Glück, hier leben zu dürfen, wo wir diese Mühe selber oft gar nicht merken, weil sie andere machen und wir dafür „nur“ bezahlen. Bei uns gibt es vielleicht eine andere Mühe, die wir in den Tagen des Urlaubs vielleicht auch vermeiden, weil wir uns an einen gedeckten Tisch setzen können und einfach auch wieder aufstehen dürfen.
Heute vor einer Woche habe ich das auch genossen in einem Hotel am Bodensee. Ein Frühstücksbuffet, wo es alles gab, was das Herz und der Gaumen begehren, wo man meinen könnte, dass kein Wunsch offengeblieben ist, und doch gab es von Gästen Nachfragen an das Personal, ob sie vielleicht nicht dies und das auch noch haben könnten. Am vergangenen Sonntag gab es aber beim Frühstück eine Szene, die sehr amüsant und doch sehr nachdenklich war.
Eine junge Familie war ebenfalls beim Frühstück und die Kinder haben es sichtlich in vollen Zügen genossen, was es da alles gab. Als sie fertig waren, hatte es der kleine Junge plötzlich sehr eilig. Worauf der Vater sagte: „Es ist ein verdammt schlechtes Gefühl, wenn man weggeht ohne aufräumen zu müssen.“ Viele haben gelacht, aber nur kurz.
Der Urlaub ist auch dazu da, dass man Mühe und Sorge, Last und Arbeit für ein paar Tage einmal vergessen darf. Urlaub bietet aber auch die Chance, dass man Dinge wahrnehmen und sehen kann, die man sonst im Getriebe des Alltags gerne übersieht.
Vielleicht steckt in und hinter dieser Erfahrung etwas, was Jesus den Menschen im heutigen Evangelium näherbringen möchte, wenn er sagt: Ich bin das Brot des Lebens; wer zu mir kommt, wird nie mehr hungern, und wer an mich glaubt, wird nie mehr Durst haben.
Hunger und Durst, das ist mehr als nur ein Gefühl, das sich meldet, weil der Körper eben Nahrung braucht. Hinter Hunger und Durst steckt vor allem die Sehnsucht nach Leben. Diese Sehnsucht nach Leben ist weit mehr als eine Frage der Ernährung. Diese Sehnsucht stellt die Frage nicht einfach nach dem, wie wir uns ernähren, sondern sie fragt vor allem danach, wovon wir leben. Das ist ein feiner Unterschied. Wir brauchen, um Leben zu können, mehr als etwas zu essen und zu trinken. Wir brauchen Zuwendung und auch Zärtlichkeit, wir brauchen Wissen und Erkenntnis, wir brauchen Sinn und Erfüllung und vieles andere mehr, was uns vielleicht erst dann auffällt, wenn es fehlt.
An einer anderen Stelle drückt das Jesus so aus: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt. In Vielem und durch Vieles spricht Gott zu uns, indem wir es wahrnehmen mit unseren Sinnen und Gefühlen.
Was ich an der Bodenseegegend so schätze und auch so sehr mag, dass es mich immer wieder dort hinzieht, ist, dass an diesem See und durch die damit verbundenen klimatischen Verhältnisse scheinbar alles mühelos wächst, gedeiht und blüht, vielleicht besser als hier in unserer Gegend.
Ich möchte deshalb schließen mit einem solchen Wort aus Gottes Mund, vom dem wir auch leben und das wir zum Leben brauchen. Dieses Wort ist ein Lied, an das ich die letzten Tage immer wieder denken musste oder, besser gesagt, denken durfte. Es lautet: Die Erde ist schön, es liebt sie der Herr, neu ist der Mensch, der liebt wie er. Als sichtbares Zeichen für dieses Wort habe ich diese Sonnenblume mitgebracht, die so viel Leben, so viel Kraft und so viel Schönheit ausstrahlt.
Jesus ist Brot des Lebens, er gibt uns nicht nur Nahrung für unser Leben, sondern er gibt uns auch einen anderen Blick für diese Welt, in der wir leben und von der wir leben: Die Erde ist schön es liebt sie der Herr, neu ist der Mensch, der liebt wie er.
Les: Jer 23,1-6
Ev: Mk 6,30-34
Liebe Schwestern und Brüder!
Wissen Sie, wer den Stress erfunden hat? Erfunden hat ihn wohl keiner, weil er schon immer da war und das Leben nicht nur von Menschen, sondern aller Lebewesen begleitet und beeinflusst hat. Nicht nur Menschen erleben Stress, sondern auch Tiere und Pflanzen. Stress, hinter diesem Begriff verbergen sich Druck, Belastung, Anspannung und noch vieles andere mehr, eben alles, was in der Regel negative Auswirkungen auf das Leben hat. Obwohl es auch einen positiven Stress gibt, so ist Stress in unserem Denken meistens negativ behaftet.
Erfunden hat den Stress keiner, aber es gibt Menschen, die diesen Begriff vom Stress geprägt haben, abgeleitet vom lateinischen Wort „stringere“, was so viel wie „anspannen“ heißt. Das ist zum einen der US-amerikanische Psychologe Walter Cannon, geb. 1871, gest. 1945. Der andere ist der österreichisch-ungarische Mediziner Hans Selye, geb. 1907, gest. 1982, der auf diesem Gebiet intensiv geforscht hat und deshalb in einschlägigen Kreisen als der „Vater der Stressforschung“ bezeichnet wird. Er hat über 1700 Artikel darüber verfasst und 39 Bücher zum Thema Stress geschrieben, und er sagt von sich selbst: „Ich habe der Welt einen neuen Begriff geschenkt, nämlich Stress.“
Stress! Wenn ich das so sage und diese Namen und Daten zitiere, die ich mir zusammengesucht habe, dann könnte das schon wieder Stress auslösen in dem Sinn, dass es doch so viel gibt, an was man denken und was man wissen sollte. Stichwort „Prüfungsstress“, der zum Ende eines Schuljahres allgegenwärtig war und immer noch ist.
Stress ist nicht nur ein von Erwachsenen oft verwendeter Begriff, er gehört auch zum Grundwortschatz der Kinder. Neulich ist ein Dreikäsehoch durch unseren Klosterhof geradelt. Ich wollte von ihm wissen, wo er denn so eilig hinfährt. Darauf bekam ich zu hören: „Ich habe keine Zeit. Weißt Du, Abt Markus, ich bin gerade im Stress“. Stress ist eine Erfahrung, die jeder irgendwie kennt und von der man sagt bzw. von der wir glauben, dass sie ein besonderes Kennzeichen unserer Zeit sei.
Gerade haben wir einen Abschnitt aus dem Markusevangelium gehört, den man irgendwie als „Stressgeschichte“ bezeichnen könnte. Die Jünger erzählen und berichten alles, was sie getan und gelehrt haben und dann kommt‘s: „Sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen.“ Stress! Sie waren im Stress!
Die Antwort Jesu auf den Stress seiner Jünger lautet: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht euch ein wenig aus. Das ist für mich einer der schönsten Sätze aus dem Munde Jesu, weil er mir manchmal aus dem Herzen spricht, aber zugleich auch eine Art Stress auslöst: Wann nehme ich mir Zeit dafür, diese Einladung anzunehmen? Wo habe ich so einen Ort, wo finde ich so einen Ort, an dem ich allein sein kann und auch allein sein will?
Vor ein paar Tagen habe ich eine Statistik gelesen, die darüber Auskunft gab, was die Deutschen im Urlaub so alles machen, wo sie hinfahren und wieviel Geld sie dafür ausgeben. Ehrlich gesagt, es klang für mich fast nach Stress, und wir werden auch bald wieder erleben, wenn sich auf der nahen A9 die Reisewellen manchmal auch zeitgleich nach Norden und Süden bewegen – oder besser gesagt wälzen.
Kommt mit und ruht Euch aus! Wohin will uns Jesus da führen? Was will er uns damit sagen? Was möchte er uns zeigen? Was bietet uns Jesus dafür an? Welchen Ort könnte er damit meinen? Bei den Orten und Örtlichkeiten haben wir vielleicht sogar einen im Kopf oder es fällt uns schnell einer ein. Vielleicht die Kreuzkapelle hier bei uns in Scheyern, in der manchmal Menschen einfach sitzen, sich ausruhen oder auch ausweinen.
Aber mit einem Ort allein ist es nicht getan, es braucht auch ein entsprechendes Ambiente und es braucht vor allem eine Bereitschaft und Offenheit sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Das heißt nicht, den Stress mit etwas anderem zu übertönen oder ihn gar zu verdrängen, sondern einen ehrlichen und einen liebevollen Blick auf das eigene Leben werfen.
Es gibt ein Lied von der geistlichen Liedermacherin Kathi Stimmer-Salzeder, das ich gerne mag. Sie bringt es mit ihren Worten so auf den Punkt:
Komm herein und nimm dir Zeit für Dich. Komm herein, vielleicht erkennst Du dich. Komm herein, tu deine Sinne, deine Seele auf, denn dein Leben ist so reich, achte darauf.
Lass es los, was dir die Ruhe nimmt, lass es los, was dich so traurig stimmt. Lass es los, tu deine Sinne, deine Seele auf, denn dein Leben ist so reich, achte darauf.
Hör dir zu und suche deinen Ton. Hör dir zu und du verstehst dich schon. Hör dir zu, tu deine Sinne, deine Seele auf, denn dein Leben ist so reich, achte darauf.
Geh in dich und setz die Liebe frei, geh in dich, denn es ist viel dabei. Geh in dich tu deine Sinne deine Seele auf, denn dein Leben ist so reich, achte darauf.
Schau dich an und freue dich an dir, schau dich an, du bist zum Guten hier. Schau dich an, tu deine Sinne, deine Seele auf, denn dein Leben ist so reich, achte darauf.
Ich war gestern Nachmittag und Abend in Altötting, um mit einer Gruppe der Kfd, die mit dem Radl bereits am Freitag losgefahren war, Gottesdienst zu feiern und sie dann mit dem Bus wieder nach Hause zu nehmen. Als ich ankam, bekam ich zu hören, dass die Fahrt nicht stressfrei war. Die hohen Temperaturen haben ihren Beitrag dazu geleistet, aber es gab einige Umleitungen und anderes mehr, was Stress macht.
Ich weiß aber auch, dass sie nicht in einem Satz durchgefahren sind, sondern die Fahrt immer wieder mit Stationen unterbrochen haben. Komm herein und nimm dir Zeit für dich!
In diesem Jahr hatte die Fahrt ein Motto, das die Sehnsucht der Menschen nach Erholung und die Einladung Jesu, den Stress des Lebens ein Stück weit abzulegen, so zusammenfasst:
Hab Frieden im Herzen!
Hab Frieden im Herzen! Dazu passend gab es einen Schlüsselanhänger mit einem Herzen, auf dem das geschrieben stand. Für mich war das viel mehr als ein Schlüsselanhänger. Für mich war es der Schlüssel selbst, um Stress abzubauen, loszuwerden, hinter sich zu lassen.
Stress hat zuerst etwas mit uns selbst zu tun. Es liegt an uns, wodurch wir uns stressen lassen, ob wir uns aufregen oder provozieren lassen. An uns liegt es, mit dem was auf uns einstürmt umzugehen.
Hab Frieden im Herzen, das wünsche ich uns heute an diesem Tag.
Hab Frieden im Herzen, das wünsche ich uns in den stressigen Tagen zum Schuljahresende.
Hab Frieden im Herzen, das wünsche ich uns für freie und erholsame Tage in dieser sommerlichen Zeit.
Kommt mit und ruht Euch aus.
Komm herein und nimm dir Zeit für dich.
Hab Frieden im Herzen!
Les: Ez 1,28c-2,5
Ev: Mk 6,1b-6
Liebe Schwestern und Brüder!
„Eine Frage des Vertrauens“ so lautet der Titel eines Films aus dem Jahr 2009. Er erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die durchaus erfolgreich Medizin studiert, jedoch bei den Prüfungen jedes Mal wegen ihrer Prüfungsangst versagt. Als sie zum dritten Mal durchfällt, ist Schluss, sie wird exmatrikuliert, sie darf nicht mehr weiterstudieren. Zuhause erzählt sie davon nichts, sondern sie macht einfach weiter, als wäre alles gut gegangen. Sie bewirbt sich mit gefälschten Zeugnissen und Urkunden an einer Klinik, die sich auf unheilbare Kinderkrankheiten spezialisiert hat, und wird dort eine gute und angesehene Ärztin. Die Probleme beginnen erst, als die Ärztekammer die Originale der Zeugnisse und Urkunden anfordert.
Eine Frage des Vertrauens, das ist eine sehr vielfältige Frage, die viele Bereiche unseres Lebens umfasst. In dem genannten Film wird das gut dargestellt: Kann man jemandem vertrauen, der sich mit gefälschten Dokumenten bewirbt, der falsche Tatsachen vorspiegelt, also jemand der lügt wie gedruckt? Zuerst wird man dabei an Scharlatane denken, die nichts können und nur so tun als ob. In diesem Film aber wird erzählt, dass diese Frau sehr wohl etwas kann, aber sie hat keine Zeugnisse, keine Nachweise, weil sie immer durchgefallen ist.
Vielleicht ist es ein bisschen weit hergeholt, aber im heutigen Evangelium, geht es auch um die Frage bzw. die Fragen des Vertrauens. Jesus kann etwas, er kann reden, er kann heilen, was nur am Rande erwähnt wird. Aber bei den Bewohnern seiner Heimat kommen Zweifel auf, ob das alles mit rechten Dingen zugeht: „Das ist doch der Sohn des Zimmermanns. Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist?“ Also, das kann doch gar nicht sein. Sie nehmen Anstoß an ihm und lehnen ihn ab. Es ist eine Frage des Vertrauens, sie vertrauen ihm nicht und deshalb gelingt ihm in seiner Heimat nicht, was an anderen Orten scheinbar mühelos möglich ist und immer zu gelingen scheint. In seiner Heimat kann Jesus kein Wunder tun. Nur einigen legt er die Hände auf und heilt sie.
Eine Frage des Vertrauens. Um noch einmal zum Film zurückzukommen. Es ist gar keine Frage, dass das mit den gefälschten Zeugnissen und Urkunden gar nicht geht. Das ist Betrug und strafbar! Gerade in einem so sensiblen Bereich wie der Medizin steht viel zu viel auf dem Spiel, auch wenn hier laut Drehbuch nichts schiefgegangen und nichts passiert ist.
Trotzdem lässt der Film noch etwas offenstehen, ob das wirklich alles ist, was eine Rolle spielt. Was mich an diesem Film berührt hat, ist, dass es da noch eine Frage des Vertrauens gibt, nämlich das Vertrauen in sich selbst. Die junge Frau kann etwas, sie hat gelernt, was von ihr gefordert und verlangt war, aber wegen ihrer Prüfungsangst versagt sie im entscheidenden Augenblick der Prüfung, in der sie ihr Können unter Beweis stellen soll. Nach dreimal ist eben Schluss. Sie hat kein Vertrauen in sich selbst und sie vertraut sich anderen Menschen in und mit ihrer Angst nicht an, die ihr vielleicht hätten helfen können. Eigentlich eine sehr tragische Situation in und für ein Leben.
In diesen Wochen werden in unserem Land viele junge Menschen aus der Schule in einen neuen Lebensabschnitt entlassen. Am Freitagnachmittag war es bei uns an der BOS/FOS in Scheyern soweit. 280 jungen Menschen wurden nicht nur die Zeugnisse ausgehändigt, also die Nachweise über die Leistungen, die sie erbracht haben und die auch auf ein Können schließen lassen, sondern ihnen wurden auch viele gute Wünsche mit auf ihren Weg in die Zukunft gegeben. Einer dieser Wünsche ist mir am Freitag richtig aufgefallen, weil ihn viele der Redner geäußert haben, nämlich dass diese jungen Menschen Vertrauen in sich selbst haben sollen, Vertrauen in ihr Leben, Vertrauen in ihre Fähigkeiten, Vertrauen in ihr Wissen und Können, Vertrauen in das Rüstzeug, das ihnen in der Schule vermittelt wurde.
Eine Frage des Vertrauens. Was kann ich, was kann ich gut? Was sind meine Stärken und Fähigkeiten? Kann ich mein Leben in die Hand nehmen? Kann ich Verantwortung übernehmen? Kann ich meinen Weg gehen? Darf ich meinen Weg gehen?
Das Leben kennt also viele Fragen des Vertrauens. Ja, das Leben selbst ist eine Frage des Vertrauens. Alles, was Vertrauen verhindert oder gar zerstört, ist hinderlich für das Leben. Die Unaufrichtigkeit, das Lügen spielen dabei eine große Rolle, wie es auch im Film dargestellt ist. Wer es erlebt hat, betrogen und belogen worden zu sein, weiß, dass das gar nicht so leicht ist, Vertrauen zu fassen und Vertrauen zu schenken.
Eine Frage des Vertrauens. Ein positives Beispiel, so möchte ich sagen, haben wir in der Lesung aus dem Buch Ezechiel gehört. Da schenkt jemand Vertrauen und stärkt Vertrauen, nämlich Gott: Stell dich auf die Füße, Menschensohn, ich will mit dir reden. Ich traue dir etwas zu. Ich vertraue dir etwas an. Stell dich auf deine Füße Mensch! So wird der Angesprochene als Prophet ausgesandt und er hat keinen anderen Nachweis als diese Erscheinung, diese Erfahrung.
Eine Frage des Vertrauens. Sie lässt sich nicht einschränken und reduzieren auf entsprechende Nachweise, sondern sie bedeutet mehr, viel mehr, und letztlich bleibt sie immer ein Wagnis. Ein Wagnis, das man durch Vertrauen leichter eingeht und dessen Zustandekommen und Gelingen wohl immer mit Ehrlichkeit zusammenhängen wird. Erst dann haben Wunder auch in unserer heutigen Welt eine Chance.
Ich möchte schließen mit dem Text eines unbekannten Verfassers, der die Frage des Vertrauens so beschreibt bzw. zusammenfasst:
Sag uns dein Wort, wenn wir träge geworden sind,
am Überlieferten festhalten, Gewohnheiten verteidigen,
den Glauben messen an dem, was wir zu wissen meinen,
den Aufbruch nicht wagen.
Sag uns dein Wort, wenn wir bequem geworden sind,
dich festschreiben, die Ohren und das Herz verschließen,
deine Wahrheit verwalten, Veränderungen blockieren.
Sag uns dein Wort, wenn wir ängstlich geworden sind,
auf Sicherheit setzen und auf Gesetze,
dem Wunder, das Vertrauen wirkt, nicht trauen,
deinen Weg nicht mitgehen wollen.
Eine Frage des Vertrauens. Das Leben, eine Frage des Vertrauens!
Les: 2 Kor 8,7.9.13-15
Ev: Mk 5,21-24.35b-43
Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn das so weiter geht… Vielleicht kennen Sie diese Partyhymne und auch wie sie weiter geht bzw. ausgeht, nämlich „Wenn das so weiter geht, bis morgen früh, ja früh, dann steh‘n wir im Alkohol bis an die Knie“. Ob das erstrebenswert ist, das steht auf einem anderen Blatt, aber wenn Menschen zum Feiern zu Mute ist, dann darf man nicht alles auf die Goldwaage legen, was sie sagen.
Wenn das so weiter geht. An diese ersten Worte musste ich denken, obwohl es keinen Grund zum Feiern gab und kein Grund zum Feiern ist, wenn Jahr für Jahr die Austrittszahlen aus den beiden christlichen Kirchen veröffentlicht werden. Aber es ist eine berechtigte Frage und eine Frage, die sich aufdrängt, wie das weiter geht, wenn es so weiter geht.
Bereits im Mai wurde bekannt, dass im Jahr 2023 etwa 380.000 Menschen aus der evangelischen Kirche ausgetreten sind. Nun liegen auch die Zahlen für die katholische Kirche vor: 402.694 Menschen haben im vergangenen Jahr die Kirche verlassen. Obwohl es insgesamt weniger Menschen sind als 2022, die diesen Schritt getan haben, ist die Zahl doch ungebrochen hoch.
Wenn das so weiter geht… Ja, wenn das so weiter geht, was wird dann sein? Wo führt das hin? Von den Zahlen her könnte und kann man es sich ausrechnen. Kirche wird dann irgendwie nicht mehr sein, oder sie wird nicht mehr so sein, wie wir sie jetzt kennen und vielleicht erleben, egal, ob wir sie schätzen oder auch nicht. Es wird sich etwas verändern und wir sind schon mitten drin, so wie wir das in vielen Bereichen unseres Lebens merken oder auch nur erahnen.
Wenn das so weiter geht. Die Meinungen darüber, wie es weitergeht und auch warum es so ist bzw. wie es dazu kam, gehen auseinander. Was dabei aber eine Rolle spielen könnte, haben wir gerade in den biblischen Texten gehört. Es sind Texte, die davon erzählen, wie alles begann, wie sich das Leben von Menschen verändert hat, als dieser Jesus von einer Zukunft gesprochen hat, die auf Menschen faszinierend gewirkt hat und die er mit entsprechenden Taten sozusagen schon Wirklichkeit werden ließ.
Es sind diese Heilungsgeschichten, die auf der einen Seite so wunderbar und dadurch auch entrückt und ein Stück weltfremd klingen, die auf der anderen Seite aber die ungebrochene Sehnsucht der Menschen nach Heil widerspiegeln. Heilsein und Heilwerden bedeutet auch, eine Chance zu haben und zu bekommen, wo scheinbar keine mehr ist. Die beiden Menschen im Evangelium waren eigentlich von allen abgeschrieben und aufgegeben. Heil bedeutet auch, dass Menschen Hilfe bekommen, wenn Sie Hilfe brauchen. Glaubende Menschen und damit Kirche hat immer schon soziale Netze aufgebaut. In der Lesung haben wir davon gehört, dass die, die mehr haben, die unterstützen, die weniger haben. Die Motivation dazu ist Jesus Christus und damit ist es egal, ob ich die Menschen mag, die Hilfe brauchen, oder nicht.
Forschung und Entwicklungen in Medizin und Technik eröffnen heute für die Menschen Chancen und auch Hilfen, von denen die Zeitgenossen Jesu noch gar nicht träumen konnten. Und auch noch vor 30 Jahren war manche Erkrankung ein sicheres „Todesurteil“, wie z. B. ein Oberschenkelhalsbruch. Aber die Medizin ist für die Heilung und das Heil der Menschen eben nicht alles. Auch die Medizin hat bis heute ihre Grenzen, die Menschen nach wie vor schmerzlich spüren. Und dann? Was machen Menschen dann? Worauf hoffen Menschen dann?
Wenn das so weiter geht? Diese Frage betrifft nicht nur die Entwicklungen der christlichen Kirchen, sondern diese Frage trifft viele Bereiche unseres Lebens und unserer Gesellschaft. Oft wird diese Frage so gestellt, ob wir uns in Zukunft etwas finanziell noch leisten können, z. B. auch in der Medizin. Ganz aktuell: Es braucht Reformen in der Krankenhausfinanzierung, denn wenn das so weiter geht, dann…
Liebe Schwestern und Brüder, was haben Glaube und Kirche für diese Welt überhaupt gebracht? Auch darüber gehen die Meinungen weit auseinander und man muss zugeben, dass Gutes und weniger Gutes dabei ist. In der vergangenen Woche gab es in der Zeitung einen Leserbrief, der überwiegend das weniger Gute auflistet, aber es gibt Gutes. Es gibt Gutes, und man versucht es sogar zu sichern und zu bewahren, indem man immer wieder auch religiöse Bräuche und Errungenschaften in die Liste der immateriellen Kulturgüter aufnimmt, damit sie für künftige Generationen erhalten bleiben. Aber lebt es dann weiter? Geht es dann weiter, wenn es so weitergeht?
Wenn das so weiter geht. Wenn es so weitergeht, dann wird Leben bald einen sehr musealen Charakter bekommen, weil man dann vielleicht Traditionen pflegt, aber sie nicht mehr unbedingt lebt.
Damit es weitergeht, braucht es Menschen, die Schritte tun und Wege gehen, die eben anstehen. Dabei kann und wird sich Glaube und Kirche in dieser Welt immer einbringen, auch wenn sich dabei noch so viel verändert.
So danke ich Ihnen, wo Sie diese Schritte in Ihrem Alltag und Ihrer Lebenswelt setzen, auch in der Gestaltung des Sonntags. Dafür ist ja der Sonntag eigentlich da, dass man den Alltag unterbricht, dass man – so wie jetzt – zusammenkommt, Gemeinschaft pflegt und Gottesdienst feiert.
Ich danke Ihnen und ich lade Sie ein, es weiter zu tun, damit es nicht einfach so weitergeht, wie es gerade ist, wenn es so weiter geht.
In diesem Sinne heißt es in einem Gottesloblied:
Lass uns in deinem Namen, Herr, die nötigen Schritte tun.
Gib uns den Mut, voll Glauben, Herr, heute und morgen zu handeln.
Gib uns den Mut, voll Liebe, Herr, heute die Wahrheit zu leben.
Gib uns den Mut, voll Hoffnung, Herr, heute von vorn zu beginnen.
Gib uns den Mut, voll Glauben, Herr, mit dir zu Menschen zu werden.
Ich denke, das ist einer der wichtigsten Schritte, die zu tun sind: „mit dir zu Menschen zu werden“ und auch Mensch zu sein, um mit Würde und auch mit Stolz diesen Namen „Menschen“ zu tragen.
L: Offb 21,1-5a
Ev: Lk 18,1-8
Liebe Pfarrgemeinde von Gerolsbach,
liebe Ehrengäste, liebe Mitbrüder, Schwestern und Brüder im Herrn!
Warum sind die Gerolsbacher so, wie sie sind? Diese Frage habe ich mir des Öfteren gestellt, nachdem unser Kloster im November 2001 mit der Seelsorge hier betraut wurde und ich der erste Pfarrer aus dem Scheyrer Konvent in Gerolsbach sein durfte. Warum sind die Gerolsbacher so, wie sie sind?
Liebe Gerolsbacher, diese Frage trifft nicht nur Euch bzw. auf Euch zu, sondern diese Frage kann man bei jedem, ja bei allen Menschen stellen: Warum sind die Menschen so, wie sie sind? Ich habe mir diese Frage nach meinem Dienstantritt am 1. November 2001 gestellt, weil ich im Laufe der Zeit viele Lebensgeschichten kennenlernen durfte. Ich erachte es nach wie vor als Privileg, als Seelsorger Einblick in die Biographie, in die Lebensgeschichte, in die Lebensumstände und in das Lebensumfeld von Menschen erhalten zu dürfen. Für das entgegengebrachte Vertrauen bedanke ich mich.
Warum sind die Menschen so, wie sie sind, eben auch die Gerolsbacher? Eine Antwort, die die Fangemeinde des FC Bayern sich auf die Fahnen oder besser gesagt auf die Schals geschrieben hat, lautet: „Mia san mia.“ Und der Liedermacher Haindling singt ohne Fußballhintergrund: „Bayern, des sama mia!“ Aber irgendwie und irgendwo geben diese coolen oder auch uncoolen Sprüche, je nachdem, ob man die einen oder den anderen der Genannten mag oder nicht mag, doch nicht zufrieden. Warum sind die Menschen so, wie sie sind? Warum?
Ein Spruch von Sören Kierkegaard, der auf dem Kalenderblatt für dieses Wochenende neben unserem Schwarzen Brett im Kloster zu lesen ist, hilft da vielleicht ein Stückchen weiter: Das Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, es muss aber vorwärts gelebt werden.
Heute feiern wir die 175-ste Wiederkehr der Weihe dieser Kirche am 3. Juli 1849, denn beim Dorfbrand am 2. August 1846 wurde – neben 17 Wohngebäuden – auch die Kirche durch die Feuersbrunst so schwer beschädigt, dass sie neu gebaut werden musste. Natürlich gibt es nach dieser langen Zeit keine Zeitzeugen mehr. Aber ich glaube, dass diese Erfahrung der Vernichtung von Existenzen und der Gefahr für Leib und Leben das Leben der Menschen nachhaltig geprägt und auch verändert hat, so dass man das Leben und den Lebenslauf einzelner oder der einzelnen Menschen nur rückwärts verstehen kann.
Genauso wie sich der 1. Juni 2024 im Leben von Menschen hier in unserem Landkreis und darüber hinaus tief einprägen und lange, vielleicht sogar für immer zu spüren sein wird, als das Hochwasser kam, das nicht nur überschwemmt, sondern auch vernichtet, zerstört und Leben gekostet hat. Manchmal habe ich in den letzten Tagen den Satz gehört: Wasser ist noch schlimmer als Feuer.
Das Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, es muss aber vorwärts gelebt werden. Vielleicht kann man die Gerolsbacher ein Stück weit besser verstehen, wenn man um dieses inzwischen geschichtliche Ereignis weiß. Ich durfte hier immer mal wieder einen großen Zusammenhalt spüren und erleben, wenn es darum ging, etwas auf die Beine zu stellen, auch in Bezug auf Kirche und Pfarrgemeinde, aber auch beim neuen Sportheim, beim neuen Rathaus – Herr Bürgermeister Seitz, es hat mich tief beeindruckt, wie es gelungen ist, die Menschen aus allen Ortsteilen der politischen Gemeinde Gerolsbach einzubinden. Zusammenhalt auch beim Blütenfest und anderen Festivitäten. Zusammenhalt vor allem aber dann, wenn andere unbedingt Hilfe brauchten oder dass man Anteil am Schicksal von Menschen genommen und gezeigt hat.
Das Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, es muss aber vorwärts gelebt werden. Der Dorfbrand muss ein unglaublicher Einschnitt gewesen sein und hat gewiss viel Not und Elend für die Menschen bedeutet, aber man hat wieder aufgebaut, auch die Kirche hier in Gerolsbach und die sogar ein Stück größer, als es die Vorgängerkirche war, denn das Leben muss vorwärts gelebt werden. Vielleicht gehört in dieses Verstehen auch der Umstand, dass die Ziegel für den Neubau der Kirche aus der Ziegelhütte des 1838 wieder errichteten Klosters Scheyern kamen.
Was hat die Menschen damals bewogen, was gab ihnen Kraft, Hoffnung, Zuversicht, um aufzubauen, um neu anzufangen, vielleicht ganz von vorne anzufangen? Die Offenbarung des Johannes, von der wir in der Lesung einen sehr zuversichtlichen Abschnitt gehört haben, spricht von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, aber auch davon, dass man etwas hinter sich lassen kann, ja hinter sich lassen muss, um neu anfangen zu können: Denn was früher war, ist vergangen. Seht, ich mache alles neu! So schauen wir heute dankbar zurück, was Menschen damals beim Wiederaufbau, beim Neubeginn geleistet haben, und versuchen zu verstehen oder können vielleicht besser verstehen, was bis heute da ist.
Das Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, es muss aber vorwärts gelebt werden. Das Evangelium endet mit einer Frage, die nicht nur seltsam klingt, sondern auch seltsam ist, aber sie hat mit dem Vorwärts-Leben zu tun: Wird der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden?
Diese Frage stellt Jesus, nachdem er eine Lebensgeschichte erzählt hat, die Lebensgeschichte einer Frau, die viel erlebt hat, wahrscheinlich nicht nur Gutes, denn sie kämpft um ihr Recht. Und der Richter, an den sie sich gewandt hat und der dafür bekannt ist, dass ihm so manches Schicksals egal ist, lässt sich umstimmen und will ihr Recht verschaffen.
Recht ist aber nicht nur eine Frage der Justiz, der Gerichte, der Anwälte und der Richter, sondern Jesus geht es darum, den Menschen und ihrem Leben gerecht zu werden. Anzuerkennen, was war, versuchen zu verstehen, wie etwas gelaufen ist.
Das Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, es muss aber vorwärts gelebt werden.
Liebe Gerolsbacher, ich wünsche Euch nicht, wie man das oft tut oder auch hört: „Bleib wie du bist.“ Nein, das wünsche ich Euch nicht. Ihr dürft Euch auch ändern, Ihr sollt Euch auch ändern und Ihr müsst Euch auch ändern, denn nur so kann man dem Leben gerecht werden, dem eigenen Leben, aber auch dem Leben der Anderen. Dafür steht seit 175 Jahren auch dieser Kirchenbau, der dem hl. Andreas geweiht ist, und der wie eine steingewordene Frage mitten im Dorf steht: Wird der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden? Oder anders ausgedrückt: Wie wollt Ihr in Zukunft leben, wie wollt Ihr zusammenleben? Was soll in Zukunft gelten? Wem glaubt Ihr? Was hofft Ihr? Was liebt Ihr? Was gibt Euch Hoffnung? Was gibt Euch Kraft? Was gibt Euch Zuversicht?
Warum sind die Menschen so, wie sie sind?
Warum sind die Gerolsbacher so, wie sie sind?
Das Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, es muss aber vorwärts gelebt werden.
L: Gen 3,9-15
Ev: Mk 3,20-35
Liebe Schwestern und Brüder!
Eine Woche ist es nun her, dass nach den ergiebigen, ja vielerorts auch sintflutartigen Regenfällen, Bäche und Flüsse angestiegen und über die Ufer getreten sind, dass Dämme den Wassermassen nicht mehr standgehalten haben und gebrochen sind und dadurch viele Gebiete auch in unserer unmittelbaren Nähe überschwemmt wurden. Vielleicht sind jetzt Menschen unter uns, die selber davon betroffen waren und sind oder die jemanden kennen, den es getroffen hat.
Von einem Jahrhunderthochwasser wird und wurde immer wieder gesprochen und auch von einer Jahrhundertflut, dass so etwas statistisch gesehen nur etwa alle hundert Jahre, also in einem größeren Zeitraum geschieht. Es kommen Zweifel auf, ob diese Rechnung noch stimmt, denn das letzte große Hochwasser liegt gerade einmal 11 Jahre zurück. Es war im Jahr 2013, dass fast auf den Tag genau ähnliches geschah, nur regional ein wenig anders verlagert.
In den Berichterstattungen der letzten Tage wurde immer wieder betont und darauf hingewiesen, wie schnell das Wasser vielerorts gekommen ist, und Menschen gar keine Zeit mehr hatten, noch irgendetwas von ihrem Hab und Gut in Sicherheit zu bringen, sondern dass man auch von Glück reden musste, dass nicht mehr Menschen ihr Leben verloren haben. Dass es doch Menschenleben gekostet hat, ganz in unserer Nähe, lässt uns alle die Macht- und Hilflosigkeit gegen diese Naturgewalten spüren.
Mir ist aber auch aufgefallen, dass nicht nur von der Flutwelle berichtet wurde, die eine Schneise der Verwüstung und große Schäden hinterlassen hat, sondern noch von einer anderen Welle, nämlich von einer Welle der Hilfsbereitschaft und der Solidarität, die dazu beigetragen hat, dass nicht noch mehr passiert ist, aber auch dass Menschen gespürt haben, ich bin in meinem Unglück nicht allein.
Gerade haben wir einen etwas seltsamen Abschnitt aus dem Markusevangelium gehört, der jedoch durchaus wichtig ist, weil er auch als Grundlage für Hilfsbereitschaft und Solidarität angesehen werden kann. Jesus gerät mit seinen Ideen und Ansichten über das Verhältnis von Gott und Mensch, aber auch das Zusammenleben der Menschen untereinander zwischen die Fronten. Es trifft ihn ganz persönlich, weil seine Familie ihn praktisch für verrückt erklärt, was er da tut und wie er sich verhält, aber auch dadurch, dass ihn die religiösen Autoritäten bezichtigen, er stehe mit dem Teufel im Bunde und habe daher nur Böses uns Schlechtes im Sinn.
Draußen stehen Deine Mutter und Deine Brüder, so wird zu Jesus gesagt, als er wieder einmal von vielen Menschen aufgesucht wurde und umringt ist. Auf diesen vielleicht sogar gut gemeinten Hinweis stellt er nur die Frage: Wer ist meine Mutter und wer sind meine Brüder? Ich kann mir gut vorstellen, dass das auch eine verletzende, eine sehr verletzende Äußerung in Richtung seiner Familie war, die weh getan hat.
Es war aber auch eine Äußerung, die mit einem in der damaligen Gesellschaft sehr engen Bild der Familie aufgeräumt und gebrochen hat: Und er blickte auf die Menschen, die im Kreis um ihn herumsaßen, und sagte: Das hier sind meine Mutter und meine Brüder.
Die Welle der Flut, die Welle der Hilfe und der Solidarität. Wellen erfassen Menschen, sie können sie buchstäblich mitreißen, entweder zum Schaden oder zum Segen.
So bin ich dankbar, dass die Welle der Flut eine Welle der Hilfe und der Solidarität ausgelöst und nach sich gezogen hat. Menschen wurden dabei richtig kreativ, haben sich ins Zeug gelegt und sind oft auch über sich hinausgewachsen, haben „Übermenschliches“ geleistet.
Der Bayerische Rundfunk hatte am Freitag zu einem Spendentag aufgerufen. Das Ergebnis in Zahlen liegt noch nicht vor, aber diese Aktion stand unter einem Motto, das sich – wie ich meine – für Menschen in jeder Lage und in jeder Not buchstäblich auszahlen wird: „Wir halten zusammen!“
Wir halten zusammen, dieses Motto kann wie eine Welle sein, die ganz unterschiedliche Spuren hinterlassen kann. Auch davon spricht das heutige Evangelium. Wie halten wir zusammen, aber wie und wozu?
Wir halten zusammen, damit ist auch die Frage nach der Motivation verbunden. Wie halten wir zusammen? Wozu halten wir zusammen? Halten wir zusammen gegen jemanden oder für jemanden? Halten wir zusammen zum Schaden oder zum Segen? Halten wir zusammen, weil wir als Menschen zusammengehören oder weil wir uns dann als Menschen besser bekämpfen können und das Recht des Stärkeren zur Geltung kommt?
Solche Ereignisse, wie wir sie in den letzten Tagen in unmittelbarer Nähe erlebt haben, die aber tagtäglich auf der ganzen Welt immer wieder geschehen, haben uns unmittelbar gezeigt, dass es ganz plötzlich jeden treffen kann. Dass Menschen ganz schnell in Not geraten können, dass ihnen nicht viel Zeit bleibt, um noch irgendetwas zu tun, sondern dass sie auf den Zusammenhalt und die Solidarität der Menschen angewiesen sind. So wird auch sichtbar: Das sind meine Mutter, meine Brüder und meine Schwestern. Gott sei Dank ist das so, noch so.
Liebe Schwestern und Brüder, das Motto des Spendentages im Bayerischen Rundfunk „Wir halten zusammen“ kann und muss auf ganz verschiedene Art und Weise konkret und gelebt werden, auch heute an diesem Tag. Heute ist Wahl, heute sind in unserem Land die Wahlen zum Europäischen Parlament. Wir halten zusammen, weil wir zusammengehören.
Ich möchte schließen mit einem kurzen Text, der das Anliegen Jesu so zusammenfasst:
Damals
Draußen die Mutter und die Brüder, drinnen viele Leute.
Heute
Drinnen ein paar Schwestern und Brüder, draußen viele Leute…
Jetzt
Glaube ich an die Verwandtschaft aller mit dem einen Gott?
Lesung: Dtn 5,12-15
Evangelium: Mk 2,23-3,6
Liebe Schwestern und Brüder,
Vor nicht ganz 2 Wochen gab es in Deutschland etwas zu feiern, unsere Verfassung, das Grundgesetz wurde 75 Jahre In einem Landtag wurde es in einer Würdigung als Garant für Demokratie, Frieden, Freiheit und Menschenrechte bezeichnet und ihm damit eine echte „Erfolgsgeschichte“ bescheinigt. Ähnlich dürften Einschätzungen auch anderswo gelautet haben. Ich weiß nicht, ob Sie einmal dieses ganze Gesetz gelesen haben, einen Satz zumindest, Artikel 1, den kennt jeder: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Die Würde des Menschen ist unantastbar – eigentlich ist dieser Satz die Zusammenfassung all dessen, was es noch zu sagen gibt. Alles, was noch kommen mag, kann nur Ergänzung oder Konkretion dieses bedeutenden ersten Satzes sein: Die Würde des Menschen, nicht die Würde bestimmter Menschen, bestimmter Gruppen, sondern jeder Mensch hat eine Würde, die zu achten ist, die es zu respektieren gilt, die ohne Bedingungen oder Vorleistungen ist. Das Grundgesetz Deutschlands ist tatsächlich etwas unheimlich Wertvolles, aber dieses Grundgesetz braucht und hat ein Fundament und zu diesem Fundament gehören die Werte und Überzeugungen, die aus unserer jüdisch christlichen Tradition stammen. Das gerät trotz aller Wertschätzung heute oftmals in den Hintergrund. Man glaubt vielmehr, wesentliche Werte stammten aus der Zeit der Aufklärung mit ihrem Verständnis von Individualismus, von Gleichheit oder Toleranz. Nein, auch diese Forderungen haben letztlich ihre Wurzeln im biblischen Weltbild und in der jüdisch christlichen Tradition, sie sind nicht denkbar ohne diese Wurzeln.
Die Texte des heutigen Sonntags sind dafür ein sprechendes Beispiel: Wir kennen alle das Sabbatgebot, und wir wissen natürlich auch, dass um die richtige Auslegung dieses Gebots gerungen wurde. In der Auseinandersetzung mit den Pharisäern sagt Jesus den Satz: „Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat.“ Oft interpretieren wird den Satz so, als ob Jesus hier etwas ganz Originelles gesagt hätte, um seine Feinde zu widerlegen. Nein, in Wirklichkeit hat er sie nur an etwas erinnert, was es längst gab, und was sie eigentlich wussten. In der ersten Lesung haben wir das Gebot gehört mit den Ausführungen dazu. Und es lohnt sich, diesen Text noch einmal genau zu lesen und zu betrachten:
So spricht der Herr: Halte den Sabbat. Halte ihn heilig, wie es dir der Herr, dein Gott, geboten hat! Sechs Tage darfst du schaffen und all deine Arbeit tun.
Zunächst gibt es die Aufforderung den Sabbat zu halten. Und es wird dabei ein Wort verwendet, das eigentlich nur Gott zukommt: Heilig – Gott allein ist heilig. Der Mensch, der den Sabbat heiligt, gerät damit in die Nähe Gottes, er bekommt etwas ab von dessen Heiligkeit, sein Tun hat göttliche Qualität. Allein diese Tatsache hat in höchstem Maß mit Menschenwürde zu tun. Und, nach diesem Text, ist es der Mensch selbst, der darüber verfügt, ob er diese Würde annimmt oder nicht, je nachdem, ob er den Sabbat heiligt oder nicht.
Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du und dein Sohn und deine Tochter und dein Sklave und deine Sklavin und dein Rind und dein Esel und dein ganzes Vieh und dein Fremder in deinen Toren. Dein Sklave und deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du.
Entstanden ist dieser Text vor 2500 Jahren in einem Land, das keine großen Städte kannte, das fremde hochentwickelte Kulturen eher als Bedrohung der eigenen Existenz empfand; in einer Bevölkerung, die geprägt war von Ackerbau und Viehzucht, es gab nichtsesshafte Nomaden und Halbnomaden. Es war eine Zeit, in der Individualität ein Fremdwort war, der Einzelne zählte nichts, die Frauen waren ganz klar dem Mann untergeordnet, Sklaven, – wir müssen hier nicht nur an die völlig entrechteten Menschen denken die sozusagen Eigentum eines anderen waren, sondern im AT gab es auch Sklaven, die durchaus eine höhere Stellung hatten, aber eben an einen Herrn gebunden waren, also auch von ihm abhängig waren. Sie waren nicht rechtlos in dem Sinn wie wir uns allgemein Sklaven vorstellen, aber in Abhängigkeit schon. Und schließlich die Tiere, sie waren Eigentum und hatten einen Nutzen entweder als Arbeitstiere, Lasttiere oder als Vieh. Ein Verständnis, wie wir es heute teilweise kennen, jedenfalls mit unseren Haustieren, war damals undenkbar. Wenn hier all diese Personen und Gruppen aufgezählt werden und es sind wirklich alle gemeint, dann ist hier ein Bild vom Menschen, vom Geschöpf und von Menschenwürde vorgezeichnet, das nicht mehr zu übertreffen ist. Sie alle haben teil an diesem Ruhetag, sie sind hin orientiert auf die Ehre Gottes, dem dieser Tag geweiht ist; selbst die Fremden, von denen man sich ansonsten scharf abgrenzt, werden in diese „Würde von Gott her“ hineingenommen.
Gedenke, dass du Sklave warst im Land Ägypten und dass dich der Herr, dein Gott, mit starker Hand von dort herausgeführt hat. Darum hat es dir der Herr, dein Gott, geboten, den Sabbat zu begehen.
Im letzten Abschnitt des Textes wird der Hörer an etwas erinnert. Ägypten ist der Inbegriff der Unfreiheit, der würdelosen Behandlung, der Ausbeutung, der Sklaverei. Freiheit und Menschenwürde gehören aufs Engste zusammen. Den Sabbat zu heiligen, Gott die Ehre zu geben, Ihm dem allein die Ehre zukommt, das ist freiheitliches, menschenwürdiges Verhalten. Wer den Sabbat hält, betet Gott an, und er ist damit gefeit davor, andere Mächte, andere Gegenstände, Ideen oder was auch immer zu seinem Gott zu machen oder werden zu lassen. Das heißt, er bewahrt seine Freiheit und seine Würde.
Liebe Schwestern und Brüder, ich sehe hier eine direkte Linie vom Sabbatgebot hin zu unserem Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Unser Grundgesetz, „Garant für Demokratie, Frieden, Freiheit und Menschenrechte“ hat seine Wurzeln in der Bibel. Darum tut es mir wirklich richtig weh, wenn ich wahrnehme, wie uns das Wertvolle unserer Religion so sehr aus dem Blick gerät, ja wie oft nur das Belastende, Dunkle und Schuldhafte von Religion gesehen und wahrgenommen wird. Und wie hohl, wie banal, wie schal wird oft alles, was wir feiern und begehen, wenn der eigentliche Grund unserer Würde nicht mehr benannt wird. Was Jesus sagt, ist wahr: Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat. Aber der Mensch muss sich dieses Geschenks auch bewusst bleiben, das genau war die Sorge der Pharisäer, und genau darum haben sie einen „Zaun um das Gesetz“ gezogen und kleinlich auf manche Vorschriften geachtet. Tun wir das auch, halten wir den Sabbat, unseren Sonntag, nicht engherzig und ängstlich, sondern mit frohem Herzen, das unserer Menschenwürde entspricht.
Amen.
L: Hbr 9,11-15
Ev: Mk 14,12-16.22-26
Liebe Schwestern und Brüder!
Manchmal wirken Fragen, die Menschen einander stellen, so nebensächlich, ja fast bedeutungslos. Ich glaube, das ist so, wenn wir die Antwort vielleicht schon zu kennen oder zu wissen glauben, weil sie mehr als klar ist oder als sicher gilt, oder weil die Antwort so nahe liegt, wie wir sagen.
Gerade haben wir im Evangelium eine Frage gehört oder aus den genannten Gründen eben vielleicht nicht mehr gehört, weil sie so nebensächlich klingt. Wissen Sie, welche Frage ich meine? Es ist die Frage nach einem Raum: Wo ist der Raum?
Diese Frage sollen die Jünger stellen, wenn sie in die Stadt kommen: Wo ist der Raum, in dem ich mit meinen Freunden das Paschalamm essen kann? Die Antwort, die wir auf die Frage nach dem Raum erwarten und erhoffen und die auch die Jünger bekommen, lautet: Hier! Da ist der Raum! Jemand zeigt uns den Raum, er führt uns hin zu diesem Raum oder beschreibt den Weg dorthin.
Wo ist der Raum? So fragen Menschen bis heute und haben dabei in erster Linie ihre Vorstellungen, von Größe, Gestaltung und Ausstattung und was sonst noch alles zu einer guten „Location“ gehört. Die Frage nach dem Raum kann aber viel tiefer gehen, sie kann viel grundsätzlicher sein, nämlich: Was ist ein Raum?
Ein Raum ist mehr als ein Gebäude oder ein Zimmer. Ein Raum ist mehr als die eigenen vier Wände. Raum ist dort, wo etwas Raum, wo etwas Platz hat, damit dort etwas geschehen kann, damit sich dort etwas ereignen kann.
Vor wenigen Tagen haben wir als Klostergemeinschaft einen Ausflug nach Dillingen zum Ursprung und Sitz der Regens Wagner Stiftung gemacht: Eine Außenstelle, eine Einrichtung davon befindet sich ja unweit von uns im nahen Hohenwart. Wir bekamen ein großes, ja eigentlich ein riesiges Gebäude zu sehen, das viele Zimmer und ganz unterschiedliche Räume hat, auch sehr moderne Räume. Der Direktor hat uns voll Freude und nicht ohne Stolz sein nagelneues Verwaltungsgebäude gezeigt, das gerade fertig geworden ist.
Ein Raum unter diesen vielen Räumen ist mir besonders in Erinnerung geblieben, weil es nicht nur ein Raum war, sondern weil es der Raum war, in dem sich etwas ereignen konnte. Es war ein Raum, in dem man verstehen konnte. Es war ein Raum, in dem versucht wird, Menschen etwas nahezubringen. In diesem Raum stand ein Tisch und darüber war ein Schild angebracht, auf dem zu lesen war: „Raum der Begegnung“.
Regens Johannes ev. Wagner, also der Chef des Priesterseminars in Dillingen, und Schwester Theresia Haselmayr, eine Dillinger Franziskanerin, die beiden Begründer der Regens Wagner Stiftung, die sich der Menschen mit Behinderung annimmt, saßen als Holz-Silhouette sozusagen an diesem Tisch und man war eingeladen sich einfach dazu zu setzen, sich mit ihnen zu unterhalten, wie das damals war in ihrem Leben, was sie bewogen hat, dieses Werk ins Leben zu rufen, das für uns heute so ganz selbstverständlich da ist oder zumindest so wirken kann.
Um diesen Tisch herum war dann die Geschichte dieser Einrichtung ausgestellt und dargestellt. Raum der Begegnung – man kam in diesem Raum mit der Geschichte in Berührung, man konnte in diesem Raum Geschichte, die sich ereignet hat und bis heute ereignet, aber auch den Menschen die sie gestaltet haben und gestalten, begegnen.
Wo ist der Raum, in dem ich mit meinen Jüngern das Paschalamm essen kann? Jesus sucht einen Raum, in dem nicht nur etwas stattfinden kann, sondern in dem sich etwas ereignen kann. Jesus braucht einem Raum, in dem sich Begegnung ereignen kann. Ein Raum, in dem er seine Jünger mit seinem Auftrag und seiner Sendung in Berührung bringen kann.
In der Tradition unseres Glaubens nennen wir diesen Raum den Abendmahlssaal. Es ist der Raum, in dem alles begann, was wir bis heute in unseren Eucharistiefeiern tun: Miteinander an einen Tisch setzen, miteinander an einem Tisch sitzen. Brot und Wein und damit das Leben teilen, versuchen das Leben zu verstehen, was unsere Sendung als Mensch, aber auch unsere Sendung als Kirche ist.
Das heutige Fest Fronleichnam ist mit dem Brauch der Prozessionen verbunden, auch wenn uns heute das Wetter einen Strich durch die Rechnung macht. Mit diesen Prozessionen wird der Kirchenraum ausgeweitet hinein in den Lebensraum der Menschen hier bei uns in Scheyern, wie an vielen anderen Orten auch.
Ein Raum ist mehr als ein Gebäude, mehr als ein Zimmer. Raum ist mehr als die eigenen vier Wände. Raum ist da, wo etwas Raum hat, damit dort etwas geschehen kann, damit sich dort etwas ereignen kann: Leben, ganz unterschiedliches Leben.
Jesus hat diesen Raum ausgeweitet über die Erde und über die Zeit hinaus bis hinein in das, was wir Himmel nennen.
Jesus hat diesen Raum auch für Menschen geöffnet, von denen andere und manchmal auch sie selbst angenommen haben, dass für sie dort kein Platz ist.
