Predigten

In dem folgenden Predigtarchiv finden Sie eine Auswahl von Predigten zum Nachlesen. Diese sind in einem Zeitraum bis zu einem Kalenderjahr zurück aufgeführt.

Neben dem Gottesdienst bieten wir auch die Möglichkeit das Sakrament der Beichte zu entrichten.

2024

Zum 4. Fastensonntag 2024 – mit Bezug zum Tagesevangelium Joh 3,14-21


Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, liebe Mitbrüder, liebe Pfarrangehörigen!

Religion, Glaube ist nicht nur einfach Privatsache! Entgegen gerade einer solchen heute verbreiteten Vorstellung, Religion sei eine Privatangelegenheit, spricht sich das heutige Evangelium ganz deutlich für eine große Öffentlichkeit aus: „Wie Mose in der Wüste die Schlage erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der glaubt, in ihm das ewige Leben hat.“(Joh 3,14)

Wenn es also nach dem Evangelisten Johannes geht, dann kann es also gar nicht genug „Öffentlichkeit“ geben, dann braucht die Botschaft Jesu, das Geheimnis von Tod und Auferstehung, in jeder heiligen Messe gefeiert besonders Ostern im Blick, nicht Stille und Verborgenheit, nicht hohe Mauern und hübsch arrangierte Kircheneinrichtungen, sondern eine machtvolle und vernehmbare Verkündigung.

Dafür steht bis heute in unseren Landen der heilige Korbinian, dessen Ankunft vor 1300 Jahren in unserer Heimat gefeiert und im Zyklus der diesjährigen Fastenpredigtreihe, heute unter der Überschrift: Der hl. Korbinian als Missionar, bedacht werden darf.

Bei Verkündigung denken wir schnell an kluge und wirkmächtige Worte. Doch schon Paulus betont in seinem Brief an seine Gemeinde in Korinth:

Denn Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden, aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird.“ (1 Kor 1,17)

Klugheit und eine rechte Gewandtheit in der Rede scheinen demnach ja gerade zu schaden! – Ob das die Verantwortlichen in der Priesterausbildung und für die in der Seelsorge eingesetzten Frauen und Männer wohl auch so sehen? – Für Korbinian gilt aber in jedem Fall ein guter Teil davon. Nicht, dass es ihm an Klugheit gemangelt hätte, das ist schwer zu behaupten, aber eines ist klar: gewandte Worte waren zumindest in den ersten Jahren seines Wirkens nicht seine Stärke, war er doch ein Ausländer und der Sprache oder zumindest des bei uns gebräuchlichen Dialektes nicht wirklich mächtig. Auch das gilt es also zu Bedenken, wenn wir seine Ankunft in Freising vor 1300 Jahren feiern. Mit ihm kam ein Fremder, stammte er doch aus der Nähe der heutigen Stadt Evry in der sogenannten Ile-de-france, also dem heutigen Gebiet um Paris.

Wenn Korbinian dennoch als großer Missionar gilt, dann muss er eine andere Sprache gesprochen haben, die sich nicht auf Worte beschränken lässt, um die Herzen der Menschen zu bewegen.

Seine Sprache, war wie bei vielen anderen großen Heiligen, sein Leben. Die Menschen haben es wohl schlichtweg gespürt, dass hier jemand war, der es gut mit ihnen meinte. Die Menschen haben es an seinem Leben ablesen können, was Christus uns allen letztlich als Christen und Christinnen aufgetragen hat und wie es die kürzeste Definition unsers Glaubens auf den Punkt bringt: Christ sein ist – tun und handeln, wie Christus!

Auf das Beispiel, auf das Leben kommt es also an – ernüchternde Erkenntnis, nicht nur für unsere oft als verbürgerlicht angesehene Kirche und ihre Vertreter, sondern Herausforderung für uns alle!

Dabei wusste auch Korbinian um seine persönlichen Grenzen. Wie kann ein gutes Miteinander beispielhaft sichtbar gemacht werden, wenn man alleine für sich lebt?

Als Korbinian, der gerufene Gottesmann, auf Bitten des Bayernherzog Theodo und seines Sohnes Grimoald den Missionsauftrag annahm, fand er bereits den christlichen Glauben vor und sogar auf dem Weihenstephanerberg eine klösterliche Gemeinschaft.