Jesus hat sich immer wieder mit ganz verschiedenen Menschen, nicht nur mit seinen Jüngern, an einen Tisch gesetzt und Mahl gehalten. Er hat mit ihnen gegessen und getrunken und so Leben geteilt, indem sie erzählen konnten. Jesus hat zugehört und musste sich gewiss auch manches anhören.
Regens Wagner und Sr. Theresia Haselmayr haben das auf Ihre Weise versucht, in dem sie den Lebensraum für Menschen mit Behinderung geöffnet haben. Johannes Wagner hat in seiner Kindheit selbst erlebt, wie man mit Menschen, die eine Behinderung hatten, umgegangen ist. Sie wurden manchmal schlechter behandelt als Tiere, sie wurden versteckt und gehänselt. Diese Erfahrung hat ihn geprägt und er hatte für sich erkannt, dass man hier etwas zu muss, dass sich im Umgang mit den Menschen etwas ändern muss.
Mit Sr. Theresia Haselmayr hat er sich zuerst um „taubstumme“ Frauen gekümmert, die nicht hören und damit nicht sprechen konnten. Man hat sie ausgebildet und ihnen damit sozusagen einen Platz am Tisch der Gesellschaft gegeben, weil sie auch etwas dazu beitragen konnten. Die geniale Idee dahinter war, die „Dienstkleidung“ für die Pfarrer herzustellen. Kern jeder Regens Wagner Einrichtung war eine Paramenten-Stickerei, in denen Messgewänder hergestellt wurden. Hier bei uns in Scheyern haben wir relativ viele Gewänder von Regens Wagner und wir tragen sie nicht ohne Stolz für die Menschen, die sie hergestellt haben.
Der Raum bei Regens Wagner hat sich im Laufe von etwa 180 Jahren immer weiter geöffnet für Frauen und Männer mit ganz unterschiedlichen Behinderungen.
An Fronleichnam feiern wir, dass Jesus hat mit seinem Mahl einen ganz neuen Lebensraum für Menschen eröffnet hat. Seitdem haben das viele Menschen in seinem Geist versucht: Regens Wagner, Sr. Theresia Haselmayr und viele, viele andere auch.
Kathi Stimmer, eine geistliche Liedermacherin hat es auf ihre Weise getan und in einem Lied so ausgedrückt:
Eingeladen zum Fest des Lebens,
machen wir uns auf den Weg,
dem Stern zu folgen, der uns führt.
Eingeladen zum Fest des Lebens,
wird die Freude in uns weit.
Großes ist für uns bereit.
Pfingsten
Les: Apg 2,1-11
Ev: Joh 20,19-23
Liebe Schwestern und Brüder!
Frische Luft ist wichtig. Frische Luft ist gut und tut gut. Darüber sind sich die meisten Menschen wohl einig und werden nach diesem Grundsatz auch handeln, immer wieder für frische Luft zu sorgen. Was und wie frische Luft aber ist, darüber gehen die Meinungen dann aber doch schnell wieder auseinander, manchmal sogar sehr weit auseinander.
Frische Luft hat etwas mit Temperatur zu tun. Frische Luft darf keine Schadstoffe enthalten. Frische Luft hat einen angenehmen Duft, wobei man in dieser Frage schon wieder geteilter Meinung sein kann. Am schwierigsten wird wohl die Frage der Dosierung der frischen Luft sein.
Vor wenigen Tagen war ich in der Nähe von Koblenz auf einer Versammlung von Ordensleuten. Über 200 Menschen in einem Saal! Nach vielen und ermüdenden Diskussionen mit schweren Themen wurde immer wieder der Ruf nach frischer Luft laut. Aber dann ging‘s los: Die einen haben die Fenster aufgemacht, die anderen haben sie schnell wieder zugemacht. Man konnte dann und wann einen Satz hören, über den man auch lange diskutieren könnte: Es zieht! Kennen Sie das auch?
Ob das auch in dem Raum so war, in dem sich die Jünger, die Freunde Jesu befunden haben, das wissen wir nicht. Aber der Hinweis im ersten Satz des eben gehörten Evangeliums, dass sie aus Angst vor den Juden die Türen verschlossen hatten, lässt vermuten, dass irgendwie dicke Luft herrschte, wie wir sagen. Also eine Atmosphäre, die nach frischer Luft, also nach Veränderung verlangte.
Diese Veränderung bringt Jesus selbst in den Raum, in den Lebensraum von Menschen, indem er einfach eintritt, das Schweigen der Angst durchbricht und den Verängstigten Frieden wünscht. Frieden in einer sehr bedrückenden Situation. Er wünscht ihnen, dass sie Frieden machen können in und mit ihrem Leben, so wie es eben verlaufen ist, wohl anders, als sie es sich je gedacht hatten.
Das, was Veränderung bringen kann, ja schenken kann, nennt Jesus Geist: Empfang den heiligen Geist. Geist ist etwas, das man nicht sieht, aber sehr wohl spürt. Das macht ihn in einer gewissen Weise unheimlich und für manche sogar gespenstisch. Geist ist daher wie Luft, die sich bewegt, wie frischer Wind, der manchmal eben auch zieht, unangenehm wirkt, weil Menschen noch nicht so weit sind, weil sie vielleicht noch ein bisschen mehr Zeit bräuchten für die Veränderung, die kommen soll oder schon gekommen ist, so dass sie Frieden machen und Frieden finden können in ihrem Leben und für ihr Leben.
Liebe Schwestern und Brüder, der letzte Satz des heutigen Evangeliums hat mich immer gestört. Manche von Ihnen vielleicht auch: Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert ist sie verweigert.
Das klingt so nach Willkür und Macht: Hier wird vergeben und da wird nicht vergeben. Ja, dieser Satz steht da, aber es kommt darauf an, wie man ihn liest, was gelten soll. Vergebung oder Verweigerung? Ich glaube, der Schwerpunkt liegt auf Vergebung, weil sich dann etwas verändern kann, weil dann Neues wieder eine Chance bekommt. Damit frische Luft, damit frischer Wind wieder ins Leben kommen und einziehen kann.
Heute erfreut uns im Gottesdienst unser Basilikachor mit einer Mozartmesse. Dafür sage ich vielen Dank! Diese Mozartmesse kann auch so etwas sein – wie frische Luft und frischer Wind, der bewegt und belebt. Bei der Ankündigung in unserem Pfarrboten ist die Nummer im Werkverzeichnis von Mozart angegeben: Köchelverzeichnis (KV) 192. Damit werden wohl nur die Profis etwas anfangen können. Aber diese Messe hat neben der Nummer des Werkverzeichnisses auch noch einen Namen. Es ist die kleine „Credomesse“. Damit legt W. A. Mozart großen Wert auf das Wort „Credo, ich glaube“. Dieses Wort „Credo“ kommt immer wieder vor, es wird immer wiederholt, öfter als wir es sonst beten: Credo, credo, ich glaube.
Glaube verändert. Glaube an den Geist, der dazu die Kraft gibt, der es schaffen kann, Atmosphären zu verändern, ist wie frische Luft, wie ein frischer Wind.
So möchte ich schließen mit einem Text von Karl Rahner, der diesen Glauben an den heiligen Geist aufnimmt und in diesem Text aufzählt, wo im Leben überall Veränderung geschehen kann und vielleicht Vergebung auch geschehen muss, damit sich Atmosphären im Leben verändern können.
Ich glaube an den heiligen Geist:
Ich glaube,
dass er meine Vorurteile abbauen kann.
Dass er meine Gewohnheiten ändern kann.
Dass er meine Gleichgültigkeit überwinden kann.
Dass er mir Fantasie und Liebe geben kann.
Dass er mir Warnung vor dem Bösen geben kann.
Dass er mir Mut für das Gute geben kann.
Ich glaube an den heiligen Geist,
Dass er meine Traurigkeit besiegen kann.
Dass er mir Liebe zu Gottes Wort geben kann.
Dass er mir meine Minderwertigkeitsgefühle nehmen kann.
Dass er mir Kraft in meinen Leben geben kann.
Dass er mir einen Bruder, eine Schwester an die Seite geben kann.
Dass er mein Wesen durchdringen kann.
Credo, credo! Ich glaube, ja ich glaube an das Pfingstfest, ich glaube an diesen Geist, auch wenn es manchmal ein bisschen zieht.
Lesung: Apg 1, 15–17.20ac–26
Evangelium: Joh 17, 6a.11b–19
Liebe Schwestern und Brüder,
Zu den Tätigkeiten, die ich richtig gern tue, ja wo ich mich meistens richtig glücklich fühle, gehört das Pflanzen. Irgendetwas, eine Pflanze, eine Staude in die Erde setzen, ihr den nötigen Lebensraum geben, dass sie wachsen und sich entfalten kann und sehen wie es anwächst, größer wird, breiter oder blüht oder vielleicht Früchte trägt. Erst gestern habe ich so einige Tomatenpflanzen in die Erde gebracht, gerade Tomaten zeigen sehr schnell, ob es ihnen gut geht und in der ersten Zeit kann man beim Wachsen fast zusehen. Noch schöner ist es, wenn ich einen Baum pflanzen kann, da kommt wohl das schöne Gefühl dazu, hier ist jetzt etwas für lange Zeit, vielleicht wird er mich sogar überleben, etwas Bleibendes also.
Allerdings, das muss ich wirklich gestehen, bin ich doch eher etwas spontan und pflanze eher nach dem Motto, naja, was wächst, das wächst. Ein guter Gärtner, würde sich erst kundig machen: Was braucht diese Pflanze, um zu gedeihen, welcher Boden, welche Mineralien sind wichtig, wie viel Licht braucht die Pflanze, und mit welcher anderen Art verträgt sie sich möglicherweise gar nicht, was sollte man also nicht in die Nähe bringen? Und schließlich, wie viel Wasser braucht diese Pflanze? Und spätestens da wird deutlich, dass Sorgfalt und Pflege weit über das Pflanzen hinaus gehen, Wässern ist immer wieder nötig, Pflege, was muss beschnitten werden, wie ist das Unkraut fernzuhalten, gibt es Schädlinge usw. Es gibt also viel, worauf eigentlich zu achten ist. Bei einem Mitbruder, der es gelernt hat, sehe ich manchmal, welche Sorgfalt es bräuchte, aber da fehlt mir wohl die Geduld, vielleicht auch die Zeit.
Warum aber erzähle ich das alles? Wir haben gerade einen Abschnitt aus den Abschiedsreden gehört, die Jesus im Abendmahlssaal gehalten hat. Und wenn wir den Tenor dieses Textes hören, dann lässt er sich gut in der Bitte Jesu zusammenfassen: Vater, diese Menschen, die du mir gegeben hast, bewahre sie in deinem Namen. – Bewahren, behüten, darum geht es Jesus, er bittet, er fleht seinen Vater an für die Menschen, die ihm anvertraut sind, dass ihr Glaube, ihr Leben bewahrt und behütet sein möge. Und da scheint es mir um ganz ähnliche Fragen und Themen zu gehen, wie sie der Gärtner beim Pflanzen und bei der Pflege kennt: Was braucht dieser Baum, dass er sich gut entwickeln kann, was schadet ihm, ja was lässt ihn vielleicht ganz und gar kaputtgehen, was ist schädliches Gift? Aus all dem, was wir über Jesus sicher wissen, wie er mit den Menschen umgegangen ist, können wir diese Fragen heraushören. Einmal stellt er sie sogar ganz direkt: Was willst Du, das ich dir tun soll? Die Sorge um die Menschen und um den einzelnen Menschen, sie treibt Jesus um, bis kurz vor seinem Tod, als er im Abendmahlssaal seine Abschiedsworte spricht. Bewahre sie, behüte sie, bewahre sie vor dem Bösen, heilige sie, damit sie die Freude in Fülle haben, wir verstehen ohne große Vorkenntnisse, dass hier eine große Sorge, eine große Liebe spricht, diese Menschen liegen Jesus wirklich am Herzen. Und wenn wir diesen Text heute lesen, eine Woche vor dem Pfingstfest, vor dem Geburtsfest der Kirche, dann wird uns heute einmal deutlich gesagt, was und wie Kirche sein soll, eine Kirche, die sich um den Menschen sorgt, um den einzelnen wie um die Gemeinschaft. Darum gibt es den caritativen Dienst in der Kirche, und manche Umfragen zeigen es, dort wo man von der Kirche gar nichts mehr hält, dort schätzt man dennoch was Kirche für Kranke, Behinderte, Ratsuchende oder Notleidende tut oder in internationalen Hilfswerken. Das ist das Eine. Aber die Sorge um den Menschen muss viel tiefer gehen, „die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist“, – so sagt es Dietrich Bonhoeffer. Und dieses „Für andere“ – das sind nicht nur die Außenstehenden, nicht nur die anderen, das sind auch die Christen, die Kirchenmitglieder, die schon da sind, oder vielleicht besser, die noch da sind. Kirche hat schmerzlich erlebt, was Respektlosigkeit, Gewalt und Missbrauch angerichtet haben und wenn es mit der Aufarbeitung wirklich ernst gemeint ist, dann wird man sehr sorgfältig, sehr aufmerksam mit dem einzelnen Menschen umgehen müssen, dann wird man sehr genau schauen müssen, was sie brauchen, um zur Freude, zum erfüllten Leben zu kommen, um gläubiger Christ zu bleiben oder immer mehr zu werden. Hier reicht es nicht, wenn jemand Spaß am Gärtnern hat und da ein bisschen rumfuhrwerkt so wie ich, sondern hier braucht es oft mehr Sorgfalt und mehr Sachverstand, und den wünsche ich mir bei manchen Verantwortlichen. Um es konkret zu machen: Ich weiß auch, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können, dass es finanzielle und personelle Engen gibt, dass es manche Zwänge gibt. Ich weiß auch, dass heute manche Kirche geschlossen werden muss und manche Gemeinde vor Ort sterben wird. Und ich beneide niemanden, der hier Verantwortung hat. Aber wenn Kirchen geschlossen werden, obwohl es vor Ort eine, vielleicht kleine, aber aktive Gemeinde gibt, die sich redlich müht und vieles eigenverantwortlich regelt, dann hat das mit Bewahrung oder Sorgfalt für mich erkennbar nichts zu tun. Eher erkenne ich hier ein Handeln über die Menschen hinweg, das am Ende nur Scherben zurücklassen wird. Genau darum kann es aber nicht gehen, sondern es braucht viel Herz und immer wieder die Bitte, die zu unserer eigenen geworden ist: Vater, bewahre sie, bewahre uns in deinem Namen, bewahre uns als Kirche insgesamt. Denn davon bin ich überzeugt: Wo der gute Geist des Evangeliums aus unserer Welt verschwindet, da lauern andere Geister, die sich sehr gern der Menschen annehmen und manche davon haben hinter ihrer Maske nichts wirklich Menschliches.
Liebe Schwestern und Brüder, bewahren heißt übersetzt conservare, die Konserve stammt davon ab, darin ist etwas haltbar gemacht und aufbewahrt. Conservare – in diesem Sinn wünsche ich mir eine konservative Kirche, die sich nicht damit abtut, irgendwelche äußeren Formen oder veränderbare Dinge zu bewahren, eine konservative Kirche aber, die eine unbändige Liebe zum Menschen hat und ihn bewahren will.
Amen.
Christi Himmelfahrt,
Les: Apg 1,1-11
Ev: Mk 16,15-20
Liebe Schwestern und Brüder!
Manche Gespräche mit Menschen oder Teile daraus bleiben uns oft lange im Gedächtnis präsent oder in Gedanken „hängen“, wie wir auch sagen. Diese Erfahrung haben Sie vielleicht auch schon einmal gemacht. So geht es mir seit Anfang dieses Jahres, dass ich immer wieder an eine Unterhaltung denke, ja denken muss, obwohl sie irgendwie „nur“ zwischen Tür und Angel stattgefunden hat, nämlich beim Anstehen zum Neujahrsempfang unseres Ministerpräsidenten in der Münchner Residenz im Januar dieses Jahres.
Zusammen mit einem „äbtlichen Kollegen“ stand ich da, und man sprach mal mit denen vor uns und dann wieder mit denen hinter uns. So stellte sich heraus, dass einer dieser zufälligen Gesprächspartner in einem Gebiet der Forschung tätig ist, das zum weiten Feld der sog. Künstlichen Intelligenz (KI) gehört. Er erzählte von so manchen interessanten und auch rasanten Entwicklungen und was wahrscheinlich wohl bald zu erwarten ist. Es fiel mir auch auf, dass er immer wieder das Wort „täuschend echt“ gebrauchte. Es ist etwas täuschend echt. So ganz nebenbei stellte er die Frage, ob sich Kirche die Erkenntnisse der KI auch zu Nutze macht oder wie sie darauf reagiert.
Ich musste zugeben, dass ich auf diesem Gebiet ziemlich blank bin und sagte, dass ich mehr darauf setze, den persönlichen Umgang mit Menschen von Angesicht zu Angesicht zu pflegen. Worauf der andere meinte. Das könnte für Sie nicht das Schlechteste sein.
Seit diesem Gespräch fallen mir Berichte und Meldungen über die KI, also die künstliche Intelligenz, immer öfter auf und ich schaue auch genauer hin. Ein Bekannter hat mir sogar einmal gezeigt, dass und wie man mit ChatGPT auch eine Predigt machen kann. Das war höchst interessant und spannend. Wir haben es auch gleicht versucht und er hat den Computer mit Gedanken und Stichpunkten gefüttert. Und siehe da, es kam auch etwas durchaus Passables und Anerkennenswertes heraus. Ich habe mich dann doch entschieden, eine andere, und zwar meine eigene Predigt zu machen.
Vor wenigen Wochen las ich dann einen Artikel, in dem es darum ging, dass es gar nicht mehr unvorstellbar ist, mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz mit Verstorbenen täuschend echt in Kontakt zu treten. Vom Ansatz her ist es eigentlich nichts Neues, aber im Hinblick auf die technischen Möglichkeiten fast unheimlich, denn es ist täuschend echt.
Gegenstände, Bilder, Filme von und über Verstorbene erinnern uns nicht nur an sie, sondern dadurch können sie in unseren Gedanken und vor unseren Augen für Momente auch ein Stück weit wieder lebendig werden. Die Technik macht es möglich, dass man über Menschen ein digitales Abbild erstellt, das durch die Fülle der Informationen bis hin zur Stimme eines Menschen praktisch selbständig agieren kann, so als würden die Verstorbenen selber sprechen und Antworten auf unsere Fragen geben. Täuschend echt!
Was ich Ihnen gerade erzählt habe, hat viel mit dem Fest Christi Himmelfahrt zu tun, das wir heute feiern, auch wenn es nicht gleich so aussieht. Die biblischen Texte, die wir gehört haben, versetzen uns in eine Welt und eine Zeit zurück, die von der Technik schon lange überholt ist: Im ersten Buch lieber Theophilus, habe ich über alles berichtet, was Jesus getan und gelehrt hat, bis zu dem Tag, an dem er in den Himmel aufgenommen wurde.
Die Erfahrungen aber, die dahinterstehen bzw. damit verbunden sind, sind nach wie vor aktuell und beschäftigen Menschen eben auch in die Technik hinein: Sterben, Tod und Abschiednehmen. Wie kann ich damit umgehen, wie kann ich das „lösen“?
Was ist mit den Menschen, die gestorben sind? Wo sind sie hin? Wo sind sie jetzt? Es kann doch nicht einfach alles aus und vorbei sein! Gedanken, die wohl niemandem von uns fremd sind. Wir kommen dabei an die Grenzen unseres Denkens und vor allem an die Grenzen unseres Fühlens, die wir nicht als unbedingt angenehm empfinden und die uns manchmal recht ratlos und hilflos zurücklassen.
Der Satz „Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat“, den Jesus den fragenden Jüngern gesagt hat, fordert heraus, doch etwas mehr zu erfahren und herauszubekommen. Er lässt Menschen suchen und forschen.
So stehen wir Menschen ratlos und fragend da und schauen zum Himmel oder sonst wo hin, vielleicht mit dem Satz im Ohr: Dieser Jesus, der von euch ging und in den Himmel aufgenommen wurde, wird ebenso wiederkommen, wie ihr ihn habt zum Himmel hingehen sehen.
Wilhelm Willms, ein Priester aus Aachen, der 2002 verstorben ist, hat viele Texte geschrieben, von denen ich mir einige auch gut merken kann, weil er in seiner Sprache und aus seinem Glauben und aus seinem Denken heraus etwas auf den Punkt bringt:
Die Frage ist, wo ist oben, was ist oben, wer ist oben.
Denn je nachdem, was bei uns oben ist, kann man sich ausrechnen,
was auf uns herabkommt: Welcher Geist.
Ist das Geld oben, kommt der Geist des Geldes auf uns herab.
Ist die Wirtschaft oberstes Prinzip, kommt dieser Geist auf uns herab und über uns.
Ist Jesus für uns oben,
dann kommt auch der Geist Jesu auf uns herab.
Liebe Schwestern und Brüder, bei aller Technik und all ihren Erkenntnissen auch und vor allem auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, die uns sicher manches erleichtern und auch abnehmen können, ist das Denken nicht verboten und das Hoffen schon gar nicht überflüssig geworden.
Maiandacht
Les: Lk 1,39-56
Liebe Schwestern und Brüder!
Der erste Mai ist in unserem Land ein Feiertag, der mit verschiedenen Anlässen verbunden wird. Wir als katholische Christen feiern Maria als Schutzfrau unseres Bayernlandes, für andere ist es der Tag der Arbeit, als Zeichen der Wertschätzung von menschlicher Arbeit, und vielleicht gibt es noch weitere Anlässe, die Menschen mit dem Tag des 1. Mai verbinden.
Bei uns in Scheyern wurden auf diesen Tag immer wieder besondere Anlässe gelegt.
Am 1. Mai 2003 begann eine Gedenkausstellung „200 Jahre Säkularisation“.
Am 1. Mai 2006 wurde unsere Klosterbrauerei wieder eröffnet.
Am 1. Mai 2019 haben wir den Eröffnungsgottesdienst für unser Jubiläumsjahr „900 Jahre Benediktiner in Scheyern“ gefeiert und die dazugehörige Ausstellung eröffnet.
Heute, am 1. Mai 2024, wurde in Scheyern der Maibaum an seinem neuen Standort aufgestellt, nämlich dort, wo in wenigen Wochen auch das neue Rathaus seinen Betrieb aufnehmen wird bzw. soll. Der nun entstandene Gebäudekomplex soll aber nicht nur der Sitz der Gemeindeverwaltung sein, sondern auch andere Angebote beherbergen, wie die Bücherei oder ein Bistro, um nur zwei zu nennen. Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass Menschen, die hier wohnen und leben, sich dadurch diesem Ort Scheyern zugehörig fühlen und auch die Bereitschaft aufbringen, am Leben in diesem Ort nicht nur teilzunehmen, sondern das Leben an diesem Ort auch mitzugestalten.
Es hat sich herausgebildet, solche Orte als „Mitte“ zu bezeichnen, für einen Schwerpunkt bzw. den Mittelpunkt des Lebens.
Das heutige Fest der Patrona Bavariae hat auch mit einem solchen Bestreben und der Suche nach einer Mitte zu tun. Im Jahr 1917 bat König Ludwig III. den damaligen Papst Benedikt XV. die Gottesgottesmutter Maria als Schutzherrin des Bayernlandes auszurufen. Bereits über Jahrhunderte zuvor wurde das Bildnis der Gottesmutter in Orten und Städten aufgestellt, wo Menschen in Freud und Leid zusammengekommen sind, um zu beten, um sich beizustehen, oder um sich einfach zu begegnen und zu feiern. Der Münchner Marienplatz ist sicher einer der bekanntesten, aber bei weitem nicht der einzige solcher Plätze. Seit dem Jahr 1970 wird dieses Fest der „Patrona Bavariae“ immer am 1. Mai gefeiert.
Gerade haben wir aus der Bibel einen uns wohl sehr bekannten Text gehört, der von einer Begegnung zwischen zwei Menschen berichtet: Maria besucht Elisabeth. Es scheint nicht nur eine sehr schöne Begegnung gewesen zu sein, sondern vor allem eine wichtige, weil das zur Sprache kommen konnte, was diese Menschen im Innersten bewegt hat.
Maria wird dabei ein Begriff in den Mund gelegt, der auch eine Mitte, eine besondere Mitte benennt, nämlich die Mitte eines Menschen: Es ist die Seele: Meine Seele preist die Größe des Herrn… So sagt Maria, und dieser Text ist zum Gebet der Kirche geworden.
Die Seele eines Menschen ist das, wo der Mensch sozusagen das Materielle, das im Leben oft so bestimmend und beherrschend ist, hinter sich lässt. Die Seele eines Menschen ist das, was ihn ausmacht, ja was ihn auszeichnet. Die Seele fühlt und denkt und hat ein Bewusstsein. Der Mensch als einzigartiges und unverwechselbares Wesen. Die Seele ist für mich auch der Sitz der Würde des Menschen.
Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter. In den folgenden Zeilen schüttet Maria gleichsam ihr Herz aus. Maria „singt sich etwas von der Seele“. Das, was sie dabei zur Sprache bringt, hat nicht nur mit ihrem eigenen Leben zu tun, sondern es lenkt den Blick auf das Zusammenleben der Menschen, das jeden in seiner Würde betrifft.
Sie nennt die Dinge beim Namen, die es in dieser Welt gibt, nämlich Gewalt, Ungerechtigkeit und Not: Zustände, denen Menschen hilflos und schutzlos ausgeliefert sind und die nach Veränderung rufen. Wir könnten den Worten Marias noch viele konkrete Beispiele hinzufügen, entweder weil sie uns selber betreffen oder weil uns das Schicksal anderer Menschen bewegt.
Maria bezeichnet sich selbst als Magd des Herrn und erklärt damit auch ihre Bereitschaft, sich einzubringen und mitzuwirken am Zusammenleben der Menschen, weil sie den zur Welt bringt, der für die Menschen Heil und Rettung sein kann und sein will.
Die Seele, die Mitte eines Menschen. Und so glaube ich, dass auch Orte eine Mitte brauchen, wo sich Menschen treffen, wo sie sich begegnen und beistehen können. Das wünsche ich dieser Ortsmitte in Scheyern. Die baulichen Veränderungen, die nun geschaffen worden sind, sind aber nur der Rahmen dafür. Was es dazu braucht, wirklich eine Mitte zu werden und zu sein, sind Menschen, die sich ihrer eigenen Mitte, ihrer eigenen Seele bewusst sind und damit fühlen und denken, ein Bewusstsein haben.
Als Christen können wir wie Maria unseren Beitrag dazu leisten. Meinen Segens- und Seelenwunsch für alle solche Orte möchte ich zum Schluss so in Worte fassen:
Segne du, Maria, alle die mir lieb,
deinen Muttersegen ihnen täglich gib.
Deine Mutterhände breit auf alle aus.
Segne alle Herzen, segne jedes Haus.
Segne alle Herzen, segne jedes Haus.
- Sonntag der Osterzeit (B), 21.04.24
Les: Apg 4,8-12
Ev: Joh 10,11-18
Liebe Schwestern und Brüder,
immer wieder erfahren wir über die Medien von Übergriffen auf Einsatz- und Rettungskräfte, also auf Menschen, die es sich zum Ziel gesetzt oder sogar zum Beruf gemacht haben, Menschen zu helfen, selbst wenn es unter Einsatz des eigenen Lebens geschieht. Wenn ich solche Nachrichten höre, lese oder sonst wie erfahre, dann bin nicht nur ratlos und hilflos, sondern auch wütend. Es geht mir nicht ein, dass gerade solche Menschen Gewalt und Übergriffe erfahren, die eigentlich nur eines wollen: Helfen! Dass solche Übergriffe gar nicht so selten sind, zeigt eine Statistik, die ich vor kurzem gelesen habe und die davon sprach, dass 64 % der Einsatz- und Rettungskräfte schon einmal Übergriffe im Einsatz bzw. im Dienst erfahren haben. Eigentlich unvorstellbar!
Dass so etwas nicht nur weit weg geschieht, sondern auch hier bei uns praktisch vor der Haustüre, zeigt ein Vorfall, der mir noch in peinlicher Erinnerung ist. Vor einigen Jahren hatte sich ein völlig betrunkener Schüler auf unserem Schyrenplatz verletzt. Als aber die Sanitäter kamen, schlug er so wild um sich, dass die Polizei zu Hilfe gerufen werden musste. Aber auch von denen ließ er sich zunächst nicht beeindrucken. Alkohol spielt in diesem Zusammenhang zwar eine Rolle, aber es gibt auch Gewaltausbrüche und Übergriffe ohne die Wirkung von Alkohol.
Vielleicht sind es in Ihren Ohren abwegige Gedanken, aber an solche Vorfälle musste ich denken beim Lesen des Evangelienabschnittes vom guten Hirten, den wir gerade gehört haben. Ja, es ist irgendwie abwegig, weil wir mit den Vorstellungen und dem Bild von einem guten Hirten meistens doch ein sehr romantisches und idyllisches Bild von friedlich grasenden Schafen vor Augen und vor allem im Kopf haben.
Aber das ist nur ein Teil von dem, was Jesus damit verdeutlichen will, wenn er von sich selber sagt: Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Dieser Dienst des Hirten, also von einem, dessen Aufgabe es ist, andere zu schützen, verlangt eine hohe Einsatzbereitschaft und ist daher nicht ungefährlich.
Das wissen auch die Menschen, die sich in Einsatz- und Rettungsdiensten engagieren oder hauptberuflich arbeiten. Leider kommen bei Einsätzen auch immer wieder Menschen, die anderen helfen wollen, ums Leben.
Eine Gefahrenquelle, die Jesus in dem Evangelium nennt, nämlich der Wolf, ist wieder aktuell geworden und auch ins Gerede gekommen, weil er in unseren Breiten wieder angesiedelt wurde bzw. sich wieder einen Lebensraum zurückerobert hat, auch dort, wo er nicht unbedingt hinpasst. Auch mit solchen Bildern versorgen uns die Medien. Wie man mit dieser Situation umgehen soll, welche Maßnahmen man ergreifen könnte und sollte, darüber gehen die Meinungen sehr weit auseinander oder sie prallen aufeinander.
Eine derartige Auseinandersetzung haben wir in der Lesung aus der Apostelgeschichte gehört, in der Petrus voller Eifer sich darüber beschwert, vernommen bzw. belangt zu werden, weil sie im Namen Jesu, des guten Hirten, der gekreuzigt wurde, also sein Leben hingegeben hat, Menschen geholfen haben und beigestanden sind.
Der gute Hirt ist einer, dem das Leben der Schafe am Herzen liegt. Ein guter Hirt ist einer, dem das Leben anderer am Herzen liegt, nicht nur das eigene. Das Zusammenleben auf dieser Erde ist darauf angewiesen, dass es solche Menschen gibt, die sich dafür einsetzen, selbst dann, wenn unter Umständen auch Gefahr für das eigene Leben besteht.
So möchte ich an dieser Stelle einen Dank an die Menschen aussprechen, die das ganz selbstlos und selbstverständlich tun und die einfach zur Verfügung stehen, wenn wir die entsprechenden Notrufnummern wählen und darüber hinaus an sog. Ersthelfer, die in gefährlichen Situationen ihrem Gewissen und damit dem Beispiel Jesu folgen, selbst wenn ihnen das so nicht bewusst ist.
Der sog. „Gut-Hirten-Sonntag“ ist auch immer der Gebetstag für geistliche Berufe, auch die sind notwendig und wichtig, wenn es darum geht, Leben zu schützen und zu fördern. Auch hier gab und gibt es Menschen, die das mit vollem Einsatz tun, manchmal auch unter Einsatz ihres eigenen Lebens.
Die Österreichische Rock- und Pop-Band mit dem vielsagenden Namen „erste allgemeine Verunsicherung“ gab vor fast 15 Jahren mit einem Augenzwinkern ein Plattenalbum mit dem Titel „Neue Helden braucht das Land“ heraus.
Ich möchte das aufgreifen und doch ein wenig abwandeln und sagen: Hirten braucht das Land, Hirten braucht die Welt, denen nicht nur etwas am eigenen Leben liegt, sondern auch am Leben anderer. Und diese Hirten sind mitten unter uns.
Freundeskreistreffen
Les: Apg 9.31-42
Ev: Joh 6,60-69
Liebe Freunde unseres Klosters,
liebe Schwestern und Brüder!
Das Wetter ist immer ein gutes Gesprächsthema bzw. ein guter Einstieg für ein Gespräch, denn das Wetter sorgt immer für Gesprächsstoff und wohl jeder kann dazu etwas sagen.
Der April macht in diesen Tagen seinem Ruf alle Ehre, nämlich als einer, der macht, was er will. Heute vor einer Woche hatten wir sommerliche Temperaturen, was zwar viele gefreut hat, aber nicht unbedingt allen gutgetan hat. Und bald darauf haben die meisten von uns in den vergangenen Tagen wieder Schnee gesehen und waren wohl froh, dass wir die warmen Jacken und Pullis nicht schon ganz weggeräumt hatten.
Ja, das wechselhafte Wetter des Aprils ist sprichwörtlich geworden in vielen Wetterregeln und Gedichten:
April, April, der weiß nicht was er will.
Mal Regen und mal Sonnenschein,
dann schneit‘s auch wieder zwischendrein.
April, April, der weiß nicht, was er will.
Nun seht, nun seht, wie es wieder stürmt und weht.
Und jetzt, oh weh, oh weh,
da fällt auch dicker Schnee.
April, April, der weiß nicht, was er will.
Damit sind die vergangenen und wohl auch noch die nächsten Tage ganz gut beschrieben und zusammengefasst. Der April wird einerseits beschrieben als der, der macht was er will, andererseits aber auch als einer, der nicht weiß, was er will. Damit ist er irgendwie auch ein Spiegel des Lebens oder verschiedener Lebenssituationen. Menschen machen, was sie wollen und werden damit unberechenbar. Menschen wissen aber auch nicht immer, was sie wollen. Sie sind unentschlossen.
So könnte man sagen, dass wir gerade im Evangelium eine Art „Aprilszene“ gehört haben. Menschen machen, was sie wollen und sie können es auch tun, aber Menschen wissen manchmal auch nicht so recht, was sie wollen sollen.
In den letzten Tagen wurde die Vorgeschichte dieser Szene im Gottesdienst fortlaufend vorgelesen. Jesus hat davon gesprochen, dass er den Menschen Brot gibt, dass er selber das Brot ist und dass er mit diesem Brot ihnen sein Fleisch zu essen gibt. Es war wie ein Wechselbad der Gefühle zwischen Sonnenschein und Schneefall, faszinierend und abstoßend zugleich. Die Situation hatte sich immer mehr zugespitzt. Wohin soll es gehen? Wie soll es weitergehen? Entscheidungen stehen an, Entscheidungen sind unausweichlich!
Menschen haben einen Willen und sie dürfen tun, was sie wollen. Wir dürfen in einem Land leben, in dem wir eine solche Freiheit haben, sie wird sogar garantiert. Diese Freiheit bedeutet aber auch, dass Menschen Entscheidungen treffen müssen und die Verantwortung dafür tragen.
Viele Fragen stehen bei dieser Aprilszene aus der Bibel im Raum und Jesus stellt an seine Freunde ganz konkret die Frage nach dem, was sie wollen: Wollt auch ihr weggehen? Petrus gibt eine Antwort, die den Anschein erwecken könnte, dass sie keine Wahl haben. Doch, sie hatten eine Wahl. Sie hatten alle Berufe und damit eine Welt, in die sie zurückgehen hätten können. Petrus aber teilt mit, dass sie ihr Leben anders weitergehen wollen, so wie sie es kennen gelernt haben. Bei allen Schwierigkeiten haben sie erkannt, dass Jesus Worte und eine Botschaft hat, mit denen man Leben gestalten kann.
Liebe Schwestern und Brüder, mit dem Wort Gottes Leben gestalten, mit dem Anspruch des Wortes Gottes die Welt gestalten. Das sehen wir auch als unsere Aufgabe als benediktinische Klostergemeinschaft an und das verlangt Entscheidungen und auch Veränderungen. Sie, die Mitglieder unseres Freundeskreises, nehmen daran Anteil und unterstützen uns dabei. Dafür sind wir sehr dankbar! Das jährliche Freundeskreistreffen ist immer die Gelegenheit, das konkret werden zu lassen. So schauen wir heute Nachmittag die Veränderungen an unserem Prielhof an, hinter denen die Entscheidung für ökologische Landwirtschaft und zugleich die Bewahrung von Baudenkmälern steht.
Der April macht, was er will.
Der April weiß nicht, was er will.
In diesen Sätzen steckt nicht nur Wettererfahrung, sondern vor allem Lebenserfahrung, denn beides gibt es auch im Leben von uns Menschen: Das machen, was man will und die Schwierigkeit, nicht zu wissen, was man denn eigentlich will.
So wie der April mit seinem typischen Wettergeschehen einer der Monate im Lauf eines Jahres ist, so kann ein Wechselbad der Gefühle ein Abschnitt oder Phasen in einem Leben sein. Leben, das immer auch die Sehnsucht kennt nach Gelingen und Fülle. Das ist auch die Botschaft Jesu: Leben in Fülle!
Auf den April folgt der Mai, von dem wir einiges erwarten, erhoffen und vielleicht erbitten.
Komm lieber Mai und mache.
Komm lieber Mai und stell dich ein.
Komm lieber Mai, wir bitten dich sehr und danken dir dafür.
Mit den Worten Jesu könnte das so formuliert sein:
Komm, Heil‘ger Geist, der Leben schafft,
erfülle uns mit deiner Kraft,
Dein Schöpferwort rief uns zum Sein: Nun hauch uns Gottes Odem ein.
2. Sonntag der Osterzeit
Les: 1 Joh5,1-6
Ev: Joh 20,19-31
Liebe Schwestern und Brüder!
Als Sie heute Morgen aus dem Haus gegangen sind, haben Sie da auch noch einmal probiert, ob Sie ganz sicher zugesperrt haben? Vielleicht sind Sie nach ein paar Schritten sogar noch einmal umgekehrt und haben sich noch einmal vergewissert.
Hoffentlich mache ich jetzt niemandem ein schlechtes Gewissen, ob er wirklich zugesperrt hat.
Solche Gedanken, dieses Gefühl und dieses Verhalten kenne ich auch. Sie sind auch nicht grundlos, denn vor einigen Jahren wurde versucht, in meinem Wohnbereich einzubrechen. Es ist wirklich kein schönes Gefühl, wenn man mit dieser Angst lebt oder leben muss, weil man einschlägige Erfahrungen gemacht hat.
Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten. Da war sie auch, diese Angst, die Menschen umtreibt und die das Leben der Menschen verändert, von Grund auf verändert. Es ist also nicht nur ein Phänomen unserer Tage, sondern irgendwie eine Art Grundangst der Menschen.
Gott sei Dank haben die Jünger nicht gefragt, wie dieser Jesus durch die verschlossenen Türen gekommen ist, das hätte ihnen wohl noch mehr Angst gemacht. Es ist wirklich ein Glücksfall, dass die Jünger noch eine andere Erfahrung machen durften, die ihr Leben noch mehr verändert und die sie sogar wieder ins Leben zurückgeführt hat, nämlich dass ihnen dieser Jesus nichts nehmen will, sondern etwas geben will und geben kann: Friede sei mit Euch!
Mit diesem Wunsch und durch diese Erfahrung wurde aus einer geschlossenen Gesellschaft eine offene Gesellschaft, die sich über die ganze Welt verbreiten konnte und die auch der Grund dafür ist, warum wir heute Morgen das Haus verlassen und hierhergekommen sind.
Der Schreiber des ersten Johannesbriefes hat das so formuliert: Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube. Wer sonst besiegt die Welt außer dem, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Glaube bewirkt etwas, Glaube besiegt etwas. Damit ist nicht die Ablehnung oder Abwertung dieser Welt gemeint, sondern dass die Möglichkeit besteht, diese Welt zum Guten zu verändern. Dafür ist Jesus ja in diese Welt gekommen. Gottferne, Hass, Gewalt, Missachtung der Anderen, vertrackte Abhängigkeiten, oder ein ständiges Um-sich-selbst-Kreisen kann überwunden werden. Wo das gelingt, da gibt es ein ganz neues Lebensgefühl, eine neue Lebenseinstellung. Diesen Auftrag für die Welt und vor allem den Anfang dazu, die Überwindung der Angst, sollten wir nicht, ja nie vergessen.
Während ich mir in den letzten Tagen neben der Äbteversammlung am Bodensee diese Gedanken gemacht habe, ist in Wangen im Allgäu, also gar nicht weit entfernt vom Tagungsort, etwas geschehen, was Menschen in Angst und Schrecken versetzt hat, nämlich ein unvermittelter Messerangriff auf ein Mädchen in einem Supermarkt. Ich glaube, es stand auch hier in der Zeitung. Am Freitagnachmittag habe ich bei der Rückfahrt Station in Wangen gemacht, weil es mein Geburtsort ist. Man merkte es, dass dort etwas geschehen war, es war zu spüren, wie das die Menschen beschäftigt hat. Es war Gesprächsthema Nr. 1.
Was immer auch die Ziele und die Motivationen solcher Taten sind, sie hinterlassen bei den Menschen Angst, immer Angst.
Angst und Ängste gibt es viele in unserer Welt, es gibt sie auch in die Gemeinschaft der Kirche hinein. Es gibt hier immer auch Angst vor Neuerungen, die zum Verschließen verleitet.
Ängste kann man Menschen aber nicht ausreden, auch bei Bischöfen nicht. Ich hoffe, dass die Bischöfe nicht nur deshalb wahre Nachfolger der Apostel sind, weil sie Angst haben, sondern dass sie auch eine Erfahrung machen dürfen, die diese ersten Apostel zweimal machen konnten, wie wir es heute im Evangelium gehört haben, nämlich dass es einen gab und einen gibt, der alle diese Ängste schon überwunden hat, nämlich Jesus Christus.
Das ist nicht so nebenbei gegangen und es hat ihn auch etwas gekostet, nämlich Überwindung. Deshalb zeigt er den Jüngern und auch dem Thomas nochmal seine Wunden. Und deshalb tragen unsere Osterkerzen auch immer die Zeichen dieser Wunden, damit wir es nicht vergessen.
Zum heutigen Evangelium habe ich einen Text gefunden, der mit „Entschließ dich“ überschrieben ist. Er spielt mit der Doppeldeutigkeit von „Entschließen“ und dem „Verschließen“:
Entschließ dich!
Verschlossene Türen hindern Jesus nicht.
Er kommt in die Mitte der Ängstlichen.
Verschlossene Herzen aber halten ihn auf.
Bei Entschlossenen jedoch tritt er ein – mit österlichem Frieden –
seiner Gabe für alle, die nicht sehen und doch glauben.
Entschließ dich! In diesem Sinne wünsche ich uns allen einen angstfreien Sonntag. In Wangen im Allgäu und an anderen Orten wird das aufgrund einschlägiger Erfahrungen nicht so leicht sein. Manche Menschen werden es sich zweimal überlegen, wohin sie gehen und wohin nicht.
Entschließ dich! Das wünsche ich den Kindern heute in Scheyern und an den nächsten Sonntagen in Niederscheyern und Gerolsbach, die in diesem Jahr zum ersten Mal zum Tisch des Herrn treten. Ich wünsche es den Kindern und ihren Familien, dass sie dabei auch die Erfahrung machen, dass das nicht eine einmalige Sache ist, sondern eine lebenslange Einladung.
Entschließ dich! Das wünsche ich allen Menschen, die sich mit „Kommunion“ schwertun. Die nicht wissen, was sie davon halten sollen oder die sich nicht trauen. Bei Entschlossenen tritt er ein mit österlichem Frieden, seiner Gabe für alle, die nicht sehen und doch glauben.
Unmittelbar vor der Kommunion beten wir nicht grundlos: „Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund“.
Ja, Jesus sprach und spricht immer noch Worte, die heilen und gesund machen: Fürchtet euch nicht! Friede sei mit Euch!
Das greift ein Lied auf, das ich immer mal wieder gerne singe, Sie vielleicht auch:
Meine Hoffnung und meine Freude,
meine Stärke mein Licht.
Christus meine Zuversicht,
auf Dich vertrau ich und fürcht‘ mich nicht,
auf Dich vertrau ich und fürcht‘ mich nicht.
Lesung: 1Kor15,1-8,11
Evangelium: Lk 24,13-35
Liebe Schwestern und Brüder!
Am ersten Tag der Woche waren zwei von den Jüngern Jesu auf dem Weg in ein Dorf namens Emmaus…
Ich hoffe, dass es Ihnen ähnlich geht wie mir, dass sie den Text jetzt fast auswendig weitersprechen könnten. Und ich hoffe, dass ihnen dieser Text nicht irgendwie über ist, sondern dass es tatsächlich ein Text ist, den Sie verinnerlicht haben, dass Sie diesen Text, diesen Weg mitgehen könnten als ihren eigenen Weg, wir, jeder Einzelne hier ist derjenige, der diesen Weg von Jerusalem geht nach Emmaus und noch in der Nacht hoffentlich wieder zurück. Wir, jeder Einzelne ist hier derjenige, der da im Gespräch ist mit dem Fremden, mit Jesus, und der dann mit am Tisch sitzt, wenn Jesus den Segen über das Brot spricht und es austeilt.
Und wenn dieser Text uns so vertraut ist, dann verträgt er es auch, dass wir ihn einmal verfremden und entstellen. Es hätte ja nämlich auch ganz anders sein können, und, davon bin ich überzeugt, die Emmausgeschichte läuft viel öfter so ab, damals und heute, wie ich sie jetzt erzähle: Da sind die beiden Jünger auf dem Weg, sie sind müde und erschöpft, denn sie kommen von einem großen Fest, das in Jerusalem gefeiert wurde, Pessach. Ein Menschenauflauf und eine Stimmung ist da jedes Mal, toll. Ja, na klar, sie waren schon auch im Tempel, haben da gebetet und etwas geopfert, aber dann sind sie an den verschiedenen Ständen und Buden hängengeblieben, es gab reichlich zu essen und zu trinken, es wurde getanzt und gefeiert, sie haben viele Bekannte getroffen, kurz gesagt, sie hatten Spaß und es war toll. Und das braucht man auch, einmal im Jahr alle anderen Gedanken beiseite zu lassen und nur feiern. Natürlich, sie hatten schon gemerkt, dass da alles ein bisschen teurer wird, die Besatzung durch die Römer macht sich jedes Jahr mehr bemerkbar.
Sie hatten auch im Vorfeld etwas Unschönes erlebt, jemand, auf den sie große Stücke gehalten hatten, den hatte man umgebracht. Aber, es war ja schließlich zu erwarten gewesen, er hätte auch nicht nach Jerusalem gehen müssen, ja und sicher hatten sie sich auch zuviel versprochen, denn irgendwie war er doch ganz hilflos, als er dann zum Tode verurteilt wurde, und kaum ein Wort über seine Lippen brachte. Okay, das war eine Enttäuschung, aber sonst war es nicht schlecht in Jerusalem. Jetzt gehen sie nach Hause, klar, da waren sie lange nicht, und man wird sie ausfragen, vielleicht auslachen, dass sie diesem Spinner nachgelaufen sind. Aber was solls, das Leben geht weiter, muss weiter gehen. Erstmal werden sie sowieso zwei Tage brauchen, um sich gut auszuschlafen. So war das mit den Emmausjüngern.
Und dann kam der Fremde und gesellte sich zu ihnen. Abweisend waren sie nicht, aber viel Lust auf Gespräche hatten sie auch nicht, also erzählten sie notgedrungen etwas vom Fest, von der Taverne gleich beim Goldenen Tor, wo sie Stunden mit ihren Kumpels zugebracht hatten, und die sehr zu empfehlen war oder auch die Straßenverkäufer mit den leckersten Fladenbroten und Ziegenspießen usw. „Und sonst, war da sonst noch was?“, wollte der Fremde wissen. „Ja, nee, ist schon alles in Ordnung“, sagte Kleopas, einer der beiden. Er hatte keine große Lust, jetzt auch noch dem Fremden irgendwas von dieser Geschichte mit Jesus zu erzählen. Man soll auch nicht immer die gute Stimmung kaputtmachen. Und so kommen sie schließlich in Emmaus an. Sie sind gastfreundlich, und dass der Fremde jetzt in der Dunkelheit nicht mehr allein weitergehen kann, das ist für sie selbstverständlich. Also bieten sie ihm ein Nachtquartier an. Wenn er möchte, könne er sich auch noch etwas zu essen nehmen, sie zeigen ihm den Brotschrank, sie selbst aber würden jetzt nichts mehr essen, sie sind viel zu müde, und überhaupt, war das Essen in den letzten Tagen zu reichlich. So verabschieden sie sich, und als sie am nächsten Tag mittags aufstehen, ist der Fremde natürlich längst fort, und ja, eigentlich auch schon wieder vergessen.
Ich gebe zu, dies ist eine traurige und eher resignative Emmausgeschichte, und hoffentlich ist vieles daran doch etwas übertrieben. Aber was ist das Charakteristische dieser Erzählung im Vergleich zur biblischen Geschichte? Das Besondere ist: es gibt keine wirkliche Begegnung. Es kommt nicht zu diesem großartigen Höhepunkt am Ende, es kann nicht dazu kommen, weil man sich gar nicht erst zu einer Mahlzeit zusammensetzt. Und es kann diesen Höhepunkt auch deswegen nicht geben, weil er sich nicht vorbereiten kann. Es gibt kein wirkliches Gespräch unterwegs, man will dem anderen nicht wirklich Anteil geben daran, was man selbst erlebt hat, schon deshalb, weil man es gar nicht wirklich erlebt, erfahren hat, es war halt mehr eine Episode, dieser Jesus, man ist ihm halt nachgelaufen, eine jugendliche Dummheit, was macht man nicht alles, wenn man jung ist. Aber dass man da wirklich etwas geglaubt, etwas erwartet hätte, dass man sein Leben auf ihn ausgerichtet hätte, nein, das ja nun wirklich nicht.
Und darum steckt man sein Scheitern und seinen Tod auch ganz gut weg. Ja mei, passiert halt. Und es wäre ja wirklich blöd, wenn man nun schon grad in Jerusalem ist, dass man nicht das mitnimmt, was man kriegen kann, ein bisschen Spaß muss doch wohl mal möglich sein, das Leben ist schließlich hart genug. Und dass man dann müde ist nach solchen Tagen, dass man keinen Bock hat mit irgendjemand Fremden groß zu sprechen, sich vielleicht noch seine Geschichten anzuhören, das ist doch schließlich auch verständlich, man war ja wirklich nicht unfreundlich, sogar ein Bett für die Nacht hat man ihm angeboten.
Wirkliche Begegnung hat nicht stattgefunden, genau das scheint mir heute das Problem zu sein. Wir Menschen sind angefüllt mit allen möglichen Informationen, sie überfluten uns geradezu, wir haben eine umfangreiche Kenntnis gerade in technischen Fragen. Wir kommen gar nicht mehr zu einer wirklichen Begegnung, wir kommen nicht mehr zu einer Tiefe, das ständige „Standby“ fordert uns heraus und frisst unsere Energien, für wirkliche Begegnung reicht es gar nicht. Und das heißt in der Konsequenz: Das Leben läuft ab, es verliert an Tiefe, es wird oberflächlich. Das hat alles
nicht viel mit Schuld und schlechtem Willen zu tun, und doch: Gott kommt darin kaum noch vor, bei denen, die ihn ohnehin nicht brauchen, sowieso nicht, aber auch bei denen, die meinen, eigentlich ganz christlich zu leben, vielfach auch nicht. Und zu der Oberflächlichkeit passt, dass man durchaus ein paar Traditionen aufrechterhält, aber das war‘s dann auch, im wirklichen Leben kommt Gott nicht vor.
Liebe Schwestern und Brüder, als irgendwann der Wohlstand für alle erfunden wurde und die vielfachen Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, als der Computer und das Internet geboren wurden und die vielen neuen Möglichkeiten der Kommunikation, hat uns niemand einen Beipackzettel mitgegeben, wie das alles gut und heilsam zu gebrauchen ist. Wir müssen es mühsam lernen, aber wir müssen es lernen, sonst bleibt am Ende nur ein trauriges Ostern und eigentlich ein Leben, bei dem niemand recht froh und erfüllt wird.
Amen.
Ostern
Les: Apg 10,34a.37-43
Ev: Joh 20,1-18
Aufstehn ist schön
Liebe Schwestern und Brüder!
Heute möchte ich die Osterpredigt mit einem Witz beginnen, den ich vielleicht schon einmal erzählt habe. Selbst auf die Gefahr hin, dass ihn manche schon kennen, möchte ich ihn trotzdem erzählen, weil er – wie ich meine – zum heutigen Tag und zum heutigen Fest gut passt: „Der Maxl schläft im Religionsunterricht ein. Da stupst ihn die Lehrerin an und sagt: Was bist denn du für einer? Da wacht er auf, blinzelt die Lehrerin an und sagt: Ich, ich bin ein aufgewecktes Kerlchen!“
Ein aufgewecktes Kerlchen! Heute sind wir alle irgendwie Aufgeweckte, vielleicht auch Aufgeschreckte, denn die Umstellung der Winterzeit auf die Sommerzeit ausgerechnet in der Osternacht ist schon eine Herausforderung. Ich muss zugeben, es ist mir heute Nacht nicht besonders leichtgefallen aufzustehen, denn die Nacht war verdammt kurz. Der Wecker war auf 1.59 Uhr gestellt und plötzlich war es 3.00 Uhr. 2.00 Uhr gab es heute Nacht nicht.
Aber vielleicht kann uns dieser Witz vom aufgeweckten Kerlchen auf der einen Seite und die Erfahrung auf der anderen Seite, dass es manchmal auch schwer fällt, aufzustehen, das Geschehen von Ostern und seinen Sitz im Leben, in meinem ganz persönlichen Leben einmal etwas anders nahebringen, haben wir doch heute in der Lesung aus der Apostelgeschichte folgenden Satz gehört: „Gott hat Jesus von den Toten auferweckt.“
Auferstehung hat auch etwas mit aufwecken, mit aufwachen, aber auch mit aufstehen zu tun. Jesus in diesem Sinne ein aufgewecktes Kerlchen?
Ja, dieser Jesus war ein aufgewecktes Kerlchen, wie wir es in unserem Sprachgebrauch verstehen, nämlich, dass er für sein Alter klug und schnell verstehend war, kennen wir doch vielleicht alle irgendwie die Erzählung vom zwölfjährigen Jesus im Tempel, wie er seine Zeitgenossen in Erstaunen versetzt hat.
Aber auch wenn ich mir die Schrifttexte in Erinnerung rufe, die wir in unserer Klostergemeinschaft in den letzten Tagen aus den sog. Abschiedsreden und der Passion gelesen haben, dann kann man sagen, dass Jesus mehr durchschaut hat auf dieser Welt, als es manchen lieb war.
Und das war, nach allem was wir wissen, auch ein Grund dafür, dass man ihn als Kreuz geschlagen hat. Aus diesem aufgeweckten „Kerlchen“ war ein hellwacher Mensch mit einer großen Beobachtungsgabe geworden.
Und jetzt hat ihn Gott auch noch von den Toten auferweckt. Ihm macht so schnell keiner was vor, was das Sterben und den Tod angeht. Beten wir doch im Glaubensbekenntnis: „Hinabgestiegen in das Reich des Todes.“ Wer sterbende Menschen begleitet hat oder es auf andere Weise mitbekommen hat, weiß, dass das ein langer und mühsamer Weg für Menschen sein kann.
Jesus weiß, was gespielt wird auf der Welt und er weiß auch darum, was auf dem Spiel steht. Jesus ist aufgeweckt und er ist aufgestanden zum Leben, zu einem neuen Leben, zu einem Leben voller Leben. Er ist ein aufgeweckter Mensch!
Dass Leben nicht nur ein Dahinvegetieren oder das Absitzen einer bestimmten Zeit ist, sondern etwas voller Leben ist, das zu zeigen und zu vermitteln, dazu haben manche Menschen eine besondere Gabe. Wir nennen sie nicht umsonst Künstler. Am 10. Februar dieses Jahres ist mit Johanna von Koczian eine Sängerin und eine Schauspielerin gestorben, die das auch konnte. Sie hat ein Lied gesungen, das viele wahrscheinlich gar nicht kennen oder nicht mehr kennen und das in manchen Ohren vielleicht seltsam klingen mag: Sie singt nämlich: „Aufstehn ist schön!“ Und als ob sie um mögliche Widerstände und Einwände schon wüsste, folgt darauf immer der Vers „Wer sagt das?“
„Aufstehn ist schön! Wer sagt das?“ Ich glaube, das sagen vor allem die, die es gerne tun würden, aber nicht können oder nicht mehr können, nämlich aufstehen, nur aufstehen. Ich möchte an dieser Stelle an Theo Seidl erinnern, der nach einer schweren Erkrankung an den Rollstuhl gefesselt ist. Ich glaube, er würde alles dafür geben und alles tun, wenn er es wieder könnte: Aufstehen, einfach nur aufstehen! Mit ihm wissen wir uns an diesem Fest und in dieser Stunde besonders im Gebet verbunden. Sie, im Basilikachor, weil er an solchen Tagen so oft mit Ihnen gesungen hat und hier im Altarraum, wo er selber so oft Gottesdienste gefeiert oder mitgefeiert hat.
„Aufstehn ist schön“, das würde – so glaube ich – Theo Seidl sagen und mit ihm viele andere Menschen, weil sie um diese Kostbarkeit wissen, die zum Erleben von Leben gehört. Ein Leben in dem wir so Vieles gerne als selbstverständlich ansehen, was es aber in Wirklichkeit nicht ist.
Gegen diese Meinung von vermeintlichen Selbstverständlichkeiten singt Johanna von Koczian in ihren Liedern an. Da gibt es das Lied „Das bisschen Haushalt“, das den „Hausfrauen“ aus der Seele singt, aber auch „Bis zum letzten Pfennig ist alles bezahlt“. In diesem Lied schreibt ein Bub an seiner Mutter eine Rechnung, für das, was er gemacht hat und machen musste. Als aber die Mutter die Gegenrechnung für ihre Fürsorge aufmacht, nimmt er das alles zurück: Es ist alles bezahlt!
Und in dem Lied „Aufstehen ist schön“ heißt es:
Sitzt dann ein jeder am Frühstückstisch bei mir,
mit kleinen Augen wie ein Murmeltier.
Wart‘ ich darauf, dass irgendwer was Liebes sagt
Und hör als erstes Wort: Die Eier sind zu hart.
Und aus dem Radio klingt froh zu uns herein,
obwohl es regnet: Guten Morgen Sonnenschein.
Aufgeweckt werden und aufstehen zu einem Leben voller Leben, das feiern wir an Ostern und das hat die Welt bitter nötig. Ein Gebet zählt die verschiedenen Seiten des Aufstehens zu diesem neuen Leben folgendermaßen auf.
Herr lass mich aufstehen aus meinen Ängsten, damit ich leben kann.
Lass mich auferstehen aus meiner Schuld, damit ich Vergebung erfahre.
Lass mich auferstehen aus meiner Schwerfälligkeit, damit ich staunen und danken kann.
Lass mich auferstehen aus meiner Sattheit, damit ich meine Seele spüre.
Lass mich auferstehen aus meiner Blindheit, damit ich die Not der Menschen sehe.
Lass mich auferstehen aus dem Dunkel, damit Licht mein Leben durchstrahlt.
Lass mich auferstehen aus meiner Starrheit, damit ich weit und offen werde für andere.
Lass mich auferstehen aus meiner Ruhelosigkeit, damit ich Frieden finde.
Aufstehn ist schön. Wer sagt das?
Liebe Schwestern und Brüder, vielleicht werden Sie in diesen Tagen gefragt, was sie für einer oder für eine sind. Oder Sie fragen sich das manchmal selber. Was bin ich für einer? Was bin ich für eine? Aufgeweckte Kerlchen?
Liebe Schwestern und Brüder, wir sind österliche Menschen, die gerne aufstehen, auch wenn es manchmal schwerfällt, weil wir für das Leben aufstehen, denn wir glauben an den auferstandenen und aufgestandenen Jesus Christus, der ein aufgewecktes Kerlchen war und der uns auch gezeigt hat, was ein aufgeweckter und ein aufrechter Mensch ist und für diese Welt bedeutet.
Aufstehn ist schön, Halleluja!
Karfreitag
Für uns
Seht das Zeichen, seht das Kreuz, es bedeutet Leben! Jesus starb für uns am Kreuz, wollt uns Leben geben. Danke Jesus, für dein Kreuz, danke für dein Leben.
So haben wir heute Vormittag beim Kreuzweg der Kinder nach jeder Station immer wieder miteinander gesungen.
Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt, so wird es jetzt dann heißen, wenn wir das Kreuz, das Scheyrer Kreuz in unsere Basilika hereintragen.
Es sind uns wahrscheinlich geläufige Sätze, aber es sind Sätze, die Fragen aufwerfen, nicht immer, aber immer wieder. Es ist die Frage nach dem Warum? Nicht immer, aber immer wieder: Warum?
Seht das Zeichen, seht das Kreuz, es bedeutet Leben! Jesus starb für uns am Kreuz, wollt uns Leben geben. Danke Jesus, für dein Kreuz, danke für dein Leben. In der Fassung und den Formulierungen aus dem Kinderkreuzweg stecken Antwortversuche auf das „Warum?“. Antwortversuche, die nicht immer einleuchten oder zufriedenstellen. Die Antwort lautet schlicht und einfach “für“, immer wieder „für“, „Für uns“, „Für dich“. Jesus starb für uns am Kreuz, gab für uns sein Leben.
Warum ausgerechnet für uns? „Ich brauche das nicht, ich will das nicht“, so denken Menschen oder sagen es ganz offen: „Ich will das nicht, ich brauche das nicht für mein Leben.“
Jesus wusste um solche Fragen und auch um die Widerstände der Menschen. Deshalb verwendet er in seinen Erzählungen ein Bild, einen Vergleich, mit dem er veranschaulichen will, dass Leben und damit auch unser Leben auf dieses „Für“ angewiesen ist. Es ist das Bild vom Weizenkorn: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bliebt es allein, wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht.
Nur weil das so ist, können wir leben. Das „für andere“ ist eine Grundlage für das Leben. „Für andere“, das hat und kennt viele Namen und viele Gesichter, auch das von Jesus. Wer leben will wie Gott auf dieser Erde, muss sterben wie ein Weizenkorn, muss sterben, um zu leben.
Jesus wollte und ist für uns gestorben, damit wir für ihn und für einander leben. „Für!“, “Für uns!“, „Für dich und mich!“
Seht das Zeichen, seht das Kreuz, es bedeutet Leben! Jesus starb für uns am Kreuz, wollt uns Leben geben. Danke Jesus, für dein Kreuz, danke für dein Leben.
Für Dich und mich!
Gründonnerstag
Les:1Kor 11,23-26
Ev: Joh 13,1-15
Wein, reiner Wein
Liebe Schwestern und Brüder!
Wein, reiner Wein! Das ist nicht nur ein gut klingendes und wirklich auszeichnendes Prädikat für einen besonderen Saft, nämlich den Wein, sondern das ist in unserer Zeit auch ein sehr wichtiger Hinweis, da wir großen Wert darauflegen zu erfahren, was in unseren Lebensmitteln enthalten ist und was nicht.
Wein, reiner Wein! Diesen Anspruch auf der einen Seite und die Verpflichtung von Winzern auf der anderen Seite gibt es schon viel länger als die Kennzeichnungspflicht bei Lebensmitteln, wenn es darum geht, einen sog. Messwein herzustellen, um den manchmal so viele Mythen und auch Witze kreisen.
Wein, reiner Wein! Das ist das Prädikat für den Wein, den Christen für die Feier der Eucharistie und des Abendmahls verwenden und verwenden dürfen. Wein, egal ob er süß oder herb, fruchtig oder trocken schmeckt, es ist Wein, reiner Wein, ohne jeglichen Zusatz.
Wein, reiner Wein, der eingeschenkt wird, ist in unserem Sprachgebrauch aber nicht nur die Bezeichnung für ein Getränk, das durchaus auch etwas Besonderes darstellt und einen Anlass auch zu etwas Besonderem machen kann, sondern der reine Wein ist auch eine Umschreibung dafür, dass jemandem die Wahrheit gesagt wird, ohne Umschweife und Ausflüchte, selbst wenn es sich um eine unangenehme Wahrheit handeln mag.
Es war vor dem Paschafest, so haben wir es gerade am Anfang des Evangeliums gehört. Das ist der Hinweis darauf, dass Jesus als gläubiger Jude mit seinen Freunden die Erinnerung an die Errettung seines Volkes durch den Auszug aus Ägypten in Ehren und wach gehalten hat. Dabei teilt Jesus gemäß der Sitte mit seinen Freunden nicht nur Brot und Wein, sondern er schenkt ihnen noch einen anderen Wein, nämlich einen sehr reinen Wein ein: Er wäscht ihnen die Füße und versucht, ihnen mit diesem Zeichen klar zu machen, dass es für die Rettung der Menschen und der Welt in Zukunft darauf ankommen wird, ob Menschen bereit sind, zu teilen und einander zu dienen:
Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe Euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.
Wein, reiner Wein war es, den Jesus seinen Jüngern damit eingeschenkt hat. An der Reaktion von Petrus merken wir, dass ihm dieser reine Wein, dieses Zeichen von Jesus gar nicht schmeckt, sondern dass er für ihn einen herben, vielleicht sogar einen bitteren Nachgeschmack hatte.
Wein, reiner Wein! Wenn man diese Worte ins Internet eingibt, dann bekommt man zuerst mal eine Fülle von Kaufangeboten für verschiedene Weinsorten aller Geschmacksrichtungen. Irgendwann aber taucht auch der Hinweis auf, dass mit dem reinen Wein nicht nur ein Getränk gemeint sein kann, das Menschen gerne zu sich nehmen, sondern dass im Wein nicht nur sprichwörtlich die Wahrheit liegen kann, die auch vermittelt werden muss und ankommen soll.
So las ich plötzlich folgenden Satz: Der Wein und die Wahrheit sind sich insofern ähnlich, als dass man mit beiden anstößt.
Wein, reiner Wein, den teilen wir heute miteinander. Dazu lade ich ganz herzlich ein, dass wir das nach vier Jahren „Corona-Pause“ wieder wirklich tun. Der kleine Schluck oder auch das Eintauchen in den Kelch soll für uns Sinnbild dafür sein, dass immer da, wo Menschen miteinander teilen und einander dienen, ein Beitrag für die Rettung der Menschen und der Welt geleistet wird. Diese Rettung hat und kennt ganz verschiedene Elemente.
Vielleicht ist es eine Voraussetzung dafür, anzuerkennen, dass wir als Menschen auf dieser Welt alle in einem Boot sitzen und dass wir Probleme nur gemeinsam lösen können
Wein, reiner Wein. Jesus kommt es nicht so sehr darauf an – was für uns heute so wichtig ist – ob es irgendwelche Zusätze gibt, sondern für ihn kommt es mehr darauf an, dass nichts davon weggelassen wird, was ihm so wichtig war, und vor allem, dass keine Gelegenheit ausgelassen wird es zu tun: Teilen und dienen! Das ist der Wein, der reine Wein, den uns Jesus nicht nur einschenkt, sondern es ist die Wahrheit, die uns Jesus als Vermächtnis anvertraut hat.
Der Wein und die Wahrheit sind sich nur insofern ähnlich, als dass man mit beiden anstößt.
Also Prosit! Zum Wohl, zum Heil für die Menschen und diese Welt! Teilen und dienen. Das ist der Wein, der reine Wein, den Jesus uns schenkt, den er uns aber auch immer wieder einschenkt.
L: Jer 31,31-34
Ev: Joh 12,20-33
Der heilige Korbinian als Bischof
Liebe Schwestern und Brüder!
Zum vierten, aber auch zum letzten Mal ist heute unser Bistumspatron, der hl. Korbinian, Aufhänger bzw. Thema in der Predigt. Der Grund dafür ist das Jubiläum 1300 Jahre Ankunft des hl. Korbinian in Freising.
Ich muss zugeben, dass ich, als wir diese Predigtreihe ausgemacht haben, einen recht kecken Spruch in Gedanken und auf den Lippen hatte, nämlich: „Ein Heiliger ist ein toter Sünder – bearbeitet und neu herausgegeben.“ Irgendwo habe ich diesen Satz mal gelesen und er ist bei mir hängen geblieben.
„Ein Heiliger ist ein toter Sünder – bearbeitet und neu herausgegeben.“ Diesen Satz kann man recht despektierlich und abwertend verstehen und gebrauchen, so als ob die Lebensgeschichte eines Heiligen so lange umgeschrieben wird, bis am Ende das heraus-kommt, was man gerne haben will.
Man kann ihn aber auch so verstehen, dass Heilige, egal wie sie heißen und wer sie sind, keine perfekten Menschen waren, auch wenn natürlich immer die Gefahr und die Neigung besteht, sie im Nachhinein gerne so erscheinen zu lassen.
Heilige aber sind und waren keine perfekten Menschen und wollten es auch nie sein. Sie wurden nicht als Heilige geboren, sondern sie wurden es im Laufe ihres Lebens, weil sie ihren Lebensweg im Vertrauen auf Gott gegangen sind, durch Höhen und Tiefen, mit mehr oder auch mit weniger Erfolg, Aber solche Lebensentwürfe sind nicht unbemerkt geblieben, sie haben andere Menschen auch beeindruckt. Vielleicht kann man es auch so sagen: Auch bei Heiligen ist es Herausforderung und Größe zugleich, Fehler einzugestehen und daraus zu lernen. Vielleicht hatten sie manchmal auch nur Glück in ihren Entscheidungen.
Was waren das für Menschen, was sind das für Menschen, die so einen Posten der Leitung und der Verantwortung, wie etwa ein Bischof, innehaben? Das interessiert Menschen bis heute. In den letzten Wochen gab es in unserem Land zwei neue Erzbischöfe, nämlich in Bamberg und in Paderborn. Der neue Erzbischof von Bamberg ist der bisherige Weihbischof von Bamberg.
Der neue Erzbischof von Paderborn dagegen kam aber von woanders her. Er war zuletzt Weihbischof in Mainz. Da hat es die Menschen interessiert, was das für einer ist, der da jetzt kommt. Die Medien haben diese Frage aufgegriffen und die Menschen über seine Lebensdaten, seine theologische Ausbildung und Ausrichtung und über seine bisherige Tätigkeit informiert, aber auch darüber, was er für Hobbys hat, z. B. kocht er gerne. So wurde ein sympathisches Bild von dem „Neuen“ gezeichnet, also irgendwie bearbeitet und neu herausgegeben, weil es plötzlich von Interesse war.
Was war Korbinian für einer, der vor 1300 Jahren nach Freising kam und dort Bischof wurde? Nach 1300 Jahren gibt es nicht mehr so viele Details, wie das heute der Fall ist, und es gab auch andere Schwerpunkte, nach denen gefragt wurde und die interessierten. Wir haben darüber in den Predigten an den vergangenen Sonntagen gehört:
Korbinian war Mönch, also einer, der für sich in der Einsamkeit und Abgeschiedenheit leben wollte. Ein Lebensentwurf, der damals wie heute für viele irgendwie exotisch, manchmal auch befremdlich ist. Aber auch im Leben eines Heiligen kommt es manchmal anders als man denkt.
Korbinian wurde zum Pilger. Er war ein Mensch, der Ziele hatte, die er sich steckte und zu denen er sich aufgemacht hat. Pilgern ist heute wieder modern geworden, auch wenn es dafür vielleicht auch andere Motivationen gibt als damals.
Für Korbinian war Glaube keine Privatsache, die niemanden etwas angeht, sondern er hat Menschen daran teilhaben lassen, vielleicht so, wie es der hl. Benedikt in seiner Regel schreibt: Er mache alles Gute und Heilige mehr durch sein Leben als durch sein Reden sichtbar. (RB 2, 12)
Der hl. Korbinian kam also nicht als Bischof auf die Welt, sondern es gab verschiedene Lebensphasen und Lebensstationen, die prägend für ihn waren und die ihn zu dem werden ließen, der er schließlich war, als der Bischof von Freising.
Wie wird man überhaupt Bischof? Auch wenn es verschiedene Arten der Mitwirkung gibt, etwa in einem Vorschlagsrecht oder die Wahl durch ein Domkapitel, der Papst hat bei der Entscheidung immer das letzte Wort: Er ernennt! Papst Konstantin I. hat Korbinian gebeten, das Eremitenleben aufzugeben und sich der Missionsarbeit zu widmen. Dazu weihte er ihn zum Bischof und sandte ihn ins Frankenreich. Auf Bitten des bayerischen Herzogs Grimoald ließ sich Korbinian in Freising nieder und wurde so der erste in der Reihe der Freisinger Bischöfe.
Bei der Weihe eines Bischofs oder bei der Amtseinführung eines Bischofs, wenn er schon vorher zum Bischof geweiht worden war, gibt es den Ritus, dass der Bischof auf seinem Stuhl, der sog. Kathedra, Platz nimmt. Ab diesem Moment ist er dann Bischof dieser Diözese. Platz nehmen, seinen Platz einnehmen, das ist auch Ausdruck dafür, dass man für etwas zuständig ist und auch Verantwortung dafür übernimmt. Es ist eine Art Bund, der damit eingegangen und geschlossen wird.
In der Lesung aus dem Buch Jeremia haben wir heute gehört, dass Gott seine Zuständigkeit, seine Verantwortung mit einem Bund zum Ausdruck bringt: So wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe – Spruch des Herrn: Ich habe meine Weisung in ihre Mitte gegeben und werde sie auf ihr Herz schreiben. Ich werde ihnen Gott sein und sie werden mir Volk sein. Ein Bund ist also mehr als nur eine rechtliche Vereinbarung, ein Bund ist eine Herzensangelegenheit.
Von Korbinian heißt es, dass er sich in seine Aufgabe richtig hineingehängt hat, er entfaltete eine eifrige und segensreiche seelsorgliche Tätigkeit. In seinem Eifer ist er aber auch auf Widerstand gestoßen. Vielleicht hatte er das Wort aus dem Abtskapitel der Benediktusregel im Kopf: „Auf keinen Fall darf er darüber hinwegsehen, wenn sich jemand verfehlt, vielmehr schneide er die Sünden schon beim Entstehen mit der Wurzel aus, so gut er kann“, als er den Herzog Grimoald kritisierte, der eine unrechtmäßige Verbindung mit seiner Blutsverwandten Plektrudis hatte. Da hat er sich nicht beliebt gemacht, denn er musste aus Freising fliehen.
Nach dem Tod Grimoalds holte ihn dessen Nachfolger Hugibert wieder nach Freising zurück, wo ihn die Menschen begeistert empfangen haben und sich darüber freuten, dass Korbinian seinen Platz bei ihnen wieder eingenommen hat. Die Rückkehr war aber nur von kurzer Dauer, weil Korbinian bald darauf starb und seinem Wunsche gemäß in Südtirol bestattet wurde, wohin er wenige Jahre vorher geflohen war. Der spätere Freisinger Bischof Arbeo holte die sterblichen Überreste Korbinians wieder nach Freising zurück, wo sie nun in der Krypta des Freisinger Doms ruhen.
Ob sich das dieser Mensch Korbinian einmal so vorgestellt hatte, als er sich als Mönch in die Einsamkeit zurückgezogen hatte, um Gott zu suchen, wie das der hl. Benedikt in seiner Regel den Mönchen ans Herz legt? Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Die „christliche“ Version dieses Spruches lautet so: Der Mensch denkt und Gott lenkt.
Dahinter stehen der Glaube und die Hoffnung, dass es einen Gott gibt, der sozusagen auf seine Weise ein Leben bearbeiten und neu herausgeben kann. Jesus verwendet dafür heute im Evangelium das Bild vom Weizenkorn: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Bearbeiten und neu herausgeben.
Leben, ein anderes Leben, ein ganz anderes Leben, als man es sich vorstellen könnte. Viel-leicht hat sich in dem Auf und Ab, in seinen verschiedenen Lebensstationen und den damit verbundenen Lebensentwürfen des Korbinian, von dem wir immer wieder gehört haben, das erfüllt, was heute im Evangelium Jesus denen geantwortet hat, die ihn sehen wollten, viel-leicht nur mal kurz sehen wollten: Wer sein Leben liebt, verliert es, wer aber sein Leben in dieser Welt geringachtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben. Wenn einer mir dienen will, folge er mit nach; und wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein. Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren.
Ein Heiliger ist ein toter Sünder – bearbeitet und neu herausgegeben. Heilige sind Menschen, die nicht stehen bleiben, wie und wo auch immer. Korbinian, war zuerst ein Missionsbischof, ein sog. Wanderbischof. Erst dann blieb er in Freising hängen, als der Bischof von Freising.
So möchte ich schließen mit einem Gebet, das das Leben des hl. Korbinian vielleicht mit etwas anderen Worten irgendwie zusammenfassen könnte und zugleich aufzeigt, wie Gott bis heute Leben bearbeiten und neu herausgeben kann und auch möchte:
Gott, lass uns Gehende bleiben.
Wir sind nicht zu Hause auf dieser Welt.
Wenn wir pilgern, sind wir nicht nur wir.
DU gehst mit.
DU bist dabei.
Wir sind unterwegs mit DIR, Gott,
durch Dunkel und Nässe,
durch Nebel und oft ohne Weg
und nicht selten ohne Ziel.
Wir sind Wanderer.
Wir sind Gehende.
Wir sind noch nicht angekommen.
So wandere DU, Gott, mit uns.
Und lehre uns das Gehen und das Suchen.
Komm uns entgegen, heute und morgen, und an jedem neuen Tag.
Ein Heiliger ist ein toter Sünder – bearbeitet und neu herausgegeben!
Zum 4. Fastensonntag 2024 – mit Bezug zum Tagesevangelium Joh 3,14-21
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, liebe Mitbrüder, liebe Pfarrangehörigen!
Religion, Glaube ist nicht nur einfach Privatsache! Entgegen gerade einer solchen heute verbreiteten Vorstellung, Religion sei eine Privatangelegenheit, spricht sich das heutige Evangelium ganz deutlich für eine große Öffentlichkeit aus: „Wie Mose in der Wüste die Schlage erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm das ewige Leben hat.“(Joh 3,14)
Wenn es also nach dem Evangelisten Johannes geht, dann kann es also gar nicht genug „Öffentlichkeit“ geben, dann braucht die Botschaft Jesu, das Geheimnis von Tod und Auferstehung, in jeder heiligen Messe gefeiert besonders Ostern im Blick, nicht Stille und Verborgenheit, nicht hohe Mauern und hübsch arrangierte Kircheneinrichtungen, sondern eine machtvolle und vernehmbare Verkündigung.
Dafür steht bis heute in unseren Landen der heilige Korbinian, dessen Ankunft vor 1300 Jahren in unserer Heimat gefeiert und im Zyklus der diesjährigen Fastenpredigtreihe, heute unter der Überschrift: Der hl. Korbinian als Missionar, bedacht werden darf.
Bei Verkündigung denken wir schnell an kluge und wirkmächtige Worte. Doch schon Paulus betont in seinem Brief an seine Gemeinde in Korinth:
„Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden, aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird.“ (1 Kor 1,17)
Klugheit und eine rechte Gewandtheit in der Rede scheinen demnach ja gerade zu schaden! – Ob das die Verantwortlichen in der Priesterausbildung und für die in der Seelsorge eingesetzten Frauen und Männer wohl auch so sehen? – Für Korbinian gilt aber in jedem Fall ein guter Teil davon. Nicht, dass es ihm an Klugheit gemangelt hätte, das ist schwer zu behaupten, aber eines ist klar: gewandte Worte waren zumindest in den ersten Jahren seines Wirkens nicht seine Stärke, war er doch ein Ausländer und der Sprache oder zumindest des bei uns gebräuchlichen Dialektes nicht wirklich mächtig. Auch das gilt es also zu Bedenken, wenn wir seine Ankunft in Freising vor 1300 Jahren feiern. Mit ihm kam ein Fremder, stammte er doch aus der Nähe der heutigen Stadt Evry in der sogenannten Ile-de-france, also dem heutigen Gebiet um Paris.
Wenn Korbinian dennoch als großer Missionar gilt, dann muss er eine andere Sprache gesprochen haben, die sich nicht auf Worte beschränken lässt, um die Herzen der Menschen zu bewegen.
Seine Sprache, war wie bei vielen anderen großen Heiligen, sein Leben. Die Menschen haben es wohl schlichtweg gespürt, dass hier jemand war, der es gut mit ihnen meinte. Die Menschen haben es an seinem Leben ablesen können, was Christus uns allen letztlich als Christen und Christinnen aufgetragen hat und wie es die kürzeste Definition unsers Glaubens auf den Punkt bringt: Christ sein ist – tun und handeln, wie Christus!
Auf das Beispiel, auf das Leben kommt es also an – ernüchternde Erkenntnis, nicht nur für unsere oft als verbürgerlicht angesehene Kirche und ihre Vertreter, sondern Herausforderung für uns alle!
Dabei wusste auch Korbinian um seine persönlichen Grenzen. Wie kann ein gutes Miteinander beispielhaft sichtbar gemacht werden, wenn man alleine für sich lebt?
Als Korbinian, der gerufene Gottesmann, auf Bitten des Bayernherzog Theodo und seines Sohnes Grimoald den Missionsauftrag annahm, fand er bereits den christlichen Glauben vor und sogar auf dem Weihenstephanerberg eine klösterliche Gemeinschaft.
Vielleicht entwickelte sich gerade deshalb Freising zur Glaubesmetropole, zu Bischofsstadt, weil hier Christsein lebendig und beispielgebend erfahren werden konnte -unbenommen davon, dass unsere bis 1803 bestehende Nachbarabtei Weihenstephan ihre eigentliche Gründung dann mehr einem Nachfolger Korbinians, nämlich Hitto zuschrieb.
Das sprechende Lebensbeispiel – auch in einer lebendigen Gemeinschaft – wurde nicht nur in den Jahren der frühen christlichen Mission zum Grundmodel, sondern es wurde übrigens auch im späten 19. Jahrhundert ganz in unserer Nähe bewusst wieder neu aufgegriffen und belebt: in den Missionsbenediktinern von St. Ottilien, die gerade in ihren Anfängen auch Unterstützung durch unsere Abtei erhalten hatten. Beispielgebende Gemeinschaft, bewährte Ausübung von Landwirtschaft und Handwerk sollten in nichtchristlichen Regionen unserer Erde Menschen überzeugen und zu einem besseren Leben führen – nicht nur moralisch, sondern – sympathisch, wie ich finde – ganz praktisch, oder nochmal anders mit den Worten Jesus selber: „Ich bin gekommen damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“(Joh 10,10)
Die Suche nach einem solch erfüllten Leben hat Korbinian selber einmal aufbrechen lassen. Als Mönch waren ihm doch auch die Worte des heiligen Benedikt im Prolog seiner Regel inhaltlich nicht fremd, der da fragt: Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht… (RB 1,15)
Könnte nicht diese Sehnsucht nach Leben, die gerade auch in unseren Tagen urmächtig in Vielen immer noch und immer neu aufbricht nicht wieder einen neuen Zugang zu den Menschen öffnen? Könnte nicht ein gelebtes und gelungenes Glaubensbeispiel kostbarer sein, als viele Worte? Ist das nicht offensichtlich eine Voraussetzung für eine heute vielfach geforderten Neuevangelisation? Auch Korbinian fand ja schon Glauben vor und seine Begeisterung im Glauben war wohl schlichtweg gesagt ansteckend!
An ihren Taten sollt ihr sie erkennen! (Mt 7,16) mahnt Jesus in seiner Bergpredigt. Und diese guten, selbstlosen Werke sollen und müssen leuchten – man soll sie nicht unter den Scheffel stellen (vgl. Mk 4,21).
Nicht nur, aber gerade auch der Glaube, unser Glaube braucht also die Öffentlichkeit. Wir dürfen uns nicht in die Ecken stellen lassen. Glaube gehört in die Mitte des Lebens, ja in die Mitte unseres Lebens.
Darum wusste er, der große Gottesmann, Mönch, Bischof und so auch Missionar Korbinian; und er hat wohl ganz unkonventionell diesen Glauben gelebt – wohl ganz nahe am Beispiel Jesu, der durchaus konfrontativ der jüdischen Gesetzesfrömmigkeit gegenüberstand. Und er könnte so nun auch nach 1300 Jahren fragen und hinterfragen, ob nicht Mission und Neuevangelisation durch amtskirchliche Reglementierung eher gehindert werden und ob Bürokratie nicht gerade hinderlich ist, weil doch Mission doch gerade die Freiheit eines unkonventionell gelebten Glaubens braucht? Vielleicht verbirgt sich hinter solchen Frage auch die Spannung zwischen einem Bischof Bonifatius, der eine festgefügte Bistumsordnung für die Bayrische Kirche erwirkt hat und den frühen Bischöfen und Glaubensboten in unserer Heimat, wie etwa dem heiligen Korbinian.
Übrigens wird in Freising auch zu Ehren unseres Diözesanpatrones, des heiligen Korbinian, die diesjährige Landesausstellung im Diözesanmuseum zu Gast sein. Und da wird nun nicht nur das berühmte Ruppertuskreuz oder der einzigartige Tassilokelch Zeugnis für das Leben und den Glauben im Frühmittelalter in unserer Heimat geben, sondern auch ein paar Stiefel.
Es sind die Stiefel eines Geistlichen aus dem sogenannten Heiligtumsschatzes der ehemaligen Benediktiner von St. Ulrich im nahen Augsburg, mehr als 1300 Jahre alt.
Was könnte zeichenhafter sein, als die Stiefel eines Missionars, der sich immer neu aufgemacht hat, um der Menschen willen. Vielleicht ist es an der Zeit, sich bildlich solch Stiefel wieder neu anzuziehen, die Richtung ist gewiesen: den Menschen entgegen, den Menschen nach – Glaube, Hoffnung und Liebe suchen ihren Weg in die Welt – auch heute. Aufgabe für eine missionarische und lebendige Kirche im Heute – Herausforderung, damals für Korbinian und heute für einen jeden und eine jede von uns!
Amen.
Der Heilige Korbinian als Pilger
„Der heilige Korbinian als Pilger“ – so lautet das Thema der heutigen Fastenpredigt. – Pilgern, das ist eine uralte religiöse Tradition, und in vielen Religionen ist das Pilgern bis heute weit verbreitet, denken wir nur an die Wallfahrt frommer Juden zum Tempel nach Jerusalem, wie sie uns im Alten wie auch im Neuen Testament berichtet wird, oder an die Wallfahrt gläubiger Muslime nach Mekka, oder eben auch an das Pilgern im christlichen Bereich. Menschen machen sich auf den Weg hin zu einem religiösen Ziel. Ein solcher Mensch, der sich auf den Weg gemacht hat und der in seinem Leben viel unterwegs war, war auch der heilige Korbinian.
Lassen Sie mich ganz kurz einige Stationen seines Lebens skizzieren: Geboren im 7. Jahrhundert im heutigen Frankreich, in der Gegend von Paris – wohl in Arpajon – lebte er einige Zeit bei dem Kirchlein St. Germain als Einsiedler. Von dort machte er sich auf zu einer ersten Pilgerreise nach Rom, wo er wohl vom Papst den Auftrag erhielt zurückzuziehen nach Gallien um dort zu lehren und zu predigen. Irgendwann reifte dann der Entschluss zu einer erneuten Reise nach Rom, bei der er zunächst nach Bayern kam, wo er vom Herzog Theodo wie auch dessen Sohn Grimoald gedrängt wurde zu bleiben . Korbinian jedoch zog erst einmal weiter nach Rom. Auf dem Rückweg von dort wurde er von Gefolgsleuten des Herzogs Grimoald eine gewisse Zeit auf der Burg Mais bei Meran festgehalten. Dort in der Nähe gründete er ein kleines Klösterchen, nämlich in Kuens. Von Mais aus kam er dann nach Freising, wo er einige Zeit wirkte, sich jedoch die Frau des Herzogs – Piltrudis – aufgrund des Verbots der Verwandtenehe zur Feindin machte. Wohl wegen der Spannungen mit dem Herzogshaus zog er sich nach wenigen Jahren des Wirkens in Freising in sein Klösterchen in Kuens bei Meran zurück, in die Nähe der Grabstätte des von ihm hochverehrten Bischofs Valentin, der auf der Burg Mais begraben war. Nach dem Tod des Herzogs Grimoald kam Korbinian zurück nach Freising, wo er dann an einem 8. September um das Jahr 730 herum starb. Aber auch mit seinem Tod war zumindest die Pilgerschaft seines irdischen Leibes nicht beendet. Auf eigenen Wunsch wurde Korbinian nach Mais überführt um an der Seite des von ihm so geschätzten Bischofs Valentin begraben zu werden. Die ewige Ruhe war ihm dort allerdings nicht vergönnt, denn einer seiner Nachfolger, der Freisinger Bischof Arbeo veranlasste bald schon seine Rückführung nach Freising, wo er heute in der Krypta des dortigen Domes ruht.
Pilgerschaft – peregrinare pro deo – Pilgern für Gott, das war auch für den heiligen Korbinian ein zentrales Thema in seinem Leben. Wohl beeinflusst durch das Vorbild der iroschottischen Wanderprediger der damaligen Zeit, hat auch er sich auf den Weg gemacht um die Botschaft Jesu hinauszutragen zu den Menschen.
Pilgern – das heißt zunächst einmal Aufbruch. Das heißt aufzustehen und loszugehen. Das heißt seine Heimat, das Vertraute zurückzulassen und offen zu sein für etwas Neues. So hat auch der heilige Korbinian seine Heimat und seine Klause bei der Kirche St. Germain verlassen. Man könnte da auch an Abraham denken, zu dem Gott spricht: „Zieh weg aus deinem Land, von Deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde.“ – Aufbrechen, das heißt auch Wagnis. Das heißt einerseits die gesicherten und vertrauten Verhältnisse, in denen man lebt zurücklassen und sich andererseits einlassen auf den Weg, der vor mir liegt. Und bei diesem Weg, bei diesem Pilgerweg , ist es nicht immer so ganz klar was mich da erwartet: Ist der Weg steil und steinig oder ist er gut zu gehen? Welche Gefahren birgt dieser Weg wohl? Gerade im Mittelalter war ja eine Reise durchaus auch eine riskante Sache: Die Straßen waren schlecht, man konnte leicht vom Weg abkommen und sich verirren, man konnte von Räubern überfallen werden oder man konnte auch die Bekanntschaft mit wilden Tieren machen, wie Wölfen oder Bären, so wie auch der heilige Korbinian auf seiner Reise nach Rom. Wer sich also auf eine Pilgerreise begibt, der hat vor allem in der damaligen Zeit des Mittelalters etwas gewagt und nicht wenige Pilger, die z.B. nach Santiago de Compostela oder gar nach Jerusalem zogen, machten vor der Reise ihr Testament. Andererseits bedeutet der Aufbruch zu einer Pilgerreise aber auch Aufbruch aus dem Alltagstrott, Aufbruch aus alteingefahrenen Gewohnheiten, offen sein für neue Erfahrungen, offen sein für Menschen, die mir auf dem Weg begegnen, offen sein für eine Erweiterung des eigenen Horizonts. Aufbrechen, das heißt auch Aufbrechen aus der eigenen Enge und Begrenztheit. Ein weiterer Aspekt des Pilgerns ist, dass man beim Pilgern meistens ein religiöses Ziel – einen Wallfahrtsort – im Blick hat, auf das man zugeht. Man nimmt also das Heiligtum, letztlich das Heilige selbst in den Blick, auf das man zuschreitet. So hat sich auch der heilige Korbinian bei seinen Pilgerreisen nach Rom auf den Weg gemacht um auf das Heilige, in diesem Fall die Grabstätten der Apostel und Märtyrer und auch auf die Stadt Rom als ein Zentrum der Christenheit, zuzuschreiten. Natürlich ist der Weg der Pilgerschaft auch mit so manchen Schwierigkeiten behaftet und auch Enttäuschungen bleiben nicht immer aus. Diese Erfahrung musste auch der heilige Korbinian machen. Einerseits in Rom, wo er gerne mit seinen Gefährten ein kontemplatives Leben in einem Kloster geführt hätte, jedoch vom Papst zurückgeschickt wurde um zu lehren und zu predigen. Andererseits vor allem in Freising, wo er sich den Hass der Frau des Herzogs zuzog , die ihm sogar nach dem Leben trachtete , so dass er sich schließlich in sein Klösterchen in Kuens bei Meran zurückzog und erst nach einigen Jahren wieder nach Freising zurückkehrte. Die Wege der Pilgerschaft sind also oft auch verschlungen und uneben. Bei all seinen Reisen war der heilige Korbinian allerdings nicht mit leeren Händen unterwegs. Er war unterwegs mit einem Auftrag, mit einer Botschaft. Und dieser Auftrag lautete: Den Menschen Gottes Wort nahebringen. Und das versuchte er durch seine Reisen und durch seine Pilgerschaft zu erreichen.
Was können nun wir heutige Menschen von einem Heiligen wie dem heiligen Korbinian lernen, der vor so langer Zeit gelebt hat? – Ich denke nicht dass wir nun allesamt unsere Heimat verlassen müssen um predigend und lehrend durch die Lande zu ziehen. Wohl aber sollten wir uns bewusst machen, dass unser Dasein begrenzt ist, dass wir sozusagen Pilger auf dieser Erde sind. Ein bekanntes Kirchenlied bringt das so zum Ausdruck: „ Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh mit mancherlei Beschwerden der ewigen Heimat zu.“ Und beim Pilgern da ist es zunächst einmal wichtig überhaupt erst einmal aufzustehen und aufzubrechen. Aufzubrechen aus alteingefahrenen Geleisen und Gewohnheiten, aufzubrechen aus der eigenen Begrenztheit und Enge, immer wieder neu. Zum Zweiten ist es wichtig ein Ziel vor Augen zu haben auf das man zuschreitet. Das Heilige in den Blick zu nehmen um selber heil zu werden. So muss ich mich auch immer wieder fragen: Welches Ziel habe ich eigentlich auf das ich mich zubewege? Habe ich überhaupt ein Ziel, zu dem ich unterwegs bin? Eine weitere Frage gilt der Frage nach dem Weg: Welche Wege schlage ich ein? Sind es Irrwege, die mich von meinem Ziel wegführen, die mich vielleicht sogar unnötig in Gefahr bringen? Und bin ich dann bereit von solchen Wegen umzukehren? Und überhaupt: Wer oder was gibt mir Orientierung auf dem Weg? Von wem oder was lasse ich mich leiten? Und dann ist da auch noch die Frage: Was habe ich alles dabei auf meinem Pilgerweg durch das Leben? Schleppe ich jede Menge Ballast mit mir herum, oder habe ich nur das dabei was ich auch wirklich brauche?
Der heilige Korbinian, er war durchaus ein Heiliger mit so manchen Ecken und Kanten, aber ich denke wir können von ihm lernen was es heißt sich der Führung Gottes anzuvertrauen, sich herausrufen zu lassen auf den Pilgerweg des Glaubens und Gottes Botschaft den Menschen nahezubringen. Wir können von ihm lernen was es heißt auf den mitgehenden Gott zu vertrauen, auf Gott, der uns Wege des Heils führen möchte.
Amen.
Aus der Lebensgeschichte des Heiligen Korbinians
Eines Tages fand ein Mann Gefallen an Korbinians Maultier. Es war ohne Aufsicht auf der Weide. Der Schelm benützte die Gelegenheit, schwang sich darauf und verschwand im Walde. Am Abend kamen die Knechte, das Vieh heimzutreiben, da fehlte das Maultier. Sie suchten und liefen kreuz und quer, fanden es aber nicht. Mittlerweile war es Nacht geworden, es blieb ihnen nichts anderes übrig als schweren Herzens heimzukehren und dem Herrn den Verlust des Tieres zu melden. Ein scharfer Tadel schien ihnen gewiss. Aber so sehr sie sich gefürchtet hatten, Korbinian blieb ruhig, er tröstete sie sogar über ihr Missgeschick.
Er selber aber durchwachte die Nacht im Gebete und legte sich erst nach dem gemeinsamen Gebet zur kurzen Ruhe nieder. Im Morgengrauen wurde er aber auf einmal am Fenster gesehen, wie er seinen Dienern mit einer Glocke das gewohnte Zeichen gab und ihnen zurief, der Dieb komme eben mit dem Maultier, sie dürften ihm aber nichts zuleide tun. Im selben Augenblick trabte das Tier zum Hoftor herein. Steif und fast leblos lag der Übeltäter auf dem Rücken des Maultieres angeklammert. Erst nachdem man ihn heruntergenommen und auf den Boden gelegt hatte, erwachte er aus seiner Erstarrung.
Nun erfuhren Korbinian und seine Diener vom verunglückten Diebstahl.
Er hatte die Herrschaft über das Tier verloren, es war die ganze Nacht wild herumgelaufen, so dass er auch nicht absteigen konnte. Mit Dornen und Zweigen hatte sein Gesicht üble Bekanntschaft gemacht. Zuletzt waren ihm auch noch die Sinne geschwunden und so war er wider Willen in die Hände der Bestohlenen gefallen.
Es wäre dem Bösewicht unter den Fäusten der Knechte wohl nicht gut gegangen, aber der Mann Gottes meinte, der Diebstahl sei genug bestraft, und er suchte den Dieb durch gütige Ermahnungen auf bessere Wege zu lenken. Damit ihm der Anfang zu einem ehrlichen Leben leichter fiel, entließ er ihn mit dem ansehnlichen Geschenk von drei Silberstücken, so dass der Mann voll Freude von Korbinians Zelle fortgegangen ist.
Predigt:
Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, liebe Kinder!
- Dieses Evangelium des heutigen Tages von der Verklärung Jesu auf dem Berg,
- unser Thema „Korbinian als Mönch“,
- und unsere heutige Wirklichkeit zusammenzubringen,
war eine spannende Herausforderung!
Ein paar Ideen sind uns im Team bei der Vorbereitung gekommen, anderes ergibt sich aus der Vita, der Lebensgeschichte des Hl. Korbinian.
1) Fangen wir beim Evangelium an, solange es uns noch präsent ist. Jesus zieht sich öfter mal zurück. Das tat er immer wieder. Meistens heißt es da: „Er zog sich auf einen Berg zurück um zu beten, er allein.“ Er brauchte diese Stille, um sich zu orientieren, um bei sich zu bleiben und sich nicht im Ansturm der vielen Menschen zu verlieren, und vor allem für das Gebet zu seinem Vater im Himmel!
Eine Frage zum Nachdenken: „Wann habe ich das letzte Mal zwei Stunden oder mehr ganz für mich gehabt?“
Dieser Rückzug muss nicht unbedingt alleine sein. Zusammen mit zwei oder drei Vertrauten, Freunden oder in der Familie, das kann auch ein sehr guter Rahmen sein.
So machte es Jesus dieses Mal, er nahm Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen Berg, aber nur sie allein.
Eine zweite Frage zum Nachdenken:
„Wen würde ich mitnehmen in eine solche Zeit der Besinnung und des Rückzuges?“
Liebe Geschwister im Herrn!
Jetzt spüren wir vielleicht die Sehnsucht nach etwas Ruhe, oder die Wehmut über die nicht vorhandene Zeit der Stille, – was für mich zwei Seiten einer Medaille sind- , doch wo ist dieser Ort?
Für mich kann ich drei nennen:
- Morgendlich leicht zu erreichen: Die Elisabethenkapelle zwischen Konvent und Wohnheim gelegen: Eine Papier- und handyfreie Zone.
- Dann der Weiher unterhalb unseres Obstgartens, am Besten am späten Nachmittag, wenn die Sonne schon tiefer steht und sich zusammen mit den Bäumen im Wasser spiegelt. Auf dem kleinen Steg für die Fischzucht fühle ich mich dann fast wie am Starnberger See. J
- Und das dritte ist zum Raten, drei Buchstaben nur:
„Wie nennt man einen Rückzugsort in der Bergen, mit drei Buchstaben?“ – – – > ALM.
Und jetzt zu Ihnen / zu Euch:
Die dritte und letzte Frage zum Nachdenken:
„Was ist für mich so ein Sehnsuchtsort?“
Wenn Sie kurz die Augen schließen — und wieder öffnen: Hier ist solch ein Ort! (unsere Kirche!)
- Menschen verweilen hier tagsüber,
- bleiben stehen,
- setzen sich hin,
- schreiben einen Satz ins Buch hier vorne,
- und zünden manchmal vor dem Hinausgehen eine Kerze an, mit stillem Gebet für einen lieben Menschen.
Eine Schülerin berichtete der Klasse, wie sie voller schwerer Gedanken und Sorgen in den Wald ging, aber dort diese nicht los wurde. Es drängte sie auf dem Rückweg, in die Basilika zu gehen. Hier machte sie eine Erfahrung von Geborgensein, nicht alleine zu sein mit ihren aktuellen Problemen. Gestärkt ging sie nach einer Zeit wieder hinaus. Das war für sie so prägend,
- dass sie Ende letzten Jahres wieder die Kirche eintrat und gleichzeitig von Ethik in den katholischen Unterricht wechselte
- und das erste Mal in ihrem Leben am Heilig Abend am Gottesdienst teilnahm!
Liebe Kinder, liebe Gläubige,
jetzt sind wir wohl gut eingestimmt etwas von dem Einsiedler oder dem Mönch Korbinian zu hören, was ihn bewogen hat, wohin er sich zurückzog, was er dort machte und wen er mitnahm.
Seine Lebensgeschichte wurde von Bischof Arbeo aus Freising aufgeschrieben.
Seine Heimat liegt mitten im Herzen Frankreichs. Wenige Stunden südlich von Paris.
Im Jahr 680 wurde Korbinian geboren und an seiner Wiege stand das Unglück. Als der Knabe zur Welt kam, lag der Vater bereits im Grabe. Das Kind erhielt der Sitte nach den Namen seines Vaters. Seine Mutter, sie hieß Korbiniana, änderte den Namen ihres Jungen auf den ihren um: Korbinian ward er fortan genannt. Die religiöse Erziehung lag erst bei ihr, dann bei der fränkischen Geistlichkeit. Dort lernte Korbinian auch Latein, damals die Sprache der Kirche und des Staates, ein jeder, der irgend etwas werden und gelten wollte, musste es fließend beherrschen.
Seiner Naturanlage nach scheint Korbinian ein cholerisches Temperament gehabt zu haben: Er zeigt sich als ein Mann voll Tatkraft und Feuer.
Als junger Mann stand er vor der Berufswahl.
1) Ein vornehmer Jüngling des Merowingerreiches hatte eigentlich nur einen einzigen Beruf, den Kriegsdienst. Ein jeder freie Mann mit größerem Besitz war heerbannpflichtig. Aber Korbinian träumte nicht von Heldentaten, Ruhm und Beute. „Im Kriegsdienst verstummen die Mußen“, so lehrte ihn ein lateinischer Spruch, und er hatte die Wissenschaften zu lieb gewonnen.
2) Es stand ihm ein anderer, weit schönerer Beruf offen: der Dienst Gottes und der Kirche. Doch in der fränkischen Kirche des beginnenden achten Jahrhunderts war auch nicht alles Gold, was glänzte. Nicht wenige Männer der Kirche waren lieber auf der Jagd als bei der Predigtvorbereitung, gönnten sich gutes Essen und Trinken, von dem die Bevölkerung nur träumen konnte usw.
Den jungen Korbinian zog es nicht in diese Richtung.