Vielleicht entwickelte sich gerade deshalb Freising zur Glaubesmetropole, zu Bischofsstadt, weil hier Christsein lebendig und beispielgebend erfahren werden konnte -unbenommen davon, dass unsere bis 1803 bestehende Nachbarabtei Weihenstephan ihre eigentliche Gründung dann mehr einem Nachfolger Korbinians, nämlich Hitto zuschrieb.

Das sprechende Lebensbeispiel – auch in einer lebendigen Gemeinschaft – wurde nicht nur in den Jahren der frühen christlichen Mission zum Grundmodel, sondern es wurde übrigens auch im späten 19. Jahrhundert ganz in unserer Nähe bewusst wieder neu aufgegriffen und belebt: in den Missionsbenediktinern von St. Ottilien, die gerade in ihren Anfängen auch Unterstützung durch unsere Abtei erhalten hatten. Beispielgebende Gemeinschaft, bewährte Ausübung von Landwirtschaft und Handwerk sollten in nichtchristlichen Regionen unserer Erde Menschen überzeugen und zu einem besseren Leben führen – nicht nur moralisch, sondern – sympathisch, wie ich finde – ganz praktisch, oder nochmal anders mit den Worten Jesus selber: „Ich bin gekommen damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“(Joh 10,10)

Die Suche nach einem solch erfüllten Leben hat Korbinian selber einmal aufbrechen lassen. Als Mönch waren ihm doch auch die Worte des heiligen Benedikt im Prolog seiner Regel inhaltlich nicht fremd, der da fragt: Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht… (RB 1,15)

Könnte nicht diese Sehnsucht nach Leben, die gerade auch in unseren Tagen urmächtig in Vielen immer noch und immer neu aufbricht nicht wieder einen neuen Zugang zu den Menschen öffnen? Könnte nicht ein gelebtes und gelungenes Glaubensbeispiel kostbarer sein, als viele Worte? Ist das nicht offensichtlich eine Voraussetzung für eine heute vielfach geforderten Neuevangelisation? Auch Korbinian fand ja schon Glauben vor und seine Begeisterung im Glauben war wohl schlichtweg gesagt ansteckend!

An ihren Taten sollt ihr sie erkennen! (Mt 7,16) mahnt Jesus in seiner Bergpredigt. Und diese guten, selbstlosen Werke sollen und müssen leuchten – man soll sie nicht unter den Scheffel stellen (vgl. Mk 4,21).

Nicht nur, aber gerade auch der Glaube, unser Glaube braucht also die Öffentlichkeit. Wir dürfen uns nicht in die Ecken stellen lassen. Glaube gehört in die Mitte des Lebens, ja in die Mitte unseres Lebens.

Darum wusste er, der große Gottesmann, Mönch, Bischof und so auch Missionar Korbinian; und er hat wohl ganz unkonventionell diesen Glauben gelebt – wohl ganz nahe am Beispiel Jesu, der durchaus konfrontativ der jüdischen Gesetzesfrömmigkeit gegenüberstand. Und er könnte so nun auch nach 1300 Jahren fragen und hinterfragen, ob nicht Mission und Neuevangelisation durch amtskirchliche Reglementierung eher gehindert werden und ob Bürokratie nicht gerade hinderlich ist, weil doch Mission doch gerade die Freiheit eines unkonventionell gelebten Glaubens braucht? Vielleicht verbirgt sich hinter solchen Frage auch die Spannung zwischen einem Bischof Bonifatius, der eine festgefügte Bistumsordnung für die Bayrische Kirche erwirkt hat und den frühen Bischöfen und Glaubensboten in unserer Heimat, wie etwa dem heiligen Korbinian.

Übrigens wird in Freising auch zu Ehren unseres Diözesanpatrones, des heiligen Korbinian, die diesjährige Landesausstellung im Diözesanmuseum zu Gast sein. Und da wird nun nicht nur das berühmte Ruppertuskreuz oder der einzigartige Tassilokelch Zeugnis für das Leben und den Glauben im Frühmittelalter in unserer Heimat geben, sondern auch ein paar Stiefel.

Es sind die Stiefel eines Geistlichen aus dem sogenannten Heiligtumsschatzes der ehemaligen Benediktiner von St. Ulrich im nahen Augsburg, mehr als 1300 Jahre alt.

Was könnte zeichenhafter sein, als die Stiefel eines Missionars, der sich immer neu aufgemacht hat, um der Menschen willen. Vielleicht ist es an der Zeit, sich bildlich solch Stiefel wieder neu anzuziehen, die Richtung ist gewiesen: den Menschen entgegen, den Menschen nach – Glaube, Hoffnung und Liebe suchen ihren Weg in die Welt – auch heute. Aufgabe für eine missionarische und lebendige Kirche im Heute – Herausforderung, damals für Korbinian und heute für einen jeden und eine jede von uns!

Amen.

 

 

 

Der Heilige Korbinian als Pilger

„Der heilige Korbinian als Pilger“ – so lautet das Thema der heutigen Fastenpredigt.  –  Pilgern, das ist eine uralte religiöse Tradition, und in vielen Religionen ist das Pilgern bis heute weit verbreitet, denken wir nur an die Wallfahrt frommer Juden zum Tempel nach Jerusalem, wie sie uns im Alten wie auch im Neuen Testament berichtet wird, oder an die Wallfahrt gläubiger Muslime nach Mekka, oder eben auch an das Pilgern im christlichen Bereich.  Menschen machen sich auf den Weg hin zu einem religiösen Ziel. Ein solcher Mensch, der sich auf den Weg gemacht hat und der in seinem Leben viel unterwegs war, war auch der heilige Korbinian.

Lassen Sie mich ganz kurz einige Stationen seines Lebens skizzieren: Geboren im 7. Jahrhundert im heutigen Frankreich, in der Gegend von Paris – wohl in Arpajon – lebte er einige Zeit bei dem Kirchlein St. Germain als Einsiedler. Von dort machte er sich auf zu einer ersten Pilgerreise nach Rom, wo er wohl vom Papst den Auftrag erhielt zurückzuziehen nach Gallien um dort zu lehren und zu predigen. Irgendwann reifte dann der Entschluss zu einer erneuten Reise nach Rom, bei der er zunächst nach Bayern kam, wo er vom Herzog Theodo wie auch dessen Sohn Grimoald gedrängt wurde zu bleiben . Korbinian jedoch zog erst einmal weiter nach Rom. Auf dem Rückweg von dort wurde er von Gefolgsleuten des Herzogs Grimoald eine gewisse Zeit auf der Burg Mais bei Meran festgehalten. Dort in der Nähe gründete er ein kleines Klösterchen, nämlich in Kuens. Von Mais aus kam er dann nach Freising, wo er einige Zeit wirkte, sich jedoch die Frau des Herzogs – Piltrudis – aufgrund des Verbots der Verwandtenehe zur Feindin machte. Wohl wegen der Spannungen mit dem Herzogshaus zog er sich nach wenigen Jahren des Wirkens in Freising in sein Klösterchen in Kuens bei Meran zurück, in die Nähe der Grabstätte des von ihm hochverehrten Bischofs Valentin, der auf der Burg Mais begraben war. Nach dem Tod des Herzogs Grimoald kam Korbinian zurück nach Freising, wo er dann an einem 8. September um das Jahr 730 herum starb. Aber auch mit seinem Tod war zumindest die Pilgerschaft seines irdischen Leibes nicht beendet. Auf eigenen Wunsch wurde Korbinian nach Mais überführt um an der Seite des von ihm so geschätzten Bischofs Valentin begraben zu werden. Die ewige Ruhe war ihm dort allerdings nicht vergönnt, denn einer seiner Nachfolger, der Freisinger Bischof Arbeo veranlasste bald schon seine Rückführung nach Freising, wo er heute in der Krypta des dortigen Domes ruht.

Pilgerschaft – peregrinare pro deo – Pilgern für Gott, das war auch für den heiligen Korbinian ein zentrales Thema in seinem Leben. Wohl beeinflusst durch das Vorbild der iroschottischen Wanderprediger der damaligen Zeit, hat auch er sich auf den Weg gemacht um die Botschaft Jesu hinauszutragen zu den Menschen.