3) Es war die Zeit der aufblühenden Klöster. Die beschauliche Ruhe und der Gottesfrieden eines Klosters haben Anziehungskraft, bis heute. Doch auch diesen naheliegenden Schritt tat Korbinian nicht. Nicht alle Gelübde der Ordensregeln waren für ihn passend. Er hatte Besitz und Menschen, die mit und für ihn arbeitenden. Das währe wohl noch gegangen. Aber den Gehorsam geloben war nicht seine Sache: Mit seinem Temperament, seiner Tatkraft und seinem Feuer konnte er wohl ein umsichtiger Vorgesetzter sein, aber sich als Gehorchender unterzuordnen, war wohl nicht sein Ding.
5) Ja was dann?
Nicht in den Krieg – nicht als Mann der Kirche – nicht im Kloster. Erstmal auszuschließen, was man nicht will oder was nicht zu einem passt, ist auch ein Schritt zur Berufsfindung. 😉
Aber was dann?
Eines Tages, es mag um das Jahr 700 gewesen sein, besuchte Korbinian die Kirche im Ort Kastrus und wie eine Erleuchtung überkam ihn der Gedanke, hier ließe sich sein Lieblingswunsch verwirklichen: Das Schöne des Klosterlebens zu genießen und doch sein eigener Herr zu bleiben: Einsiedler zu werden. Durch die Wirren der vorangegangen Zeit waren die Kirche und die dazugehörenden Gebäude in Mitleidenschaft geraten. Korbinian konnte sie durch Kauf oder Schenkung erhalten. Mit dem dazugehörenden Land, den Maultieren und seinen Dienern war die Klause ein kleines Landgut. Einer seiner Knechte ist namentlich bekannt: Anserich. Er begleitete Korbinian sein Leben lang.
Und was machte Korbinian dort? Wie lebt ein Einsiedler?
Er verbrachte seine Tage mit Gebet, Betrachtung und Lesung in der heiligen Schrift. Sein Tagesablauf war genau geordnet und wie viele fromme Laien betete auch er die kirchlichen Stundengebete.
Liebe Scheyerer, liebe Gottesdienstbesucher!
Laudes und Vesper zu beten, den Tag mit einem Nachtgebet zu beschließen, ist nicht ein Monopol der Klöster, sondern eine gute geistliche Übung für Jeder-Mann und Jede-Frau!
Zurück zu Korbinian:
Wenn er gehofft hatte in dieser seiner Einsiedelei auf Dauer bleibende Ruhe und volle Befriedigung zu finden, so hatte er sich in sich selbst getäuscht. Sein lebhaftes Wesen drängte ihn zu einer Betätigung nach außen. Was er durch Gebet, Betrachtung und Lesung sich an religiöser Erfahrung sammelte, daran lies er seine Diener teilhaben, indem er sie zu einem christlichen Leben anleitete und ihnen Unterweisung gab.
Erinnern wir uns noch an die Geschichte mit dem verschwundenen Maultier?
Die Diener suchten bis in die Nacht hinein, fanden es aber nicht. Korbinian tat das seine: Er wachte im Gebet fast die ganze Nacht. Dem Dieb war es in dieser Zeit schlecht ergangen, das Tier lief und lief, unter Bäumen durch und mitten durchs Gestrüpp, bis es in der Morgendämmerung zurück zum Hof fand, immer noch mit dem Dieb auf dem Rücken. Jetzt griff Korbinian ein, bewahrte diesen vor der Rohheit der Diener, die ihn wohl verhauen hätten, Arbeo nennt es drastischer: „die Fäuste der Knechte“. Stattdessen mahnt Korbinian zur Sanftmut. Er gibt dem Dieb sogar noch Geld mit, Silberstücke, in der Hoffnung, dass dieser durch diese Liebestat eine neue Gesinnung bekommt und sein Leben ändert.
Da steckt, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen,
auch viel für uns heute drin: Viel zu oft rufen wir nach Konsequenzen, Strafen, Maßnahmen etc. Aber dadurch wird die Welt nicht besser. Wenn die Mama oder der Papa das Kind wieder auf den Arm nimmt oder umarmt, dann wird die Welt besser!
Damals machte dies alles die Runde. So kam es, dass sich der eine oder andere Nachbar hinzudrängte, um Korbinians Worten zu lauschen. Das zog Kreise, so dass er vor einer größeren Schar von Zuhörern förmliche Predigten hielt. Das konnte nicht lange so bleiben, denn er war nicht Priester, nicht beauftragt und wurde auf einmal kritisch von Männern der Kirche beäugt. Wie es weiterging, hören sie nächsten Sonntag von Frater Matthäus.
Für uns heute: Wir suchten beim Vorbereitungstreffen nach solchen Orten der Einsiedelei in unserem Leben:
Drei Spuren dahin sind:
- Wenn wir sagen „gut dass wir hier sind“: z.B. zu Hause wenn ein Unwetter übers Land geht, oder zusammen an einem Tisch.
- Mit den Kindern zusammen zu sein, in dem schönen Alter, in welchem sie Geschichten hören wollen, man miteinander etwas spielen, malen oder kneten kann, oder auch kuscheln. -> Wenn Sie einmal zum Elternabend der Firmung eingeladen werden, sieht es anders aus.
- Oder den Lieblingssport machen und dabei ganz im eigenen Körper daheim sein, den Kopf mal frei bekommen.
Jesus auf dem Berg mit drei Vertrauten,
der Hl. Korbinian in seiner Einsiedelei,
und heute am Sonntag wir dort wo wir sein werden:
Alles Orte, um Gott zu begegnen, der mitten unter uns ist!
Amen.
Lesung: Gen 22,1-18
Evangelium: Mk 9,2-10
Liebe Schwestern und Brüder,
Was wir heute hören oder besser miterleben dürfen, das ist etwas Großartiges; wir sind mit Jesus auf dem Berg, nur einige, ganz auserwählte Apostel sind dabei, Petrus, Jakobus und Johannes, und wir dürfen diese große Erscheinung erleben, Jesus, strahlend weiß, Mose und Elija, die Zeugen des Alten Bundes, und wir dürfen die Stimme aus der Wolke hören: Dieser ist mein geliebter Sohn, auf ihn sollt ihr hören. Großartig, wunderbar, die jüngeren Menschen würden sagen: Einfach nur geil!
Beim Abstieg vom Berg geht es dann allerdings verklausuliert um etwas ganz anderes: Dieser „mein geliebter Sohn, auf den ihr hören sollt, er erzählt von seinem Tod, ja von der Auferstehung der Toten. Das kriegen die Jünger nicht zusammen, aber wir, die wir sozusagen nachösterlich leben, wir können diese Worte deuten, Tod am Kreuz, Sterben, der schmerzliche Karfreitag und schließlich die Auferstehung am Ostermorgen – all das klingt für uns hier mit. Aber wenn wir nicht schon immer die vorher Wissenden sind oder sein wollen, dann fällt es uns vielleicht leichter, diesen Kontrast wahrzunehmen, zwischen der Zusage einerseits: Du bist mein geliebter Sohn und dem qualvollen, leidvollen Ende dieses geliebten Gottessohns andererseits, und es bleibt ein ungeheurer Widerspruch, wenn wir dabei auch bedenken, dass dieser Gott, das Leiden seines geliebten Sohnes einfach so zulässt, dass er nicht einschreitet, dass er nichts dagegen unternimmt. Denselben Widerspruch entdecken wir in der Lesung aus dem Alten Testament, Abraham wird von Gott aufgefordert, seinen Sohn als Opfer darzubringen. Denn auch bei Abraham gibt es diese großartige Geschichte: Er wird von Gott berufen, ihm wird Land, Sicherheit und Zukunft verheißen, in Form von Nachkommen nämlich, zahlreiche Nachkommen. Und kaum hat dieser alte Mann dann endlich seinen Sohn, da fordert Gott ihn als Opfer zurück. Natürlich, im letzten Moment wird das Leben des Isaak gerettet, aber was muss das für ein grausamer und vor allem zynischer Gott sein, der Menschen so quält und sozusagen im allerletzten Moment sagt: „Haha, war doch alles nur Spaß, ich wollte dich nur prüfen.“
Ich weiß, dass viele Menschen, mein Vater zum Beispiel, mit dem Gott dieser Erzählung enorme Schwierigkeiten hatten und haben. Und ich kann das sehr gut verstehen. Natürlich kann man diese Erzählung erklären, mir selbst hat lange die Erklärung gut gefallen: Abraham lernt seinen Gott erst kennen, er vermutet, dass dieser Gott ein Menschenopfer will, und dann langsam begreift er, dass dieser Gott nicht so ist, Abraham macht eine neue Erfahrung, sozusagen ein Meilenstein in der Religionsentwicklung. Inzwischen glaube ich eher, nein, diese Geschichte bildet viel mehr unsere ganze Wirklichkeit ab, beides ist da, die großartige Verheißung, bei Abraham und noch deutlicher bei Jesus, mein geliebter Sohn, und dennoch erlebt dieser Mensch, dass dieser Gott ihn buchstäblich hängenlässt, ihn nicht wahrzunehmen scheint, das Leid, das er durchmacht, scheint Gott nicht im geringsten zu interessieren.
Berufung, Erwählung, Verheißung, Zuspruch, einerseits und auf der anderen Seite, tiefstes Leid, Abgründe, ja Gottverlassenheit und die Erfahrung, dass alles keinen Sinn macht, diese Wirklichkeiten müssen wir zusammen denken, diese fast gegensätzlichen Wirklichkeiten erleben und erleiden Menschen, und so schwer dies auch auszuhalten ist, wenn wir uns an diesem Zustand der Welt stoßen, wenn wir es harmonischer wollen, wenn wir so tun, als würde der Geist Gottes uns immer verlässlich zur Seite stehen, wenn wir Christlichkeit darstellen als die lebendige Verbindung zu Jesus, die uns alle Situationen erträglich macht und weichspült, wenn wir sozusagen nur die heile Welt sehen, verklärt eben, dann hat das nichts mit dem Gott Jesu zu tun und mit dem Gott Abrahams.
Und dann werden wir irre, wenn wir erleben, dass fromme Christen ebenso von einer schweren Krankheit befallen werden wie andere Menschen, dann übersteigt es unseren Horizont, wenn der Sorglose, der Schmarotzer Erfolg hat, und derjenige, der sich ehrlich und redlich müht, nicht besser dasteht. Dann halten wir die Wirklichkeit nicht aus, in der das Böse wirklich Macht bekommt, weil wir an einen Gott glauben, der doch sowas nicht zulässt, der dreinschlägt oder bestrafen würde, weil wir an eine Welt glauben, in der sich mit ein bisschen Vernunft und guten Argumenten doch alles klären lässt. Nein, Namen wie Hitler, Stalin und auch Putin stehen für das Böse, mit dem man nicht mehr verhandeln kann, das Böse, das unheimlich viel Leid über Menschen bringen kann und scheinbar jedenfalls von niemandem in die Schranken gewiesen wird.
In der Welt begegnet uns beides: die große Verheißung, mit der wir, jeder Einzelne von uns, unterwegs sein darf, unser Erzbischof hat das in seinem Hirtenbrief deutlich gemacht, dass es uns bei der Taufe gesagt wurde: Du bist mein geliebter Sohn, Du bist meine geliebte Tochter. Und in unserer Welt begegnet uns unermessliches Leid, das auch vor dem Frommen nicht Halt macht, sondern scheinbar sehr ungerecht und wahllos über die Erde verstreut wird.
Wenn das alles so ist, so könnten wir fragen: Wo ist dann aber die Frohe Botschaft des Glaubens. Darauf kann man sehr verschieden antworten, und ich kann es jetzt nur anreißen, es ist der Stoff, über den wir viel mehr sprechen müssten.
+ Wir könnten zunächst auf Ostern verweisen, sozusagen auf das letzte Wort Gottes über unser Leben, über diese Welt. Am Ende stehen nicht Leid und Tod, sondern Leben und Freude, am Ende wird das endgültig, was uns in der Taufe zugesagt ist: Du bist mein geliebter Sohn, und dich lasse ich nicht aus meinen Händen, du wirst ewig leben, erfüllt leben.
+ Wir können feststellen, dass in dem Moment, wo wir das Böse sehen und benennen können, wir uns eigentlich schon für das Gute entschieden haben, das Gute wollen. Wir erwarten etwas anderes, als Leid und Tod. Wenn wir nämlich den guten Grund unseres Lebens aufgeben, wenn wir diesen Gott nicht mehr mitdenken, dann wird in letzter Konsequenz alles gleichwertig, dann gibt es kein Gut und Böse, dann gilt am Ende das Recht des Stärkeren. Es ist eine Konsequenz, die vielen nicht bewusst wird, die sich leichtfertig als Atheisten oder Agnostiker bezeichnen.
+ Und darum, und das ist mein dritter Gedanke, ergibt sich eine Haltung des Trotzdem. Ja, wir erleben die Ungerechtigkeit, dass der Fromme ebenso leiden muss, wie der Böse. Aber wir sind mit einer Hoffnung unterwegs. Und, was ich die Haltung des Trotzdem nenne, des TrotzdemGlaubens, des TrotzdemHoffens, des TrotzdemLiebens, das beschreibt Theologe Josef Eger so:
„Vielleicht heißt Christsein nur, sich langsam, gegen alle inneren Widerstände, an das dauernde Anderssein Gottes zu gewöhnen, bis dieser ganz andere Gott in einer unfassbaren und alle Menschenvorstellungen und Liebeserwartungen übersteigenden Art sich uns gibt, wie es unser von ihm und für ihn geschaffenes Herz im Tiefsten immer ersehnt hat.”
Amen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Seit vielen Jahren inzwischen habe ich mir angewöhnt, die Jahreslosung aus dem Losungsbuch der Herrnhuter Brüdergemeinde zu meinem eigenen Satz für das neue Jahr zu machen, so wie das viele Christen der verschiedenen Konfessionen tun. Und, dass ich sie tatsächlich immer mir und anderen regelmäßig sage, dazu hilft mir, wenn ich sie als Vers vor der Kommunion spreche. Da wird dann mir und den anderen etwas zugesagt, zugesprochen, ein Wort Gottes, das ich empfange, ähnlich konkret wie die Kommunion.
Als ich die Losung für dieses Jahr zum ersten Mal gehört habe, war für mich zunächst klar: Nein, diesen Satz werde ich nicht bei jedem Gottesdienst sprechen. Und ich möchte Sie jetzt an den Gedanken teilhaben lassen, auch an dem Unbehagen, das ich zunächst hatte. Ich sage auch gleich zu Beginn, es sind unfertige Gedanken, es ist keine Abhandlung, vielleicht eher eine Meditation.
Die Jahreslosung für 2024 heißt: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Und mein erster Reflex war: Nein, das möchte ich nicht, ich weiß, dass mir das nicht liegt, dass ich nicht immer in Liebe bin, und dass man mir das auch ansieht. Ich bin nicht immer lieb und liebevoll, ich ärgere mich auch, ich bin mit meinen Gedanken woanders. Es stimmt einfach für mich nicht, und es ist dann eben unglaubwürdig. Das war meine erste Reaktion – allerdings ist mir sehr schnell auch klar geworden: Genau darum geht es doch auch nicht. „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ – Es wäre ein großer Irrtum, wenn man Liebe immer an einer äußeren Erscheinung festmachen könnte. Wenn jemand besonders spricht, besonders nett und freundlich und verständnisvoll ist, dann ist das Liebe und anders eben nicht. – Nein, so ist es nicht. Haben wir nicht alle schon die Erfahrung gemacht, dass hinter sehr deutlichen Worten viel mehr Liebe sein kann als hinter manchem Säuseln. Wenn Eltern sich die Mühe machen, ihrem Kind klare Grenzen zu setzen, dann hat das oft viel mehr mit Liebe zu tun, als wenn sie ihm alles durchgehen lassen, vielleicht nur, weil sie sich nicht unbeliebt machen wollen, vielleicht auch, weil es sie gar nicht interessiert. Ob ich Liebe habe, ist mir nicht von vornherein äußerlich anzusehen, ja selbst mein Ärger kann mit Liebe zu tun haben, weil er vielleicht von einer Enttäuschung kommt, von einem enttäuschten Vertrauen, dass ich jemanden ernst genommen habe, dass ich ihm geglaubt habe und getäuscht wurde.
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ – dieser Satz kann aber auch noch anders missverstanden werden, wenn ich ihn z. B. vor allem als Appell höre, als Aufforderung. Dann muss ich schon wieder etwas tun. Und dann kommen uns schnell Menschen in den Sinn, die immer zuvorkommend sind, immer freundlich und hilfsbereit, immer vorbildlich, und trotzdem fühlen wir uns nicht ganz wohl in ihrer Nähe, alles hat etwas Gequältes und Gekünsteltes, irgendwie hat man schnell ein schlechtes Gewissen, weil man ja selbst nie gut genug ist, und manchmal vermisst man auch so ein Stück Echtheit. „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ – das ist nicht zuerst eine Aufforderung. Der Apostel Paulus hat fast überwältigend erfahren, dass er aus der Gnade Gottes lebt, und dass diese Gnade Gottes uns in unserm Tun immer schon zuvorkommt, diese Gnade Gottes ist Liebe. Und wenn wir heute das Fest Taufe des Herrn feiern, dann können wir uns an unsere Taufe erinnern: Die Stimme aus dem Himmel: „Du bist mein geliebter Sohn“, dürfen wir hören als zu uns gesprochen: „Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter“, auch wenn wir wissen, dass dieses „mein geliebter Sohn“ bei Jesus noch einmal eine andere Qualität hat, eben nicht zu überbieten ist. Aber wir sind die geliebten Kinder Gottes – das hat auch Paulus erfahren, und darum ist für ihn alles, was wir tun können, eine Antwort auf die Liebe, die uns geschenkt wurde, oder viel besser noch: ein Mitgehen mit der Gnade, die uns geschenkt ist. Nicht noch eins draufsetzen, nicht noch besser sein zu wollen, sondern dankbar zu werden für das, was an mir geschehen ist, darum geht es. Manchmal bedeutet das vielleicht sogar, weniger zu tun, die Freiheit nämlich, etwas nicht tun zu müssen.
Und auch das ist ein schweres Missverständnis: Liebe Gottes ist oft nicht erfahrbar, sie muss gesagt und geglaubt werden, sie ist nicht abzulesen am Erfolg im Leben, sie ist nicht daran messbar, ob mir im Leben viel glückt und gelingt. Nein, es gibt Menschen, die viel Leid zu tragen haben, und es wäre ein verantwortungsloser Unsinn, wenn man glauben würde, dass diese Menschen weniger von Gott geliebt sind. Nein, oft wissen wir einfach nicht, warum Glück und Gelingen so ungleich verteilt sind, und wir müssen viele Fragen, die hier entstehen, schmerzlich offenlassen und aushalten. Vielleicht werden sie uns einmal beantwortet werden.
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Wenn wir nun aber nach allen Missverständnissen noch einmal fragen: Was meint dieser Satz aber positiv, – dann würde Paulus uns wahrscheinlich antworten: Ich habe diesen Satz an den Schluss des Briefes an die Gemeinde in Korinth gestellt. Im selben Brief habe ich doch einen Text über die Liebe geschrieben, den Text, den ihr so gern bei Hochzeiten lest, in diesem Text steht eigentlich alles drin: Die Liebe ist langmütig und gütig, sie macht sich nicht groß, sie bleibt bescheiden, sie sucht nicht ihren Vorteil, sie ist nicht nachtragend, sie freut sich nicht am Unrecht, aber sie freut sich an der Wahrheit. Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, sie hält allem stand. Und, die Liebe hört niemals auf. Liebe wird hier fast als eigene Person beschrieben, in Wirklichkeit ist es eine Grundhaltung, die die Beziehungen bestimmt, die Beziehung zu mir selbst, zu meinen Mitmenschen und zu Gott. Liebe, so verstanden, ist die Dankbarkeit gegenüber Gott, für die Gnade, die mir geschenkt ist, Liebe ist die richtige Haltung zum Mitmenschen, der ebenso von Gott geliebt ist, ihn immer wieder mit den Augen Gottes sehen. Liebe ist, mich groß zu sehen, weil ich vor Gott groß sein darf und den Mitmenschen genau so groß zu sehen, selbst dann noch, wenn er sich selbst nicht entsprechend verhalten sollte.
„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ – Und nun sehe ich doch noch einen großen Appell. Es gibt für Paulus keine Spaltung zwischen einem religiösen und einem profanen Bereich: Alles, wirklich alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. In einer Welt, die von diesem Satz geprägt ist, ist tatsächlich kein Platz für Feindseligkeiten, für Gewalt oder für Krieg. Immer geht es nur um den Menschen, dass er groß sein darf, und es geht um Gott. Amen.
L: Jes 60,1-6
Ev: Mt 2,1-12
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir feiern heute noch einmal Weihnachten. Es hat sich eigentlich nichts geändert, die Christbäume stehen immer noch da. Sie nadeln zwar schon ein bisschen. Das Christkind liegt immer noch in der Krippe, wir singen immer noch die gleichen Lieder, vielleicht einige andere Strophen.
Ein paar kleine Veränderungen lassen sich aber doch feststellen zum „ersten“ Weihnachten. Es sind ein paar Figuren mehr in den Krippendarstellungen zu sehen: Die Könige, die Weisen, die Sterndeuter sind eingetroffen, auch in unserer Jahreskrippe im Kreuzgang.
Und es gibt noch einen Unterschied zu dem Weihnachten, das wir bereits gefeiert haben. Bei diesem Weihnachten bringt nicht das Christkind etwas, sondern dem Christkind wird etwas gebracht. Von den Königen heißt es im Evangelium: Da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. Die Seiten der Geschenke, das Geben und Nehmen haben die Seiten getauscht.
Obwohl, so ganz braucht das nicht stimmen, denn vielleicht haben manche Menschen auf diesen Tag noch einmal etwas bekommen oder sie haben erst zum heutigen Tag ihr Weihnachtsgeschenk erhalten. Ich kann sagen, dass ich zwei Menschen kenne, die gestern etwas geschenkt bekommen haben.
Der erste, den ich nennen möchte, ist unser Fr. Johannes. Er hat gestern einen neuen Traktor, einen neuen Bulldog, einen Fendt geschenkt bekommen. Allerdings keinen echten, oder sagen wir besser, keinen großen, sondern einen kleinen, eine Modellausgabe, die aber durchaus in einer gewissen Perfektion erahnen lässt, was ein großer in echt kann. Und ich weiß genau, unser Fr. Johannes wüsste das auch, was der in echt kann.
Der zweite, der etwas geschenkt bekommen hat, der bin ich. Ich habe gestern eine Kerze geschenkt bekommen, zum Abschluss von Exerzitien, die ich in den letzten Tagen in Oberfranken bei den Benediktinerinnen in Kirchschletten gehalten habe. Es ist eine schlichte und einfache Kerze, die aber doch etwas Besonderes hat. Auf diese Kerze ist etwas geschrieben oder besser gesagt, es ist etwas in sie hineingeschrieben, nämlich: Wo? Wozu? Wann? Woher? Wohin? Wer? Warum?
Diese Worte nehmen das Thema der Exerzitien „die Fragen Jesu“ auf. Aber diese Kerze mit diesen Worten ist für mich auch eine Brücke zum heutigen Tag, zum zweiten Weihnachten, zum Fest Erscheinung des Herrn.
Es ist ein Fest voller Licht, vielleicht sogar noch mehr als beim ersten Weihnachten: Auf, werde licht, Jerusalem, denn es kommt dein Licht und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht leuchtend auf der Herr. So haben wir es in der Lesung aus dem Buch Jesaja gehört. Es geht um ein besonderes Licht, es geht um ein anderes Licht, ein Licht, das mit Wünschen und Hoffnung zu tun hat, ein Licht, das Perspektive und Zukunft kennt, ein Licht das neue Wege aufzeigt und erkennen lässt.
Und dann steht da heute noch eine Frage im Raum: Wo ist der neugeborene König der Juden? Diese Frage lässt Menschen aufbrechen und suchen, die Sterndeuter kommen von weit her. Aber diese Frage lässt auch aufhorchen und sogar erschrecken. Sie kommt einem König Herodes zu Ohren, sie wird ihm gestellt und er erschrickt und mit ihm ganz Jerusalem, wie es der Evangelist Matthäus erzählt.
Herodes hat keine Antwort auf diese Frage! Herodes lässt bei den Spezialisten nachfragen, und wahrscheinlich gehen ihm noch viele andere Fragen durch den Kopf: Wo? Wozu? Wann? Woher? Wohin? Wer? Warum?
Es sind Fragen, die wir auch kennen. Fragen die sich auch uns stellen, nur in anderen Zusammenhängen. Es sind Fragen, die zum Leben gehören. Es sind Fragen, die uns aufhorchen, manchmal auch erschrecken lassen, weil wir keine Antwort auf sie haben und zugleich noch viele andere Fragen aufwerfen: Wo? Wozu? Wann? Woher? Wohin? Wer? Warum?
Weihnachten: Wo? Wozu? Wann? Woher? Wohin? Wer? Warum?
Fragen und Licht. Licht und Fragen. Dieser Zusammenhang kommt in der sprachlichen Wendung zum Ausdruck, dass Menschen „ein Licht aufgehen kann“, dass Menschen Antwort auf ihre Fragen finden, dass Sie Antwort bekommen auf das, was sie suchen. Wo? Wozu? Wann? Woher? Wohin? Wer? Warum?
Wo ist der neugeborene König der Juden? In Bethlehem und Bethlehem ist überall.
Wozu? Zu unserem Heil, zu unserem Glück.
Wann? Wenn die Zeit erfüllt ist, immer wenn es Zeit ist.
Woher? Vom Himmel, dort wo unsere Sehnsüchte zuhause sind.
Wohin? Auf die Erde, also überall wo Menschen leben.
Wer? Der Menschensohn, einfach der Mensch.
Warum? Weil Gott die Welt so sehr geliebt hat, weil er jeden Menschen liebt.
Fragen lassen Menschen aufhorchen und Fragen lassen Menschen aufbrechen. Die Sterndeuter sind dem Stern gefolgt, weil sie Antwort auf ihre Fragen finden wollten. Der Stern hat sie dorthin geführt, wo alle ihre Fragen beantwortet wurden und wo alles plötzlich keine Frage mehr war. Sie gingen in das Haus hinein und sahen das Kind und Maria, seine Mutter, da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.
Als dieser Jesus groß war, hat er den Menschen viele Fragen gestellt und auch Antworten eingefordert. Aber auch die Menschen haben ihm viele Fragen gestellt und er hat Antwort gegeben für das Leben der Menschen, für die Zeit und für die Welt.
Wir feiern noch einmal Weihnachten, vielleicht mit weniger Geschenken oder gar ohne Geschenke. Wir dürfen dafür unsere Fragen mitnehmen, wir dürfen unsere Fragen stellen und sie damit auch ein Stück hergeben. Die vielen Fragen unseres Lebens, die sich da und dort immer wieder stellen: Wo? Wozu? Wann? Woher? Wohin? Wer? Warum?
Ich komme, bring und schenke Dir, was du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn. Herz, Seel und Mut nimm alles hin und lass dir’s wohl gefallen. Mit all meinen Fragen!
L: Num 6,22-27
Ev: Lk 2,16-21
Liebe Schwestern und Brüder!
Vermutlich, ja sogar sehr wahrscheinlich sind wir heute Nacht alle miteinander um eine Million Euro „reicher“ geworden. Ich meine jetzt nicht, dass jedem einzelnen von uns eine Million überwiesen oder ausbezahlt wird, sondern mit Ablauf des alten Jahres hat ein Lotto Tippschein, ein Los seine Gültigkeit verloren, das vor vier Jahren einen Gewinn von einer Million erzielt hatte, aber bis jetzt nicht eingelöst wurde. Wenn dieser Fall eintritt, was zwar nicht oft vorkommt, dann sehen die Bestimmungen vor, dass das Geld in den Bayerischen Staatshaushalt für gemeinnützige Zwecke einfließt. So gesehen sind wir als Bewohner im Freistaat Bayern eben um eine Million Euro „reicher“ geworden.
Vielleicht haben Sie in den letzten Tagen über die Medien auch mitbekommen und verfolgt, dass die staatliche Lotterieverwaltung Aufrufe gestartet hat, um den Gewinner, vermutlich aus dem Raum Memmingen, wo eben der Tippschein abgegeben wurde, doch noch zu finden, damit ihm das Geld ausbezahlt werden kann, das er gewonnen hat und das ihm zusteht.
So am Rande wurde auch spekuliert, warum sich der Gewinner nicht gemeldet hat. Ist der Tippschein verloren gegangen? Wurde er achtlos weggeworfen? Kann sich jemand nicht mehr daran erinnern? Lebt der Lottospieler überhaupt noch oder ist er gestorben, vielleicht verunglückt? War es ein Mann oder eine Frau, jung oder alt? Was hätte er mit dem Gewinn gemacht?
Je mehr man darüber nachsinnt oder spekuliert, was in den letzten Tagen auch geschehen ist, kommt man darauf, dass sich hinter diesem nicht eingelösten Tippschein eine Lebensgeschichte, vielleicht ein Schicksal verbirgt, das vermutlich für immer im Dunkeln bleiben wird.
Vor wenigen Tagen bekam ich ein Buch in die Hand, dessen Titel mich sehr angesprochen hat: Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede. Ich begann zu blättern und zu lesen und fand lauter Lebensgeschichten von Frauen, die um das Jahr 1900 im damals noch selbständigen Oberhausen, heute ein Stadtteil von Augsburg gelebt haben. Es ging darin um die Lebensbedingungen, die Glücksvorstellungen, die Erfüllung aber auch die Enttäuschungen. Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede. Eben deshalb dieser Titel, der wie eine Zusammenfassung, ein Resümee all dieser Geschichten klingt.
Wenn ich mir den Abschnitt aus dem Evangelium anschaue, den wir gerade gehört haben, ihn mir noch einmal in Erinnerung rufe, dann ist da auch ein Lebensausschnitt beschrieben, der in diesem Buch stehen könnte und ebenso zusammengefasst werden könnte: Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede.
Maria hat ein Kind geboren unter nicht gerade optimalen Bedingungen und von anderen Menschen werden plötzlich Dinge erzählt, ja sogar Erwartungen in den Raum gestellt, die Maria nicht einordnen konnte.
Das, worauf sie vermutlich keine Antwort wusste, konnte sie nicht nur stehen lassen, sondern sie hat es angenommen, vielleicht auch ein Stück weit hingenommen, denn Maria bewahrte, wie es heißt, alles in ihrem Herzen und dachte darüber nach. Im Herzen bewahren, damit ist meines Erachtens nicht gemeint, dass Maria das so mir nichts dir nichts geschluckt hat oder in sich hineingefressen hat, sondern mit diesem „im Herzen bewahren“ ist die Hoffnung, ja die Überzeugung verbunden, dass es einen Weg, eine Lösung geben kann und geben wird. Eine Lösung, die nicht unbedingt auf der Hand liegt. Eine Lösung, die vielleicht schwierig ist. Eine Lösung, die Zeit braucht. Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede.
In Augsburg findet sich eine ziemlich einzigartige Mariendarstellung, ein Bild, geschaffen von dem Augsburger Künstler Johann Georg Melchior Schmidtner Anfang des 18. Jahrhunderts, das Maria als Knotenlöserin zeigt. Sie hält ein mit vielen Knoten verknäultes weißes Band in den Händen und versucht, einen Knoten nach dem anderen zu lösen. Maria wirkt konzentriert, aber nicht genervt. Sie versucht sich durchzuarbeiten, geduldig und doch zielstrebig.
Vielleicht kennen Sie dieses Gnadenbild oder waren selber schon einmal dort in St. Peter am Perlach unmittelbar neben dem Rathaus.
Anfang Oktober des letzten Jahres war ich zu Dreharbeiten bei der „Knotenlöserin“ für den Beitrag mit dem roten Faden in der Sendereihe „Zeit und Ewigkeit“, und ich war ganz beeindruckt, wie viele Menschen im Laufe des Tages dorthin kamen: Männer und Frauen, Junge und Alte, um eine Kerze anzuzünden für so manchen Knoten im Leben, der nicht so leicht zu lösen ist oder wo keine Lösung in Sicht zu sein scheint. In den Drehpausen zwischen den einzelnen Szenen ergab sich sogar manch kurzes Gespräch. Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede.
Liebe Schwestern und Brüder, mit dem heutigen Neujahrstag beginnen wir nicht nur einfach ein neues Kalenderjahr, sondern wir wagen auch irgendwie einen Neuanfang. In den vielen guten Wünschen, die sich Menschen heute zusagen, kommt eine gewisse positive Aufbruchstimmung zum Tragen, so nach dem Motto: Neues Spiel, neues Glück!
Ja, wir können vielleicht manches hinter uns lassen, weil es sich erledigt hat, weil es irgendwie verfallen ist, so wie der Lottoschein. Das kann schmerzlich sein, das kann aber auch befreiend sein. Die vor uns liegende Zeit wird Vieles für uns bereithalten, neue Chancen, neues Glück, aber auch Herausforderungen und vielleicht auch so manche Enttäuschung.
Es werden Probleme, Knoten auftauchen, die gelöst werden sollen und gelöst werden wollen. Maria, die Patronin des ersten Tages im neuen Jahr, kann uns ein Vorbild, vielleicht auch eine Hilfe sein. Die Geduld, aber auch die Zielstrebigkeit, wie Maria auf dem Gnadenbild dargestellt ist, die wünsche ich Ihnen, die wünsche ich uns von ganzem Herzen. Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede.
In diesem Sinne ein gutes neues Jahr! Und vergessen wir es nicht, wir sind heute Nacht vermutlich alle miteinander um eine Million „reicher“ geworden. War das nicht ein guter Anfang? Und wenn sich der Gewinner doch noch in letzter Minute gemeldet hat, dann sei ihm der Gewinn von Herzen gegönnt.
Schließe ab mit dem, was war.
Sei glücklich mit dem, was ist.
Sei offen für das, was kommt.
Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede.
Liebe Schwestern und Brüder!
Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst! So lautet der Refrain eines Kindergeburtstagsliedes, das sehr eingängig ist und auch so klingt. Das mit seinen einfachen Worten sozusagen besticht und Menschen in seinen Bann ziehen kann, weil Leben immer ein Geschenk ist, für mich selber aber auch für andere.
Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst! Einem logischen Denken, das in unserer Welt eine große Rolle spielt, kann dieser Text natürlich nicht standhalten. Wie können wir etwas vermissen, was wir gar nicht gekannt, erlebt oder erfahren haben? Weil in unserer Welt aber nicht alles logisch ist und auch nicht immer logisch sein kann und sein muss, deshalb stimmt es doch, denn wir alle kennen und haben Menschen um uns herum, zu denen wir es nicht treffender sagen können: Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst!
Heute an Weihnachten feiern wir Geburtstag, das Geburtsfest unseres Herrn Jesus Christus. Die Botschaft, die mit diesem Fest verbunden ist, klingt nicht für alle Zeitgenossen logisch. Und die, für die diese Botschaft etwas bedeutet, scheinen in unserer logischen Welt immer weniger zu werden. Aber für uns, die wir heute Weihnachten feiern und deshalb in unserer Basilika zusammengekommen sind, stimmt das doch auch, oder? Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst, auch wenn wir das in unseren Liedern anders ausdrücken.
Heuer steht noch eine Art anderer Geburtstag buchstäblich in diesem Raum: Die Bilder, die Fresken in unserer Basilika sind 100 Jahre alt, 1923/24 von Prof. Otto Hämmerle geschaffen. Da und dort finden sich Jahreszahlen, die auf ihre Entstehung hinweisen.
Aus diesem Grund haben wir als Klostergemeinschaft als Weihnachtskarte das Deckenbild aus dem Seitenschiff gewählt, das die Geburt und Kindheit Jesu zeigt. Ist Ihnen das schon einmal aufgefallen, was da an der Decke ist? Ein Scheyrer, dem ich die Karte mit diesem Motiv zu Weihnachten geschickt habe, hat mir fast reumütig zurückgeschrieben: „Bin schon 1000-Mal daran vorbei gegangen, aber es ist mir nie so aufgefallen“.
Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst!
Liebe Schwestern und Brüder, auch Bilder fallen nicht einfach vom Himmel, sondern sie entstehen, man könnte fast sagen, sie werden geboren, weil sie sich entwickeln und entwickeln dürfen. Das Bild in unserem Seitenschiff zeigt nicht nur die Geburt Jesu, wie sich das Otto Hämmerle vorgestellt und ins Bild gebracht hat, sondern dass dieser Jesus gewachsen ist, dass er erwachsen werden durfte. Auch der 12-jährige Jesus im Tempel ist dort zu sehen, der mit seiner Ansicht über Gott und die Welt nicht immer nur auf Zustimmung gestoßen ist.
Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst!
Dieses Bild und die anderen Bilder in unserer Basilika machen mir aber auch noch etwas anderes deutlich: Es geht nicht um ein Mannsbild, sondern es geht um ein Menschenbild. Es geht um das Bild des Menschen und das Bild vom Menschen. Die Texte aus der Bibel, die wir gerade gehört haben, sagen es so: Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt: oder anders ausgedrückt: Gott ist ein Mensch geworden.
Er hat gelebt wie ein Mensch.
Er hat gezeigt, wie man als Mensch leben kann.
Er hat gezeigt, wie Menschen miteinander umgehen können.
Er hat gezeigt, wie Menschen zusammenleben können.
Er hat kritisiert und er hat in Frage gestellt. Er hat Menschen Ansehen gegeben und ihnen Würde zugestanden, sie ihnen zurückgegeben, wo man sie ihnen genommen hatte. Der Evangelist Johanns hat es so formuliert: In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden. Allen!
Jesus hat keinem Menschen vorgeworfen, so wie du bist, kannst du nicht von Gott sein, sondern das haben andere über ihn gesagt. Und diese anderen waren Menschen, die ein sehr enges Gottesbild und Menschenbild hatten. Ein sehr strenges Gottesbild, so dass auch das Menschenbild vor allem mit großen Forderungen verbunden war und das die Messlatte so hoch gesetzt hatte, dass sie kaum jemand erreichen konnte.
Es geht nicht um ein Mannsbild, sondern es geht um ein Gottesbild und um ein Menschenbild.
Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst! Wenn ich das so sage, fällt mir der Satz ein, den unsere benediktinischen Mitbrüder im sächsischen Kloster Wechselburg, einem Priorat der Abtei Ettal, das heuer seinen 30. Geburtstag begehen konnte, über ihr Wirken gesetzt haben: „Gott suchen, wo er nicht vermisst wird.“
Liebe Schwestern und Brüder, wir könnten und wir würden nicht Weihnachten feiern, wenn es diese Botschaft nicht geben würde, die Otto Hämmerle vor 100 Jahren hier in unserer Basilika auf seine Weise und viele andere Künstler an anderen Orten an die Decken gemalt haben.
Diese Botschaft ist nicht in erster Linie für Bilder gedacht und darin zu sehen, sondern sie hat vor allem mit dem Leben und den Menschen zu tun.
Die Botschaft Jesu hat das Leben von vielen Menschen und damit auch unser Land geprägt. Ohne jemand etwas abzusprechen, keinem Menschen und auch keiner Religion, möchte ich deshalb sagen: Das Christentum und seine Botschaft gehören zu Deutschland, ja es gehört in unsere Welt.
Ich hoffe, dass Menschen nicht die Erfahrung machen müssen, es zu vermissen: Da gab es doch mal was, oder? Warum konnten Menschen aus einer solchen Hoffnung leben?
Es geht an Weihnachten nicht um ein Mannsbild, sondern es geht um ein Gottesbild und deshalb auch um ein Menschenbild. Deshalb feiere ich voll Freude jedes Jahr wieder gerne Weihnachten und sage mir, auch wenn es nicht bis ins Letzte logisch ist: Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst!
Liebe Schwestern und Brüder!
Etwas, was uns als Menschen auszeichnet, ist das Gefühl, das menschliche Gefühl. Wir nehmen etwas wahr und wir reagieren darauf. Es gibt ganz verschiedene Gefühle, angenehme und weniger angenehme. Jeder nimmt sie anders wahr und jeder wird auch anders darauf reagieren. Um diese Situation der unterschiedlichen Gefühle irgendwie beschreiben zu können, haben wir ganz verschiedene Ausdrücke und Redewendungen in unserer Sprache dafür gefunden. So sagen wir beispielsweise: Es liegt etwas in der Luft.
Ich glaube, so könnte man sagen, um das irgendwie einzufangen, was Menschen bei aller Unterschiedlichkeit in und an den weihnachtlichen Tagen bewegt: Es liegt etwas in der Luft.
So erfüllt jetzt auch einiges an Gefühlen und Empfindungen diesen Raum unserer Basilika. Ich glaube sagen zu können, dass es keine „dicke Luft“ ist, aber es ist sehr wohl eine dichte Atmosphäre. Es sind Gefühle und Empfindungen, die gar nicht so leicht in Worte zu fassen sind, auch deshalb liegt etwas in der Luft.
Zu diesem Tag gehört auch dieser Textabschnitt aus dem Lukasevangelium, den wir als Weihnachtsevangelium kennen, und in dem auch etwas in der Luft liegt, weil er voll ist an unterschiedlichen Gefühlen und Empfindungen, die da so nebeneinanderstehen und eigentlich gar nicht zusammenpassen wollen.
Da ist die kaiserliche Anordnung, dass sich Menschen in Steuerlisten eintragen lassen müssen, damit am Ende die Kasse wieder stimmt. Was das mit Menschen macht und was das für Menschen bedeutet, ist zunächst einmal völlig zweitrangig. Ein Umstand, der in den letzten Tagen und Wochen auch bei uns Menschen bewegt und aufbringt und der deshalb heute Abend und heute Nacht auch in der Luft liegt.
Und dann sind da noch die Hirten, Menschen, die ohne viel Aufhebens einfach ihrer alltäglichen Arbeit nachgehen und die anscheinend am Rande des großen Weltgeschehens, oder was man dafür hält, völlig unbeachtet zu leben scheinen. Ausgerechnet sie, deren Leben von dem Grundsatz „nichts Besonderes“ geprägt zu sein scheint, merken als erste, dass etwas in der Luft liegt, dass sich etwas zu verändern scheint, dass etwas Neues beginnt: Leben, neues Leben, anderes Leben!
Es liegt etwas in der Luft. Menschen nehmen etwas wahr, aber sie können es oft nicht deuten und einordnen. Das kann Menschen Angst machen, das kann Menschen neugierig machen, das kann Menschen aber auch Kraft und Mut geben, etwas anzupacken und anzugehen.
Es liegt etwas in der Luft. Die Hirten merken, dass etwas anders ist und anders wird. Ihre erste Reaktion ist Angst: Was soll das bedeuten? Was soll das werden? Der Hinweis, den die Hirten dafür brauchen und auch bekommen lautet: Fürchtet Euch nicht. Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.
Das, was in der Luft liegt, wird auf einmal ganz konkret, es liegt in der Krippe.
Das, was in der Luft liegt, hat es in sich, und das müssen sich die Hirten durch die Engel gesagt sein lassen.
Das, was in der Luft liegt, hat Auswirkungen auf die Zukunft, es hat Veränderungspotential: Euch ist der Retter geboren, er ist der Christus der Herr.
Es liegt etwas in der Luft. Ja, viel liegt in der Luft. Für manche ist es vielleicht nur der Duft von Glühwein und anderen typischen Düften und Gerüchen, die wir mit Weihnachten verbinden und die auch ihre Wirkung haben.
Es liegt etwas in der Luft, was Menschen bewegt, was sie nicht einfach abschütteln und ablegen können und was in Tagen wie diesen besonders deutlich wird, positiv wie negativ.
Es liegt etwas in der Luft, weil es immer noch diese Botschaft von einem Kind gibt, von diesem Kind, das in einer Futterkrippe liegt.
Ein älterer Mitbruder, der mir seine Freundschaft geschenkt hat und den ich für seine seelsorgliche Erfahrung sehr schätze, hat es in seinem sehr persönlichen gehaltenen Weihnachtsgruß so formuliert.
„Lieber Abt Markus, ich bin nach wie vor überzeugt, dass wir den Futtertrog, die Krippe mit dem Kind Jahr, für Jahr notwendig haben, um hinzugehen, abzuladen und neue Kraft zu schöpfen für das, was kommt und wo wir Menschen gefordert sind, auch wir in unserem Dienst.“
Es liegt etwas in der Luft, weil wir Menschen sind und ganz unterschiedlich fühlen, empfinden und reagieren. Für all das, was wir vielleicht nicht in Worte fassen können, sei es versucht, so zu beschreiben:
Nach so viel Suchen und Irren sagst Du uns: Geht nach Betlehem.
Nach so vielen Wegen hierhin und dorthin sagst Du uns: Kommt und seht.
Nach so viel Zweifel und Trostlosigkeit sagst Du uns: Ihr seid am Ziel.
Nach so viel Tod und Tränen rührst du uns an: Und siehe, wir leben.
Nach so viel Kälte und Einsamkeit bist du uns nahe: Heute und immer.
Nach so viel Hass und Gewalt schenkst du uns deinen Frieden.
Nach so viel Dunkel und Nacht lässt du uns den Himmel aufgehen.
Es liegt etwas in der Luft, weißt du es nicht, hörst du es nicht, der Herr ist ein ewiger Gott, der die weite Erde erschuf. Das liegt in der Luft, etwas Großes und Schönes.
Lesung: Mal 1, 14b – 2, 2b.8–10
Evangelium: Mt 23,1-12
Liebe Schwestern und Brüder!
Der Prophet Maleachi schreibt einige belehrende Worte an sein Volk. Worum geht es? Es gibt offenbar Zweifel daran, dass Gott wirklich mächtig ist, dass er wirkt, dass er seine Heilsversprechen einlöst, dass er Frieden und Gerechtigkeit schafft. Und Maleachi beginnt seine Ermahnungen: „Ein großer König bin ich, spricht der Herr, mein Name ist bei den Völkern gefürchtet.“ Es gibt keinen Zweifel, dass dieser mächtige Gott mit seinem Volk ist, dass er wirkt, Heil wirkt.
Im zweiten Teil wendet sich der Prophet an die religiösen Führer, an die Priester. Sie haben eine Verantwortung; wenn sich im Volk Misstrauen und Zweifel breit machen, dann hat das auch mit ihrem Verhalten zu tun. Offenbar leben sie nicht überzeugend, offenbar leben sie selbst nicht dieses Vertrauen in den Gott, von dem sie reden, offenbar sorgen sie sich mehr um sich, lassen soziale Missstände zu und kümmern sich nicht weiter darum.
Und Maleachi schließt mit einer Erinnerung, er kleidet sie in eine Frage: „Und wir, haben wir nicht alle denselben Vater? Hat nicht der eine Gott uns alle erschaffen? Warum handeln wir dann so, einer gegen den andern? Warum entweihen wir den Bund unserer Väter?“ Diese Sätze sind etwa 2500 Jahre alt. Allerdings, was Jesus 500 Jahre später wieder den religiösen Führern seines Volkes sagt, klingt nicht nur ähnlich, sondern noch viel deutlicher. Die Schriftgelehrten und Pharisäer haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt, sie sind die geistliche Autorität oder wollen jedenfalls so verstanden werden. Darum tut alles, was sie sagen, aber schaut nicht auf ihr Tun, das ist abschreckend. Sie schnüren schwere Lasten zusammen, kleinliche Gebote und Gesetze, und sie passen gut auf, dass sie auch von möglichst allen eingehalten werden. Dabei wissen sie, dass das einfach Volk sich gar nicht an all die kleinlichen Vorschriften halten kann. Sie lassen es also einfach zu, dass Menschen von vornherein draußen stehen müssen, dass sie religiös keine Chance haben. Und bei alledem bleiben sie, die Schriftgelehrten und Pharisäer, noch die Angesehenen, und sie betonen und genießen ihre Sonderstellung: Auffallende Gewänder, Ehrenplätze bei den Versammlungen, sie genießen es, wenn man sie besonders begrüßt, mit allen Ehrentiteln. Und dann kommt Jesus auf eine ähnliche Erkenntnis wie Maleachi. Einer ist unser Vater, der im Himmel, darum sollt ihr auch niemanden Vater nennen, darum sollt ihr niemanden Meister oder Lehrer nennen, nur einer ist euer Lehrer, Christus, ihr alle seid Brüder und Schwestern. Aus dieser einen Herkunft ergibt sich eine Gleichwertigkeit, eine gleiche Würde. 500 Jahre liegen zwischen Maleachi und Jesus, die mahnenden Worte des Propheten haben offenbar nicht viel verändert an dem Bedürfnis einiger, über den Anderen zu stehen, mehr sein zu wollen, besser sein zu wollen, angesehener zu sein. Denn Jesus kritisiert schärfer, er kritisiert konkreter. Offensichtlich braucht es diese verschärfte Kritik, denn die Unterschiede sind tiefer geworden, sie haben sich fest eingegraben in das Bewusstsein, der einen, die erhaben über den anderen stehen, die prüfen und beurteilen und deren Opfer schließlich auch Jesus sein wird und den anderen, die sich wegducken, die für sich nichts beanspruchen und zu beanspruchen haben, die darum wissen, dass sie unbedeutend sind und nichts vorweisen können. Auf diesem Hintergrund wird das Wort verständlich: „Der Größte soll euer Diener sein, denn wer sich selbst erhöht wird erniedrigt, wer sich selbst erniedrigt wird erhöht werden.“ Es geht nicht darum, sich künstlich klein zu machen, im Bild gesprochen, am Boden zu kriechen, sondern es geht viel eher darum, das Gemeinsame zu erkennen, die gleiche Würde, und sich dementsprechend zu verhalten.
Es wäre nun leicht, diese Rede Jesu auf die Kirche heute zu übertragen. Denn es sind wieder 2000 Jahre vergangen, und wir spüren: Das gibt es doch immer noch: diejenigen, die die Ehrenplätze haben wollen, die sich in den Vordergrund drängen, diejenigen, die auf große Äußerlichkeiten Wert legen. Und es sind nicht nur die religiösen Führer, sondern es sind auch die anderen, die sehr gern eine Hierarchie haben wollen. Es gibt also, kurz gesagt, diejenigen, die gern Hochwürden genannt werden und es sein wollen, und es gibt die anderen, die sie nicht aus dieser Rolle herauslassen, die immer wieder gern einen Hochwürden vor sich haben möchten, nicht einen Menschen. Über all das muss sehr viel gesprochen werden, und es wird manche Synodalen Prozesse dazu brauchen. Aber aufpassen müssen wir in der Kirche dabei, dass wir mit all diesen Fragen nicht doch nur um uns selbst kreisen. Denn es geht schließlich um etwas Anderes und Größeres. Haben wir nicht alle denselben Vater? Oder: Nur einer ist euer Vater, der im Himmel! Diese Sätze sind uns nicht nur gegeben, damit wir uns daran stärken, sondern dass wir sie der Welt sagen: Haben wir nicht alle denselben Vater? Das ist im Grunde die einzige Möglichkeit, um Verhärtungen, Verkrustungen aufzubrechen, das ist die Möglichkeit, um bei aller Unterschiedlichkeit von Menschen oder Gruppen, doch das Gemeinsame freizulegen, zu betonen und dann daraus etwas abzuleiten: Wenn wir denselben Vater haben, dann kann es nicht sein, dass Streit zwischen uns ist, dass Krieg zwischen uns ist, dann ist der Mensch neben mir nicht zuerst „Der Andere“ krank oder behindert, reich oder arm, nicht ein Schwarzer oder ein Weißer, nicht Ausländer oder Fremder, sondern zuerst ist er Bruder oder Schwester, dann gibt es auch nicht zuerst glaubende Menschen und Nicht- oder Andersgläubige, sondern von mir aus darf ich, ja muss ich den anderen immer schon von dieser gemeinsamen Abstammung her sehen und annehmen, auch unabhängig davon, wie er oder sie selbst sich versteht. Wir spüren hier, welche Kraft in unserem jüdisch- christlichen Glauben steckt, welche heilende Wirkung er entfalten könnte, wenn wir damit wuchern. Und natürlich werde ich den Krieg in der Ukraine nicht damit beenden, dass ich nach Moskau gehe und Wladimir Putin daran erinnere, dass wir geliebte Kinder desselben Vaters sind, -er wird mich eher für einen Spinner halten-, aber was wir unseren Kindern mitgeben, was wir selbst leben, vorleben, was wir in unser Lebensumfeld ausstrahlen, das ist nicht wenig. Hier können wir viel tun, und das hat große Wirkung. Denn umgekehrt ist es doch auch so: Wenn Menschen fähig dazu sind, anderen das Existenzrecht abzusprechen, wenn sie andere, wehrlose, auf bestialische Weise umbringen, wie wir es am 7. Oktober erschreckend gehört haben, dann ist mit diesen Menschen vorher auch viel passiert: Es ist ihnen unheimlich viel Hass eingetrichtert worden, es ist ihnen eingeimpft worden, dass der andere kein Recht hat, ja dass er eigentlich kein Mensch ist, dass es also nie und nimmer sein kann, dass wir denselben Vater haben.