Pilgern – das heißt zunächst einmal Aufbruch. Das heißt aufzustehen und loszugehen. Das heißt seine Heimat, das Vertraute zurückzulassen und offen zu sein für etwas Neues. So hat auch der heilige Korbinian seine Heimat und seine Klause bei der Kirche St. Germain verlassen. Man könnte da auch an Abraham denken, zu dem Gott spricht: „Zieh weg aus deinem Land, von Deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde.“  – Aufbrechen, das heißt auch Wagnis. Das heißt einerseits die gesicherten und vertrauten Verhältnisse, in denen man lebt zurücklassen und sich andererseits einlassen auf den Weg, der vor mir liegt. Und bei diesem Weg, bei diesem Pilgerweg , ist es nicht immer so ganz klar was mich da erwartet: Ist der Weg steil und steinig oder ist er gut zu gehen? Welche Gefahren birgt dieser Weg wohl? Gerade im Mittelalter war ja eine Reise durchaus auch eine riskante Sache: Die Straßen waren schlecht, man konnte leicht vom Weg abkommen und sich verirren, man konnte von Räubern überfallen werden oder man konnte auch die Bekanntschaft mit wilden Tieren machen, wie Wölfen oder Bären, so wie auch der heilige Korbinian auf seiner Reise nach Rom. Wer sich also auf eine Pilgerreise begibt, der hat vor allem in der damaligen Zeit des Mittelalters etwas gewagt und nicht wenige Pilger, die z.B. nach Santiago de Compostela oder gar nach Jerusalem zogen, machten vor der Reise ihr Testament.  Andererseits bedeutet der Aufbruch zu einer Pilgerreise aber auch Aufbruch aus dem Alltagstrott, Aufbruch aus alteingefahrenen Gewohnheiten, offen sein für neue Erfahrungen, offen sein für Menschen, die mir auf dem Weg begegnen, offen sein für eine Erweiterung des eigenen Horizonts. Aufbrechen, das heißt auch Aufbrechen aus der eigenen Enge und Begrenztheit.  Ein weiterer Aspekt des Pilgerns ist, dass man beim Pilgern meistens ein religiöses Ziel – einen Wallfahrtsort – im Blick hat, auf das man zugeht. Man nimmt also das Heiligtum, letztlich das Heilige selbst in den Blick, auf das man zuschreitet. So hat sich auch der heilige Korbinian bei seinen Pilgerreisen nach Rom auf den Weg gemacht um auf das Heilige, in diesem Fall die Grabstätten der Apostel und Märtyrer und auch auf die Stadt Rom als ein Zentrum der Christenheit, zuzuschreiten.  Natürlich ist der Weg der Pilgerschaft auch mit so manchen Schwierigkeiten behaftet und auch Enttäuschungen bleiben nicht immer aus. Diese Erfahrung musste auch der heilige Korbinian machen. Einerseits in Rom, wo er gerne mit seinen Gefährten ein kontemplatives Leben in einem Kloster geführt hätte, jedoch vom Papst zurückgeschickt wurde um zu lehren und zu predigen. Andererseits vor allem in Freising, wo er sich den Hass der Frau des Herzogs zuzog , die ihm sogar nach dem Leben trachtete , so dass er sich schließlich in sein Klösterchen in Kuens bei Meran zurückzog und erst nach einigen Jahren wieder nach Freising zurückkehrte. Die Wege der Pilgerschaft sind also oft auch verschlungen und uneben. Bei all seinen Reisen war der heilige Korbinian allerdings nicht mit leeren Händen unterwegs. Er war unterwegs mit einem Auftrag, mit einer Botschaft. Und dieser Auftrag lautete: Den Menschen Gottes Wort nahebringen. Und das versuchte er durch seine Reisen und durch seine Pilgerschaft zu erreichen.