Liebe Schwestern und Brüder! Und wir, haben wir nicht alle denselben Vater? Wir können diese Worte, die einem Volk gesagt sind, heute nach 2500 Jahren mit Fug und Recht auf alle Menschen ausdehnen. Bedenken wir, was das heißt. Und leben wir die Geschwisterlichkeit, die sich daraus ergibt. Das ist das einzige und wirksamste Medikament, das unserer Welt gegen den Wahnsinn der Gewalt und der Barbarei helfen kann.
Amen.
Lesung: Sach 9,9-10
Evangelium: Mt 11,25-30
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Texte des heutigen Sonntags sind ein Zuspruch, sind Tröstung, sie sind wirklich wohlwollende Worte; sie sind aber ebenso eine Zumutung, sie werfen Fragen auf, sie lenken unseren Blick auf manches Unschöne; und genau in dieser Doppeldeutigkeit erweisen sie ihre prophetische Kraft, das sei einmal vorweggesagt.
Beim Propheten Sacharja ist von dem König die Rede, der kommt, und ganz Jerusalem hat Grund, darüber zu jubeln, denn er ist ein König, der Frieden bringt; allein die Tatsache, dass er auf einem Esel daherkommt, ist die Botschaft seiner Friedfertigkeit. Und seine Herrschaft wird groß sein, für Kriegstreiber, Aggressoren und Diktatoren ist da kein Platz mehr, endlich.
Auch im Evangelium begegnet uns ein großer Zuspruch, schon, wenn Jesus dankt für die Unmündigen und Kleinen, denen etwas eröffnet ist. Ich hoffe, Ihnen geht es ähnlich wie mir, dass wir uns angesprochen fühlen bei diesen Unmündigen, weil wir, wenn wir uns realistisch einschätzen, immer wieder merken, dass wir nicht die großen Weltveränderer und Weltverbesserer sind, dass der Radius, in dem wir überhaupt etwas bewirken könnten, denkbar klein ist, und dass vieles passiert, ohne, dass wir überhaupt gefragt werden. Trotzdem, uns ist etwas offenbart, und manchen Bedeutenden und Großen offenbar nicht, wenn wir diesen Zuspruch ganz ernst nehmen. Und dann diese Einladung, kommt alle zu mir, die ihr euch müht und beladen seid. Ich will euch Ruhe verschaffen. Wer diese Worte beispielsweise in der Vertonung Georg Friedrich Händels im Messias auf sich wirken lässt, der merkt, das ist pures Wohlwollen, ja da möchte man sich fallen lassen, dem möchte man wirklich vertrauen.
Und genau um solch ein Vertrauen geht es, denn beide Texte sind eben auch eine Zumutung. Der Friedenskönig und sein Reich, alles schön und gut, aber was Menschen im Moment erleiden müssen in der Ukraine, ist der blanke Horror, und da gibt es nichts anderes zu hinein zu deuteln, es ist eine kleine Clique in Moskau, die für dieses unsagbare Leid die Verantwortung trägt, es geht um Machtgier und Größenwahn, und der einzelne Mensch spielt da überhaupt keine Rolle, geschweige denn das, was er erleidet. Und die übrige Welt erstarrt fast in Ratlosigkeit, denn diese Clique hat Mittel in der Hand, die für die ganze Welt gefährlich sein können. Was ist da mit so verheißungsvollen Worten: Ausmerzen werde ich die Streitwagen aus Efraim, ausgemerzt wird der Kriegsbogen?
Und auch im Evangelium bleibt uns diese Frage: Bei allem Wohlwollen, „mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht“, ein paar Kapitel weiter werden wir miterleben, wie jemand gezwungen wird, das Kreuz Jesu mitzutragen, offenbar, weil Jesus es allein nicht schafft, weil er selbst darunter zusammen zu brechen droht.
Das Schlüsselwort heißt auch hier wieder Vertrauen, darum möchte ich dieses Wort einmal in den Mittelpunkt stellen. Vertrauen hat etwas mit Erfahrung zu tun. Ein Mensch, der nie im Leben Gutes erfahren hat, wird es schwer haben mit dem Vertrauen. Und selbst das Urvertrauen des Kindes ist nicht einfach von vornherein da, sondern wird beschrieben, als das Grundvertrauen in andere Menschen und die Umwelt, das Kinder in den ersten Jahren durch positive Erfahrungen erwerben. Bezogen auf die Lesung heißt das: Wenn ein Mensch erfahren hat, dass Frieden ein viel größerer Wert ist, als jedes Machtgehabe und jeder Größenwahn, wenn jemand erfahren hat, dass Gott etwas mit diesem Frieden zu tun hat, dass dieser Friede ein Geschenk ist, etwas, das nicht einfach verordnet werden kann, wenn jemand in seinem Leben einmal erfahren hat, dass Gewalt, Macht, dass jede Kraft an ein Ende kommen kann, einfach so zerbröselt, dann wird es ihm möglich zu vertrauen, dass die Worte des Propheten eine tiefe Wahrheit enthalten. Und auf das Evangelium bezogen: Wenn ein Mensch Wohlwollen erfahren hat in seinem Leben, einfach so ohne Vorbedingungen, als freies Geschenk von guten Menschen, wenn ein Mensch erfahren hat, dass er das Wichtigste in seinem Leben nicht machen kann und nicht kaufen kann, wenn jemand erfahren hat, dass das Wichtigste im Leben freies Geschenk ist und irgendwie Geheimnis bleibt, dann erst kann er ohne Misstrauen sich dem öffnen, der da sagt: Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt, ich will euch Ruhe verschaffen. Vertrauen setzt gute Erfahrungen voraus. Die guten Erfahrungen sind der Grund, auf dem ein Mensch steht und festen Halt findet, und ganz klar: Je mehr gute Erfahrungen ein Mensch in seinem Leben machen kann, desto mehr wächst und stärkt sich ein tiefes Vertrauen in ihm. Und dazu kommt ein Zweites: Vertrauen ist auf Zukunft ausgerichtet. Wie soll ein Mensch, der Im Krieg oder anderen sehr belasteten Lebensverhältnissen aufwächst, wie soll solch ein Mensch vertrauen können, wenn er nicht die Hoffnung haben kann, dass es eine Zeit geben wird nach dem Krieg, eine Zeit nach dem Leid, nach der Krankheit, eine Zeit nach der Belastung. Hier sehe ich ein großes Problem unserer Zeit: Wir wundern uns, dass Mensch so schwer Vertrauen fassen können, dass sie sehr leicht zu verunsichern sind und dass das ziemlich heftige Folgen hat. Ein wesentlicher Grund besteht meines Erachtens darin, dass uns die Zukunft verlorengegangen ist, zwar nicht wirklich, aber im Bewusstsein vieler Menschen eben doch, das Leben spielt sich im Wesentlichen hier auf der Erde ab, was danach kommt weiß niemand – so ist doch die allgemeine Überzeugung. Siehe dein König kommt zu dir, das ist immer auch etwas Zukünftiges, er wird den Frieden verkünden, seine Herrschaft wird groß sein – die Wahrheit dieses prophetischen Textes besteht eben darin, dass diese Zukunft immer noch aussteht, dass sie nur bruchstückhaft und anfanghaft erfahren werden kann, dass die volle Erfüllung einer Wirklichkeit vorbehalten ist, die wir Shalom oder Himmel nennen.
Auch die Zusagen des Evangeliums tragen diesen Zukunftsgedanken in sich: Nichts ist fertig, immer ist die volle Erfüllung noch ausstehend. Aber Jesus gibt uns ein wesentliches Hilfsmittel in die Hand: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir.“ Dieser Satz ist nicht zu verwechseln mit der Aufforderung, das Kreuz zu tragen. Genau darum geht es hier nicht. Ein Joch soll eben keine Last sein, sondern ist das Geschirr, das dem Lasttier aufgespannt wird, damit es die Last tragen kann, damit diese Last leichter wird.
Liebe Schwestern und Brüder, Nehmt mein Joch auf euch, wir könnten beim Betrachten der heutigen Texte auch sagen: Lasst euch in mein Vertrauen einspannen, lasst euch dieses Vertrauen von niemandem zerstören. Erinnert immer wieder eure positiven Erfahrungen, und vor allem vergesst nicht: Ihr habt eine große Zukunft, lebt aus dieser Hoffnung, die euch niemand nehmen darf. Amen.
Lesung: Jer 20, 10-13
Evangelium: Mt 10,26-33
Liebe Schwestern und Brüder!
Der Herr rettet das Leben des Armen aus der Hand der Übeltäter. Mit dieser Überzeugung endet die Lesung aus dem Propheten Jeremia. Und was Jeremia vorher beschreibt, ist so schlimm, dass es niemand freiwillig erleben möchte: Verleumdung, ringsum Grauen, alle lauern darauf, dass er stürzt und zu Fall kommt. Was Jeremia erlebt, ist lebensgefährliche Feindseligkeit und wofür eigentlich? Nein, nicht für irgendeine böse Tat, die er selbst begangen hätte, sondern als Reaktion auf seine Botschaft, auf seine Überzeugung, als Reaktion auf die unbedingte Treue zu seinem Gott. In diesen Sätzen des Jeremia ist sein ganzes Leben, sind viele seiner Erfahrungen zusammengefasst: Abgelehnt, verspottet, verfolgt zu werden, das hat er erfahren, immer wieder. Und wenn wir auf diese jammervolle Gestalt des Jeremia schauen, und wir wissen, diese Gestalten gibt es durch die Geschichte hindurch bis heute in allen möglichen Variationen, dann gibt es nur eine entsprechende Haltung dazu, nämlich Mitleid. Und die Überzeugung: Der Herr rettet das Leben des Armen entspricht genau dieser Haltung: Auch Gott kennt Mitleid, auch Gott ist schließlich Mitleid. Ich möchte darum dieses Wort Mitleid heute einmal in den Mittelpunkt stellen. Mir ist klar, dass es nur angerissene Gedanken sind, Anregungen, alles müsste weiter gedacht werden.
Mitleid ist zunächst nicht zu verwechseln mit einer Empfindlichkeit oder gar Wehleidigkeit, die die eigene Person betrifft, sondern Mit-Leid ist immer auf den anderen ausgerichtet. Mitleid erschöpft sich auch nicht in einem mitleidigen Blick, sondern ist immer viel mehr. Es setzt die Fähigkeit voraus, wahrzunehmen, was der andere empfindet oder erleidet, und gleichzeitig den Willen, ihm etwas von seiner Last abzunehmen, diese Last kleiner zu machen, Leid mit zu tragen, wo es sich nicht verhindern lässt.
Mitleid, so könnte manch einer vielleicht sagen, ist doch eigentlich eine ganz menschliche Grundhaltung, dazu braucht es kein Christentum. Das klingt zunächst plausibel, und tatsächlich sollte jede Erziehung und Prägung darauf abzielen, dass uns die Haltung des Mitleids selbstverständlich wird. Aber wir können heute feststellen, dass Mitleid eben keine Selbstverständlichkeit, ist, wenn es nicht ins Wort gehoben, immer wieder betont und genährt wird und überhaupt als Wert anerkannt wird. Ich habe als Kind erfahren, wie gedankenlos man etwas mitmacht, wenn wir unsere Straßenfegerin, die offenbar eine Behinderung hatte, so lange getriezt haben, bis sie laut tobend mit dem Besen um sich schlug und doch niemand traf, wir waren ja alle schnell weg. Gott sei Dank hatte ich Eltern, die mir hier eine Richtung gaben und mich für Mitleid aufschlossen. Das einfache „Soetwas macht man nicht“ reicht eben nicht, sondern es braucht mehr, es braucht dieses „Ich nehme wahr dass ein anderer leidet, das tut weh, und das will ich nicht.“ Wir können beobachten, dass solch eine Prägung in Vergessenheit gerät, ja das Mitleid am Ende etwas ist, was man sich einfach nicht mehr leisten kann. Unsere Welt wird immer enger, unsere Ressourcen werden immer knapper, ich muss am Ende sehen, dass für mich genug bleibt, und ein anderer kümmert sich ja nicht darum. Mitleid wird da zum Luxus. Und ein Mitleid, dass aus solchen Nützlichkeitserwägungen kommt, bleibt meist auf den eigenen Vorteil, auf die eigene Familie, den Clan, das eigene Volk beschränkt, Deutschland immer zuerst, so steht es auf dem T-Shirt der deutschen Patrioten. Nein, ganz einfach selbstverständlich ist Mitleid nicht. Wenn man sich den Humor vieler Jugendlicher heute auf Tiktok und anderswo anschaut, dann geht es oft darum, dass irgendjemand blamiert und dämlich dastehen muss. Wie der sich wirklich fühlen mag, – allein diese Frage ist uncool. Mitleid muss gelernt werden, Mitleid muss als Wert geachtet und vermittelt werden.
Der Herr rettet das Leben des Armen aus der Hand der Übeltäter. – dass Gott Mitleid hat, das ist die wichtige Erkenntnis des Propheten Jeremia, das ist die Erkenntnis, die sich durch die ganze Bibel zieht. Und das Evangelium am vergangenen Sonntag begann mit den Worten: Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; und dieses Mitleid spricht auch heute aus dem Evangelium, aus all den Mut machenden Worten: Fürchtet euch nicht, ihr seid mehr wert als alle Spatzen. „Christus“, so deutet Dietrich Bonhoeffer das Neue Testament, „Christus erfuhr alles Leiden an seinem eigenen Leibe als eigenes Leiden.“ Und er folgert daraus: „Wir sind gewiss nicht Christus, (aber) wir sind Werkzeuge in der Hand des Herrn der Geschichte, wir können das Leiden anderer Menschen nur in ganz begrenztem Maße wirklich mitleiden. Wir sind nicht Christus, aber wenn wir Christen sein wollen, so heißt das, dass wir an der Weite des Herzens Christi teilbekommen sollen in verantwortlicher Tat und in echtem Mitleiden. Tatenloses Abwarten und stumpfes Zuschauen sind keine christlichen Haltungen.“ Mitleid ist eine christliche Grundhaltung, so hieß denn auch der zentrale Satz in dem Kommentar, den wir Mönche am vergangenen Sonntag zum Evangelium gehört haben.
Bei aller Wertschätzung des Mitleids gibt es natürlich auch Gefahren. Wer mit sich selbst nicht gut umgeht, bei dem gerät auch das Mitleid mit anderen irgendwie in eine ungesunde Schieflage. Worte wie „Helfersyndrom“ beschreiben solche Phänomene. Da ist jemand ganz mit dem anderen beschäftigt, und die Sorge für sich selbst bleibt irgendwie auf der Strecke. Es kann sein, dass manche Menschen wirklich nicht viel für sich brauchen, trotzdem halte ich das Gebot Jesu: „Du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst“, hier für eine gute und notwendige Korrektur.
Ein andere Gefahr ist, dass man die Haltung des Mitleids als Schwäche auslegt. Menschen, die Mitleid tatsächlich verinnerlicht haben, erscheinen manchmal zögerlicher, nicht so entscheidungsfreudig, unentschlossen, sie bringen nichts weiter – wie man hier in Bayern gern sagt. Tatsächlich ist es so, dass die Haltung des Mitleids oft dazu führt, viel mehr mit zu denken, viel mehr Verständnis zu entwickeln, eine gewisse Rücksichtslosigkeit oder sogar Brutalität, die man für manche Entscheidungen bräuchte, ist solchen Menschen dann einfach nicht möglich oder sie wollen sie einfach nicht.
Und eine dritte Gefahr besteht darin, dass Menschen, die Mitleid sehr stark verinnerlicht haben, manchmal nicht mehr damit rechnen, dass andere dies eben genau nicht so tun. Es scheint ihnen undenkbar, dass es wirklich Bosheit gibt, Faulheit, Schmarotzertum, Lüge, und dass es Menschen gibt, für die Mitleid ein Fremdwort ist. Hier entsteht eine gefährliche Naivität, gerade aktuell im Blick auf Russland ist das sehr deutlich zu beobachten.
Doch bei allen Gefahren oder Missverständnissen müssen wir festhalten: Unsere Welt lebt vom Mitleid, unsere Welt lebt von einem mitleidenden Gott und unsere Welt lebt im letzten von Menschen, die sich von diesem Gott leiten lassen, weil sie wissen: Der Herr rettet das Leben des Armen aus der Hand der Übeltäter. Amen.
Lesung: Hos 6,3-6
Evangelium: Mt 9,9-13
Liebe Schwestern und Brüder
Vor einiger Zeit habe ich erlebt, wie es bei einem Gottesdienst zu einer kleinen Panne gekommen ist. Mitten in einem Lied fiel mir plötzlich auf, dass die Orgel nicht mehr so klang, wie sie eigentlich klingen müsste, der Grund war, dass der Schalter einen Wackelkontakt hatte und sich der Motor einfach ausgeschaltet hatte. Ich konnte gut zur Orgel sehen und feststellen, dass der Organist, schon etwas älter und schwerhörig, noch nichts bemerkt hatte und einfach sehr korrekt weiterspielte. Auch in der Gemeinde hatten viele gar nichts bemerkt, nur einige wenige, waren verunsichert oder amüsiert und sangen einfach nicht mehr mit. Irgendwann merkte dann auch der Organist, dass etwas nicht stimmte, ruckelte etwas am Schalter, und der Motor sprang wieder an. Nun ist es aber nicht so, dass die Orgel sofort wieder klare Töne hervorbringt, erst musste sich das System wieder mit Luft füllen und so gab es einige Misstöne. Und wieder gab es einige, die gar nichts merkten, andere, die verunsichert waren und manche fanden es einfach komisch, und sie können sich vorstellen, dass es nicht so ganz einfach für mich war, den Gottesdienst mit der nötigen Ehrfurcht weiterzufeiern. Wenn die Orgel keine Luft bekommt, dann kann der Organist spielen so gut und richtig er will, es kommt nichts oder nichts Richtiges dabei raus.
Was hat diese Begebenheit mit Pfingsten zu tun. Als Kirche, und dabei brauchen wir uns keine engen kirchlichen oder institutionellen Grenzen vorstellen, leben wir vom Geist Gottes, vom Heiligen Geist, darum bezeichnen wir Pfingsten auch als das Geburtsfest der Kirche, weil wir feiern, dass dieser Geist sichtbar erfahrbar auf die Jüngergemeinde herabgekommen ist. Aber dieser Geist ist immer da, mehr oder weniger deutlich erfahrbar, mehr oder weniger laut, er ist die Grundlage allen christlichen Lebens, und nicht erst dort, wo man von ihm ausdrücklich spricht. Dieser Geist hat auch Wirkungen, wir erfahren ihn in verschiedener Weise und sprechen von den vielfältigen Gaben des Heiligen Geistes. Aber vor jeder Differenzierung, so könnten wir sagen, immer und überall, wo etwas Gutes geschieht, wo Menschen zu ihrem Recht kommen, wo es um die Freiheit von Menschen geht, wo es um Respekt geht, um Wahrheit, Frieden, um echte Freude, überall dort, wo Leben wächst und sich entfalten kann, überall dort haben wir mit dem Geist Gottes zu tun, er ist die Kraft, aus der wir leben. Allerdings manchmal scheint es, als ob der freie Fluss dieser Lebenskraft irgendwie behindert ist. Und das ist dann fast so, wie wenn der Orgel ganz plötzlich die Luft ausgeht. Da ist dann nicht sofort Totenstille, nein, da werden manche Töne ungenau, dann kann man noch eine ganze Weile weiter singen, es kann auch sein, dass viele gar nichts merken, ja es kann sogar sein, dass derjenige, der verantwortlich ist, noch eine ganze Zeit routiniert weiterspielt, es ist möglich, dass Menschen die ganze Angelegenheit komisch finden, dass sie verärgert sind und nicht mehr mitmachen.
Und all diese verschiedenen Aspekte finden wir momentan in der Kirche, auch wenn vieles ganz sicher viel zu einfach dargestellt ist, wenn ich das mal so 1:1 übertrage. Die verärgert sind, die nicht mehr mitmachen, die das alles komisch finden und sich zurückziehen – viele treten aus der Kirche aus, manche bleiben, oft trotzdem sehr distanziert. Es gibt Menschen, die nichts merken oder nichts merken wollen, für die ist alles klar, wozu braucht es irgendeine Veränderung. Es gibt auch Verantwortliche, die einfach weitermachen, und die darauf achten, ja keinen Fehler zu machen, obwohl sie merken müssten, dass ihnen längst die Luft ausgeht. Manch einer ähnelt dabei dem Laternenanzünder aus dem kleinen Prinzen, der die Aufgabe hat, die Laterne auf seinem kleinen Planeten an und auszuknipsen, wenn es Nacht und Tag wird. Und er tut das, auch wenn der Planet sich immer schneller dreht, so dass er am Ende nur noch mit dem An- und Ausknipsen beschäftigt ist – ein völlig sinnloses Tun.
Und es gibt die, die merken, dass etwas nicht oder nicht mehr stimmt, die immer wieder darauf hinweisen, die man abtut, die man als Querulanten und Störenfriede empfindet, weil sie darauf hinweisen, dass Veränderungen anstehen, und dass nicht alles so weiterlaufen kann. Und es gibt schließlich auch diejenigen, die ein wenig am Schalter ruckeln, die etwas wagen, die etwas unterbrechen, und die vielleicht dafür sorgen, dass wieder gute frische Luft durch die Kirche oder auch durch die Gesellschaft strömen kann. Und natürlich kann es dabei passieren, wie bei der Orgel, dass die neue Luft zunächst Misstöne hervorbringt. Dass da nicht alles schon ausgereift und zuende überlegt ist, aber dass es trotzdem besser ist, etwas zu beginnen als einfach nur abzuwarten. Also wie viel Kritik, wie viel Argwohn muss sich beispielsweise der Synodale Weg gefallen lassen, es kann ja gar nicht gehen, und weil es von vornherein verhindert wird, darum wird vieles auch gar nicht gehen, leider!
Und dennoch sind diejenigen, die wachsam sind, die merken, manches stimmt nicht mehr, die das zu sagen wagen und die den Mut haben etwas zu verändern, diejenigen, vor denen ich großen Respekt habe; Menschen, die die Kirche erhalten und in eine Zukunft führen, weil sie in Wirklichkeit aus der tiefsten Überzeugung leben: Gottes Geist geht mit uns, er lässt uns nicht allein.
Im bekanntesten Pfingstlied singen wir in der 2. Strophe: Der Geist des Herrn erweckt den Geist in Sehern und Propheten. Angesehen waren die Seher und Propheten nie, weder im Alten Israel noch in der Kirche. Sie wurden verdächtigt, verlacht und bekämpft, aber sie haben Wege aus manchen Krisen gewiesen. Aus ihnen wirkt der Geist, der auf das Erbarmen Gottes weist und Heil in tiefsten Nöten. Die Seher und Propheten sind oft sehr nah am Menschen, barmherzig, weil sie nicht von oben herab belehren, weil sie um manche Not wissen, weil sie die tiefe Not der Menschen kennen, und den Mut haben in diesen Situationen von einer Hoffnung zu sprechen, nicht leichtfertig, vielleicht sehr zurückhaltend, vielleicht durch schweigende Anteilnahme. Und durch diese Seher und Propheten ist in schweren und dunklen und unsicheren Zeiten doch immer wieder Veränderung möglich geworden: Seht aus der Nacht Verheißung blüht, die Hoffnung hebt sich wie ein Lied und jubelt Halleluja.
Liebe Schwestern und Brüder! Wer sieht und erkennt heute nicht in manchen Erscheinungen diese Nacht, wer würde leugnen, dass wir heute in mancher Hinsicht dunkle, schwere und unsichere Zeiten erleben, in der Kirche aber ebenso in der Gesellschaft und oftmals weltweit. Aber wir dürfen doch glauben an die Verheißung, wir dürfen doch hoffen, wir dürfen auch jubeln, ja, wir müssen es, weil wir wissen, dass Gottes Geist uns gegeben ist, und dass er uns nicht mehr verlässt. Amen.
Les: 1 Kor 12,3b-7.12-13
Ev: Joh 20,19-23
Liebe Schwestern und Brüder!
Es ist ein schönes Zeichen, manchmal vielleicht auch ein schöner Brauch, dass sich Menschen aus irgendeinem Anlass oder zu einem Anlass etwas schenken. Das können ganz unterschiedliche Dinge sein, die Menschen so verschenken bzw. bekommen. Wir nennen sie manchmal auch „Aufmerksamkeiten“. Mit solchen Aufmerksamkeiten bringen wir Zuneigung, Wertschätzung oder auch Dankbarkeit für etwas oder auch gegenüber jemanden zum Ausdruck: Es ist schön, dass es Dich gibt, ich bin froh, dass Du da bist!
Ich denke, wir alle haben so etwas schon einmal getan, mit Aufmerksamkeiten andere Menschen bedacht, ich hoffe aber auch, dass wir selber solche Zeichen der Aufmerksamkeit bekommen haben. Manchmal haben es solche Aufmerksamkeiten aber auch in sich, wie wir sagen, weil sie uns nicht nur einfach froh und glücklich machen können, sondern weil sie uns auch herausfordern, anspornen oder auch nachdenklich machen.
Es ist schon lange her, da habe von jemandem, den Anlass weiß ich gar nicht mehr, dieses kleine Kästchen bekommen, mit dem Wunsch: „Da kannst Du etwas hineintun, was für Dich wichtig ist!“ Lange stand es einfach so auf meinem Schreibtisch. Es verschwand oft hinter oder unter dem, was in Form von Papier wichtig werden kann, um dann und wann wieder zum Vorschein zu kommen. Es erinnerte mich immer an diesen Begleitsatz: „Da kannst Du etwas hineintun, das für Dich wichtig ist!“ Irgendwann kam mir der Gedanke an einen Spruch in den Sinn und was er bedeuten kann, wenn wir sagen: „Jetzt hast an Dreck im Schachterl.“ Dieses kleine Kästchen ließ mich einfach nicht los, es stellte sozusagen Ansprüche und Anfragen an mich, nämlich: Was ist für mich wichtig?
Was könnte das sein, was für mich wichtig ist und darin auch Platz hat? Groß ist es ja nicht. Einmal habe ich einen Schlüssel hineingetan und ihn dann lange gesucht, weil ich nicht mehr daran gedacht habe, dass ich ihn da hineingelegt habe. Dann waren mal Schweizer Franken drin, die nach einem Urlaub übriggeblieben sind. Aber das war es einfach nicht, das Wichtige, das da hineingehören könnte. Vor einem knappen Jahr habe ich etwas gefunden, das da für mich hineingehört, das darin Platz hat und seitdem seinen Platz darin gefunden hat: Etwas Wichtiges!
Bei einer Firmspendung bekam ich ein Symbol überreicht, das die jungen Menschen in der Zeit der Vorbereitung begleitet hat: Einen roten Faden.
Der rote Faden ist in unserem Sprachgebrauch ein Zeichen der Orientierung, der Zuversicht, aber auch der Sinnhaftigkeit von Leben und Tun. Etwas zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben. Menschen haben und brauchen so etwas wie einen roten Faden, damit sie wissen, wo es in ihrem Leben hingehen oder wie es in ihrem Leben weitergehen soll. Das ist etwas Wichtiges, auch für mich!
Genau diesen roten Faden hatten die Jünger, die Freunde Jesu, nach seinem Tod verloren: Sie wussten nicht mehr, wie es weitergehen soll, ja noch mehr, sie hatten Angst vor dem Leben und ihrem Lebensumfeld: Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten. So hat heute der Evangelienabschnitt, den wir gerade gehört haben, begonnen. Es war auch eine Situation, wo man sagen bzw. hören könnte: Jetzt haben sie den Dreck im Schachterl.
Mit dem Anhauchen und dem Satz „Empfangt den heiligen Geist“, gibt Jesus ihnen wieder einen roten Faden und damit ihrem Leben einen neuen Sinn, einen neuen Auftrag: Vergebung zu schenken und zu bringen. Menschen Einheit und Verbundenheit zu schenken, sie dazu anzuleiten, es zu ermöglichen und selber Teil davon zu sein.
Der Apostel Paulus spricht in seinem Brief an die Korinther vom Leib und den vielen Gliedern. Dieser Gedanke zieht sich wie „ein roter Faden“ durch sein Wirken und seine Verkündigung: Der Leib mit den vielen Gliedern. Das ist ein schönes und ein herausforderndes Bild zugleich. Genau deshalb braucht es und gibt es diese verschiedenen Gnadengaben und Begabungen bei uns Menschen, damit wir sie selber nutzen und damit auch anderen nützen, Leben zu gestalten, einen roten Faden im Leben zu haben und auch zu sehen.
Liebe Schwestern und Brüder, unsere Glaubenstradition kennt viele Texte, Gebete und Lieder, in denen manchmal sozusagen in bunten und schillernden Farben gemalt und beschrieben wird, was der heilige Geist soll und kann oder was Menschen von ihm erwarten.
In den letzten Tagen ist mir bei einem solchen Heilig Geist Hymnus ein Satz aufgefallen und nachgegangen: Und leeren Herzen Liebe gib. Diesen Satz habe ich gedanklich auch in das kleine Kästchen gelegt, weil er mir wichtig geworden ist.
Und leeren Herzen Liebe gib. In dieser Bitte an den heiligen Geist und um den heiligen Geist sind für mich Menschen enthalten, die – warum auch immer – ausgebrannt sind, die keine Kraft, keine Freude und keinen Mut mehr haben, die keinen roten Faden mehr haben und sehen.
Mit dieser Liebe ist nicht nur einfach ein romantisches Gefühl gemeint, das Menschen anzieht, das Menschen einander um den Hals fallen lässt, sondern diese Liebe ist vor allem der Respekt, in dem Menschen bei aller Unterschiedlichkeit wahrhaftig und auf Augenhöhe miteinander umgehen können.
Diese Liebe in den Herzen der Menschen wird nicht alle Probleme auf dieser Welt mit einem Schlag lösen können. Wer es darauf anlegt, wird am Satz und der damit verbundenen Erfahrung vom „Dreck im Schachterl“ nicht vorbeikommen.
Die Liebe für leere und ausgebrannte Herzen wird Menschen immer wieder nach neuen Lösungen suchen lassen, sie wird auch mit Kompromissen und Teillösungen leben können. Sie ist der rote Faden, der auch einmal dünn, sehr dünn werden kann und doch noch hält.
Ich möchte schließen mit einem Satz, der sich wie ein roter Faden durch den Alltag der Menschen mit all seinen Problemen und Herausforderungen ziehen kann und der sozusagen auch in diesem Kästchen liegt. Er lautet: Das Leben ist nicht ein Problem, das gelöst werden muss, sondern das Leben ist ein Geschenk, das gelebt werden darf.
Liebe Schwestern und Brüder, so wünsche ich Ihnen heute nicht den „Dreck im Schachterl“, sondern immer diesen roten Faden, vielleicht aus einem Schachterl. Ich wünsche Ihnen den roten Faden im Leben und für das Leben und von ganzem Herzen ein frohes Pfingstfest.
Les: Apg 1,12-14
Ev: Joh 17,1-11a
Liebe Schwestern und Brüder!
Zeitungen gehören für viele Menschen zum Leben und zum Alltag des Lebens einfach mit dazu. Manchmal haben sich deshalb bei den Menschen im Umgang mit der Zeitung Rituale herausgebildet, die sich beispielsweise darin zeigen, wann Menschen Zeitung lesen. Manche beginnen mit der Zeitung den Tag während die anderen den Tag mit dem Blick in die Zeitung oder ihrer Lektüre am Abend ausklingen lassen. Es gehört aber auch dazu, wie man die Zeitung liest: Fange ich vorne an und höre hinten auf. Schaue ich mir zuerst die sog. Schlagzeilen oder bestimmte Rubriken wie den Sport-, den Wirtschafts- oder den Lokalteil an. Ich weiß, manche schauen zuerst nach den Todesanzeigen, die sich gewöhnlich – aber nicht immer – auf der letzten oder den letzten Seiten befinden. Dieses Ritual kenne ich auch.
Da gibt es aber noch etwas, was ich in der Zeitung gern anschaue und nach dem ich auch oft suche: Die Karikatur. Mit ein paar Strichen stellt da ein Zeichner Menschen unverkennbar dar und bringt Meldungen, Themen und Zusammenhänge auf die gleiche Weise, also mit ein paar Strichen, ziemlich zielsicher auf den Punkt, so dass sich Betrachter dieser Karikatur sagen können: Ja genau, darum geht’s, das steckt dahinter oder eben auch nicht.
Manche dieser Zeichner haben sich durch ihr Können und ihre jahrelange Tätigkeit einen Namen gemacht. Es gibt aber einen Karikaturisten, dessen Bilder einen Namen haben, weil sie so typisch sind, nämlich die Vater-Sohn-Bilder. In einem einzelnen Bild, manchmal in einer Folge von vier oder sechs Bildern, findet der kahlköpfige Vater mit seinem kleinen Sohn in diversen Alltagsproblemen manchmal auch ungewöhnliche Lösungen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass fast alle diese Bilder von Erich Ohser, so heißt der Karikaturist, der von 1903 – 1944 gelebt hat, schon irgendwo einmal gesehen haben.
Vater und Sohn, Sohn und Vater, dieses Thema oder besser gesagt diese Beziehung spielt auch in dem Abschnitt aus dem Johannesevangelium, den wir gerade gehörte haben, eine Rolle. In jener Zeit erhob Jesus seine Augen zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht. Den Text, der dann weiter folgt, nennen wir das hohe priesterliche Gebet und ich denke, Sie werden mir zustimmen: Es ist ein schwieriger Text, dem man nicht so leicht folgen kann und bei dem man auf Anhieb auch nicht so leicht versteht, was damit alles gemeint sein könnte.
Vater und Sohn, Sohn und Vater, diese Geschichten bzw. dieses Verhältnis haben die Bilder von Erich Ohser bekannt gemacht. Ich weiß nicht, ob Erich Ohser diesen biblischen Text gekannt hat. Es wäre interessant, wie er das in seiner Art dargestellt hätte, es wäre ja sein Thema gewesen: Vater und Sohn kämpfen sich gemeinsam durch den Alltag und finden miteinander Lösungen, die manchmal etwas ungewöhnlich, ja auch hintergründig sein können.
Durch die Art des Zeichnens hat er meistens ein Schmunzeln auf die Lippen der Betrachter gezaubert, aber damit vielleicht noch mehr einen sog. Denkanstoß ausgelöst: Warum eigentlich nicht! Warum sollte das nicht möglich sein.
Auch wenn die Worte Jesu, in der Sprache des Evangelisten Johannes, nicht sehr gefällig und auf Anhieb verständlich sind, eines kann man schon heraushören oder herauslesen: Es geht Jesus um Verbundenheit: Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein. Ich in dir und du in mir. Diese Verbundenheit ist nicht auf Vater und Sohn beschränkt, sondern es geht um die Verbundenheit unter den Menschen und es geht um die Verbundenheit zwischen Gott und den Menschen.
Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein. In diesem Satz sind auch die Probleme des Alltags und die Ursachen für zwischenmenschliche Konflikte enthalten, die Besitzverhältnisse und Zuständigkeiten: Das ist meins und das ist deins. Darauf legen wir großen Wert und wenn hier nicht sauber gearbeitet und unterschieden wird, sondern Grenzen überschritten werden, ist das der Anfang für mehr oder weniger große und kleine Konflikte.
Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein. Mit diesem Satz wird Jesus wohl kein Schmunzeln auf das Gesicht der Menschen zaubern, die das lesen oder hören, aber er könnte einen Denkanstoß liefern, wie man Probleme des Alltags auch lösen könnte. Denn ob Christ oder nicht, ob Mann oder Frau, ob jung oder alt, egal welcher Nationalität, welcher Hautfarbe oder Rasse, um dieses Thema kommen wir nicht herum: Verbundenheit!
Oder anders ausgedrückt, wir sitzen als Menschen auf dieser Erde alle im selben Boot. Entweder wir finden miteinander Lösungen oder wir gehen mehr oder weniger schnell alle miteinander unter. Wie das aussehen könnte, davon steht manchmal etwas in den Zeitungen und Zeichner bringen es auf ihre Weise auf den Punkt. Denn ob erste, zweite oder dritte Welt, wie in manchem Denken unterschieden wird: Es gibt nur diese eine Welt, es gibt keinen Planeten B. Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein. Der Reichtum der Bodenschätze, aber auch der Raubbau an der Natur. Die Wettkämpfe die Menschen sportlich miteinander austragen, aber auch die Kriege, die in unterschiedlichen Teilen der Welt geführt werden.
Liebe Schwestern und Brüder, das Anliegen, um das es geht, nämlich die Verbundenheit der Menschen kleidet Jesus in die Form eines Gebetes, das hohe priesterliche Gebet.
Ich möchte schließen auch mit einem Gebet, das dieses Anliegen aufgreift und vielleicht ein bisschen verständlicher ausdrückt.
Herr, lass das Böse geringer werden und das Gute umso kräftiger sein.
Lass die Traurigkeit schwinden und Freude um sich greifen.
Lass uns annehmen und geben können und einander behilflich sein.
Lass die Missverständnisse aufhören und die Enttäuschten Mut gewinnen.
Lass die Kranken Trost finden und die Sterbenden deine Erbarmung.
Lass uns wohnen können auf dieser Erde und die Ernten gerecht verteilen.
Lass Frieden unter den Menschen sein. Frieden im Herzen – rund um die Erde.
Wenn das gelingt, können wir es bestimmt auch in der Zeitung lesen.
L: Joh 2,1-11
Liebe Schwestern und Brüder!
Manchmal geschieht es, dass wir etwas hören oder sehen und sofort verbinden wir das Gehörte oder Gesehene mit etwas anderem, das damit in diesem Moment für uns wieder ganz präsent und greifbar wird. Assoziation nennen wir das mit einem Fremdwort.
Ganz viele und ganz unterschiedliche Assoziationen werden wir aus unserem Leben und unserem Lebensumfeld kennen. Wir werden sie nie alle aus dem Stand lückenlos aufzählen können. Wenn wir aber, wie gesagt, etwas hören oder sehen, dann ist die Erinnerung an etwas anderes plötzlich wieder da.
Die Geschichte der Hochzeit von Kana, die wir gerade gehört haben, gehört für mich zu den Geschichten, die bei mir Assoziationen auslösen. Sie ist eine Geschichte, mit der ich etwas verbinde. Sie vielleicht auch.
Die Geschichte der Hochzeit von Kana ist eine Geschichte, von der wir sagen, dass sie das Leben schreibt. Also Situationen, in die Menschen geraten können, in denen sie nicht gefragt werden, ob es passt oder nicht. Menschen feiern ein Fest, das sie sich in ihren Träumen wunderschön ausmalen oder ausgemalt haben: Hochzeit. Doch dann geht etwas schief, so dass der schöne Traum zu einem Alptraum werden kann: Der Wein geht aus. Oh wie peinlich!
Die Geschichte der Hochzeit von Kana lässt mich auch an eine Hochzeit denken, die ich wenige Wochen nach meiner Priesterweihe im Jahr 2000 gehalten habe. Der schönste Tag im Leben von zwei Menschen drohte schon vor der kirchlichen Trauung zum Alptraum zu werden. Am Eingang der Kirche flossen Tränen, nicht des Glücks, sondern Tränen der Enttäuschung und der Schmach, denn die für den Nachmittag bestellte Musik hatte kurzfristig abgesagt.
Eine Geschichte, die das Leben schreiben kann und die vor nichts Halt macht. Situationen, die eintreten und Menschen nicht gefragt werden, ob es recht ist oder nicht. Eine Hochzeit ohne Musik ist so etwas Ähnliches wie eine Hochzeit ohne Wein, ein Alptraum.
Die Geschichte der Hochzeit von Kana steht aber nicht in der Bibel, um Menschen zu zeigen, welche Alpträume es geben kann, sondern die Geschichte der Hochzeit von Kana steht in der Bibel, um Menschen daran zu erinnern, dass wir einander nicht gleichgültig sein dürfen: Selber schuld! Das geht mich nichts an. Nein, so nicht!
Gott sei Dank gibt es in den Geschichten, die das Leben schreibt, immer auch Menschen, die mit einem wachen und zugleich mit einem liebevollen Blick so manche Not und Peinlichkeit entdecken, sich verantwortlich fühlen und versuchen zu helfen. Maria nimmt diese Rolle in der gehörten Geschichte ein. Sie stellt Verbindungen her, sie lässt sich nicht durch Widerstände, auch nicht von ihrem eigenen Sohn Jesus aufhalten. Dadurch kann das Leben eine Geschichte schreiben, die wir Wunder oder vielleicht einfach nur wunderbar nennen.
So tat Jesus sein erstes Zeichen in Kana in Galiläa und offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn. Mit diesen Worten endet die Geschichte relativ nüchtern. Wie es das Brautpaar empfunden hat, wie sie darauf reagiert haben, wird nicht erwähnt.
Jesus tut ein Zeichen. Für mich ist das zeichenhafte daran, dass viele mitwirken und mitwirken müssen, damit zeichenhaftes, wunderbares und Wunder in dieser Welt geschehen können.
Ein Sprichwort aus Afrika formuliert es so: Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern.
Diesen Spruch möchte ich an den Anfang dieses Monats Mai stellen und damit ein kleines Zeichen setzen, dass es auf jeden einzelnen von uns ankommt, das Gesicht der Welt zu gestalten und da, wo es nötig ist, auch zu verändern. Angesichts der Probleme und Herausforderungen, denen unsere Welt und unsere Zeit gegenübersteht, kennen Sie genauso wie ich wahrscheinlich den Gedanken: Da kann ich nichts machen. Auf einen mehr oder weniger kommt es doch nicht an. Doch, es kommt auf jeden an, auch auf mich. Wir können etwas machen, auch wenn es für sich alleine genommen nicht viel oder fast verschwindend gering ist: Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern.
Viele kleine Dinge tun. Das können auch die Maiandachten in den nächsten Wochen sein. Hier bei uns in Scheyern wird eigentlich immer nur die erste Maiandacht in der Basilika gefeiert. Die in den nächsten Wochen folgenden finden in den Kapellen und an Feldkreuzen in unserer Pfarrei statt. Menschen kommen einfach zusammen, um sozusagen vor Ort miteinander zu beten und zu singen. Dabei schauen wir auch immer auf Geschichten, die das Leben schreibt, in unserem eignen Leben und im Leben anderer Menschen.
Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern.
Ich weiß, bei den Maiandachten gibt es viele Assoziationen an Kindertage, wie das einmal war, was mir aufgefallen ist oder was mir einfach gefallen hat an diesen Andachten. Vielleicht genügt ein Satz aus einem Gebet oder einem Lied, so dass wir Verbindungen, Assoziationen herstellen, zu diesen Tagen und zu Menschen, die uns nahegestanden sind.
Liebe Schwestern und Brüder, dem Brautpaar bei der Hochzeit von Kana konnte geholfen werden. Das Wasser in den gefüllten Krügen wurde zu Wein. Und wie ging die Geschichte der Hochzeit in meiner Heimat weiter, bei der die Musik abgesagt hatte und die so zu einem Alptraum hätte werden können?
Der Hochzeitslader begleitete das Paar bis zur Kirche und hat es mir am Eingang der Kirche sozusagen übergeben. Er sagte zu mir: „Pfarrer, mach Du jetzt dei Sach. Heut‘ derfst ruhig a bisserl länger predigen. Und i schaug dawei, dass i a Musi herbring.“
I hob mei Sach gmacht. Ob ich länger gepredigt habe, weiß ich nicht mehr. Aber eines weiß ich noch ganz genau: Als wir aus der Kirche kamen, stand eine kleine Musikgruppe da, die der Hochzeitslader in aller Eile unter seinen Freunden zusammengetrommelt hat. Die Hochzeit konnte ihren Lauf nehmen, der Tag war gerettet.
Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern. Jeder von uns an seinem Ort und auf seinem Platz.
Les: Apg 2,14.22b-33
Ev: Joh 21,1-14
Liebe Schwestern und Brüder!
„Es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr“ Dieser Satz tauchte vor einigen Wochen auf meinem Bildschirm am Computer auf, als ich mittels Suchmaschine eigentlich etwas anderes gesucht habe. Und Sie kennen es wahrscheinlich aus eigener Erfahrung, der Trick des Internets ist dabei mal wieder aufgegangen. Ich habe diesen Satz angeklickt, weil er irgendwie mein Interesse geweckt hat.
„Es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr“ Das war die Überschrift zu einem Artikel, der sich mit einem Thema unserer Zeit und auch unserer Gesellschaft befasste, das immer noch als Tabuthema gilt, nämlich Essstörungen.
„Es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr“ Wenn Menschen beim Essen in irgendeiner Weise „auffällig“ werden, dann steht mehr, viel mehr dahinter. Es sind Probleme, die ihre Ursache nicht im Essen, in der Ernährung haben. Essstörungen beginnen im Kopf. Oft beginnen sie schleichend und werden erst allmählich sichtbar. Viele Faktoren spielen hier zusammen, was es nicht leicht macht, sie in den Griff zu bekommen, sie zu heilen. Betroffene haben keinen gesunden Zugang zu ihren Gefühlen und Bedürfnissen, sie können ihre eigenen Grenzen nicht wahrnehmen und einschätzen.
„Es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr“ An diese Überschrift musste ich denken beim Lesen und beim Blick auf das heutige Evangelium. Darin fragte Jesus seine Jünger, die irgendwie zerknirscht am Ufer des Sees sitzen: „Meine Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen?“ Man könnte diese Frage als banal ansehen, weil sie zumindest in unseren Breiten so klingt. Natürlich haben wir zu Essen, wir haben immer zu essen. Wir haben nicht nur genug zu essen, sondern auch ein großes Sortiment, um auszuwählen. Aber ich glaube Jesus stellt diese Frage ganz bewusst, weil es ihm nicht nur ums Essen geht, sondern um etwas anderes und um viel mehr.
Dieses „Mehr“ liegt nicht in erste Linie in der Erfolglosigkeit der vergangenen Nacht, in der sie nichts gefangen haben, sondern dieses „Mehr“ liegt in den Erlebnissen, die hinter ihnen liegen und die der Grund dafür sind, warum sie wieder in ihre Heimat Galiläa zurückgekehrt sind. Jesus war offensichtlich gescheitert, jämmerlich am Kreuz gestorben und wenn es dumm gegangen wäre, dann hätte es auch ihnen selber an den Kragen gehen können. Dem Petrus wird der Satz der Magd nicht nur in den Ohren klingen, sondern noch in den Knochen stecken: „Du warst doch auch mit diesem Jesus zusammen!“
Von all dem, was sie so begeistert und angezogen hatte, war nicht mehr viel übrig und so stellte sich zwangsläufig die Frage, wie es weitergehen soll. Sie kehren, ebenfalls als Gescheiterte in ihre Heimat zurück und nehmen ihre Tätigkeit als Fischer wieder auf, aber auch hier ist nichts mehr wie vorher: Sie fangen nichts. Nichts, überhaupt nichts.
Als Jesus in ihre Mitte tritt, erkennen sie ihn nicht. Wie denn auch, er ist doch gestorben, aus und vorbei. Trotzdem folgen sie dem Aufruf, dem Rat des Fremden entgegen aller beruflicher Erfahrung doch noch einmal auf den See hinauszufahren und das Netz auf der rechten Seite auszuwerfen. Dann beginnt es ihnen zu dämmern, was er immer gesagt oder vielmehr nur angedeutet hat: Es ist der Herr!
Sie fangen unglaublich viel und schließlich lädt Jesus sie zum Essen ein, denn es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr: Er lädt sie ein ins Leben zurückzukehren und sie kehren wieder ins Leben zurück. Jetzt wussten sie, dass es der Herr, ihr Herr war.
„Es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr“ Was heute die Forschung und die Medizin in Begriffe zu fassen versucht, es gibt 11 Klassifizierungen von Essstörungen, das kennen wir eigentlich schon lange aus unserer Sprache. Viele Redewendungen drehen sich ums Essen und dabei steckt so viel mehr dahinter.
Wenn uns etwas auf den Magen schlägt, dann meinen wir damit, dass Erlebnisse und Erfahrung, die wir im Leben machen, nicht spurlos an uns vorüber gehen, negativ aber auch positiv. Liebe geht nämlich bekanntlich durch den Magen.
Nicht nur das Jubelpaar, das heute unter uns ist, könnte dazu vielleicht jetzt etwas sagen, sondern wahrscheinlich wir alle. Wenn es Menschen schmeckt, dann ist die Welt um sie herum irgendwie in Ordnung. Es ist Ausdruck eines Wohlbefindens. Ob es schmeckt hängt nicht nur davon ab, was auf den Tisch kommt, sondern auch in welcher Situation sich Menschen befinden, wer oder was sozusagen mit am Tisch sitzt.
Als ich vor nunmehr fast 30 Jahren in unser Kloster eingetreten bin, da haben die damals alten Mitbrüder immer mal wieder gesagt, dass man auch am Essverhalten eines Menschen feststellen kann, ob die Berufung passt oder nicht. Ob es jemanden schmeckt, ist zwar nicht das letzte Kriterium, aber es sagt und drückt schon etwas aus, vielleicht mehr als man auf den ersten Blick denkt. „Es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr“
Liebe Schwestern und Brüder, nicht nur Liebe geht durch den Magen, sondern vieles andere auch: Trauer, Angst, Sinn oder Sinnlosigkeit, Erfolg oder Erfolglosigkeit, Mut oder Mutlosigkeit. All das muss sozusagen verdaut werden. Auch der Glaube macht hier keine Ausnahme: Auferstehung und alles, was damit verbunden ist, muss verdaut werden, geht durch den Magen.
Habt Ihr etwas zu essen, so fragt Jesus seine Jünger.
Ihnen liegt vielleicht eine ganz andere Frage auf der Zunge, nämlich: Was gibt es heute zu essen? Vielleicht kennen oder wissen Sie auch schon die Antwort und freuen sich auf etwas. Wenn dem so ist, dann wünsche ich Ihnen nicht nur einen guten, sondern auch einen gesegneten Appetit, denn es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr. Eigentlich jedes Mal, wenn wir uns an den Tisch setzen. Auch jetzt, wenn wir jetzt am Tisch der Eucharistie Platz nehmen.
Wenn wir das Leben teilen, wie das täglich Brot, wenn alle, die uns sehen, wissen: Hier lebt Gott: Jesus Christ, Feuer, das die Nacht erhellt, Jesus Christ, du erneuerst unsere Welt.
Wenn wir das Blut des Lebens teilen, wie den Wein, wenn man erkennt: In uns wird Gott lebendig sein: Jesus Christ, Feuer, das die Nacht erhellt, Jesus Christ, du erneuerst unsere Welt.
L: Apg 4,13-21
Ev: Mk 16,9-15
Liebe Freunde unseres Klosters,
liebe Schwestern und Brüder!
Vom sog. Guinness Buch der Rekorde wird wohl jeder und jede von uns schon einmal gehört haben, die einen mehr, die anderen weniger. In diesem Buch, das seit 1955 erscheint, werden Höchstleistungen und Extremwerte aus ganz verschiedenen Bereichen des Lebens und der Welt gesammelt und aufgelistet. Von Zeit zu Zeit erfahren wir davon, dass es mal wieder jemand in dieses Buch der Rekorde geschafft oder dass er einen darin verzeichneten Rekord übertroffen hat.
Dieses Buch lebt nicht nur davon, dass Menschen wissen wollen, was da alles drinsteht, sondern es lebt vor allem davon, dass es Menschen gibt, die da unbedingt mit einem Rekord hineinwollen. Deshalb gibt es in diesem Buch wirklich ganz tolle Dinge, aber auch solche, die man zweifelhaft nennen könnte oder als solche ansieht. Es gibt aber auch Rekorde, bei denen wir nicht so recht wissen, zu welcher Art wir sie zählen sollen, weil wir nicht um die Bedeutung oder die möglichen Auswirkungen wissen.
Übrigens, wenn ich richtig informiert bin, kostet der Eintrag in das Buch für einen neuen Rekord 825,- Euro und bei einem bereits bestehenden Rekord 650,- Euro.
Vor wenigen Wochen habe ich in einem Interview von einem Menschen gehört, der einen neuen Rekord aufgestellt hat. Eine Frau konnte bei der Zahl Pi 15637 Stellen hinter dem Komma richtig aufzählen. Das hat exakt 2 Stunden und 41 Minuten gedauert. Diese Frau laden wir mal zum Freundeskreistreffen ein, oder? Dann ist das Programm gesichert.
Interessant an diesem Rekord fand ich ihre Erzählung bzw. Erklärung, wie sie das gemacht hat, sich diese vielen Kommastellen zu merken. Sie sagte, dass sie sich in Gedanken eine Art Reiseroute durch ihr Leben mit Ereignissen und Erlebnissen eingeprägt, diese mit Zahlen kombiniert und dann einfach nacherzählt hat. Logisch, oder?
Das Leben eine Art große Zahl, bei diesem Beispiel allerdings nicht vor dem Komma, sondern hinter dem Komma – auch das fand ich irgendwie bemerkenswert. Meistens schauen wir ja darauf, was vor dem Komma steht und nicht unbedingt auf das, was hinter dem Komma steht. Da runden wir schnell mal auf oder ab.
Was vor dem Komma steht, scheint das zu sein, was augenscheinlich zählt, aber was nach dem Komma steht, geht ins Detail, macht es vielleicht interessant und unverwechselbar.
Vor einer Woche haben wir Ostern gefeiert und wir feiern es sozusagen 50 Tage lang bis Pfingsten. Der Vergleich einer Lebensreise mit den Erlebnissen und Ereignissen, ist für mich so etwas wie 50 Kommastellen danach.
In den biblischen Texten, die wir in dieser Zeit hören, wird versucht zu beschreiben, wie das bei den Menschen angekommen ist, welche Auswirkungen das für das Leben der Menschen hatte, wie sich Menschen darin wieder finden: Auferstehung, die Begegnung mit dem Auferstandenen.
Maria aus Magdala spielt in diesen Geschichten eine besondere Rolle, immer wieder wird sie in diesen Erzählungen erwähnt und auch so manches Detail aus ihrem Leben. Heute so ganz nebenbei, dass Jesus sieben Dämonen bei ihr ausgetrieben hat, was immer das in ihrer Lebensgeschichte genau heißen mag.
Es wurde im heutigen Evangelium aber auch erwähnt, dass diese Botschaft von der Auferstehung nicht immer gleich auf Gehör und Zustimmung gestoßen ist, sondern auch Zweifel und Ablehnung ausgelöst hat. In der Lesung aus der Apostelgeschichte werden Verbote ausgesprochen, fast so etwas wie eine Art Nachrichtensperre. Es hat aber alles nichts genutzt.
Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen. Mit diesem Auftrag des Auferstandenen endete der Evangelienabschnitt. Und tatsächlich, die Botschaft von der Auferstehung hat sich über die ganze Welt ausgebreitet und ausgedehnt. Sonst wären wir heute wohl nicht hier
Man könnte auch sagen, diese Botschaft hat einfach Kreise gezogen, Kreise in ganz verschiedene Kulturen, Kreise vor allem in ganz verschiedene Lebensgeschichten hinein mit den Details, den Erlebnissen und Erfahrungen, auch in mein ganz persönliches Leben hinein.
Kreise ziehen. Bei Kreisen spielt die eingangs erwähnte Zahl Pi eine wichtige Rolle. Pi, landläufig eben nur mit 3,14 abgekürzt, ist dieser Faktor für die Berechnung des Umfangs (d x pi) bzw. der Fläche (r2 x Pi) eines Kreises. Je länger die Zahl hinter dem Komma, umso genauer fällt die Berechnung bzw. Beschreibung aus.
Die Zahl Pi, 3,14, hat eben viele, sehr viele Stellen hinter dem Komma, so wie sich das Leben aus ganz vielen und verschiedenen Details zusammensetzt, die alle zum Leben dazu gehören, auch wenn man viele nicht oder nicht immer beachtet oder einfach über sie hinwegsieht.
15637 Stellen der Zahl konnte diese Frau fehlerfrei aufzählen. Hilfe war ihr dabei, ihr Leben wie in einer Reise nachzuerzählen.
Kreise ziehen, das hat viel mit Glauben und Auferstehung zu tun. Der Glaube an den Auferstandenen und an die Auferstehung hat einfach Kreise gezogen.
Ein Lied drückt es so aus:
Zieh den Kreis nicht zu klein.
Wenn du singst, sing nicht allein, steck andere an, Singen kann Kreise ziehn.
Wenn du sprichst, sprich nicht allein, sprich andere an, Sprechen kann Kreise ziehn.
Wenn du hörst, hör nicht allein, steck andre an. Hören kann Kreise ziehn.
Wenn du weinst, wein nicht allein, steck andre an. Weinen kann Kreise ziehn.
Wenn du lachst, lach nicht allein, steck andre an. Lachen kann Kreise ziehn.
Zieh den Kreis nicht zu klein.
Auch in diesem Sinne, willkommen zum Freundes-Kreis-Treffen.
Predigt 2. Ostersonntag 2023
Lesung: Apg 2,42-47
Evangelium: Joh 20,19-31
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Begegnung des Auferstandenen Jesus mit dem Apostel Thomas ist uns gut bekannt, obwohl wir sie nur aus dem Johannesevangelium kennen, die anderen Evangelisten haben diese Erzählung nicht. Offenbar war sie aber Johannes sehr wichtig, und dass sie der Kirche wichtig war und ist, erkennen wir allein daran, dass diese Erzählung jedes Jahr gelesen wird, am Weißen Sonntag ist Thomas dran, dass wissen sehr viele. Da geht es zunächst um den Zweifler Thomas. Am Ostersonntag hatte er den Satz ausgesprochen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe, wenn ich meine Finger da nicht hineinlegen kann und meine Hand nicht in seine Seitenwunde, dann glaube ich nicht. Thomas ist ein realistischer Mensch, und Thomas ist ein, das könnte man sagen, sehr moderner Mensch. Man kann fast den Eindruck haben, als ob der Evangelist Johannes hier prophetisch ein paar Jahrhunderte überspringt und in unserer Zeit landet, die Menschen heute in den Blick nimmt, Menschen, die frei geworden sind von irgendwelchen utopischen Wunschvorstellungen und die sehr realistisch dem Leben begegnen. Und da ist es klar, dass ein toter Mensch nicht einfach wieder zum Leben kommt, ein toter Körper wird nicht wieder lebendig, sondern bleibt tot.
Eine Woche später findet dann diese besondere Begegnung statt. Thomas ist mit den anderen versammelt, Jesus ist wieder da, er geht auf den Thomas zu, und er zeigt ihm seine Wundmale, ja er fordert ihn geradezu auf, diese Wunden zu berühren. Damit wird einerseits jeder Zweifel beiseite geräumt, und das Bekenntnis des Thomas folgt prompt: Mein Herr und mein Gott, und das heißt auch: hier geht es noch um mehr, hier geht es um Beziehung. Den Finger in die Wunde legen, das ist nicht angenehm weder für den der es tut, noch für den, der es an sich geschehen lässt; den Finger in die Wunde zu legen, das schmerzt; den Finger in die Wunde zu legen, das ist gefährlich, denn eine frisch zugeheilte Wunde könnte schnell wieder aufgehen, von Infektionen ganz zu schweigen; den Finger in die Wunde zu legen, das braucht darum sehr viel Behutsamkeit, auf keinen Fall Gewalt; den Finger in die Wunde zu legen, das hat darum sehr viel mit Vertrauen zu tun, mit Vertrautheit, das darf nicht jeder. Doch bei aller Vorsicht können wir nicht daran vorbei, dass es in den Ostererzählungen diesen Passus gibt, nämlich die Aufforderung Jesu, den Finger in seine Wunde zu legen. Und damit bin ich bei dem, was daraus sprichwörtlich oder sinngemäß geworden ist. Am Anfang der Kirche, ist uns die ausdrückliche Aufforderung ins Stammbuch geschrieben, den Finger in die Wunde zu legen, das heißt übersetzt, Dinge beim Namen zu nennen, die nicht stimmen, die letztlich nicht dem Evangelium, der Botschaft Jesu, seinem Reden und Tun, entsprechen. Und in der Tradition der Kirche begegnet uns dieser Auftrag in verschiedener Formulierung. Der heilige Benedikt spricht von der correctio fraterna, übersetzt, die brüderliche Zurechtweisung oder vielleicht noch besser gesagt: gute Kritik üben. Unter den geistigen Werken der Barmherzigkeit finden sich die beiden Werke „Unwissende belehren“ und „Sünder zurechtweisen“. Und es besteht kein Zweifel, dass jegliches Zusammenleben von Menschen eines Instrumentariums bedarf, mit dem Missstände benannt werden können in einer guten Weise. Wir schwer tut man sich z. B. in der Familie wenn das Zusammenleben belastet ist durch das Alkoholproblem eines Partners, eines Elternteils; wer spricht das aus, wer steigt da aus und sagt: Ich halte es nicht mehr aus? Oder, wenn es dran ist, dass der junge Mensch nicht mehr auf Kosten der Eltern lebt, sondern sich auf eigene Füße stellt, wer spricht das aus? Oder, wie schwer tut man sich, den alten Eltern zu sagen, ihr könnt nicht mehr alleine wohnen, ihr braucht Hilfe? Oder, Du kannst nicht mehr Auto fahren, das ist eine Gefahr, für dich und für andere. Wer solch eine Verantwortung übernimmt, ist meistens der Buhmann, der Böse, obwohl er höchsten Respekt verdient. – Den Finger in die Wunde legen.
In der Gesellschaft ist es ähnlich. Herum zu motzen und alles Mögliche zu kritisieren ist relativ leicht, zumal unsere sozialen Netzwerke hier die beste Möglichkeit bieten, anonym den größten Unsinn und die dümmsten Banalitäten zu verbreiten, die dann doch von irgendwem geglaubt werden. Dinge in guter Weise zur Sprache zu bringen und zwar dort, wo sie hingehören, dort wo es Mut kostet, das ist etwas anderes. Ich halte nicht viel von der Aktion, sich hier in Deutschland auf die Straße zu kleben, aber ich habe sehr großen Respekt vor Klimaaktivisten, die sich mit ihrer Botschaft auch nach Russland oder China trauen.
Auch in der Kirche tun wir uns schwer, Dinge beim Namen zu nennen. Menschen tragen heute noch die Folgen von Gewalt und sexuellen Übergriffen, weil andere, viele, Menschen weggeschaut haben, weil man einen Priester oder Ordensmenschen doch nicht kritisiert hat: „Es kann doch nicht sein, dass der so etwas tut.“ Menschen sind Opfer geworden, und der Schaden, den die Kirche insgesamt hat, ist immens, weil man ihr nichts Gutes mehr zutraut. Und lernen wir daraus? Viele engagieren sich heute in der Kirche, sie erleben einen Reformstau, sie wollen Veränderungen, weil sie davon überzeugt sind, dass unsere Welt Kirche braucht, die christliche Botschaft braucht, und weil sie diesen freiwilligen Rückzug aus der Gesellschaft nicht einfach hinnehmen möchten. Und sie müssen erleben, dass auch sie zu Buhmännern gemacht werden, dass man sie verdächtigt, dass man ihnen die Anbiederung an den Zeitgeist vorwirft oder ihnen unterstellt, sie würden oder wollten die Kirche spalten.
Oder: in unseren immer kleiner werdenden Gottesdienst-gemeinden oder geistlichen Gemeinschaften, wo man sich gegenseitig stützen müsste, gibt es, gefühlt, immer mehr Menschen, die in ihrer Spiritualität oder Frömmigkeit zu Extremen neigen und sich dabei auch noch irgendwie zum Maßstab stilisieren. Bei genauerem Hinsehen hat das alles oft wenig mit Frömmigkeit zu tun, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass man es einfach nicht aushält, einer von vielen zu sein, dass man sich irgendwie abheben muss, dass man besser sein muss, frömmer eben. Der Dichter Matthias Claudius hat für solches Getue das Wort Frömmelei gebraucht, und er hat damit den Finger in eine Wunde gelegt.
Liebe Schwestern, den Finger in die Wunde legen, das benennen, was nicht stimmt, das benennen, was mir zu schaffen macht, meine Zweifel, den Finger in die Wunde legen und dann glauben, Mein Herr und mein Gott – darum geht es im heutigen Evangelium. Allerdings beginnt auch die heutige Begegnung zunächst mit dem Satz: Friede sei mit Euch! Dieser Zuspruch gilt allen, und die Frage, die damit verbunden ist, gilt allen: Willst Du diesen Frieden, willst du ihn dir schenken lassen, willst du diesen Frieden nicht nur für dich, sondern ebenso für deinen Nächsten? Immer dann, wenn wir den Finger in eine Wunde legen, dann kann und darf es im Letzten nur darum gehen, um diesen Frieden.
Amen.
Dem Leben entgegen
Liebe Schwestern und Brüder!
Seit ein paar Wochen steht in der Antarktis am Südpol ein Wegweiser, der in Richtung des oberbayrischen Tittmoning zeigt und der zudem auch die exakte Entfernung angibt, nämlich 13277 km. Vielleicht haben Sie sich vor ein paar Tagen auch über diese Meldung im Radio bzw. in der Zeitung gewundert oder – so wie ich – noch mehr amüsiert.
Ein Schreinermeister aus Tittmoning bekam von einem Forscher, der am Südpol arbeitet, den Auftrag, einen Wegweiser in einer ganz speziellen Machart, also „arktistauglich“, anzufertigen, der dann in dessen Heimat Sandstedt bei Cuxhaven zeigen soll. Sozusagen als Dreingabe hätte der Schreiner dann sein Firmenschild mit anbringen können. Er beschränkte sich jedoch auf den Hinweis nach Tittmoning.
Sollte jetzt jemand das sein, der nicht weiß, wo Tittmoning liegt, dann wissen Sie jetzt wenigstens, wo ein Wegweiser nach Tittmoning steht.
Schon eine verrückte Idee, oder? Aber vielleicht steckt hinter dieser, dem Anschein nach verrückten Idee die Erfahrung, dass wir in unserem Leben und in unserem Alltag Wegweiser brauchen, ja dass wir auf sie angewiesen sind. Deshalb gibt es sie überall auf der Welt, nicht nur am Südpol. Wir sind auf die Wegweiser angewiesen, um uns orientieren zu können, damit wir wissen, welchen Weg, welche Richtung wir einschlagen sollen.
Wegweiser sind aber nicht nur Schilder mit den Orts- und Kilometerangaben, sondern auch Menschen können Wegweiser sein, vielleicht sogar noch viel wichtigere Wegweiser, weil sie uns sagen können, wo es hingeht oder wie es weitergehen kann, weitergehen soll. Das gilt ganz besonders für die Situationen, die uns ausweglos erscheinen und in denen wir orientierungslos geworden sind, in denen die Zukunft oft noch viel weiter entfernt zu sein scheint als der Südpol.
Das heutige Evangelium führt uns an einen Ort, den man als unwirtlichen bezeichnen könnte, und den Menschen nicht unbedingt gerne oder freiwillig aufsuchen, nämlich einen Friedhof. Durch die Umstände eines Todes, über die wir in den vergangenen Tagen in den Passionserzählungen gehört haben, ist die Situation ausweglos geworden. Sie mag den Menschen genauso kalt und frostig vorkommen wie am Südpol.
Die Menschen im Evangelium, die zu diesem Friedhof kommen, wissen nicht mehr, wie es weitergehen soll und weitergehen kann: orientierungslos! Das leere Grab tut sein Übriges dazu. Alles, was sie dort noch vorfinden, verunsichert sie noch mehr. Wie soll es weitergehen?
Maria von Magdala scheint sich am ehesten oder schnellsten wieder zu fangen, als sie ihren Namen hören darf, gesprochen von einer Stimme, die ihr bekannt vorkommt und allmählich sogar wieder vertraut wird. Diese vertraute Stimme wird ihr zum Wegweiser. Weil sie auf diese Stimme hört und zu den Brüdern geht, wie es der Auferstandene ihr aufträgt, wird sie selbst zum Wegweiser für andere: Ich habe den Herrn gesehen. Er lebt, ich habe ihn gesehen.
Wegweiser zu finden und zu sehen gehört zum Geheimnis des Osterfestes und ist fast so etwas wie ein Inbegriff des Osterfestes. Es steckt in so manchem Brauch, der mit diesem Fest verbunden ist. Wenn Kinder heute Ostereier suchen, dann brauchen auch sie solche Hinweise und Wegweiser, die ihnen durch andere – in welcher Form auch immer – sozusagen an die Hand gegeben werden. Schaut mal da hin! Könnte nicht da etwas sein?
Wie geht es weiter? Wo geht es weiter? Geht es überhaupt weiter? Das sind Fragen aus Erlebnissen und Erfahrungen unseres Lebens, die weit über Ostern hinaus reichen. Für diese Fragen, die sich Menschen immer wieder stellen und denen sich Menschen stellen müssen, kann das Ostergeschehen eine Art Wegweiser sein.
Wegweiser gibt es ganz viele und ganz unterschiedliche, auch in den Zeichen dieses Festes: die Osterkerze und ihr Licht, das Wasser, die frischen Blumen und auch die Speisen, die sie heute mitgebracht haben, damit sie gesegnet werden.
Ich sah für mich einen solchen Wegweiser in einer Karte, die ich zu Ostern von jemanden geschickt bekommen habe, der mir vertraut ist und dem ich vertraue, weil ich ihn auch fragen kann: Was meinst Du? Was könnte ich oder was sollte ich da tun?
Diese Karte hat mich angesprochen, nicht nur weil mein Name genannt wurde, sondern weil darin auch eine Frage aufgegriffen war, die ich genauso gut kenne, wie sie wahrscheinlich auch: In welche Richtung geht’s?
In welche Richtung geht’s?
So fragen wir im Kleinen und im Großen.
Manchmal übersehen wir – oder fehlt ein Orientierungsschild.
In welche Richtung geht’s?
So fragen schon Kinder und Jugendliche im Blick auf Schule und Beruf und die Frage bleibt im Erwachsenenalter.
In welche Richtung geht’s?
So fragen wir gegenwärtig in all den Verunsicherungen in unserer Welt durch Kriege, Naturkatastrophen, Klimawandel, Energiekrise und Inflation…
In welche Richtung geht’s?
So fragen wir persönlich im Blick auf unsere Zukunft, vor allem wenn Krankheit oder ein Schicksalsschlag uns heimsucht.
In welche Richtung geht’s?
So fragen wir Christen im Blick auf unsere Kirchen oder im Blick auf unsere Ordensgemeinschaften oder unsere je eigene Lebens- und Glaubensgeschichte.
Da geschah es, dass einer aufstand und zeigte wohin es geht: DEM LEBEN ENTGEGEN!
Dem Leben entgegen! Schlagen wir mit Ostern Wege ein, die zum Leben führen, die zum Leben verhelfen. Wenn für uns Ostern mit dieser Einladung und Botschaft „dem Leben entgegen“ zum Wegweiser wird, dann können auch wir, wie Maria von Magdala, für andere Menschen zum Wegweiser werden. Menschen, die nicht wissen, wie es weitergehen soll oder in welche Richtung es geht.
Dem Leben entgegen! Für Dich, wer immer Du bist und wo immer Du auch wohnst, in Scheyern, in Tittmoning, am Südpol oder woher auch immer Sie heute in unsere Basilika gekommen sind. Es stand einer auf und zeigte, wohin es geht: Dem Leben entgegen!
In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gesegnetes und orientierungsreiches Osterfest. Halleluja!
Predigt Osternacht 2023
Lesung: Röm 6,3-11
Evangelium: Mt 28,1-10
Liebe Schwestern und Brüder!
Wie wird das eigentlich sein, Ostern ganz konkret? Diese Frage hab ich mir vor kurzem gestellt, als ich am Bett einer 90jährigen Frau deren Sterben miterleben konnte. Ganz ruhig, ganz still, ist es zu Ende gegangen, und die einzige Sorge dieser Frau, ich könnte allein sein beim Sterben, war unbegründet, denn wir standen zu fünft an ihrem Bett. „Ein Sterben, fast wie im Bilderbuch“, so haben wir hinterher gesagt. Wie wird das sein, Ostern für diese Frau: Keiner weiß das, aber ich wage mir vorzustellen, dass dieser Friede nicht gestört wird, dass diese Frau genau so ruhig aufgeweckt wird, und dass sie etwas erleben darf, das über alles hinaus geht, was diese 90 Jahre ausgemacht hat. Und vor allem dies: Nicht allein sein. Erfüllung – hier war schon beim Sterben etwas davon zu spüren.
Natürlich weiß ich: Nicht jeder Mensch stirbt so, nicht jedem ist das so geschenkt. Menschen werden manchmal herausgerissen aus ihrem bisherigen Leben, durch Krankheit oder Unfälle, vielleicht sogar durch Leichtsinn oder Schuld anderer. Und der Gedanke, da ist etwas noch nicht zu Ende, es hätte noch Zeit gebraucht – dieser Gedanke begleitet Menschen vielleicht bis in den Tod hinein. Menschen sterben, und vielleicht hat man das Gefühl, sie haben doch noch nie gelebt, wirklich gelebt, immer haben sie nur am Leben der anderen teilgenommen, sozusagen als blinder Passagier. – Und wenn Ostern wirklich Erfüllung sein soll, dann gibt es hier vielleicht noch einiges zu tun. Menschen sterben, vielleicht mit einem ungelösten Konflikt, vielleicht mit einer Schuld, ohne dass sie Gelegenheit hatten oder die Kraft dazu, noch einmal ein Wort der Versöhnung zu sagen oder zu hören, Menschen sterben im Krieg, als Soldaten, die Befehle ausführen müssen, als zivile Opfer, die eben nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren, blindes Schicksal; Menschen sterben und manch ein Tyrann wird vielleicht aufwachen mit der schmerzlichen Erkenntnis: das Leben all der Menschen, die ich so verheizt habe, ist genauso viel wert wie mein eigenes. Welch eine bittere Erkenntnis und welch eine Reue, die da noch kommen müssen! Wir könnten diese Reihe noch fortsetzen, aber vielleicht ist die Antwort längst klar: Ostern lässt sich nicht auf einen Nenner bringen, Ostern kann sehr verschieden sein, Ostern hat viele Facetten, Ostern wird etwas sehr Persönliches sein, und es ist dabei nicht unwesentlich, wie ein Mensch gelebt hat.
Wir feiern heute Ostern, und auch unsere Liturgie hat etwas von dieser Vielschichtigkeit. Wir haben uns langsam vorgetastet bis zur eigentlichen Osterbotschaft im Evangelium. Wir haben das Licht am Osterfeuer entzündet und in die dunkle Kirche getragen. Wir haben uns über das Licht gefreut, den großen Lobpreis auf die Osterkerze gehört, in der wir Christus verehren. Aber auch hier spüren wir, völlig eindeutig sind diese Zeichen nicht, das Feuer, das für uns Wärme und Licht ist, es kann auch zerstören.
Wir haben die Lesungen gehört: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, die Erde war wüst und wirr, und Finsternis lag über der Urflut. Gott sah, dass es gut war, so heißt es jedes Mal, und das sollen wir mit diesen Geschichten auch hören, aber selbst hier spüren wir die andere Seite: Es ist doch auch eine Gewalt, die da Ordnung bringt ins dunkle Chaos, es ist eine gewaltige Macht, die uns auch Angst machen kann. Oder die große Befreiungsgeschichte, das Volk Israel am Roten Meer, unbeschadet zieht das Volk durch das Trockene, gleichzeitig kommen die Verfolger um in den Fluten. Immer spüren wir diesen Hauch von Ambivalenz, auch wenn wir seit Kindertagen wissen, es geht ums Leben, und es geht um einen Gott, der das Leben will, der unser Leben will; aber Ostern lässt sich nicht einfach auf einen Nenner bringen, Ostern hat viele Facetten. Und das spüren wir sogar noch, wenn wir das Evangelium hören. Die beiden Frauen kommen zum Grab, gleich nachdem der Sabbat vorüber war, es ist noch früh, Sonntag, die Arbeitswoche beginnt. Und das Erste, was sie erleben, ein gewaltiges Erdbeben und ein Engel, der Stein wird vom Grab gewälzt, außergewöhnliche Erscheinungen, die nicht nur Freude verbreiten, die Wächter können diese Erscheinungen nicht deuten, sie erschrecken, sie sind wie erstarrt, wie tot fallen sie zu Boden. Aber zu den Frauen redet der Engel:
Fürchtet euch nicht – ein Satz, der so oder abgewandelt fast 400 Mal in der Bibel vorkommt, die Sprache Gottes, sein Erkennungsmerkmal. Und dann erfahren die Frauen: Ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten, er ist nicht hier, er ist auferstanden. Und wie zur Bestätigung bekommen sie den Ort gezeigt, an dem er lag. Doch da dürfen sie nicht lange verweilen, schon folgt der Auftrag: Geht zu den Jüngern, sagt ihnen, er ist von den Toten auferstanden, in Galiläa werdet ihr ihn sehen.
Und genau das tun die Frauen, weg vom Grab mit Furcht, ja, aber vor allem mit großer Freude. Und in dieser Stimmung begegnet ihnen Jesus, die Frauen werfen sich vor ihm nieder, aber sie erkennen ihn, für sie es ist kein Erschrecken, und es ist keine Angst. Trotzdem wird ihnen der Auftrag des Engels noch einmal gesagt und noch einmal das „Fürchtet euch nicht.“ Furcht hat mit dem Zweifel zu tun, mit der Ambivalenz, mit dem Nicht-genau-wissen, Jesus will, dass ihm vertraut wird.
Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir Ostern feiern, dann stehen wir in der Tradition dieser Frauen; Auch wir sind oft wie auf dem Weg zum Grab, wir erleben Unsicherheit, vielleicht Sorge, wir haben mehr Fragen als Antworten, wir erfahren mehr Tod als Leben. Wichtig ist, dass wir gehen, hingehen. Und wenn dabei die Botschaft dieser Frauen unsere geworden ist, dann haben wir einen Kompass durchs Leben, dann ist aus der Ambivalenz Eindeutigkeit geworden, dann können wir aus der Vielschichtigkeit des Lebens die Stimme Gottes heraushören. Wenn wir von diesen Frauen lernen, dann erkennen wir auch die Eindeutigkeit in unserer Liturgie: Sie will sprechen von einem Gott, der da ist, und der alles in seiner Hand hält, sie will sprechen von dem Licht, das Hoffnung ist, Kraft und Wärme, sie will sprechen von den tiefen Erfahrungen, die Menschen gemacht haben, die Halt geben, festen Boden unter die Füße. Wenn wir von diesen Frauen lernen, wenn wir uns von ihnen an die Hand nehmen und führen lassen, dann begegnen wir Jesus dem Auferstandenen. Und der spricht auch uns an: Fürchtet euch nicht. Wenn wir auf diese Frauen hören, dann werden wir irgendwann auch wissen, wo unser Galiläa ist, wo wir Jesus begegnen und sehen. Und dann wird am Ende unser persönliches Ostern das Fest der Begegnung mit ihm, ein Fest in großer Freude und Erfüllung.
Amen.
Ins Gesicht geschrieben
Wir Menschen haben nicht nur ein Gesicht, sondern wir Menschen machen auch ein Gesicht. Als Gesichtsausdruck bezeichnen wir diese Eigenschaft an uns Menschen. Aus unserem Gesichtsausdruck kann man mehr oder weniger gut ablesen, in welcher Stimmung wir uns befinden oder wie uns zumute ist. Man kann an unserem Gesicht etwas ablesen, weil das Leben mit seinen Erfahrungen und Erlebnisse uns sozusagen etwas ins Gesicht schreibt.
In der Passion Christi, der Leidensgeschichte, die wir gerade gehört haben, geschehen Dinge, die an Menschen nicht spurlos vorübergehen, sondern die Spuren hinterlassen, sich sozusagen in den Gesichtern der Menschen abbilden.
Beim Kinderkreuzweg heute Vormittag haben die Kinder den Menschen, die auf den großen und plakativen Kreuzwegtafeln zu sehen waren, ins Gesicht geschaut und konnten dabei ganz gut herauslesen, was in diesen Menschen wohl vorgeht. Da gab es Schmerz, Trauer, Hilflosigkeit und Verzweiflung, aber auch Gleichgültigkeit, Spott, Häme, Verachtung und Hass. Alles, was Menschen so umtreiben und erfüllen kann, schreibt sich in unser Gesicht.
In den sozialen Kommunikationsmitteln, mit denen nicht nur die Kinder ganz selbstverständlich umgehen, werden über kleine Gesichter, die sog. Smileys, ganze Botschaften verschickt, die man sonst aufwendig, ausführlich beschreiben und in Worte fassen müsste. Diese Smilyes werden immer mehr und ausgefeilter, so dass sich darin praktisch das ganze menschliche Leben abbilden lässt. Es gibt auch ein Smiley für den Schuldigen oder den Leidenden, den Gleichgültigen und den Teilnahmslosen. Auch die Entscheidung, das Urteil, das über Jesus gefällt wurde, ließe sich ganz leicht darstellen: Daumen rauf oder Daumen runter. Die Passion in Smileys, in Gesichtern dargestellt.
Jesus ist das menschliche Gesicht Gottes und auch er hatte damit eine Botschaft. Jesus hat Menschen angeschaut und hat ihnen dadurch Ansehen verliehen, auch in den Situationen und Lebenslagen, wo man nicht gerne hin-, sondern lieber wegschaut oder drüber hinwegsieht. Jesus das menschliche Gesicht Gottes. Das, was mit ihm und an ihm geschehen ist, hat sich ihm ins Gesicht geschrieben. Ein Lied greift das so auf: Du edles Angesichte, vor dem sonst alle Welt erzittert im Gerichte, wie bist du so entstellt. Wie bist du so erbleichet, wer hat dein Angesicht, dem sonst ein Licht nicht gleichet, so schändlich zugericht?
Jesus hatte nicht nur ein Gesicht, sondern er machte auch ein Gesicht. An seinem Gesicht konnte man ablesen, was ihm ins Gesicht geschrieben wurde. In ihm schaut uns Gott an, auch an den Karfreitagen unseres Lebens und mit allem, was uns dadurch ins Gesicht geschrieben wird und geschrieben ist.
Aufgetischt
Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn Menschen, wenn wir davon sprechen, dass „ganz schön aufgetischt“ wurde, dann werden wohl die meisten an ein gutes Essen denken, das durch die Reichhaltigkeit, die Vielfalt, den Geschmack, die Art der Zubereitung auf uns nicht nur einen Eindruck gemacht hat, sondern auch einen meistens positiven Eindruck bei uns hinterlassen hat und deshalb auch im Gedächtnis geblieben ist. Da wurde ganz schön aufgetischt und man hat vielleicht sogar Mühe, es zu beschreiben.
Diese Redewendung vom Auftischen hat in unserer Sprache auch noch eine andere Bedeutung. Wenn ganz schön aufgetischt wird, dann kann damit auch gemeint sein, dass etwas zur Sprache kommt, mit dem man eigentlich nicht gerechnet hat, etwas, was Menschen beschäftigt und ihnen nachgeht und so einen positiven oder auch einen negativen Eindruck, vielleicht einen „faden Nachgeschmack“ hinterlassen kann. Auch Lügen können in diesem Sinn „aufgetischt werden“.
Es fand ein Mahl statt! So haben wir gerade im Evangelium gehört. Die Speisekarte bzw. die Menüfolge des Mahls wurde allerdings nicht erwähnt. Wir können sie uns aber erschließen aus der ersten Lesung im Buch Exodus. Beim Paschamal gab es immer das Gleiche, nämlich ein Lamm, Bitterkräuter und ungesäuertes Brot. Die Zubereitung und der Zeitpunkt sind etwas ganz Besonderes. Es wird aufgetischt, damit etwas in Erinnerung bleibt, nämlich die Erinnerung an die Errettung Israels aus Ägypten.
Es fand ein Mahl statt! Neben den erwähnten Speisen tischt Jesus während des Mahles noch etwas auf, etwas ganz Besonderes, mit dem seine Jünger nicht gerechnet hatten. Was er ihnen da sagt und deutlich machen will, könnte man auch so formulieren: Er schenkt ihnen reinen Wein ein und gibt ihnen hartes Brot zu essen. Das einander dienen und einander beistehen ist für Jesus die Vollendung der Liebe! Da er die seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung. Reiner Wein und hartes Brot.
Diese Art der Liebe im Zeichen der Fußwaschung macht nicht nur Eindruck, sondern sie verstört und löst Widerspruch aus, bei dem sich Petrus zum Sprecher macht: Niemals Herr!
Jesus bleibt hartnäckig und schenkt sozusagen noch einmal nach und tischt auf. Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Bespiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.
Das müssen die Jünger erst mal schlucken und daran haben sie zu beißen. Eigentlich ist es bis heute so geblieben. Reiner Wein und hartes Brot! Aber dieser reine Wein ist der Wein des Heils und dieses harte Brot ist das Brot des Lebens. Von beidem können Menschen leben und auch für beides können Menschen leben. Dieser reine Wein und dieses harte Brot, das Jesus auftischt, stiften Sinn und Gemeinschaft.
Wo es die Gelegenheiten für das einander Dienen und einander Beistehen gibt, das tischt uns sozusagen der Alltag jeden Tag auf und wir haben genug Kreativität und Erfindergeist, es in die Wirklichkeit werden zu lassen. Manchmal fehlt uns dazu die Zeit oder auch der Mut.
Ein Lied aus unserem Gotteslob formuliert es so und ermuntert uns dazu, es einfach zu versuchen, es einfach zu tun. Es wird Eindruck machen und es wird Eindruck hinterlassen.
Wenn wir das Leben teilen, wie das täglich Brot, wenn alle wissen, die uns sehen: Hier lebt Gott.
Wenn wir das Blut des Lebens teilen, wie den Wein, wenn man erkennt: In uns wird Gott lebendig sein.
Wenn wir uns öffnen für den Herrn in dieser Zeit, Wege ihm bahnen , dass er kommt und uns befreit.
Wenn wir die Liebe leben, die den Tod bezwingt, glauben an Gottes Reich, das neues Leben bringt:
Jesus Christ, Feuer das die Nacht erhellt, Jesus Christ du erneuerst unsere Welt.
Reiner Wein und hartes Brot, das die Welt ein Stückchen heller machen kann. Durch uns, aber auch für uns.
Reiner Wein und hartes Brot! Aufgetischt für uns!
Gen 12,1-4a
Evangelium: Mt 17,1-9
Liebe Schwestern und Brüder!
Ich erinnere mich sehr gut an meine erste Begegnung als Grundschulkind mit Abraham. Ein alter Mann wird aus seinem bisherigen Leben herausgerissen: Zieh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Wie begeistert konnte unsere damalige Seelsorgehelferin sprechen über das, was Abraham geschehen war, welchen Mut er aufbringen musste, alles stehen und liegen zu lassen und als alter Mann noch einmal ins Unbekannte aufzubrechen, aber auch über die Verheißungen, die er mit auf den Weg bekam: Ich werde dich zu einem großen Volk machen und: ein Segen sollst du sein. Und in diesem Zusammenhang hörte ich auch zum ersten Mal den Begriff „Vater des Glaubens“. Es hat sich mir damals wahrscheinlich ganz tief etwas eingeprägt: Glauben hat mit Veränderung zu tun, mit einem Weg, mit Aufbruch, mit Wagnis.
Und ich bin heute noch davon überzeugt, genau diese Erkenntnis oder eher dieser Eindruck war und ist richtig. Auch dann, wenn für viele andere die Themen Glaube, Kirche Religion eher von anderen Eindrücken geprägt wurden. Vermutlich gibt es viele, für die Kirche und Glaube eher mit altehrwürdiger Feierlichkeit verbunden sind, oder mit Architektur, Kunst und Ästhetik, mit Musik, mit aufwendigen Gewändern, mit Traditionen. Ja, es scheint nicht wenige zu geben, die von der Kirche zuallererst erwarten, dass sich nichts ändert; Kirche ist dann sozusagen der Fels in der Brandung, gerade in einer Zeit, die so schnelllebig ist, der wir oft nur hinterher hecheln und nie zur Ruhe kommen. Gerade da braucht es doch Orte, wo man ankommen, zuhause sein kann, und nicht das Gefühl hat, dass schon wieder etwas von mir erwartet wird, dass ich schon wieder etwas machen muss. Und tatsächlich haben alle diese Assoziationen, die wir mit Kirche und Glauben verbinden, auch ihre Berechtigung, jedenfalls ein Stück weit.
Und trotzdem bin ich überzeugt, die Erkenntnis von damals, die muss heute bedacht werden. Abraham, der Vater des Glaubens, das heißt, am Anfang unserer jüdisch-christlichen Glaubenstradition steht die Erfahrung eines Gottes, der einen Menschen herausruft aus seiner Gewohnheit, aus seinem bisherigen Leben, aus seiner geordneten Welt; am Anfang steht die Erfahrung eines Gottes, der diesen Menschen auf einen Weg bringt, in Bewegung bringt, in eine Veränderung hinein und eben auch in eine Ungewissheit. Nichts wird so bleiben, wie es war, alles steht auf dem Spiel. Und wenn dem Abraham Verheißungen mit auf den Weg gegeben werden, Segen und ein großes Volk, dann ist er selbst doch jemand, der von diesen Verheißungen gar nicht so viel wahrnehmen wird. Ein Sohn wird ihm zwar noch geboren werden, aber selbst den ist er zunächst seinem Gott zu opfern bereit. Dass dieser Gott solch ein Opfer gar nicht will, das kann er nur dankbar lernen, ein Geschenk des Aufbruchs, von sich aus weiß er es nicht.
Aufbruch, Bewegung, Veränderung, Wagnis – wenn das Wesensmerkmale unseres Glaubens sind, dann kann unsere Zeit, die uns so herausfordert, nicht wirklich so glaubensfeindlich sein, wie wir manchmal meinen. Natürlich, und das ist mit Händen zu greifen, unsere Kirche, so wie wir sie gewohnt waren, wird sich sehr verändern, und wenn es nicht aktiv zugelassen oder gestaltet wird, dann geschieht es halt dadurch, dass Menschen ihr einfach den Rücken kehren, sie nicht mehr interessant finden oder aber in ihren überkommenen Formen keine Antwort mehr finden, auf die Fragen, die das Leben heute an sie stellt. Um nicht missverstanden zu werden: Dass Glaube und Kirche für Menschen heute zunehmend uninteressant zu werden scheinen, das hat viele Ursachen, und es ist nicht damit getan, alles umzukrempeln, sich jung zu gebärden, so zu tun, als hätte Tradition überhaupt keine Berechtigung… Nein, das kann es alles nicht sein. Die evangelische Kirche steht leider auch nicht in Blüte, jedenfalls nicht als Ganze. Andererseits kann es uns nicht egal sein, dass Kirche in manchen Regionen unserer Gesellschaft schon jetzt großflächig verschwindet, es kann uns nicht egal sein, dass Kinder und Jugendliche kaum mehr Geistliche erleben können, die für sie interessant sind, weil die inzwischen ein Durchschnittsalter haben, mit dem junge Menschen einfach nichts mehr anfangen können. Es kann uns nicht egal sein, wenn die wenigen, die sich für einen geistlichen Beruf interessieren, eigentlich Manager werden müssen für Sozialgroßräume, und dann doch abends in ihre leere Wohnung zurückkommen, um dort ziemlich einsam zu sein, es kann doch nicht sein, dass der Begriff Weltkirche bedeutet, dass jede Entscheidung von jedem Punkt der Erde mitgetragen werden muss und es keine regionalen Unterschiede geben kann. Diese Liste von Dingen, die eigentlich nicht sein können, ließe sich fortsetzen. Die Tatsache, dass es viel Missbrauch in der Kirche gegeben hat, offen oder vertuscht, ist ein Zeichen dafür, dass Dinge auch über einen langen Zeitraum falsch eingeschätzt werden können und korrigiert werden müssen. In diesem Zusammenhang und bezogen auf den bereits verstorbenen Kardinal Lehmann, den ich trotzdem weiterhin schätzen werde, hat der jetzige Bischof von Mainz vor 2 Tagen gesagt: „… (Er) und auch andere Leitungspersonen, ein ganzes System hat versagt. Auch die Theologie hat versagt, weil sie überhöhte Priesterbilder entwickelt und ausgebaut hat.“ Haben wir den Mut, daraus zu lernen und wirklich entsprechende Konsequenzen zu ziehen? Oder mit einem Zitat von Dietrich Bonhoeffer gefragt: „Muss es so sein, dass das Christentum, das einstmals so ungeheuer revolutionär begonnen hat, nun für alle Zeiten konservativ ist? Dass jede neue Bewegung ohne die Kirche sich Bahn brechen muss, dass die Kirche immer erst zwanzig Jahre hinterher einsieht, was eigentlich geschehen ist? Muss das wirklich so sein?“
Liebe Schwestern und Brüder, gerade eben waren wir mit Jesus und einigen seiner engsten Freunde auf dem Berg, wir waren dabei bei der Verklärung, wir haben Jesus gesehen, ganz strahlend, und wir haben die Stimme Gottes gehört. Das ist die Verheißung, mit der wir unterwegs ein dürfen. Und Petrus wollte drei Hütten bauen, er wollte den Augenblick festhalten, er wollte da bleiben, verweilen, vielleicht in Anbetung verharren. Gott sei Dank, ist Jesus nicht weiter darauf eingegangen, auch Petrus musste wieder mit, den Berg hinab. Dort ist unser Ort – vorerst. Amen.
L: Joel 2,12-18
Ev: Mt 6,1-6.16-18
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Frauengemeinschaft hat’s erkannt: Ein Faschingsmensch ist der Abt Markus keiner. Und trotzdem habe ich mich am vergangenen Samstagnachmittag beim Faschings-Krapfen-Kaffee köstlich amüsiert bei allem, was an Sketchen geboten und an Liedern gesungen wurde. Ja, Musik kann Menschen mitnehmen, so wie sie sind, und da abholen, wo sie sind.
Auch als Nicht-Faschingsmensch gibt es so eine Art kleines persönliches Faschingsritual, wenn ich eine CD von Rainhard Fendrich hervorkrame, die ich mal zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Rainhard Fendrich, das ist der mit dem „A Herz wia a Bergwerk“. Ein Lied auf der CD hat mich auf ganz eigene Weise mitgenommen, weil es mir so vorher noch nie aufgefallen war. In seiner unverwechselbaren Art und seinem Dialekt singt er da.
Ja aber vü vü schener is des G’fühl, wenn i a Liad g’spia in mir.
Vü vü wärmer als die Sonn‘ mi wärmen kann is ma dann.
Rainhard Fendrich singt in seinen Liedern „vü vom G’fühl“, er singt viel vom Gefühl und meint damit sicher in erster Linie die angenehmen Gefühle, die wir als Menschen im Leben kennen und auch brauchen. Wenn man in seine Lieder aber noch ein bisschen mehr hineinschaut, dann meint er mit dem G’fühl nicht nur diese angenehmen Gefühle, sondern auch ein Gespür, das wir Menschen genauso brauchen für unser Leben.
So hat mich in diesem Jahr dieses Lied vom G’fühl in die Fastenzeit hineinbegleitet, die wir mit dem heutigen Aschermittwoch beginnen. Es ist eine Zeit mit vü G’fühl, wie Rainhard Fendrich vielleicht sagen würde. Es ist eine Zeit, in der es viel auf das Gespür, das richtige Gespür von uns Menschen ankommt. Das Gespür für den richtigen Zeitpunkt, das Gespür für das richtige Maß, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig, das Gespür für den eigenen Körper und auch das Gespür für ein gutes Gefühl.
In diesem Sinne zieht sich das G’fühl, das Gespür wie ein roter Faden durch die Texte aus der Bibel, die wir gerade gehört haben.
Der Prophet Joel fordert Menschen auf, die Herzen zu zerreißen und nicht Kleider. Es geht um das Gespür für Innerlichkeit und Äußerlichkeit und den Unterschied zwischen beidem. Es geht auch um das Gespür, dass wir im Leben nicht nur etwas gewinnen können, sondern auch etwas zu verlieren haben. Wenn der Bezug zu Gott sich auf Äußerlichkeiten beschränkt, dann wird es genauso wie zwischen Menschen keine Beziehungen geben können, sondern dann geht es um Erbringen von Leistungen. Joel kann aber am Ende sagen: Da erwachte im Herrn die Leidenschaft für sein Land und er hatte Erbarmen mit seinem Volk. Aus den „zerrissenen“ Herzen werden beziehungsfähige Herzen und es gelingt Beziehung.
Der Apostel Paulus weist in dem Abschnitt aus dem zweiten Korintherbrief auf ein Gespür hin, was wir auch Unrechtsbewusstsein nennen. Zu merken, wo Unrecht geschieht und geschehen ist, dass Fehler passiert sind oder etwas schief gegangen ist. Und zugleich der Wunsch und die Sehnsucht nach Versöhnung. Also dem Wiederherstellen einer gestörten, vielleicht sogar einer zerstörten Beziehung: Wir bitten an Christi Statt: Lasst Euch mit Gott versöhnen!
Und schließlich der Evangelist Matthäus, der ein Gespür zur Sprache bringt, das gerade für unsere Zeit mit den vielen Effekten und ihrer Vermarktung von entscheidender Bedeutung ist, nämlich wann wird etwas zu Show, zur bloßen und reinen Show. Das Persönliche im Leben braucht kein Rampenlicht um zur Geltung zu kommen, weder in der Fastenzeit, noch darüber hinaus. Auch hier geht es um a G’fühl, um ein untrügliches Gespür, nämlich dass ein Tun, was auch immer und wie viel auch immer, authentisch ist und zu einem Menschen und seinem Leben auch passt.
Ja aber vü vü schener is des G’fühl, wenn i a Liad g’spia in mir.
Vü vü wärmer als die Sonn‘ mi wärmen kann is ma dann.
Vü vü G’fühl!
So wünsche ich uns allen eine gesegnete Fastenzeit, möge sie eine Zeit mit vü G’fühl, mit einem guten Gespür sein, das auch ein gutes Gefühl im Leben hinterlässt.
Gottesdienst zum Valentinstag in Herrenrast
L: Mt 5,35-37
Liebe Liebende,
liebe Verliebte, liebe Sonstige!
Das gibt’s doch gar nicht! So sagen wir, wenn wir unser Erstaunen, unsere Verwunderung, manchmal auch unseren Ärger oder unsere Enttäuschung zum Ausdruck bringen.
Das gibt’s doch gar nicht! Es gibt es nämlich doch, selbst dann, wenn wir etwas überhaupt nicht für möglich gehalten hätten, wenn wir es nie und nimmer gedacht hätten oder es noch so sehr befürchtet hätten.
Das gibt’s doch gar nicht! Hinter diesen Situationen, Begebenheiten oder Erlebnissen können sich viele kuriose und unglaubliche Geschichten und so mancher spektakulärer Zufall und Vorfall verbergen.
Das gibt’s doch gar nicht! Oder doch? Die Radiomacher beim Bayerischen Rundfunk müssen sich immer etwas einfallen lassen, um das Interesse der Hörer zu wecken und sie so bei Laune, also am Radio zu halten.
Wer so, wie ich, Bayern 1 Hörer ist, der weiß, dass der Morgenmoderator Marcus Fahn seit einiger Zeit unter diesem Motto „Marcus will’s wissen. Das gibt’s doch gar nicht oder doch“ nach Menschen sucht, in deren Leben es etwas gibt, von dem die Mehrzahl der anderen Menschen sagt und glaubt, dass es so etwas doch gar nicht gibt.
So wurde beispielsweise nach einem Menschen gesucht, der als Fluggast plötzlich wider Willen selber zum Piloten wurde.
Es wurde gefragt, ob es jemanden gibt, der sein Haus komplett selber gebaut hat.
Ob es eine FFW gibt, bei der der Frauenanteil über 50 % liegt.
Ob jemand über 20 Jahre blind war und dann wieder sehen konnte.
Ob jemand als Baby im Krankenhaus vertauscht wurde.
Ob jemand rückwärts genauso schnell wie vorwärts reden kann.
Ob jemand seinen Lebensretter, seine Lebensretterin geheiratet hat.
Dann gab es auch die Frage, ob es jemanden gibt, der bei der Hochzeit „NEIN“ gesagt hat.
Als ich diese Frage im Radio hörte, da dachte ich mir: Die kenne ich auch! Bei Hochzeitsvorbereitungen mit „heiratswilligen oder heiratswütigen Paaren“ wurde mir, nachdem ich die Fragen bei der Trauung durchgegangen bin, auf die ich ja immer „JA“ erhoffe, die Frage gestellt: „Hat denn schon einmal jemand „NEIN“ gesagt?“ Meine Antwort darauf lautet dann immer: „Sie könnten die Ersten sein!”
Bei mir hat also noch niemand „NEIN“ gesagt, sondern ich bekam auf meine Fragen immer ein JA zu hören, manchmal kräftig, manchmal zaghaft, aber wie ich hoffe, immer aus ganzen Herzen.
So war ich dann wirklich gespannt, ob sich bei Marcus Fahn jemand gemeldet hat. Tatsächlich, es gab jemanden, der „NEIN“ gesagt hat. Vielleicht ist er ja heute sogar hier, dann könnte er die Geschichte selber erzählen und wir würden alle sagen: Das gibt’s doch gar nicht!
So abwegig wäre das gar nicht, denn Franz Xaver Eckmann, der bei der Trauung „NEIN“ gesagt hat, kommt aus Schweitenkirchen. Er hat „NEIN“ gesagt, aber anders als die meisten gedacht haben. Es gab bei der Trauung, die eine Doppeltrauung war, eine Namensverwechslung. Die Bräute hießen beide „Karin“. Er wurde von der Standesbeamtin nach der Karin mit dem falschen, also anderen Familiennamen gefragt. Und so hat er wahrheitsgemäß „NEIN“ gesagt. Das Missverständnis wurde aufgeklärt und dann konnte er bei der „richtigen Karin“ doch „JA“ sagen.
Ob Jesus bei dieser Geschichte auch geschmunzelt und gesagt hätte: Das gibt’s doch gar nicht! Jedenfalls ist sich Jesus der Tragweite dieser kleinen Wörter ja und nein sehr wohl bewusst. Haben wir doch gerade aus seinem Mund gehört: Euer Ja sei ein Ja und euer Nein sei ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.
Ja und Nein sollen nicht so einfach daher gesagt sein, sondern es braucht Menschen, die dahinterstehen und mit ihrem Leben dafür einstehen. Es geht um Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit, es geht um Vertrauen weit über diese Worte hinaus.