Was können nun wir heutige Menschen von einem Heiligen wie dem heiligen Korbinian lernen, der vor so langer Zeit gelebt hat?  –  Ich denke nicht dass wir nun allesamt unsere Heimat verlassen müssen um predigend und lehrend durch die Lande zu ziehen. Wohl aber sollten wir uns bewusst machen, dass unser Dasein begrenzt ist, dass wir sozusagen Pilger auf dieser Erde sind. Ein bekanntes Kirchenlied bringt das so zum Ausdruck: „ Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh mit mancherlei Beschwerden der ewigen Heimat zu.“  Und beim Pilgern da ist es zunächst einmal wichtig überhaupt erst einmal aufzustehen und aufzubrechen. Aufzubrechen aus alteingefahrenen Geleisen und Gewohnheiten, aufzubrechen aus der eigenen Begrenztheit und Enge, immer wieder neu. Zum Zweiten ist es wichtig ein Ziel vor Augen zu haben auf das man zuschreitet. Das Heilige in den Blick zu nehmen um selber heil zu werden. So muss ich mich auch immer wieder fragen:  Welches Ziel habe ich eigentlich auf das ich mich zubewege? Habe ich überhaupt ein Ziel, zu dem ich unterwegs bin?  Eine weitere Frage gilt der Frage nach dem Weg: Welche Wege schlage ich ein? Sind es Irrwege, die mich von meinem Ziel wegführen, die mich vielleicht sogar unnötig in Gefahr bringen? Und bin ich dann bereit von solchen Wegen umzukehren?   Und überhaupt:  Wer oder was gibt mir Orientierung auf dem Weg? Von wem oder was lasse ich mich leiten?   Und dann ist da auch noch die Frage: Was habe ich alles dabei auf meinem Pilgerweg durch das Leben? Schleppe ich jede Menge Ballast mit mir herum, oder habe ich nur das dabei was ich auch wirklich brauche?

Der heilige Korbinian, er war durchaus ein Heiliger mit so manchen Ecken und Kanten, aber ich denke wir können von ihm lernen was es heißt sich der Führung Gottes anzuvertrauen, sich herausrufen zu lassen auf den Pilgerweg des Glaubens und Gottes Botschaft den Menschen nahezubringen. Wir können von ihm lernen was es heißt auf den mitgehenden Gott zu vertrauen, auf Gott, der uns Wege des Heils führen möchte.     
Amen.    

 

 

Aus der Lebensgeschichte des Heiligen Korbinians
Eines Tages fand ein Mann Gefallen an Korbinians Maultier. Es war ohne Aufsicht auf der Weide. Der Schelm benützte die Gelegenheit, schwang sich darauf und verschwand im Walde. Am Abend kamen die Knechte, das Vieh heimzutreiben, da fehlte das Maultier. Sie suchten und liefen kreuz und quer, fanden es aber nicht. Mittlerweile war es Nacht geworden, es blieb ihnen nichts anderes übrig als schweren Herzens heimzukehren und dem Herrn den Verlust des Tieres zu melden. Ein scharfer Tadel schien ihnen gewiss. Aber so sehr sie sich gefürchtet hatten, Korbinian blieb ruhig, er tröstete sie sogar über ihr Missgeschick.

Er selber aber durchwachte die Nacht im Gebete und legte sich erst nach dem gemeinsamen Gebet zur kurzen Ruhe nieder. Im Morgengrauen wurde er aber auf einmal am Fenster gesehen, wie er seinen Dienern mit einer Glocke das gewohnte Zeichen gab und ihnen zurief, der Dieb komme eben mit dem Maultier, sie dürften ihm aber nichts zuleide tun. Im selben Augenblick trabte das Tier zum Hoftor herein. Steif und fast leblos lag der Übeltäter auf dem Rücken des Maultieres angeklammert. Erst nachdem man ihn heruntergenommen und auf den Boden gelegt hatte, erwachte er aus seiner Erstarrung.

Nun erfuhren Korbinian und seine Diener vom verunglückten Diebstahl.

Er hatte die Herrschaft über das Tier verloren, es war die ganze Nacht wild herumgelaufen, so dass er auch nicht absteigen konnte. Mit Dornen und Zweigen hatte sein Gesicht üble Bekanntschaft gemacht. Zuletzt waren ihm auch noch die Sinne geschwunden und so war er wider Willen in die Hände der Bestohlenen gefallen.

Es wäre dem Bösewicht unter den Fäusten der Knechte wohl nicht gut gegangen, aber der Mann Gottes meinte, der Diebstahl sei genug bestraft, und er suchte den Dieb durch gütige Ermahnungen auf bessere Wege zu lenken. Damit ihm der Anfang zu einem ehrlichen Leben leichter fiel, entließ er ihn mit dem ansehnlichen Geschenk von drei Silberstücken, so dass der Mann voll Freude von Korbinians Zelle fortgegangen ist.