Heute an diesem Tag sind Sie da, weil Sie einen Menschen an Ihrer Seite wissen, zu dem Sie ja sagen konnten und immer noch ja sagen können. Vielleicht sind auch Menschen unter uns, die sich das so sehr wünschen würden oder in dieser Hoffnung bitter enttäuscht wurden. Auch dafür ist heute Platz und Raum.
Zu einem Menschen ja sagen zu können, ist ein großes Glück, was aber nicht heißt, dass man dann zu allem „Ja und Amen“ sagen muss, sondern dass es auch ein Nein geben darf und vielleicht geben muss, so wie es die Geschichte aus dem Radio gezeigt hat.
Mit ja und nein zu spielen, es einfach zu sagen, ohne zu überlegen, was es wirklich bedeutet, ist nicht nur ein Risiko, sondern verletzt die Gefühle eines anderen und zerstört Vertrauen, was für das Gelingen des Lebens und des Zusammenlebens unerlässlich ist. Deshalb, so glaube ich, ist es Jesus ein Anliegen, so dass er sagt: Euer Ja sei ein Ja und euer Nein sei ein Nein; Und fügt hinzu: Alles andere stammt vom Bösen. Es geht nicht um ein großmächtiges Schwören bei allen möglichen Dingen, sondern es geht um das Halten und um das Leben.
Zu einem Menschen „JA“ sagen zu können, ist ein großes Glück. Ich hoffe, nein ich glaube, dass Ihnen das allen bewusst ist, sonst wären sie wahrscheinlich heute nicht hier. Franz Xaver Eckmann hat erzählt, dass er mittlerweile 30 Jahre verheiratet ist und dass er weiß, was er an seiner Karin hat.
Ein Sprichwort drückt das so aus:
Glücklich ist nicht der, der alles hat, was er will.
Glücklich ist der, der es zu schätzen weiß, was er alles hat.
Ich glaube, unsere bayerische Sprache kann das noch viel schöner und liebevoller sagen:
Ja, weil i di mog!
L: Jes 58,7-10
Ev: Mt 5,13-16
Liebe Schwestern und Brüder!
Es gehört zum Auf und Ab unseres Lebens, dass Ereignissee, Erlebnisse und Begegnungen Spuren in unserem Leben hinterlassen, auch wenn wir es vielleicht nicht immer gleich merken oder wahrhaben wollen. Manche bezeichnen es auch als Schicksal, dass solche Spuren Fragen aufwerfen oder Manches plötzlich in Frage stellen können. Wir kommen ins Nachdenken, vielleicht auch ins Grübeln. Es stellen sich Zweifel ein oder wir beginnen zu hadern mit Gott und Welt, wie wir die Bandbreite der Themen auch zusammenfassen.
Eine solche Frage, die in unseren Gedanken plötzlich auftauchen und uns beschäftigen kann, lautet: Wofür lohnt es sich zu leben? Wenn Menschen diese Frage in den Sinn kommt, wenn sich diese Frage plötzlich stellt, dann hat sich etwas verändert, vielleicht auch verschoben, so dass wir unser Leben neu ausrichten, das Gleichgewicht unseres Lebens neu finden müssen.
Wir leben in einer Zeit der Veränderungen, die durchaus sehr rasant über uns hereinbrechen können, sei es nun in die kleine persönliche Welt oder in die sog. große und weite Welt. Wenn wir auf die letzten drei Jahre zurückschauen, dann wird uns vielleicht bewusst, was da mit einem Schlag anders geworden ist, positiv wie negativ.
Tag für Tag erreichen uns über die Medien Meldungen aus aller Welt, die auch nicht spurlos an uns vorübergehen. Ich weiß schon, vieles, was wir so über die Nachrichten aus aller Welt erfahren, geht zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus, und doch kann uns die eine oder andere Meldung, aus welchen Gründen auch immer, nahegehen und auch nachgehen.
Ich muss zugeben, dass ich inzwischen sehr selten Nachrichten im Fernsehen schaue. Ich mag mir die Bilder, die so oft Schreckensbilder sind, nicht mehr anschauen. Ich bin dazu übergegangen, mir die Nachrichten im Radio anzuhören oder in der Zeitung nachzulesen. Was ich auf diese Weise erfahre, reicht aus, und ich erspare mir die dazugehörigen Bilder.
Manche wissen es, dass ich bekennender Bayern 1 Hörer bin. Da ist mir neben den Nachrichten ein Programmpunkt aufgefallen, der mir wichtig, ja fast kostbar geworden ist, nämlich: „Die gute Geschichte“. Die höre ich mir gerne an, wenn es mir von meinem Tagesablauf ausgeht.
Diese guten Geschichten sind nicht nur aus unserem Land, sondern aus der ganzen Welt, die weil sie nicht in irgendeiner Weise spektakulär sind untergehen und in den Meldungen keine Erwähnung finden. In der „guten Geschichte“ wird davon erzählt, wie sich Menschen durch Gesten, durch Angebote, durch Dienste und vor allem mit viel Ideenreichtum gegenseitig helfen, unterstützen, aufrichten und damit oft auch ein Antwortversuch auf die Frage sein können: Wozu lohnt es sich zu leben?
Auch diese Geschichten merke ich mir nicht alle, aber auch hier gehen mir manche irgendwie nach, worüber ich auch froh bin. Zum Beispiel die von einem kleinen Jungen, der bei einem Verkehrsunfall im Gegensatz zu den anderen Insassen des Fahrzeugs nicht verletzt wurde, von den Einsatzkräften ein Stofftier bekam, das für ihn in dieser Situation sehr hilfreich war, weil er es einfach festhalten konnte. Als er erfahren hat, dass diese Stofftiere durch Spendengelder finanziert werden, war er spontan bereit, sein angespartes Taschengeld dafür zu spenden, dass auch anderen Kindern auf diese Weise geholfen werden kann.
Und wenn ich dann wieder Nachrichten aus den Kriegs- und Krisengebieten höre, weiß ich, dass dort die Menschen diese Frage, wofür es sich zu leben oder auch zu kämpfen lohnt, ganz anders beantworten werden. An dieser Stelle sei allen gedankt, die in unserem Land und an unserem Ort den Geflüchteten beistehen. Da gibt es Tag für Tag auch viele gute Geschichten, die es nicht ins Radio schaffen, obwohl man durchaus die eine oder andere Geschichte auch melden könnte.
Wofür lohnt es sich zu leben? Diese Frage spielt bei den Texten, die wir gerade aus der Bibel gehört haben, eine Rolle, auch wenn uns das zuerst vielleicht nicht auffällt. Der Prophet Jesaja bringt es so auf den Punkt: Wenn du den Darbenden satt machst, dann geht im Dunkel dein Licht auf. Der Dienst am Nächsten ist immer auch ein Dienst an mir selbst. Er geht auch an mir nicht spurlos vorüber. So fährt Jesaja fort: Wenn du dann rufst, wird der Herr dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: Hier bin ich.
Wofür lohnt es sich zu leben? Auch Jesus hat dafür eine kurze aber eine sehr klare Antwort: Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt! Er fragt nicht danach, ob wir damit einverstanden sind, ob uns das passt oder recht ist, sondern er mutet es uns zu und er traut es uns auch zu. Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt!
Dieses Tun, oder besser gesagt, dieses Sein geht nicht spurlos an Menschen vorüber. Auch wenn es dabei um nichts Spektakuläres handelt und keine Massenbewegung auslösen wird, es wird die Welt und auch Menschen verändern: So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
Liebe Schwestern und Brüder, gute Geschichten gibt es viele auf der Welt, auch über Bayern 1 hinaus. Gott sei Dank! So bekam ich einmal eine Karte, die ich mir aufgehoben habe und auf der folgendes zu lesen stand:
Wofür es sich zu leben lohnt:
Für das Vogelkonzert am frühen Morgen.
Für die Sonnenstrahlen, die uns hinauslocken in die Natur.
Für die ersten Frühlingsblumen nach dem Winter.
Für die langen, lauen Sommernächte.
Für den Geschmack des Sommers auf unserer Zunge.
Für den Anblick herrlich leuchtender Bäume.
Für einen warmen Tee in kalter Jahreszeit.
Für Musik, die das Herz berührt.
Für die Atempausen im Alltag.
Für all die Menschen, die wir lieben.
Für unsere Dankbarkeit und die unermüdliche Hoffnung!
Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt.
So soll und so kann euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.
L: Mal 3,1-4
Ev: Lk 2,22-40
Liebe klösterliche Nachbarn,
liebe Schwestern und Brüder!
In den Weihnachtskrippen, die sich immer noch in vielen Häusern und Wohnungen finden, wird die Weihnachtsgeschichte, die Geburt Jesu Christi in Bethlehem, auf ganz unterschiedliche und oft sehr phantasievolle Art und Weise dargestellt. Meistens erfahren diese Krippen etwa zwei Wochen nach Weihnachten zum 6. Januar eine Umstellung, wenn die Heiligen Drei Könige Einzug halten. Dann bleiben die Krippen vielleicht noch bis zum darauffolgenden Wochenende stehen, um dann wieder abgebaut und verpackt zu werden bis zum nächsten Jahr.
So war es bei der Krippenausstellung in der Kapitelkirche auch geplant. Durch verschiedene Umstände blieb sie heuer aber länger stehen und wurde an den vergangenen Wochenenden doch noch von zahlreichen Interessierten besucht. Dabei ist manchen aufgefallen, dass Krippen ja nicht nur auf das Weihnachtsgeschehen beschränkt sind, sondern sozusagen eine Fortsetzung haben können, was wir ja auch aus unserer Jahreskrippe im Kreuzgang kennen, nur dass da eben immer nur eine Darstellung zu sehen ist und nicht viele verschiedene nebeneinander.
Heute Abend konnten wir daher die Kerzensegnung vor der Darstellung des heutigen Festes begehen, nämlich der „Darstellung des Herrn“.
Darstellungen sind immer der Versuch, etwas anschaulich und verständlich zu machen, es den Menschen näher zu bringen. Darauf kann nicht einmal unsere hochtechnisierte Welt verzichten und liefert neben Powerpoint Präsentationen eine Unmenge von Schaubildern und Graphiken, in denen Sachverhalte auf ihre Weise dargestellt und erläutert werden. Es sind und bleiben aber immer Darstellungen.
Das ist auch der Hintergrund und Ursprung dieses Festes der Darstellung des Herrn. Jesus wird von seinen Eltern in den Tempel gebracht, um ihn nach religiösem Brauch Gott darzubringen. Die Eltern Jesu machen und stellen damit klar, in welcher Welt sie mit ihrem Leben zuhause sind. Sie bringen ihr Kind Gott dar, dem sie jedes Leben verdanken. Neben dieser Darstellung gibt es noch eine ganz andere, zuerst nicht bedachte Darstellung, nämlich das was im Evangelium ausführlich geschildert war: Für Simeon und Hanna wird anschaulich klar, wer und was dieses Kind ist. Simeon spricht es aus: Meine Augen haben das Heil gesehen!
Darstellung hat immer auch mit Vorstellung zu tun. Wie ich mir etwas vorstelle, davon wird auch abhängen, wie ich etwas darstelle. Künstler haben sich deshalb viele Gedanken, auch sehr persönliche Gedanken gemacht, wie sie sich etwas vorstellen. Meistens kennen wir nur das Endprodukt, nämlich die Darstellung. Hinter all diesen Darstellungen in unseren Kirchen und auch bei den Krippen stecken ungeheuer viele und unterschiedliche Vorstellungen.
Deshalb gibt uns das heutige Fest der Darstellung des Herrn auch eine Frage mit auf den Weg, nämlich: Wie stelle ich mir Heil vor, was ist für mich Heil? Oder: Wie würde ich Heil darstellen, so dass ich sagen kann: Schau, das ist für mich Heil!
Für Simeon und Hanna war es das Kind, dieses Kind; Zeichen dafür, dass Leben weitergeht, auch wenn das eigene Leben zu Ende geht. Das Kind, das durch sein „Aufleben“ auch verändern wird.
Manchmal frage ich Eltern beim Taufgespräch: „Und wie ist es Eltern zu sein?“ Darauf bekomme ich meistens zur Antwort: „Schön, wunderschön!“ Gott sei Dank! Manchmal wird auch hinzugefügt: „Auf einmal ist alles ganz anders.“ Leben verändert!
Was stelle ich mir unter Heil vor? Welche Vorstellung habe ich vom Heil? Die Meinungen werden darüber sicher auseinandergehen, aber sie werden sich immer wieder in einem Punkt treffen: Es geht um das Leben, ob ich ganz bildliche und plastische Vorstellungen oder eher abstrakte Vorstellungen habe.
Deshalb gibt es auch ganz unterschiedliche Lebensentwürfe, die immer in der Frage nach dem Heil gründen. Das ist auch der Grund, warum wir als Ordensleute diesen Weg eingeschlagen haben. Es ging einmal und es geht immer noch um unsere ganz persönlichen Vorstellungen vom Heil. Die Vielfalt der Ordensgemeinschaften zeigen ja auch, dass es verschiedene Wege und Vorstellungen vom Heil gibt und geben darf. Die Ordensgemeinschaften sind ein ganz bunter Haufen, auch wenn man uns das farblich nicht immer ansieht. Dillinger Franziskanerinnen, Arme Schulschwestern, Familie Mariens, Herz Jesu Missionare, Benediktiner. Das sind die unterschiedlichen Gemeinschaften, die heute hier beieinander sind und darüber hinaus gibt es noch viele andere mehr.
Darstellung des Herrn. Jesus war kein „Selbstdarsteller“, der sich in den Vordergrund gedrängt hat, aber er hatte Vorstellungen vom Heil, die nicht nur das eigene Leben im Blick hatten, sondern die Vielfalt der Wege zum Heil. Wer am vergangenen Sonntag im Gottesdienst war, der hat vielleicht noch die Seligpreisungen im Ohr. Das sind Jesu Vorstellungen vom Heil.
Es gibt so viele Wege zu Gott wie es Menschen gibt. Dieser Satz geht zwar auf Romano Guardini zurück, aber auch der verstorbene Papst Benedikt XVI. verwendete ihn immer mal wieder.
Ich möchte schließen mit einem Text, der das Leben Jesu so beschreibt:
Für die Anderen:
Er ist kein Selbstdarsteller.
Er überlässt es anderen, ihn vorzustellen.
Dann wird er selbst zum Darsteller
und hinterlässt seine Vorstellungen den Anderen.
Darstellung des Herrn. So ist es auch unsere Aufgabe, jeder auf seinem Platz, wir als Ordenschristen in unseren Gemeinschaften und Sie mit Ihrem Leben in Ihrem Lebensumfeld, diesen Jesus darzustellen, ihn anschaulich zu machen.
Wenn wir uns dabei Mühe geben, um es bayrisch zu sagen, dann schau‘n wir auch etwas gleich.
2022
Weihnachten 2022 Mir fehlen die Worte
Liebe Schwestern und Brüder!
Mir fehlen die Worte! Kennen Sie diesen Satz? Ich denke schon und ich glaube auch, Sie kennen vor allem die Situationen und das Gefühl, wenn wir für etwas keine Worte haben oder finden oder wenn wir um Worte buchstäblich ringen müssen.
Mir fehlen die Worte! Vielleicht liegt es noch gar nicht so lange zurück, dass Sie das für sich gedacht oder gesagt haben, denn auf Weihnachten hin nehmen wir es uns ja auch immer vor, anderen Menschen irgendwie gute Worte zu sagen oder zu schreiben.
Mir fehlen die Worte! Bei der Weihnachtspost, die ich verschickt habe, gab es auch heuer wieder Briefumschläge, die ich immer wieder nach hinten gelegt habe, denn ich wusste nicht, was ich den Menschen schreiben sollte, die sich hinter der bereits aufgeklebten Adresse verbergen, weil deren Lebenssituationen und Lebensumstände bedrückend und belastend sind oder auch nach vielen Jahren immer noch sind.
Mir fehlen die Worte! Dazu gehörte auch eine Mail an ein Brautpaar, mit dem ich immer noch in Kontakt bin. Sie haben vor vier Jahren hier in unserer Basilika geheiratet, aber ihr sehnlichster Wunsch nach einem Kind ist bis jetzt unerfüllt geblieben. Was soll man da schreiben? Was soll man da sagen? Allein schon das Wort oder die Frage „Und?“ könnte den Schmerz und die Traurigkeit darüber neu aufflackern lassen.
Mir fehlen die Worte! Manchmal können Worte so schwer sein und schwerfallen, sie können so kleinlaut und vergeblich sein.
In den Tagen des Advents hörten wir in den Gottesdiensten immer wieder Texte aus der Bibel, die solche Situationen eingefangen haben. Beim Propheten Jesaja heißt es „Tröstet, tröstet ja mein Volk“ Ja wie denn? Welche Worte können das?
Genauso der Ruf und die Aufforderung des Vorläufers Johannes: „Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe“ Ja warum denn? Warum denn gerade ich? Sollen doch zuerst einmal die anderen!
Und unsere Medien versorgen uns Tag für Tag mit Meldungen und Details von allen möglichen und unmöglichen Ereignissen aus aller Welt, so dass uns vielleicht auch dieser Satz in den Sinn kommt „Mir fehlen die Worte“ oder die Frage aufkommt: Warum lässt Gott das alles zu?
Liebe Schwestern und Brüder, wir haben gerade die Antwort Gottes gehört. Oder sollte ich besser fragen, haben wir die Antwort Gottes gehört? Gerade wurde es uns vorgelesen und in unseren Krippen versuchen wir es darzustellen. Und das Wort ist Fleisch geworden. Das ist die Antwort Gottes, da wo Worte fehlen, da wo Fragen unbeantwortet bleiben.
Und das Wort ist Fleisch geworden, diese Antwort Gottes ist der Inhalt dieses Festes Weihnachten.
Jedes Kind, das geboren wird, ist bis heute Teil dieser Antwort Gottes in die jeweilige Zeit hinein. Kinder sind aber keine einfache und keine leichte Antwort, weil sie herausfordern und Antworten einfordern mit der schlichten Frage: Warum? Warum tust du das? Warum tust du das nicht? Bei der Frage nach dem Warum können Menschen auch Worte fehlen oder es verschlägt ihnen die Sprache. Der Kabarettist Michael Mittermeier nimmt sich in einem Sketch selber aufs Korn, weil er seiner Tochter immer sagt, sie soll den Fahrradhelm aufsetzen, während er das selber meistens nicht tut. Darauf sagt er: Es ist so verdammt schwer zu lügen!
Mir fehlen die Worte! Und das Wort ist Fleisch geworden! Wilhelm Wilms bringt das in einem Text zum Ausdruck der überschrieben ist: „Der geerdete Himmel“.
Wusstest Du schon, dass die Nähe eines Menschen gesund machen, krank machen, tot und lebendig machen kann?
Wusstest Du schon, dass die Nähe eines Menschen gut machen, böse machen und froh machen kann.
Wusstest Du schon, dass das Wegbleiben eines Menschen sterben lassen kann, das Kommen eines Menschen wieder leben lässt?
Wusstest Du schon, dass die Stimme eines Menschen einen anderen Menschen wieder aufhorchen lässt, der für alles taub war?
Wusstest Du schon, dass das Wort oder das Tun eines Menschen wieder sehend machen kann, einen der für alles blind war, der nichts mehr sah, der keinen Sinn mehr sah in dieser Welt und in seinem Leben?
Wusstest Du schon, dass das Zeithaben für einen Menschen mehr ist als Geld, mehr als Medikamente unter Umständen mehr als eine geniale Operation?
Wusstest Du schon, dass das Anhören eines Menschen Wunder wirkt? Dass Wohlwollen Zinsen trägt, dass ein Vorschuss an Vertrauen hundertfach auf uns zurückkommt?
Wusstest Du schon, dass DU dieser Mensch sein kannst?
Und das Wort ist Fleisch geworden. Jeder Mensch kann, jeder Mensch soll und jeder Mensch ist Teil dieser Antwort Gottes, da wo Worte fehlen oder auch fehl am Platz sind.
Mir fehlen die Worte. Liebe Schwestern und Brüder, lange habe ich mich gedrückt vor diesem Mail an das Brautpaar vor vier Jahren. Doch am Freitag kam spät abends eine Mail, in dem folgendes stand:
„Hallo Abt Markus, wie geht es Ihnen?
Vermutlich sind Sie gerade jetzt sehr im Stress.
Für uns ging ein großer Wunsch in Erfüllung.
Am 12.11.2022 kam unser Sohn Bastian auf die Welt.
Wir wünschen Ihnen schöne Weihnachten“
Da war ich platt. Ich könnte fast sagen, mir fehlten die Worte. Damit hatte ich nicht gerechnet. Und so fielen mir die Worte plötzlich leicht und sie vielen kurz aus: Herzlichen Glückwunsch und frohe Weihachten!
Mir fehlen die Worte! Eigentlich hätte ich mir auch jetzt viele Worte sparen und einfach sagen können: Herzlichen Glückwunsch Jesus! Du bist immer noch die beste Antwort Gottes, da wo uns die Worte fehlen, denn du bist das Wort das Fleisch geworden ist.
Frohe Weihnachten!
Heilige Nacht 2022 Weil’s nicht Wurscht ist
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Tage sind gezählt! Meistens verbinden wir mit diesem Ausdruck eher negative Gedanken und Assoziationen.
Die Tage sind gezählt! Die Tage, die nun hinter uns liegen, wurden auch gezählt und zwar ganz intensiv. Obwohl wir in diesem Jahr die längste Adventszeit hatten, die es geben kann, im kommenden Jahr wird es die kürzeste sein, wird im Advent immer gleich gezählt und zwar vom 1. Dezember, 24 Tage lang.
Damit wir uns beim Zählen leichter tun und nicht den Überblick verlieren, gibt es ganz viele und vor allem ganz verschiedene Adventskalender. Hatten Sie auch einen Adventskalender? Ich habe heuer einen ganz besonderen Kalender geschenkt bekommen. Leider kann ich Ihnen den nicht mehr zeigen, weil es ihn nicht mehr gibt. Mein Adventskalender in diesem Jahr, war eine Wurst, genauer gesagt eine Salami, die, wie es sich für einen Adventskalender gehört, in 24 gleiche Abschnitte eingeteilt war.
Ich muss zugeben, dass ich mir nicht jeden Tag, wie vorgesehen oder gedacht eine Scheibe abgeschnitten habe, sondern dass ich jeweils am Sonntag mit meinen Mitbrüdern die Wurstscheiben der zurückliegenden Woche geteilt habe. Heute beim Frühstück gab es die letzten und so ist von diesem Adventskalender nichts mehr übrig.
Ob die Wurst jetzt ein geeigneter oder angemessener Adventskalender war, darüber können die Meinungen sehr wohl auseinander gehen, aber die Wurst hat mich sozusagen auf andere Gedanken gebracht, was ja im Advent durchaus geschehen kann und geschehen soll. In unserer Sprache spielt die „Wurst“ in dem Sinn immer wieder eine Rolle, weil man mit der Verwendung dieses Wortes Dinge und Sachverhalte auf den Punkt bringen kann.
Wenn es so gesehen um die Wurscht geht, dann handelt es sich um etwas Wichtiges. Es geht um Entscheidung und Entschiedenheit oder es braucht Einsatz, den vollen Einsatz, weil es eben nicht egal, also nicht Wurscht ist, ob etwas getan wird oder nicht. Und es ist auch nicht Wurscht, wie etwas ausgeht, weil es um Gelingen oder um Scheitern geht.
Liebe Schwestern und Brüder, es ist nicht Wurscht, ob wir Weihnachten feiern oder nicht, denn es steht mit diesem Fest auch etwas auf dem Spiel, was mit dem Zusammenleben der Menschen auf dieser Erde zu tun hat. An Weihnachten werden wir daran erinnert, dass unser Leben gelingen oder scheitern kann. Das gilt für das Zusammenleben im Kleinen genauso wie im Großen.
Das Weihnachtsevangelium, das wir gerade gehört haben und wahrscheinlich auch irgendwie in Auszügen kennen, besteht aus dem Wechsel von Situationen, die man auch so beschreiben könnte: Es gibt Menschen, denen ist etwas Wurscht und es gibt immer auch die, für die es nicht Wurscht ist. Das beginnt schon mit der behördlichen Anweisung zur Volkszählung, bei der die persönliche Situation von Menschen zweitrangig oder gar uninteressant ist. Dem Kaiser Augustus sind die einzelnen Menschen Wurscht, die gehen in der Zahl unter. Für den einzelnen Menschen ist es das nicht, der zu seinem Geburtsort gehen muss.
Genauso verhält es sich bei der Herbergssuche, wo Menschen an ihre Grenzen gelangen und nicht mehr weiterkönnen, weil sie am Ende ihrer Kräfte sind. Auch die Botschaft von der Freude und vom Frieden berührt die einen und die anderen berührt sie nicht.
Nur weil es Menschen gab und nur weil es Menschen gibt, denen menschliches Schicksal nicht gleichgültig ist, kann es Rettung geben und gibt es einen Retter. Auch das sagt uns Weihnachten, jedes Jahr.
Aus den Tagen des Advents ist mir immer noch ein Lied im Gedächtnis, das wir als Klostergemeinschaft bei unseren Gebetszeiten immer wieder gesungen haben und in dem es heißt: Aus hartem Weh die Menschheit klagt, sie stand in großen Sorgen.
Viele Menschen haben Sorgen, große Sorgen, auch wenn wir uns eingestehen müssen, in einem Teil der Erde leben zu dürfen, wo das Jammern manchmal auf einem hohen Niveau geschieht. Und doch sind es Sorgen! Es sind Sorgen, die Menschen umtreiben und belasten.
Aus hartem Weh die Menschheit klagt, sie stand in großen Sorgen. Man könnte diese Sorgen auch Herausforderungen nennen, die angegangen werden müssen und dabei ist es nicht Wurscht, ob der eine mitmacht oder nicht, denn es kommt auf jeden Einzelnen an.
Es hilft uns nichts, das Böse zu verneinen; gegen das Böse hilft uns nur, die Welt so mit Gutem anzufüllen, dass schließlich das Böse keinen Platz mehr hat. Und so hilft es uns nichts, den Krieg zu beklagen; vor dem Krieg schützt uns nur ein Verhältnis der Nationen, in dem sie sich zusammenwirkend alle wohler fühlen als auseinanderstrebend. So hat es der österreichische Schriftsteller Hermann Bahr unmittelbar vor dem ersten Weltkrieg gesagt.
Es geht also um die Wurscht und an Weihnachten geben wir uns deshalb alle Mühe, die Welt mit Gutem anzufüllen, wenigsten in der kleinen Welt unseres Lebensumfelds. Nur weil es Menschen gibt, denen andere nicht Wurscht sind, gibt es Rettung und gibt es einen Retter.
Das Geheimnis dieses Retters, den wir an Weihnachten feiern, besteht nicht darin, dass er einfach alles gut oder anders macht, sondern dass wir uns von ihm, wie bei einer Wurst, sozusagen eine Scheibe abschneiden können. Jesus hat im Umgang mit den Menschen, ihre Sorgen ernst genommen, ob sie nun groß oder klein waren. Jesus hat nicht gezaubert, aber er hat Wunder gewirkt und damit auf Wege aufmerksam gemacht, die Menschen nicht für möglich gehalten haben und bist heute nicht für möglich halten.
Ein Text bringt das so zum Ausdruck:
Ein Licht geht über uns auf: Geboren ist Christus, der Retter und Herr.
Freut euch, ihr Einsamen, er wird euer Bruder.
Freut euch, ihr Blinden, er öffnet euch die Augen.
Freut euch, ihr Lahmen, er lehrt euch das Tanzen.
Freut euch, ihr Geduckten, er richtet euch auf.
Freut euch, ihr Verstummten, er lässt euch singen.
Freut euch, ihr Verzagten, er steht euch zur Seite.
Freut euch, ihr Verlorenen, er holt euch heim.
Freut euch, ihr Trauerenden, er wischt die Tränen von Euren Augen.
Freut euch, ihr an den Rand gedrängten, er holt euch in die Mitte.
Freut euch, ihr Verbitterten, er füllt euer Herz mit Liebe.
Es ist nicht Wurscht, ob die Welt Weihnachten feiert oder nicht. Deshalb wünsche ich Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.
Evangelium: Lk 23,35b-43
Liebe Schwestern und Brüder!
„Ein 15jähriges Mädchen hält die Hand ihres 1jährigen Sohnes. Die Menschen nennen sie eine Schlampe, weil niemand weiß, dass sie mit 13 vergewaltigt wurde. Die Leute nennen ein anderes Kind fett. Niemand weiß, dass es eine schwere Krankheit hat, die zu Übergewicht führt. Die Leute nennen einen Mann mit Narben im Gesicht hässlich. Niemand weiß, dass er 4 Menschen aus einem brennenden Haus gerettet hat. Wenn du, genau wie ich, gegen Mobbing bist, poste das.“
Dieser Text ist ihnen vielleicht bekannt, in den letzten 2 Wochen habe ich ihn mehrmals als Whatsapp-Nachricht bekommen oder als Statusmeldung gesehen. Ich selbst gebe solche Nachrichten meist nicht weiter, nicht weil ich dagegen bin, vielleicht ist es ein bisschen Bequemlichkeit, sicher aber auch die Sorge, dass viele solcher Nachrichten dazu führen, dass man abstumpft, dass man sagt, ach schon wieder sowas. Und dann wäre die Wirkung genau das Gegenteil von dem, was man mit solchen Texten eigentlich erreichen will. Aber das alles ändert nichts daran, dass mich solche Nachrichten berühren, und dass ich dasselbe Anliegen teile, kein Mobbing, sondern Aufmerksamkeit für das, was Menschen erleiden, was sie Großes leisten, oftmals unbemerkt, nicht laut, es wird nichts an die große Glocke gehängt. Eigentlich sind alle diese Menschen das sympathische Gesicht der Menschheit. Und ihnen allen ist gemeinsam, dass der erste äußere Eindruck falsch ist, der hässlich entstellte Mann, das fette Kind oder aber das Mädchen, das viel zu früh Sex hatte. Es bringt ihnen einen verächtlichen Blick ein, Hohn und Spott und genau das Gegenteil von dem, worauf sie einfach ein Recht hätten: Respekt. Das Gegenteil von Mobbing ist Respekt, Respekt vor jedem Menschen sowieso, Respekt vor dem, was Menschen leisten, Respekt aber vor allem auch vor dem, was Menschen oftmals erleiden und was ihnen nicht auf der Stirn geschrieben steht.
Genau diese Menschen, sind das sympathische Gesicht der Menschheit. Allerdings erst auf den zweiten Blick, mit dem ersten kurzen flüchtigen Blick oder mit dem eben nur kurzen Aufhorchen werden sie meist nicht richtig wahrgenommen. Und solche Menschen gibt es vielfach. Ich denke an viele in meinem Alter oder noch älter. Menschen, die seit Jahrzehnten darunter leiden, dass andere so leben, als hätten wir noch fünf Erden in Reserve. Menschen, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, die sich gut überlegen, ob sie dieses oder jenes wirklich brauchen, die ihren Garten nachhaltig und ökologisch bewirtschaften, die beim Kauf von chemischen Produkten darauf achten, dass es möglichst biologisch abbaubar ist, die mit großer Mühe versucht haben, diese Ehrfurcht vor der Schöpfung an die jüngere Generation weiterzugeben, und die sich heute von jungen Klimaaktivisten vorwerfen lassen müssen, warum habt Ihr denn nichts gemacht? Ich denke an Menschen in meinem Alter, die über Jahrzehnte so leben, dass ihretwegen kein Tier in Massentierhaltung gequält werden muss und die sich deswegen doch kein Schild umhängen können, dass sie Vegetarier sind oder gar Veganer. Ich denke an Menschen, die wenig von Pflegenotstand reden, die ihren Dienst tun, in Kliniken, Heimen oder ambulant, vorbildlich und verlässlich, oder Menschen, die sich um ihre Angehörigen kümmern, zuhause, im Heim oder im Krankenhaus, und das tun und übernehmen, was ihnen möglich ist. Oder Menschen die trotz aller aufgezwungenen Bürokratie, sich als Betreuer kümmern um Alte oder Behinderte. Ich denke an die vielen, die in der Flüchtlingsarbeit tätig sind, und die sich dabei manchen dummfrechen Kommentaren oder Angriffen aussetzen. Ich denke auch an die vielen, die sich in unseren Kirchengemeinden engagieren in allen möglichen Diensten. Menschen, die sich von außen oft den Vorwurf gefallen lassen müssen: Und für diesen Verein tust Du noch etwas? Und die innerhalb der Kirche immer wieder spüren: Ich bin nur Helfer, zu sagen haben andere. Ich denke auch an Menschen, ihr tägliches Gebet sehr ernst nehmen, die jeden Tag eine ganze Reihe Menschen vor Gott bringen, die das als ihre wichtige Aufgabe erkennen, auch weil anderes ihnen nicht mehr möglich ist, und die erfahren, dass diejenigen für die sie beten, sie gleichzeitig als wunderliche Alte belächeln. Es gibt überall Menschen, die ihren Beruf, ihren Dienst ganz sorgfältig tun, sich die größte Mühe geben und doch mit dem Image leben müssen, der ihrer Berufsgruppe unsinnigerweise anhaftet, die Lehrer, die vormittags Recht und nachmittags frei haben, die Sozialarbeiter, die nichts können als irgendwie schwätzen, nach dem Motto: Schön, dass wir mal drüber geredet haben, und viele andere Berufe, bei denen manchen schlicht die Vorstellung fehlt: Was könnte das schon sein, was der großartig zu tun hat? Es gibt, kurz gesagt, viele Menschen, die in großer Verantwortung leben, auch wenn ihnen das oft wenig Anerkennung einbringt, auch wenn man sie verspottet, belächelt oder ihnen vielleicht sogar unlautere Absichten anhängt.
Sie alle, mir gefällt, dieser Begriff, sind das sympathische Gesicht der Menschheit, und das bedeutet auch, die Menschheit kennt auch unsympathische Gesichter, die Menschheit hat oftmals die Fratze des Bösen, der Lüge und Verdrehung, der Gewalt und der wirklich unlauteren Absichten.
Und was hat dies alles mit dem Fest Christkönig zu tun?
Im Evangelium haben wir von jemandem gehört, der von den führenden Männern verlacht wurde: „Andere hat er gerettet, nun soll er sich selbst retten, wenn er der Gesalbte Gottes ist.“ Auch die Soldaten, die nur Handlanger des Bösen sind, sie verspotten ihn. Und dem einen Verbrecher, der mit ihm am Kreuz hängt, fällt in seinem eigenen Todeskampf nichts Besseres ein, als diesen anderen zu verhöhnen: „Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich und auch uns!“ Fast scheint es allerdings, als ob der Hohn und ein letzter Funke Hoffnung doch nicht so ganz weit auseinanderliegen.
Und genau der, der da so jämmerlich steht, geschlagen, gescheitert und verspottet, genau der ist es, den wir als Christus, den König, verehren. Das ist die große Herausforderung und Zumutung des Christentums. Und dieser König will gar nicht hauptsächlich angebetet werden, er will in allen Opfern und in all den sympathischen Gesichtern der Menschheit wiedererkannt werden. In der großen Gerichtsrede des Matthäusevangeliums, die auch zum heutigen Fest gelesen wird, heißt der zentrale Satz: Was ihr für einen der geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan. Und ein Lied im Alten Gotteslob hatte folgenden Text:
- Was ihr dem geringsten Menschen tut, das hat ihr Ihm getan, denn er nahm als unser Bruder jedes Menschen Züge an.
- Man verhöhnt ihn bei den Leuten, Böses dichtet man ihm an; er wird überall verdächtigt, wo er sich nicht wehren kann.
- *. Immer ist er unter denen, die gekreuzigt worden sind; in unmenschlichen Systemen lebt er wehrlos wie ein Kind. Mitten unter euch steht er unerkannt.
Amen.
*Kleine Anmerkung: Diese Strophe war im DDR-Gotteslob nicht abgedruckt. Warum wohl?
Lesung: Sir 3,17-18.20.28-29
Evangelium: Lk 14,1.7-14
Liebe Schwestern und Brüder!
Essen ist etwas Schönes, vermutlich werden Sie mir alle zustimmen. Und wenn wir jetzt hier darüber sprechen würden, wo und wann wir in der letzten Zeit gut gegessen haben, was das denn war usw. – wir würden wahrscheinlich lange nicht fertig werden. Essen ist vielmehr als eine biologische Notwendigkeit oder als Nahrungsaufnahme zur Erhaltung unseres Energiestoffwechsels oder Ähnliches, Essen hat etwas mit Kultur zu tun, mit Gemeinschaft und Beziehung, Essen ist Leben. Das spüren wir heute immer wieder, obwohl wir uns an Mittagessen aus Großküchen oder auch an fast Food ebenso gewöhnt haben, und das galt für die Menschen in der Umgebung Jesu noch vielmehr. Immer wieder spielt in den Erzählungen des Neuen Testaments das Essen, das Mahl eine wichtige Rolle, orientalische Gastfreundschaft ist ein wesentliches Stichwort dabei, Jesus spricht vom Himmel in den Bildern vom großen Gastmahl oder Hochzeitsmahl, und all diese Reden finden auch auf dem Hintergrund statt, dass es eigentlich eine große Armut gab, viele Menschen hatten nur sehr wenig, sie lebten sehr bescheiden, viele Bettler gab es, aber die Vorstellung von einem guten reichhaltigen Essen, – dieses Sehnsuchtsbild, das bleibt und begleitet das Leben, erst recht dann, wenn man nicht so oft satt wird.
Zu einem guten und gepflegten Essen gehört auch eine gewisse Tischordnung: Ganz oben sitzen die Gastgeber und die besonderen Gäste, Sie kennen solche Ordnungen, vielleicht auch die Mühe, die es manchmal macht, die Gäste richtig zu platzieren. Sie kennen aber vielleicht auch das angenehme Gefühl zu wissen: hier ist mein Platz, hier bin ich richtig. Genau in diese Richtung geht anscheinend die Belehrung Jesu, Nimm deinen richtigen Platz ein, setz Dich schon gar nicht auf einen Platz, der eben nicht für dich bestimmt ist. In einem Kommentar zu diesem Evangelium habe ich einmal etwa Folgendes gelesen: Manchmal wollte Jesus wahrscheinlich nur ganz einfache Anstandsregeln vermitteln, es wäre falsch, hier mehr hinein zu interpretieren. So sehr ich meine, dass das allgemein vielleicht zutreffen kann, so sehr möchte ich hier dem Kommentar widersprechen. Nein, es geht um sehr viel mehr als eine Anstandsregel: Wer selbst vielleicht schon einmal auf einem falschen Platz gesessen hat, von dem er wieder runtergebeten wurde oder wer eine ähnlich peinliche Situation erlebt hat, der weiß, mit welch unangenehmen Gefühlen dies verbunden ist, wie man sich schämt, und wie diese Scham bleiben kann, man mag sich nicht mehr an diese Situation erinnern. Scham verletzt mich zutiefst, er nimmt mir etwas von meiner Würde. Wenn man dazu weiß, dass es manche Menschen gibt, die es immer wieder auf die vordersten Plätze drängt, ja die es nicht aushalten, einen Raum zu betreten ohne von allen aufmerksam wahrgenommen zu werden, dann wird ihnen mit diesem Hinweis Jesu gesagt: Benimm dich doch nicht so würdelos, tritt doch mal einen Schritt zurück, nimm dich zurück, nimm dich wahr und ordne dich richtig ein. Es ist Jesus insgesamt ein großes Anliegen, dass Menschen sich nicht würdelos verhalten, dass sie sich nicht schämen müssen, dass sie nicht bloßgestellt werden; genau darum diese Ermahnung.
Darum passt es auch, wenn er weiter dazu ermahnt, Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde einzuladen – das waren die Menschen, die tatsächlich völlig draußen waren. Wir müssen feststellen, dass die damalige Gesellschaft wie blind gegenüber solchen und anderen Behinderungen war. Zwar kennen wir eine ganze Reihe von Geboten, die auf die Armen abzielen, und man hat auch niemanden einfach verhungern lassen, aber echte menschliche Würde, die hat man ihnen einfach nicht zugestanden. Wenn Jesus sie einlädt, wenn er selbst sich mit Sündern und Zöllnern an einen Tisch setzt, dann war das etwas Revolutionäres, dann hat er sich selbst damit ins Aus, ins Abseits, begeben. Aber er hat nebenbei etwas erfahren, was er hier so beschreibt: „Du wirst selig sein.“ Das größte Geschenk eigentlich.
Dass der Mensch seinen Platz findet, dass er sich richtig einordnet, dass er bewahrt bleibt vor einer falschen Selbsteinschätzung und einem würdelosen Verhalten, dass er sich nicht schämen muss, und dass schließlich durch den richtigen Platz auch das ganze übrige Leben richtig wird, dass der Mensch vor Gott richtig ist, das meint das Wort gerecht in der Bibel, genau das ist das Anliegen Jesu im heutigen Evangelium.
Und wenn ein Mensch seinen Platz nicht klar hat, wenn er sich immer wieder überheben muss, ins rechte Licht setzen muss, wenn er es nicht aushält, einmal nicht beachtet zu werden? Wenn Sie solche Menschen kennen, dann tun Sie gut daran, ihnen möglichst aus dem Weg zu gehen. In der Weisheitslehre bei Jesus Sirach findet sich ein guter Hinweis, den diese Menschen beherzigen sollen: Bleibe bescheiden, je größer du bist, desto mehr demütige dich. Und Jesus Sirach spricht eine große Warnung aus: „Es gibt keine Heilung für das Unglück des Hochmütigen, denn eine Pflanze der Bosheit hat in ihm Wurzel geschlagen.“
Liebe Schwestern und Brüder, diese Weisheit der Bibel erleben wir gerade sehr schmerzlich. Denn der Krieg, der eine Tragödie ist und so viel Unheil anrichtet, hat im Tiefsten keine andere Ursache als die, dass Menschen ein völlig überhöhtes Bild von sich und ihrer Mission haben und meinen, das Rad der Geschichte mit Gewalt zurückdrehen zu müssen. Was andere dabei denken, was Menschen fühlen, was sie erleiden, ist dabei völlig nebensächlich: „Ich habe diese Mission zu erfüllen“ – Es gibt keine Heilung für das Unglück des Hochmütigen, denn eine Pflanze der Bosheit hat in ihm Wurzel geschlagen.
Liebe Schwestern und Brüder, lassen wir uns von der Weisheit der Bibel und vom Geist Jesu inspirieren: Denken wir nicht zu klein von uns aber auch nicht zu groß, denn all unsere Größe ist Geschenk, für das wir einfach nur danken können. „Mein Freund, rück weiter hinauf“, das ist der Satz, den wir uns von Gott sagen lassen dürfen und das wird für uns eine Ehre sein. Amen.
Lesung: 18,20-32
Evangelium: Lk 11,1-13
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Texte des heutigen Sonntags fordern uns einiges ab, obgleich es vertraute Texte sind; Sodom und Gomorrha, die beiden untergegangenen Städte in der Nähe des Toten Meeres, waren lange Zeit sprichwörtlich für unhaltbare Zustände und eine sexuelle Freizügigkeit. Und das Vaterunser ist unser bekanntestes Gebet, das viele Christen mehrmals täglich sprechen, wenn auch in einer etwas anderen Form als im Lukasevangelium. Aber schauen wir genauer hin. In der Lesung begegnet uns Abraham, der Vater des Glaubens, wie wir auch sagen. Abraham hat eine Gotteserfahrung gemacht, er hat erfahren, dass dieser Gott mit ihm spricht, nicht nur irgendwie, sondern so, dass Abraham weiß, was er von ihm erwartet, und dass diese Erwartung Gottes fortan sein Leben bestimmen wird: Er wird fortziehen in ein unbekanntes Land, trotz seines Alters, trotz seines Wohlstands, den er sich mit viel Mühen erworben hatte. Und Abraham geht mit einer Verheißung los: Leben in Sicherheit und zahlreiche Nachkommen. All das können wir auch als Segen bezeichnen.
Abraham weiß, dass alles Leben unsicher ist, dass alles brüchig ist, er weiß, dass Naturkatastrophen, Krankheit, Krieg und schließlich der Tod dem Menschen alles nehmen können, manchmal sogar sehr schnell. Und er weiß auch, das alles hat mit Gott zu tun, Gott ist nicht nur gut, er sorgt nicht nur für den Menschen, nein, er zürnt auch und er straft, und der Mensch ist diesem Walten Gottes ausgeliefert. So ungefähr sind die Weltsicht und das Gottesbild bei Abraham und seiner Umgebung bisher, die Erzählung aus dem Buch Genesis spiegelt diese Sicht wider. Und man kann mit dieser Unbegreiflichkeit, ja Unberechenbarkeit, Gottes unterschiedlich umgehen. Das Besondere an Abraham ist, dass er sich traut, diesem Gott gegenüber das Unbefriedigende der Situation darzustellen, diesen Gott anzugehen, nicht in erster Linie für sich selbst, sondern für die anderen. „Es werden Unschuldige leiden, wenn Du diese Stadt zerstörst, das kannst Du doch nicht tun.“ Und Abraham erlebt, dass dieser Gott mit sich reden lässt, ja, wieder unsere menschliche Vorstellung, dass man mit ihm Feilschen kann, wie auf einem orientalischen Markt, einem Basar. Das ist eine völlig neue Gottesvorstellung, eine neue Sicht auf die Welt: es ist nicht alles Schicksal, nicht alles vorherbestimmt, nicht alles gerechte Strafe Gottes, sondern es ist einfach nicht in Ordnung, und das soll dieser Gott ruhig wissen, von ihm erwarte ich etwas anderes, – so ungefähr könnte man beschreiben, was in Abraham vorgeht.
Diese Haltung wird bei Jesus noch viel deutlicher: Auch Jesus lebt nicht in einer heilen Welt, er erlebt viel Ungerechtigkeit um sich herum, viel Elend, auch er kann nicht alles lösen, nicht alles heilen, aber er lädt ein zu einer Haltung des unbedingten Vertrauens: Bittet, dann wir euch gegeben werden, sucht und ihr werdet finden, klopft an, und es wird euch geöffnet. Und Jesus selbst muss die Spannung aushalten, dass das Erwünschte nicht immer und nicht sofort und oft nicht wie erhofft, eintritt, sondern dass Gott sich scheinbar lange bitten lässt, dass er Gebete nicht zu hören scheint, dass er das Elend nicht aus der Welt schafft. Es geht nicht in erster Linie um die Lösung, sondern es geht in erster Linie darum, wie ich als Mensch mit dem Elend, mit der Fragwürdigkeit des Lebens, mit aller Bosheit und allem Unrecht, wie ich mit alledem umgehen kann und als Mensch überleben kann. Ich möchte das mit einem aktuellen Beispiel verdeutlichen. Mich treiben seit Februar die Bilder aus der Ukraine um, dabei habe ich lange aufgehört mich mit den Tagesmeldungen abzugeben, wer evtl. irgendwo Gewinne oder Verluste erzielt oder Ähnliches. Ich sehe vor allem, dass einem Volk ein Krieg aufgezwungen wurde, das gar nicht anders kann als sich zu wehren oder unterzugehen; ich sehe, wie hier mit Skrupellosigkeit und Brutalität getötet, zerstört und vernichtet wird. Mir gehen aktuell die Bilder nicht aus dem Kopf von den Menschen, die einen russischen Pass bekommen, und die dabei ein frohes Gesicht in die Kamera machen müssen, weil sie wissen, wenn ich das nicht tue, dann kann ich auch ganz schnell mal erschossen werden, das dann allerdings nicht vor der Kamera.
Mich treibt dies um, und ich weiß es geht vielen, vielleicht den allermeisten so, es ist gar nicht einmal die persönliche Angst, sondern es ist das Entsetzen vor so ungehemmter Bosheit gepaart mit einem unheimlichen Zynismus, der einzelne Mensch zählt überhaupt nicht, nur meine Wahnsinnsidee von einem großen Reich.
Wie können wir umgehen mit dieser Wirklichkeit, wie können wir sie aushalten. Es gibt verschiedene Wege, z. B. das Verdrängen. Es hat mich in dieser Woche fast erschüttert, dass wir mit mehreren Seelsorgern in einer Besprechung waren, wir hatten so kurz vor den Sommerferien keine ganz tiefen Themen, an denen wir hart arbeiten mussten, aber wir haben es geschafft, zwei Stunden zusammen zu sein, und das Wort Ukraine ist nicht einmal gefallen. Aber das ist nur ein Beispiel, die Verdrängung ist überall mit Händen zu greifen, das Tagesgeschäft ist doch auch wichtig usw.
Es gibt auch die Rationalisierung oder die Versachlichung: Wir haben ja doch keine zuverlässigen Informationen, es gibt doch keine neutrale Berichterstattung, so hört man immer wieder. Und das stimmt zum Teil, aber wo der Krieg stattfindet und wer darum Opfer und wer Täter ist, das liegt auf der Hand, und daran kann man nicht vorbei. Er gibt eine ganze Reihe solcher Rationalisierungen.
Jesus fordert uns zu etwas anderem auf, nicht zu Verdrängung, nicht zur Rationalisierung, sondern er fordert uns auf, das, was wir als großes Unrecht empfinden, das, was wir nicht verändern können, immer wieder vor Gott zu tragen, auszusprechen, ihm zu klagen, ihn zu bestürmen: „Das kannst Du doch nicht zulassen.“ Jesus fordert uns auf, dies alles mit einem großen Vertrauen zu tun, auch dann, wenn Lösungen nicht so ausfallen wie erwartet, auch dann, wenn unsere Gebete scheinbar nicht erhört werden, Jesus fordert uns zu einer Haltung auf, die mit Gott ernst macht, die ihn ernst nimmt.
Liebe Schwestern und Brüder, von Dietrich Bonhoeffer gibt es eine Formulierung, die oft missverstanden wurde, die Sicht nämlich von einer Welt, als ob es Gott darin nicht gäbe. Gemeint ist, dass wir nicht zuerst Gott für alles verantwortlich machen können, dass wir nicht Wunder einplanen können als überirdischen Eingriff, dass wir nicht immer so tun, als ob da einer wäre, „der alles so herrlich regieret“, und wir nichts zu tun hätten.
Wir können heute diese Formulierung vielleicht auch umkehren. Und das ist nicht das Gegenteil von Bonhoeffers Anliegen. Jesus lädt uns eine zu einer Weltsicht, als ob es Gott wirklich gäbe, Jesus lädt uns ein zu Vertrauen und Hoffnung bei allem vernünftigen Realismus. Und diese Haltung des Vertrauens ist die einzige Möglichkeit, dass wir bewahrt bleiben vor Verzweiflung, Verrohung, Zynismus und Fatalismus.
Bittet, dann wird euch gegeben werden, sucht und ihr werdet finden, klopft an, und es wird euch geöffnet. Amen.
L: Gen 15,5-12.17-18
Ev: Mk 9,2-10 (Lesej. B)
Liebe Schwestern und Brüder!
Von manchen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gibt es Zitate, die jetzt andere in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen für ihre Zwecke verwenden und gebrauchen. Ein solches Zitat von Helmut Schmidt lautet: Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen. Das ist schon ein markanter und auch ein provokanter Satz, den Helmut Schmidt in einer hitzigen Wahlkampfrede gesagt hat. Diesen Satz haben sich Menschen gemerkt. Nicht mehr klar ist jedoch der konkrete Anlass, auf den er bezogen war und warum er so gesagt wurde.
Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen. Je nach Zusammenhang wird dieser Satz, wenn er verwendet wird, Befürworter und Kritiker finden und es wird dabei auch darauf ankommen, was man mit dem Wort „Vision“ verbindet. Eine Vision kann das Bild für ein Ziel in der Zukunft sein, das man anstrebt, verfolgt, um es zu erreichen. Es kann sich bei einer Vision auch um eine Einbildung handeln, ein Trug- oder Wunschbild, das mit der Realität nichts zu tun hat. Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen.