Predigt:

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn, liebe Kinder!

  • Dieses Evangelium des heutigen Tages von der Verklärung Jesu auf dem Berg,
  • unser Thema „Korbinian als Mönch“,
  • und unsere heutige Wirklichkeit zusammenzubringen,

war eine spannende Herausforderung!

Ein paar Ideen sind uns im Team bei der Vorbereitung gekommen, anderes ergibt sich aus der Vita, der Lebens­geschichte des Hl. Korbinian.

1) Fangen wir beim Evangelium an, solange es uns noch präsent ist. Jesus zieht sich öfter mal zurück. Das tat er immer wieder. Meistens heißt es da: „Er zog sich auf einen Berg zurück um zu beten, er allein.“ Er brauchte diese Stille, um sich zu orientieren, um bei sich zu bleiben und sich nicht im Ansturm der vielen Menschen zu verlieren, und vor allem für das Gebet zu seinem Vater im Himmel!

Eine Frage zum Nachdenken: „Wann habe ich das letzte Mal zwei Stunden oder mehr ganz für mich gehabt?“

Dieser Rückzug muss nicht unbedingt alleine sein. Zusam­men mit zwei oder drei Vertrauten, Freunden oder in der Familie, das kann auch ein sehr guter Rahmen sein.

So machte es Jesus dieses Mal, er nahm Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen Berg, aber nur sie allein.

Eine zweite Frage zum Nachdenken:
Wen würde ich mitnehmen in eine solche Zeit der Besinnung und des Rückzuges?“

Liebe Geschwister im Herrn!

Jetzt spüren wir vielleicht die Sehnsucht nach etwas Ruhe, oder die Wehmut über die nicht vorhandene Zeit der Stille, – was für mich zwei Seiten einer Medaille sind- , doch wo ist dieser Ort?

Für mich kann ich drei nennen:

  • Morgendlich leicht zu erreichen: Die Elisabethenkapelle zwischen Konvent und Wohnheim gelegen: Eine Papier- und handyfreie Zone.
  • Dann der Weiher unterhalb unseres Obstgartens, am Besten am späten Nachmittag, wenn die Sonne schon tiefer steht und sich zusammen mit den Bäumen im Wasser spiegelt. Auf dem kleinen Steg für die Fischzucht fühle ich mich dann fast wie am Starnberger See. J
  • Und das dritte ist zum Raten, drei Buchstaben nur:
    Wie nennt man einen Rückzugsort in der Bergen, mit drei Buchstaben?“ – – – > ALM.

Und jetzt zu Ihnen / zu Euch:

Die dritte und letzte Frage zum Nachdenken:
Was ist für mich so ein Sehnsuchtsort?“

Wenn Sie kurz die Augen schließen — und wieder öffnen: Hier ist solch ein Ort! (unsere Kirche!)

  • Menschen verweilen hier tagsüber,
  • bleiben stehen,
  • setzen sich hin,
  • schreiben einen Satz ins Buch hier vorne,
  • und zünden manchmal vor dem Hinausgehen eine Kerze an, mit stillem Gebet für einen lieben Menschen.

Eine Schülerin berichtete der Klasse, wie sie voller schwerer Gedanken und Sorgen in den Wald ging, aber dort diese nicht los wurde. Es drängte sie auf dem Rückweg, in die Basilika zu gehen. Hier machte sie eine Erfahrung von Geborgensein, nicht alleine zu sein mit ihren aktuellen Problemen. Gestärkt ging sie nach einer Zeit wieder hinaus. Das war für sie so prägend,

  • dass sie Ende letzten Jahres wieder die Kirche eintrat und gleichzeitig von Ethik in den katholischen Unterricht wechselte
  • und das erste Mal in ihrem Leben am Heilig Abend am Gottesdienst teilnahm!

Liebe Kinder, liebe Gläubige,

jetzt sind wir wohl gut eingestimmt etwas von dem Ein­siedler oder dem Mönch Korbinian zu hören, was ihn bewo­gen hat, wohin er sich zurückzog, was er dort machte und wen er mitnahm.