Gerade haben wir Textabschnitte aus der Bibel gehört, die Visionen sind, die visionären Charakter haben. Wie diese Texte bei Menschen, bei Ihnen ankommen, hängt davon ab, ob Sie das als Ziel, das sie enthalten, als erstrebenswerte Hoffnung ansehen oder als Trugbild, das mit der Lebensrealität nichts zu tun hat.
In der Lesung aus dem Buch Genesis steht Abraham vor der Frage, ob sein Lebenswerk umsonst war, also ob mit seinem Tod alles, wofür er sich eingesetzt und Mühen auf sich genommen hat, zu Ende ist, weil er keine Kinder hat, an die er es weitergeben könnte. Die Vision, die er hat, die Hoffnung, die er bekommt lautet: Sieh dir die Sterne am Himmel an, so zahlreich werde ich deine Nachkommen machen. Es wird also weitergehen.
Im Evangelium haben wir davon gehört, wie Jesus seine Jünger mit auf den Berg nimmt und sie dort einen Blick über diesen Raum und diese Zeit hinauswerfen lässt. Der Anlass zu dieser Schau ist, dass er sie auf seinen Tod vorbereiten will. Was kommt danach? Wie geht es dann weiter? Jesus spricht von der Auferstehung. Es wird also weitergehen. Vielleicht stimmen wir den Jüngern nicht nur zu, sondern wir stimmen in ihre Worte ein: Und sie fragten einander, was das sei, von den Toten auferstehen. Was verbinden wir mit „Auferstehung“?
Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen. Ob ein Arzt in diesen Fragen allerdings weiterhelfen kann? Es sind Fragen, die Menschen bis heute beschäftigen. Es sind keine Fragen, die sie sich einbilden, sondern es sind Fragen, die das Leben aufwirft und den Menschen zumutet.
So fragen sich Menschen bis heute immer wieder, ob und warum ein Lebenswerk nicht weitergeht, wofür sie eigentlich gelebt haben, ohne, aber manchmal auch mit Nachkommen, wenn etwa Kinder einen Betrieb nicht übernehmen oder weiterführen wollen, sondern ganz andere Wege gehen oder andere Interessen haben. Und bis heute fragen sich Menschen auf den Friedhöfen, wenn sie dort Abschied nehmen müssen, ob das jetzt alles war, ob damit buchstäblich das Gras über das Leben eines Menschen, über das, was ihn ausmachte und auszeichnete, zu wachsen beginnt.
Das, was Abraham und Jesus in diesen Situationen verbindet, ist, dass sie nicht aufgehört haben für ihre Sache zu leben, daran zu glauben und darauf zu hoffen. So konnte es weitergehen, und so ist es weitergegangen.
Helmut Schmidt war in seiner Zeit als Politiker Realist genug, um zu wissen, dass es Visionen zur Lösung der Herausforderungen braucht und auch gibt, Visionen, für die es sich lohnt, daran zu arbeiten, dafür zu leben, daran zu glauben und darauf zu hoffen. Er wusste aber genauso gut, dass man sich in Einbildungen, in Trug- und Wahnbilder auch verrennen kann.
Liebe Schwestern und Brüder, jede Zeit hat ihre Herausforderungen, auch unsere. Mit den kriegerischen Auseinandersetzungen praktisch vor unserer Haustür wird das mehr Menschen bewusst, auch durch die Auswirkungen, die wir zu spüren bekommen, seien es die steigenden Preise oder die geflüchteten Menschen, die bei uns schon angekommen sind und noch ankommen werden. Gerade deshalb braucht auch unsere Zeit in vielen Fragen Visionen, wie es weitergehen soll, wie es weitergehen könnte, denn es muss und wird ein danach geben.
Es gibt eine Zeit nach Corona und es gibt auch eine Zeit nach dem Krieg, auch wenn das jetzt noch in großer Ferne zu liegen scheint. Diese Visionen für die Zukunft fallen nicht vom Himmel, sie müssen erarbeitet und durchdacht, es muss darum gerungen werden, es braucht auch eine ehrliche Selbstreflexion und dabei wird sich auch entscheiden, ob die Visionen eine Chance auf Wirklichkeit haben oder ob sie eine Einbildung, ein Wunschdenken bleiben werden. Visionen fallen nicht vom Himmel, aber beim Blick in den Himmel können sie Menschen in den Sinn kommen und auch in die Herzen gelangen.
Ich möchte schließen mit einem Text, der sozusagen mit einem Blick in den Himmel Ansätze für die Visionen für die Zukunft auf die Erde holt.
Gut, dass du da bist Gott,
wenn es dunkel wird,
wenn das Schwarze überwiegt,
wenn Nächte sich ausbreiten.
Gut, dass du da bist Gott:
Du Lichtzeichen auf dem Weg.
Du Hoffnungsschimmer in der Not.
Du Lichtpunkt aus der Ewigkeit.
Gut, dass du da bist Gott.
Ich hoffe auf dich, du Flamme im Dunkel.
Ich vertraue dir, Du neuer Morgen.
Ich baue auf dich, du Lichtzeichen zur rechten Zeit.
Gut, dass du da bist, Gott!
Wenn es solche Visionen nicht mehr gibt, sollte man dann vielleicht zum Arzt gehen!
L: Joel 2,12-18
Ev: Mt 6,1-6.16-18
Liebe Schwestern und Brüder!
Auf keinen grünen Zweig kommen. So drückt es unsere Sprache bildlich und zugleich prägnant aus, wenn Menschen – bei was auch immer – keinen Erfolg haben, weil sich nichts tut und rührt, weil nichts Neues zu keimen und zu wachsen beginnt, das einmal Früchte, also Erfolg bringen könnte.
Auf keinen grünen Zweig kommen. Keinen Erfolg, sondern Misserfolg zu haben und zu erleben, gehört zu den unangenehmen Erfahrungen von uns Menschen, die uns auch zu schaffen machen können, weil wir uns hilflos oder ohnmächtig fühlen. Erfolg dagegen beflügelt uns und manchmal merken wir dabei sogar die Mühe nicht, die damit verbunden ist und die wir aufbringen.
Auf keinen grünen Zweig kommen. Diese Tatsache lässt uns vielleicht auch fragen, warum das so ist und welche Ursachen es haben könnte. Vielleicht hat man die Sache oder das Problem nicht richtig eingeschätzt oder man hat den Ernst der Lage noch gar nicht erkannt und geht es deshalb nicht richtig an. Es kann aber auch sein, dass es an einer echten Motivation fehlt, so dass man eben auf keinen grünen Zweig kommen kann und kommen wird.
Der heutige Tag, der Aschermittwoch, lädt uns ein, ehrlich auf unser Leben zu schauen. Der hl. Benedikt spricht in seinem Kapitel über die Fastenzeit davon, in aller Lauterkeit auf unser Leben zu achten und da wo es nötig ist, Veränderungen anzupacken, damit Neues und Gutes hervorkommen kann.
Das Zeichen des Aschenkreuzes, das wir heute empfangen, ist Ausdruck der Ernsthaftigkeit und Ermunterung zugleich: Kehr um und glaub an das Evangelium. Kehr um und lebe!
Die Texte aus der Bibel, die wir heute gehört haben, geben uns sozusagen Tipps, wie das gelingen kann, doch wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. Das Buch Joel macht es ganz kurz: Zerreißt Eure Herzen, nicht Eure Kleider. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Nimm doch mal einen anderen Blickwinkel ein, nimm es dir zu Herzen, damit es dir nicht zu Kopf steigt.
Der Apostel Paulus verweist in seinem zweiten Brief an die Korinther auf den richtigen Zeitpunkt und nennt ihn die Zeit der Gnade: Jetzt ist er da der Tag der Rettung. Auch er kennt wahrscheinlich die Erfahrung des ständigen Auf- und Verschiebens. Mit dem Slogan „des homma glei, des machma morgn“ wird man eben auf keinen grünen Zweig kommen.
Der Evangelist Matthäus schließlich stellt indirekt die Frage, warum wir überhaupt etwas verändern wollen. Um andere zu beindrucken oder selber Fortschritte zum Guten zu machen? Die Öffentlichkeitsarbeit, so wichtig sie auch sein kann, ist nicht das Ziel, sondern sie kann Gefahr laufen, so viel Raum und Zeit in Anspruch nehmen, dass man am Ende wieder auf keinen grünen Zweig kommt.
Auf keinen grünen Zweig kommen. Solche Redewendungen und Formulierungen haben oft einen biblischen Hintergrund oder gar dort ihren Ursprung. Nach der Sintflut lässt Noah in zeitlichen Abständen zunächst einen Raben und dann eine Taube aus der Arche fliegen, um zu erkunden, ob und wie weit das Wasser zurückgegangen ist. Als die Taube schließlich mit einem frischen Ölzweig im Schnabel zurückkehrt, weiß Noah, dass Neubeginn und Neuanfang unmittelbar bevorstehen. Dieser Neuanfang wird besiegelt mit dem großen Bundes- und Friedensschluss zwischen Gott und den Menschen: Meinen Bogen setze ich in die Wolken!
Liebe Schwestern und Brüder, diese Taube mit dem Ölzweig im Schnabel ist aber auch zum Ausdruck des Friedens und der Sehnsucht nach Frieden geworden. Vielleicht ist uns in diesen Tagen dieses Zeichen begegnet, oder wir haben es selber verwendet. Dahinter steckt die bittere Erfahrung, dass dort, wo und solange die Waffen sprechen, dieser Friede keine Chance hat, also auf keinen grünen Zweig kommen wird.
Um des Lebens willen müssen wir aber immer wieder auf diesen grünen Zweig kommen in allen Bereichen des Lebens, in der kleinen und persönlichen Welt, aber vor allem in der großen Welt, in der Ukraine und den anderen Krisengebieten unserer Erde, die es ja auch noch gibt.
Vor diesem Hintergrund möchte ich meine Gedanken mit einem Gebet schließen, das zum Ausdruckt bringt, dass der Friede auf keinen grünen Zweig kommen wird, wenn wir ihn nicht alle zu unserem ganz persönlichen Anliegen machen und da wo wir sind, zu leben versuchen.
Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich die Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.
Herr lass mich trachten,
nicht dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe;
Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.
Wieder auf einen grünen Zweig kommen!
L: Sam 26,2.7-9.12-13.22-23
Ev: Lk 6,27-38
Liebe Schwestern und Brüder!
Am vergangenen Montag war Valentinstag. In der Werbung legt man großen Wert darauf, diesen Tag in Erinnerung zu rufen und zu halten, um damit die entsprechenden Produkte und Aufmerksamkeiten von Liebe und Zuneigung wie Blumen oder Pralinen unter die Leute zu bringen.
Wenn Sie am vergangenen Sonntag hier bei uns im Gottesdienst waren, dann kamen Sie an diesem Valentinstag auch nicht vorbei, denn es wurde darauf hingewiesen, dass das Dekanat Scheyern am Montagabend in der Basilika Ilmmünster einen Segnungsgottesdienst zum Valentinstag anbietet. Dieser Gottesdienst hat stattgefunden und die Teilnehmerzahl war durchaus erfreulich. Es gibt einen treuen Stamm von Paaren, die immer kommen, aber man sieht durchaus auch neue Gesichter, soweit man das durch die Masken hindurch sagen kann.
Bei diesem Gottesdienst in Ilmmünster begann ich meine Predigt mit folgenden Worten: „Liebe Verliebte, liebe Liebende, liebe Sonstige!“ Ich weiß, dass ich mit dieser Anrede „liebe Sonstige“ die Schmunzler und Lacher auf meiner Seite habe, ich weiß aber auch, dass ich mit den „Sonstigen“ auch Situationen und Phasen in Beziehungen anspreche, die nicht so einfach zu beschreiben und in Worte zu fassen sind.
Ein Klassenkamerad von mir, dem ich den Predigttext per Mail geschickt habe, hat mir darauf geantwortet: „Ich gehöre dann zu den: Liebe Sonstige“. Das hat mich nicht nur verwundert, sondern fast ein bisschen erschreckt, weil ich keine Anzeichen von Krisen in seiner Ehe wahrgenommen hatte. Auf meine vorsichtige Nachfrage, ob ich etwas nicht mitbekommen habe, bekam ich zur Antwort: „Inzwischen geerdet, aber mit einer großen Portion von den anderen Anreden.“
„Liebe Verliebte, liebe Liebende, liebe Sonstige!“ Es gibt Situationen und Phasen in Partnerschaften und Beziehungen von Menschen – das gilt für alle Beziehungen, auch in einer Klostergemeinschaft – in denen sich Menschen schwer miteinander tun, wo es ein Ringen, ein Sich-Auseinandersetzen gibt, wo auch gekämpft wird und Verletzungen nicht ausbleiben. Es geschieht, weil einem am anderen immer noch etwas liegt, weil er einem nicht gleichgültig ist und wo die Gefahr des Zerbrechens durchaus besteht: Liebe Sonstige!
Liebe Sonstige, das könnte heute auch über den Abschnitt des Lukasevangeliums geschrieben werden, in dem Jesus von einer ganz speziellen Liebe, nämlich von der Feindesliebe spricht. Er bringt damit Situationen ins Spiel, in denen man sich nicht um den Hals fallen wird, sondern eher an die Gurgel gehen würde: Liebt Eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln. Liebe Sonstige!
Dass man so ein Verhalten nicht einfach aus dem Ärmel schüttelt, sondern dass solche Situationen Menschen auch an ihre Grenzen bringt, das ist Jesus durchaus bewusst. Aber manchmal wird es keinen anderen Ausweg geben, als es wenigstens zu versuchen, um vielleicht etwas zu retten oder auch um das Gesicht, die eigenen Prinzipien zu wahren.
In der Lesung aus dem 1. Buch Samuel haben wir in dem Abschnitt von den Auseinandersetzungen zwischen König Saul und David gehört. David hätte die Möglichkeit gehabt, diesem Zwist ein für allemal ein Ende zu machen, wenn er Saul getötet hätte oder hätte töten lassen, der seinerseits David immer wieder nach dem Leben trachtete. Er hat es aber nicht getan. Liebe Sonstige!
Jesus fordert zur Barmherzigkeit auf und warnt davor zu richten, damit man nicht selber gerichtet wird. Dass das schwierig ist und dass es auch schief gehen kann, das merkt die Gemeinschaft der Kirche gerade in diesen Wochen und Monaten in unserem Land.
Ihr wird vorgeworfen, nicht ganz zu Unrecht, mit den Verfehlungen und Versäumnissen in den eigenen Reihen sehr barmherzig umgegangen und verfahren zu sein, während man gegenüber anderen sehr hart vorgegangen und mit ihnen sehr rigoros umgegangen ist. Das höre ich immer mal wieder im Gespräch mit Menschen, die die Worte zu bestimmten Themen wie geschieden Wiederverheiratet, Homosexualität, Abtreibung von der Kanzel als „abkanzeln“, also als sehr unsensibel empfunden und auch erlebt haben. Ich weiß auch, dass es das nicht nur zu der Zeit gegeben hat, als die Kanzeln noch in Betrieb waren, sondern dass es so etwas bis in die Gegenwart hinein gibt. So kann es durchaus sein, dass Menschen mit solchen einschlägig negativen Erfahrungen auch heute hier unter uns sind.
Ich für mich kann sagen, dass ich das Glück hatte, Heimatpfarrer zu erleben, die versucht haben, den Lebensumständen und den Lebensverhältnissen, also den „Sonstigen“ irgendwie gerecht zu werden und sie nicht in Predigten bloß zu stellen. Dass das nicht immer gelungen ist und Enttäuschungen nicht ausblieben, versteht sich fast von selbst. Aber es hat mich geprägt und es war auch irgendwie der Ansporn, den Beruf des Seelsorgers nicht einfach zu ergreifen, sondern ihn zu wagen und zu versuchen. Wenn ich das hier so erzähle, dann denke ich vor allem an den, der mir vor 22 Jahren die Primizpredigt gehalten hat. Heuer werden es 10 Jahre, dass er im Alter von nur 63 Jahren gestorben ist. Seine letzte Seelsorgsstelle waren die Einrichtungen der Regens Wagner Stiftung, wo der Auftrag Menschen zu lieben, ihnen gerecht zu werden noch einmal in einer ganz eigenen Weise herausgefordert und angefragt war.
Liebt Eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.
Liebe Sonstige! Vor wenigen Tagen hat Papst Franziskus dazu aufgerufen, die Kirche zu lieben, so wie sie ist, auch mit ihren Fehlern und Schwächen. Damit hat er Menschen nicht nur verwundert, sondern auch enttäuscht oder gar verärgert. Kann man diese Kirche lieben?
Ich bin mir nicht immer sicher, ob er weiß oder nachvollziehen kann, warum Menschen gerade in unserem Land so aufgewühlt und aufgebracht sind. Ich glaube aber, dass er um die falsch verstandene Barmherzigkeit der Vergangenheit in die eine Richtung und die unglaubliche Härte in die andere Richtung gegen Andersdenkende und nicht Linientreue weiß. Er spricht immer wieder von einer verbeulten und beschmutzten Kirche. Es wird sich zeigen was sich verändern oder nicht verändern wird, auch vor dem Hintergrund, was Jesus uns mit der Feindesliebe und was damit verbunden sein kann, zumutet.
Ich möchte schließen mit einem Text, der dieses Anliegen Jesu etwas einfacher, aber nicht weniger ernst zum Ausdruck bringt:
Den andern nicht besitzen, beherrschen, benutzen, beschämen, sondern ihn einfach lieben.
Den andern nicht bekämpfen, beneiden, kleinmachen, nachmachen, sondern ihn einfach lieben.
Einfach lieben, als ob das immer so einfach wäre. Es gibt nämlich nicht nur Verliebte und Liebende, sondern vor allem viele Sonstige.
L: Mt 13,1-13
Liebe Verliebte, liebe Liebende, liebe Sonstige!
Es gibt Gegenstände in unserem Leben und in unserem Lebensumfeld, mit denen wir Tag für Tag umgehen und an die wir uns so gewöhnt haben, dass wir uns gar nicht mehr viele Gedanken über sie machen. Ihre Wichtigkeit und ihre Bedeutung kommen uns erst dann wieder so richtig in den Sinn und ins Bewusstsein, wenn wir sie nicht finden oder nicht mehr haben.
Ein solcher Gegenstand, den ich meine, ist der Schlüssel. Auch wenn Schlüssel heute vielleicht ganz anders aussehen. Egal welche Form und Gestalt sie haben, wenn ich einen Schlüssel nicht mehr habe, wenn ich ihn nicht mehr finde oder wenn ich ihn verloren habe, wird mir seine Bedeutung, seine Wichtigkeit bewusst: Ich habe keinen Zugang mehr!
Ich hoffe, ich habe jetzt niemanden erschreckt, so dass er gleich nachgeschaut hat, ob er den Schlüssel auch abgezogen und eingesteckt hat.
Auch über einen echten Schlüssel hinaus, wird der Schüssel als Symbol benutzt, etwa bei Codewörtern und der Begriff „Schlüssel“ wird verwendet, um die Bedeutung von etwas anderem hervorzuheben. Wir sprechen dann von einer „Schlüsselposition“, von einer „Schlüsselstellung“ oder von „Schlüsselfragen“. Es gibt „Schlüsselprozesse“ und „Schlüsselreize“ und die Physiotherapie kennt den „Schlüsselpunkt“. Alles was mit Schlüssel in Verbindung gebracht wird, bedeutet dann besonders wichtig und auch entscheidend.
Der Valentinstag könnte so eine Art „Schlüssel-Tag“ sein, weil er dazu einlädt, auf etwas zu schauen, das mit einem „Schlüsselerlebnis“ zu tun hat, nämlich als man einen Menschen kennengelernt hat, der mehr war als nur ein guter Bekannter, ein Freund oder ein Vertrauter, sondern der zum Menschen an meiner Seite geworden ist.
Diese Schlüsselerlebnisse des Kennenlernens, Schätzenlernens und Liebenlernens sind ganz unterschiedlich, bei der Hochzeitsvorbereitung erfahren wir so manches. Manchmal bahnen sie sich lange an und manchmal geht es ganz schnell. Jemand hat mir mal erzählt, dass er sofort wusste: „Das wird mal meine Frau!“
Schlüsselerlebnisse sind Erfahrungen und Erlebnisse, die auch so etwas wie ein Schlüssel zum persönlichen Glück sind. Zum Beispiel die eben zitierte „Liebe auf den ersten Blick“.
Wenn man „Schlüssel zum Glück“ in die Suchmaschine des Internets eingibt, dann bekommt man sozusagen einen ganzen Schlüsselbund angeboten. Und wie das bei Schlüsseln so ist, nicht jeder passt in ein Schloss und nicht jeder „Schlüssel zum Glück“, der uns angeboten wird, passt auf jede Lebenssituationen.
Ich möchte ein paar dieser „Glücksschlüssel“ nennen, die ich gefunden habe.
Viele kleine Dinge sind der Schlüssel zum Glück.
Dankbarkeit ist der ultimative Schlüssel zum Glück.
Gelassenheit ist häufig der Schlüssel zum Glück.
Vergebung ist der Schlüssel zum Glück.
Der Schlüssel zum Glück: loslassen lernen.
Manchmal suchen wir den Schlüssel zum Glück so lange, bis wir merken, dass er schon steckt.
Erfolg ist nicht der Schlüssel zum Glück, sondern Glück ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn du liebst, was du tust, wirst du erfolgreich sein.
Der Schlüssel zum Glück ist, mit dem zufrieden sein, was man im Augenblick ist und hat. Diese Zufriedenheit verändert den Blick auf Dinge, so dass der Geist des Friedens verweilen kann.
Und zum Schluss noch ein etwas eigenartiger Schlüssel, den ich gefunden habe: Was ist eigentlich der Schlüssel zum Glück? Umgib dich mit Tieren und halte dich von Idioten fern.
Von einem anderen Schlüssel haben wir heute schon gehört, der uns wahrscheinlich gar nicht als solcher aufgefallen ist. Es war das Gleichnis vom Sämann, das Jesus erzählt hat und in dem man sich mit seinem Leben und den unterschiedlichen Situationen wiederfinden kann.
Ein Sämann gings aufs Feld, um zu säen. Man könnte es so zusammenfassen: Von nichts kommt nichts! Das gilt für das Leben, das gilt auch für Beziehungen oder bestimmte Phasen in Beziehungen. Es braucht eine Grundhaltung der Bereitschaft etwas dafür zu tun, etwas zu investieren.
Damit ist es aber noch nicht getan. Damit etwas wachsen kann, braucht es auch Zeit. Das ist für Menschen unter Umständen sehr schwierig, wenn Geduld angesagt ist oder gar eingefordert wird.
Dann kommt noch die Erfahrung der Realität hinzu, dass nicht alles aufgehen wird und von Erfolg gekrönt sein muss. Man darf sich nicht so schnell entmutigen lassen.
Was dann wirklich aufgeht, müssen nicht immer 100 % sein, 60 oder 30-fach, wie Jesus sagt, ist nicht nichts, sondern auch etwas. Es muss nicht immer das Beste sein, sondern es sollte vor allem etwas Gutes sein. Manchmal darf man es auch „gut sein lassen“.
Schlüssel zum Glück gibt es ganz viele und ganz verschiedene. Zum Glück gibt es keinen Generalschlüssel, wenn es ihn gäbe, dann hätte ihn sich schon lange jemand patentieren lassen.
Bei meiner Schlüsselsuche für das Glück ist mir eine Studie aufgefallen, die zu dem Ergebnis kommt, dass für das Glück an erster Stelle „gute Beziehungen“ stehen. Wenn dem so ist, dann sind Sie, die Sie heute da sind, Fachmänner und Fachfrauen eines besonderen „Schlüsseldienstes“, der reich ist an Schlüsselerlebnissen und Schlüsselerfahrungen.
Zu dem Schlüsselbund, den ich Ihnen heute angeboten habe, möchte ich noch drei Schlüssel hinzufügen, die ganz unscheinbar klingen und die mit dem Raum zu tun haben, in dem wir jetzt sind. Sie heißen Glaube, Hoffnung und Liebe.
Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter.
Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer.
Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht.
Und weil man Schlüssel auch gerne verlegt oder übersieht, habe ich diese Schlüssel auf oranges Papier kopiert, damit man sie bei Bedarf gleich hat und einsetzen kann.
Schlüssel zum Glück!
Les: 1 Kor 15,1-11
Ev: Lk 5,1-11
Liebe Schwestern und Brüder!
I mog nimmer! Kennen Sie diesen Satz? Oder anders gefragt: Kennen Sie einen solchen oder so ähnliche Gedanken? Ja, ich kenne diese Gedanken, sie sind mir nicht fremd und sie sind auch irgendwie aktuell.
I mog nimmer! Das klingt nach Vergeblichkeit, Erfolglosigkeit, Aussichtslosigkeit, Enttäuschung, vielleicht sogar nach Verärgerung: Es reicht!
I mog nimmer! Diesen Gedanken finden wir heute auch im Evangelium, auch wenn er als Satz so nicht dasteht, aber er schwingt mit, er ist da. Jesus fordert Simon auf, er soll auf den See hinausfahren und die Netze zum Fang auswerfen. Die Begeisterung des Simon hält sich in Grenzen, seine Reaktion ist nicht: Bitte sehr, bitte gleich, sondern er gibt zur Antwort: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und haben nichts gefangen. Es wäre auch kürzer gegangen: I mog nimmer!
Da ist einer, der sein Handwerk, das Fischen, versteht, aber er kennt auch die Situationen und die Momente, die Menschen denken oder sagen lassen: I mog nimmer!
Liebe Schwestern und Brüder, es gibt ganz viele und ganz unterschiedliche Situationen, in denen solche Gedanken aufkommen. Die kennen Sie genauso wie ich. Irgendwie habe ich aber den Eindruck, dass dieses „I mog nimmer!“ in manchen Bereichen des Lebens sozusagen gerade in der Luft liegt.
Da ist immer noch dieses Virus, das mit uns seit zwei Jahren Achterbahn fährt, uns scheinbar zum Narren hält. Wir haben dieses versucht und jenes, Isolation und Quarantäne hin, Abstände, Masken und Impfen her. Es scheint nicht in Griff zu bekommen. Eine Karikatur hat es Anfang Januar so auf den Punkt gebracht. Unter der Überschrift „Verhandeln mit Omikron“ sitzt der Bundesgesundheitsminister am Verhandlungstisch und sagt: „Also: Wir verkürzen die Quarantäne, dafür halten Sie sich bei den schweren Verläufen zurück.“ Darauf das Virus, das auf der anderen Seite des Tisches sitzt: „Probieren Sie’s. Ich verspreche gar nix.“ Wer davon betroffen ist oder tagtäglich damit zu tun hat oder die Auswirkungen zu spüren bekommt, dem wird bei einer solchen Karikatur nicht unbedingt zum Schmunzeln oder zum Lachen zu Mute sein.
So ist es wohl auch bei dem anderen Thema, das gerade die Zeitungen und vor allem die sozialen Kommunikationsmittel füllt. Ein Thema, das Menschen aufwühlt und sie aufbringt und sie denken und sagen lässt: I mog nimmer! Seit 12 Jahren ist das Thema Missbrauch in der Kirche virulent und es scheint kein Ende zu nehmen, im Gegenteil, es tun sich immer neue und mehr Abgründe auf: I mog nimmer!
Diesen Gedanken gibt es bei Betroffenen, bei ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch bei vielen, denen Glaube, die Botschaft Jesu, etwas bedeutet hat und immer noch bedeutet.
Fahr hinaus auf den See! Dort werft die Netze zum Fang aus! Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. – I mog nimmer! – Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen.
Doch wenn Du es sagst! An den, der zu Simon „fahr hinaus“ gesagt hat und noch vieles andere auch, erinnert der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther: Das Evangelium ist der Grund, auf dem ihr steht. Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet, wenn ihr an dem Wortlaut festhaltet, den ich euch verkündet habe.
Auch wenn Paulus vom Wortlaut spricht, so sind damit nicht die einzelnen Buchstaben und Worte gemeint, sondern vor allem die Zusammenhänge und Schlüsse, die Jesus mit seinen Geschichten und Gleichnissen den Menschen ins Leben mitgegeben, aber auch ins Stammbuch geschrieben hat.
Diese Botschaft hat nicht nur dem Simon wieder neuen Schwung, neue Kraft gegeben, sondern viele andere Menschen angesprochen, bis heute.
Die ersten Christen nannte man zuerst die „Anhänger des neuen Weges“. Ein neuer Weg, ein neues Denken, eine neue Sichtweise des Lebens. Im Johannesevangelium gibt es diese Geschichte vom zweiten Anlauf zum Fischfang auch. Dort gibt Jesus aber noch den Tipp, sie sollen die Netze auf der rechten, auf der anderen Seite auswerfen, es vielleicht ein bisschen anders machen, als sie es gewohnt waren oder gelernt hatten, oder was die lange und auch gute Erfahrung sie immer tun ließ. Auch das könnte ein Aufhänger für die Anhänger des neuen Weges gewesen sein. Dieser neue Weg ist aber in die Jahre gekommen. I mog nimmer!
Der Erfolg, den diese scheinbar nur geringen Veränderungen gebracht haben, ist gewaltig. Die Netze sind voll, übervoll, so dass sie zu reißen drohen und gar nicht mehr händelbar sind. Dieser Erfolg ist aber nicht ungefährlich. Die Boote sind bis zum Rand gefüllt, so dass sie fast untergehen. Auch durch Erfolg und im Erfolg kann man untergehen, wenn man nicht aufpasst.
Liebe Schwestern und Brüder, es anders zu machen, vielleicht nur ein bisschen anders, ist gar nicht so einfach, es kommen schnell Gedanken und Befürchtungen auf, wo das wohl hinführen wird, was es alles zur Folge hat oder haben könnte. Jesus hat vieles anders gemacht und hat zum Andersmachen Mut gemacht: Ich aber sage Euch!
Das, was sich in der Gemeinschaft der Kirche daraus entwickelt hat, hat sicher viel Gutes hervorgebracht, aber eben nicht nur Gutes. Außerdem ist es nicht so einfach vom Himmel gefallen, sondern hat sich entwickelt und man hat aus Fehlern auch gelernt. So wie der Apostel Paulus in dem Abschnitt aus dem Korintherbrief, den wir gehört haben, seinen Fehler zugibt: „Ich habe die Kirche Gottes – die Anhänger des neuen Weges – verfolgt. Ich bin der geringste unter den Aposteln, ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden.“
Der Simon hat das damals nicht alleine geschafft, sondern das Evangelium erzählt, dass er Jakobus und Johannes zu Hilfe holt, mit denen er zusammenarbeitete. Alleine hätte er keinen Erfolg gehabt, alleine wäre er wahrscheinlich untergegangen. Zusammenarbeiten bedeutet aber nicht nur Handlangerdienste, sondern Zusammenarbeit bedeutet auch etwas einbringen können und einbringen dürfen, am Erfolg teilhaben.
So wünsche ich mir in dieser Stimmung und den Gefühlen des „I mog nimmer!“ Zusammenarbeit der Kirche mit allen, die auch etwas zu sagen haben zum Menschen, zum Leben, zur Welt, zur Schöpfung. Die Naturwissenschaften und Humanwissenschaften haben vieles erforscht und entdeckt, und können auch Lösungen anbieten, was so nicht in der Bibel steht, aber doch mitschwingt und da ist: Eine stetige Suche nach Wahrheit.
Doch wenn du es sagst! Das lässt den Petrus es noch einmal, trotzdem wieder, versuchen.
Doch wenn du es sagst! Wer könnte ein solcher heute sein? Es gibt schon welche, denen Menschen vertrauen und solche Menschen werden Sie auch in Ihrem Umfeld haben. Einen möchte ich heute hier nennen, der durch seine Andersartigkeit in der Sprache und im Umgang mit den Menschen anspricht und auf den auch die Medien aufmerksam geworden sind. Es ist Pfarrer Rainer Maria Schießler aus München. Ich weiß, die einen mögen ihn und die anderen nicht. Ich habe ihn ich im Rahmen einer Firmung persönlich kennengelernt und er ist ein kreativer Kopf. Das ist nicht immer einfach, das muss man auch aushalten. Er sagt zu dem Gutachten: „Es ist Aufbruchstimmung, die uns hier vor Ort umgibt, und nicht Untergangsangst. Wer aber jetzt geht, entzieht sich diesem Neufang, und nur dafür gibt’s keine Argumente für mich.
Wer es ein bisschen frömmer mag, den verweise ich auf das Lied, mit dem wir heute den Gottesdienst begonnen haben: Lass uns in deinem Namen Herr, die nötigen Schritte tun. (GL 446) So hieß der Refrain, der immer am Anfang und nicht am Schluss stand. Die letzte Strophe endete mit den Worten: Gib uns den Mut, voll Glauben Herr, mit dir zu Menschen zu werden.
Das Evangelium ist der Grund auf dem ihr steht. Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet.
Les: Mal 3,1-4 Ev: Lk 2,22-40
Liebe Schwestern und Brüder!
Und wie war’s? Diese Frage wird uns wahrscheinlich schon öfter gestellt worden sein und wir werden in Zukunft auch immer wieder gefragt werden: Und wie war’s? Unser Gegenüber möchte nicht nur gerne wissen, wie und was sich ereignet oder abgespielt hat, sondern er interessiert sich dafür, wie wir etwas erlebt oder besser gesagt, wie wir es empfunden haben und wie es deshalb vielleicht noch nachwirken kann und nachwirken wird.
Und wie war’s? So fragen mich auch immer wieder meine Mitbrüder, wenn ich von Veranstaltungen ganz verschiedener Art zurückkomme. Meistens lautet die Antwort „schön“, obwohl es das andere auch gibt. Aber da bleibe ich meistens etwas wortkarg, weil es entweder nicht viel zu erzählen gibt oder weil ich es nicht erzählen will bzw. kann.
Es gibt keine Zufälle. Es gibt nur Begegnungen, die entweder ein Fest, eine Lektion oder ein großes Geschenk sind. So habe ich kürzlich mal irgendwo gelesen und ich glaube, das beschreibt kurz und prägnant, wie wir etwas erleben und empfinden und was wir dann auf diese Frage antworten: Und wie war’s?
Es gibt keine Zufälle. Es gibt nur Begegnungen, die entweder ein Fest, eine Lektion oder ein großes Geschenk sind.
Unser Leben setzt sich aus ganz vielen und unterschiedlichen Begegnungen zusammen und das Leben wird durch Begegnungen auch geprägt oder sogar beeinflusst und bestimmt, vielleicht das ganze Leben lang.
Der Inhalt des heutigen Festes mit den unterschiedlichen Namen „Darstellung des Herrn“ oder „Mariä Lichtmess“ ist Begegnung. Begegnung in ihrer Unterschiedlichkeit, ihrer ganzen Fülle und Breite. Das zieht sich auch wie ein roter Faden durch die Texte, die wir gerade aus der Bibel gehört haben. Das Leben setzt sich aus Begegnungen zusammen, es wird davon geprägt, beeinflusst, bestimmt und auch verändert. Am deutlichsten kommt es in dem Abschnitt aus dem Lukasevangelium zum Ausdruck.
Jesus wird von seinen Eltern in den Tempel gebracht. Dabei treffen sie nicht nur auf diese beiden alten Menschen Simeon und Hanna, sondern es geschieht Begegnung. Begegnung, die nicht folgenlos geblieben ist, sondern nach der wohl jeder etwas zu sagen hätte auf die Frage: Und wie war’s?
Von Simeon sind uns ein paar Sätze überliefert, die wohl nicht mehr unserem Sprachgebrauch entsprechen, aber es lässt sich doch erkennen, dass es für ihn eine entscheidende, vielleicht die entscheidendste Begegnung seines Lebens war: „Meine Augen haben das Heil gesehen.“ Es geht ihm etwas auf, das ihn nicht mehr loslassen wird.
Von Hanna wird nichts berichtet, aber im Umkehrschluss lässt sich aus dem, was wir so nebenbei über ihr Leben erfahren – eine betagte Frau, die längste Zeit ihres Lebens Witwe, aber kein resignierter, sondern immer noch ein suchender und wacher Mensch geblieben – schließen, dass sie offen war für diese Begegnung und dass diese wohl nicht spurlos an ihr vorüber ging, sondern Eindrücke hinterlassen hat, ähnlich wie bei Simeon.
Es gibt keine Zufälle. Es gibt nur Begegnungen, die entweder ein Fest, eine Lektion oder ein großes Geschenk sind.
Auch für die Eltern Jesu war es eine entscheidende Begegnung, die an beiden Spuren hinterlassen hat, auch wenn Simeon nur zu Maria diesen Satz sagt, der erschrecken und erschaudern lässt: Dir wird ein Schwert durch die Seele dringen.
Was Simeon damit gemeint hat, kennen wir aus unserem Glaubensvollzug und wir nennen es das Geheimnis unseres Glaubens, das auch eine Kehrseite haben kann: „Deinen Tod, oh Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir“, aber auch „Dir wird ein Schwert durch die Seele dringen.“
Liebe Schwestern und Brüder, zurzeit melden sich Menschen zu Wort, oder auch wieder zu Wort, die keine guten Begegnungen mit Glaube und Kirche gehabt haben. Auch das hat Spuren hinterlassen und begleitet Menschen ihr Leben lang. Den Betroffenen wünsche ich, dass es jetzt zu Begegnungen kommt, in denen Heilung und Heil wenigstens ansatzweise erfahren werden kann.
Das ist das eine, was derzeit in den Zeitungen steht. Wer heute den Pfaffenhofener Kurier aufgeschlagen hat, der konnte lesen, dass unser Mesner, Bernhard Kürzinger, heute am 2. 2. 2022 auf 22 Dienstjahre zurückblicken kann. Und wie wars? In dem Artikel ist zu lesen, was sich in diesen 22 Jahren alles ereignet hat. Man erfährt aber auch direkt oder zwischen den Zeilen, wie für Herrn Kürzinger diese 22 Jahre waren, wie er sie erlebt und empfunden hat.
Es gibt keine Zufälle. Es gibt nur Begegnungen, die entweder ein Fest, eine Lektion oder ein großes Geschenk sind.
Und wie war’s? Liebe Schwestern und Brüder, Begegnungen können ganz unterschiedlich sein und werden auch so empfunden. Es gibt schöne und weniger schöne, aber sie haben alle Auswirkungen auf unser Leben. Ich hoffe und wünsche für Sie, aber auch für mich, dass sie uns weiterbringen, dass sie uns helfen, dass wir unser Leben auch in einem anderen Licht sehen können und dass wir einmal auf die Frage „Und wie war’s? sagen können: Ich habe Heil gesehen und erfahren.
Les 1 Kor 12,4-11
Ev: Joh 2,1-11
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Planungen laufen auf Hochtouren. So möchte ich ein Geschehen zusammenfassen, von dem ich, von dem wir nur am Rande etwas mitbekommen. Aber das, was ich eben mitbekomme, lässt darauf schließen, dass viel, sehr viel im Hintergrund geplant und vorbereitet wird. Ich meine die Hochzeiten, die in diesem Jahr stattfinden werden oder, vielleicht besser gesagt, stattfinden sollen. In der letzten Woche habe ich mal in den Basilika-Kalender geschaut und festgestellt, wenn ich richtig gezählt habe, dass sich heuer hier bei uns 53 Paare das JA-Wort geben wollen. Und so wird geplant, viel geplant.
Aus Begegnungen mit Brautpaaren im Zusammenhang mit ihrer Hochzeit in den letzten Jahren, weiß ich, dass sich Menschen um das Drumherum viele Gedanken machen. Ob das immer so sein müsste, weiß ich nicht. Manchmal glaube ich, dass es auch mit etwas weniger gehen könnte oder gehen müsste, aber das müssen die Paare letztlich selber wissen. Es ist ihr Fest.
Dass bei einem Fest auch immer etwas schief gehen kann, das haben wir gerade im Evangelium gehört: Der Wein geht aus. Also schlecht geplant oder zu knapp berechnet angesichts der Trinkfreudigkeit der Gäste?
Ob diese Sorge die Hochzeitspaare von heute auch noch beschäftigt oder plagt? Ich glaube eher nicht, sondern da gibt es ganz andere Themen und ganz andere Sorgen. Zum Beispiel, ob die Hochzeitsfeier überhaupt stattfinden kann und wenn ja, mit wie vielen Gästen. Diese Tatsache, die den Umständen der Zeit geschuldet ist, hat im letzten Jahr zur Absage oder Verschiebung so mancher Hochzeit geführt und es wird auch heuer so sein. Die erste Hochzeit in diesem Jahr hätte am kommenden Samstag stattfinden sollen: Abgesagt!
Die Unterschiedlichkeit der Sorgen und wie sie Menschen ganz konkret erleben und empfinden, auch und vor allem außerhalb von Hochzeitsvorbereitungen, führt manchmal zu einem Vergleich oder einer Bewertung, die in folgender Formulierung zum Ausdruck kommt: Deine Sorgen möchte ich haben!
Deine Sorgen bzw. ihre Sorgen möchten wir haben. Diesen Satz hat sich die Wiener Städtische Versicherung als Werbeslogan zu Eigen gemacht: Ihre Sorgen möchten wir haben. Damit wird geworben und es trifft einen wunden Punkt von uns Menschen: Was machen wir, wenn…? Was tue ich, wenn dieses oder jenes eintritt?
Es braucht jemanden, der die Not oder Notlage möglichst frühzeitig erkennt und Hilfe bzw. Abhilfe schafft. In der Geschichte im Evangelium ist das Maria. Es wäre wohl etwas zu hochgegriffen, Maria als erste Versicherungsmaklerin zu bezeichnen, aber sie verkörpert mit ihrem Handeln die Idee, die hinter jeder Versicherung steht, nämlich Solidarität. Man muss mit dem, was man kann und was man hat einspringen und so Menschen zu Hilfe kommen. Im Evangelium klappt das, weil es Maria sozusagen an den weiterleitet, der Abhilfe schaffen kann, auch wenn er nicht gleich darauf anspringt bzw. anspricht.
Der Apostel Paulus sagt in seinem Brief an die Korinther, dass diese Solidarität geistgewirkt ist: Jedem aber wird diese Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. Es muss nicht jeder alles können, es muss nicht jeder alles haben, aber jeder kann etwas und dazu beitragen, dass menschliches Leben und Zusammenleben gelingen können, auch in Schwierigkeiten, auch in Notlagen: Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will. Das ist auch Auftrag, ja Sinn und Zweck der Kirche, diese Begabungen zu entdecken und zu fördern und damit Solidarität Wirklichkeit werden zu lassen und gegebenenfalls auch einzufordern.
Die Themen, die Menschen Sorgen machen und die Anlass zur Sorge geben, ändern sich mit den Umständen der jeweiligen Zeit. Heute werden sich, wie gesagt, Brautpaare nicht so sehr fragen, ob der Wein reicht, weil wohl immer genug da sein wird, sondern die aktuelle Frage lautet, werden wir überhaupt feiern können. So müssen sich auch die Hilfsangebote und die Antworten auf die Fragen der Menschen ändern.
Das zu begreifen, ist auch für die Gemeinschaft der Kirche gar nicht so leicht und wird ihr oft zum Vorwurf gemacht, dass die Antworten die Menschen nicht mehr treffen, weil sie nicht mehr zutreffen oder weil es anderes gibt, weil die Entwicklung voranschreitet.
Das trifft auch, wie ich meine, auf eine Frage zu, die sich Brautpaare trotz allem drumherum auch stellen, nämlich: Werden wir es schaffen, das zu leben, was wir uns vornehmen und gegenseitig versprechen? Und was tun Menschen, wenn es nicht gelingt? Ob die Antworten, die die Tradition hervorgebracht hat, die einzigen sind, oder könnte und sollte es auch andere oder neue geben?
Bei allem hin und her, was die gegenwärtige Zeit so aufwühlt: Menschen entdecken und wertschätzen ganz neue Fähigkeiten, die man vorher nie für möglich gehalten hätte, damit das Leben und das Zusammenleben trotzdem gelingen kann.
So gebe ich Ihnen heute eine Frage mit auf den Weg. Wo glauben Sie, dass Sie etwas dazu beitragen können, dass Menschen sich weniger Sorgen zu machen brauchen. Vielleicht bekommen bei solchen Überlegungen die eigenen Sorgen einen ganz anderen Stellenwert: Deine Sorgen möchte ich haben!
Ich möchte schließen mit einem Text von Wilhelm Wilms, der darauf abzielt, dass Menschen das, was sie tun, mit ganzem und von ganzem Herzen tun sollen. Das ist die beste Voraussetzung dafür, dass sich etwas ändert oder wie die Bibel sagt, Wunder eine Chance haben:
Wenn die Krüge in eurem Leben leer sind,
dann tut, was er euch sagt,
das einfachste von der Welt.
Gebt, was ihr habt – nie sollen wir etwas halb tun.
Sondern ganz bis zum Rand
sollen wir die die leeren Krüge füllen,
mit dem was wir haben.
Vielleicht
mit unseren Tränen
mit unseren Ängsten
mit unserer Traurigkeit
Wer nicht an ein Wunder glaubt ist kein Realist.
Ohne Wunder geht kein Leben,
erst recht kein Leben zu zweit.
Lesungen: Neh 8,2-10
Evangelium: Lk 1,1-4;5,14-21
Liebe Schwestern und Brüder!
Vom frühen Morgen bis zum Mittag las der Priester Esra die Weisung Gottes vor. Es ist ein unheimlich langer Wortgottesdienst, der da stattfindet, und man hat nicht den Anschein, dass es irgendjemandem langweilig wurde dabei, sondern im Gegenteil, das Volk hört zu, alle stehen, sie antworten mit Amen, sie verneigen sich bis zur Erde, ja und offenbar waren sie so ergriffen und gerührt, dass viele weinen mussten. Denn bei der Predigt, die darauffolgt, mussten sie eigens aufgefordert werden: „Heute ist ein heiliger Tag zu Ehren unseres Gottes, darum seid nicht traurig und weint nicht, macht euch keine Sorge, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“
Das Bild, das uns hier im Buch Nehemia vorgestellt wird, stammt aus der Zeit nach dem Babylonischen Exil, etwas mehr als 500 Jahre vor Christus. 50 Jahre Exil; eine bedeutende Anzahl und vor allem die Oberschicht der jüdischen Bevölkerung waren nach Babylon verschleppt worden, das war die Politik des babylonischen Reiches, für das kleine Volk Israel die Katastrophe schlechthin – einerseits.
Auf der anderen Seite hat diese Politik eines Großreiches es nicht geschafft, den Glauben an den Gott der Juden auszurotten bzw. in Vergessenheit zu bringen. Zwar wissen wir, dass sich viele Juden gut eingerichtet haben dort in Babylon, keineswegs haben sie Sklavenarbeit verrichtet, dass sie vornehme Stellungen bekleidet haben und dass sie gar keine Lust hatten wieder in die Provinz zurück zu kehren, als es denn möglich war; aber es gab eben auch das andere: eine kleine Schar von Menschen, die ihren Glauben und ihre Überzeugung nicht aufgegeben hatten, die ihrem Gott, ihrer Religion treu geblieben waren, die überzeugt waren, dass dieser Glaube eine große Kraft war, dass er darum Zukunft hatte und für die Menschen wichtig war. Und weil es solche Menschen gab, konnte nach dem Exil wieder religiöses Leben neu beginnen in Jerusalem, konnte Gottesdienst gehalten werden, der Tempel wieder aufgebaut werden usw.
Aber am Beginn steht fast symbolisch dieser schlichte Wortgottesdienst und die Ergriffenheit der Menschen, die doch eigentlich diese Worte kennen, die sie aber endlich wieder hören können und die sich von ihnen ansprechen lassen.
Sie können sich vorstellen, warum mich dieses Bild aus der Lesung heute so besonders anspricht.
In der vergangenen Woche wurde das in Auftrag gegebene Missbrauchsgutachten über unser Erzbistum in München vorgestellt, und obwohl ich keine Details kenne und obwohl ich auch nicht wirklich überrascht bin von dem, was da in den Medien der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, weiß ich doch: Hier ist ganz viel Unrecht geschehen, das wird uns wieder neu bewusst, hier ist Unrecht geschehen, das nicht nur aber doch auch mit einer gewissen Struktur von Kirche verbunden ist; hier hat man die eigentlichen Opfer lange nicht sehen wollen, hat arrogant oder auch hilflos über viele Wirklichkeiten und viele Zeichen der Zeit hinweg gesehen. Und das Ergebnis ist auch deshalb erschütternd, weil es kein Vertrauen mehr gibt in die Kirche als Institution, weil letztlich alle Chancen verspielt wurden, dass unsere Frohe Botschaft glaubwürdig bei Menschen heute ankommen kann. Und ich sehe bei alledem, wie wichtig diese Botschaft von einem Gott, der alle Menschen liebt, heute wäre, wie trostvoll die Botschaft Jesu heute wäre, die im Evangelium heißt: Der Geist des Herrn hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze. Diese Botschaft hat niemand anders als wir Christen, und wenn sie von uns nicht gesagt wird oder wenn wir dafür sorgen, dass sie uns niemand mehr abnimmt, dann wird diese Botschaft der Welt fehlen. Und das spüren wir doch längst, es ist mit Händen zu greifen auch in unserer Gesellschaft.
Ich sehe in dieser kleinen Gemeinde beim langen Wortgottesdienst in der Lesung ein Bild für eine erneuerte Kirche, eine Kirche, die sich neu von Gott, von seinem Wort ergreifen lässt; Ich sehe in dieser Versammlung vor dem Wassertor auch ein Bild für die Menschen guten Willens, die in dem, was da vorgelesen wird, ihre eigene Weltsicht, ihre Hoffnung und ihre Sehnsucht wieder entdecken. Ich wünsche und hoffe sehr, dass all das, was wir momentan als Erschütterung erleben, uns so demütig macht, dass wir die Kraft haben zu solch einer Kirche, wie sie Jesus uns vorgelebt hat.
Und vielleicht sagen Sie jetzt: „Ja, dann träum mal schön weiter, es wird sich nichts ändern.“ Und vielleicht haben Sie Recht.
Aber ich träume weiter, und ich weiß, dass es diese Kirche doch auch längst gibt, eine Gemeinschaft von überzeugten Christen und gutwilligen Menschen, die nicht mehr lange fragen nach einer Konfession, die sich in Gesprächskreisen, Bibelkreisen und Gebetskreisen zusammenfinden; es gibt sie längst die Menschen, die sich von ihrem Glauben getragen wissen und Dienste übernehmen im caritativen Bereich, die sich einfach ansprechen lassen von der Not, die ihnen gerade begegnet. Es gibt sie längst, die Menschen, die ihre Kirche vor Ort aufrechterhalten, die Dienste übernehmen, priesterliche Dienste, egal, ob sie jemand dazu beauftragt hat oder nicht, es gibt sie längst, diejenigen, die manchmal belächelt werden, die vielleicht im offiziellen System Kirche nie eine Chance hatten, die weggemobbt wurden und die doch für manche das sympathische Gesicht der Kirche geworden und geblieben sind, es gibt die Menschen, die an der Kirche leiden und sich trotzdem nicht beirren lassen. Es gibt die Kirche nach dem Exil längst.
In Pfaffenhofen hängt an der Kreuzkirche ein großes Plakat, und darauf ein Satz aus der Bibel: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“
Von diesem Plakat hat mir gestern jemand ein Bild geschickt und dazu Folgendes geschrieben: „Dieses Plakat tat mir gut, denn alles, was jetzt geschrieben, gesagt, diskutiert wird, tut einfach nur weh. Alles wird im Moment in einem Topf geworfen und das ist schwer zu ertragen. Ich denke an die vielen Berufungen in unserer Kirche, die sicher renovierungsbedürftig ist, aber trotzdem Heimat.“
Ich sehe auch, dass unsere Kirche renovierungsbedürftig ist, sehr sogar. Aber ich sehe auch die vielen Berufungen, die einfach und trotzdem und oft ganz selbstverständlich gelebt werden, und das macht mir Mut.
Amen.