Seine Lebensgeschichte wurde von Bischof Arbeo aus Freising aufgeschrieben.

Seine Heimat liegt mitten im Herzen Frankreichs. Wenige Stunden südlich von Paris.

Im Jahr 680 wurde Korbinian geboren und an seiner Wiege stand das Unglück. Als der Knabe zur Welt kam, lag der Vater bereits im Grabe. Das Kind erhielt der Sitte nach den Namen seines Vaters. Seine Mutter, sie hieß Korbiniana, änderte den Namen ihres Jungen auf den ihren um: Korbinian ward er fortan genannt. Die religiöse Erziehung lag erst bei ihr, dann bei der fränkischen Geistlichkeit. Dort lernte Korbinian auch Latein, damals die Sprache der Kirche und des Staates, ein jeder, der irgend etwas werden und gelten wollte, musste es fließend beherrschen.

Seiner Naturanlage nach scheint Korbinian ein cholerisches Temperament gehabt zu haben: Er zeigt sich als ein Mann voll Tatkraft und Feuer.

Als junger Mann stand er vor der Berufswahl.

1) Ein vornehmer Jüngling des Merowingerreiches hatte eigentlich nur einen einzigen Beruf, den Kriegsdienst. Ein jeder freie Mann mit größerem Besitz war heerbannpflich­tig. Aber Korbinian träumte nicht von Heldentaten, Ruhm und Beute. „Im Kriegsdienst verstummen die Mußen“, so lehrte ihn ein lateinischer Spruch, und er hatte die Wissenschaften zu lieb gewonnen.

2) Es stand ihm ein anderer, weit schönerer Beruf offen: der Dienst Gottes und der Kirche. Doch in der fränkischen Kirche des beginnenden achten Jahrhunderts war auch nicht alles Gold, was glänzte. Nicht wenige Männer der Kirche waren lieber auf der Jagd als bei der Predigtvorberei­tung,  gönnten sich gutes Essen und Trinken, von dem die Bevölkerung nur träumen konnte usw.

Den jungen Korbinian zog es nicht in diese Richtung.

3) Es war die Zeit der aufblühenden Klöster. Die beschau­liche Ruhe und der Gottesfrieden eines Klosters haben Anziehungskraft, bis heute. Doch auch diesen naheliegen­den Schritt tat Korbinian nicht. Nicht alle Gelübde der Ordensregeln waren für ihn passend. Er hatte Besitz und Menschen, die mit und für ihn arbeitenden. Das währe wohl noch gegangen. Aber den Gehorsam geloben war nicht seine Sache: Mit seinem Temperament, seiner Tatkraft und seinem Feuer konnte er wohl ein umsichtiger Vorgesetzter sein, aber sich als Gehorchender unterzuordnen, war wohl nicht sein Ding.

5) Ja was dann?

Nicht in den Krieg – nicht als Mann der Kirche – nicht im Kloster. Erstmal auszuschließen, was man nicht will oder was nicht zu einem passt, ist auch ein Schritt zur Berufs­findung. 😉

Aber was dann?

 

Eines Tages, es mag um das Jahr 700 gewesen sein, be­suchte Korbinian die Kirche im Ort Kastrus und wie eine Erleuchtung überkam ihn der Gedanke, hier ließe sich sein Lieblingswunsch verwirklichen: Das Schöne des Kloster­lebens zu genießen und doch sein eigener Herr zu bleiben: Einsiedler zu werden. Durch die Wirren der vorangegangen Zeit waren die Kirche und die dazugehörenden Gebäude in Mitleidenschaft geraten. Korbinian konnte sie durch Kauf oder Schenkung erhalten. Mit dem dazugehörenden Land, den Maultieren und seinen Dienern war die Klause ein klei­nes Landgut. Einer seiner Knechte ist namentlich bekannt: Anserich. Er begleitete Korbinian sein Leben lang.

Und was machte Korbinian dort? Wie lebt ein Einsiedler?

Er verbrachte seine Tage mit Gebet, Betrachtung und Lesung in der heiligen Schrift. Sein Tagesablauf war genau geordnet und wie viele fromme Laien betete auch er die kirchlichen Stundengebete.

Liebe Scheyerer, liebe Gottesdienstbesucher!

Laudes und Vesper zu beten, den Tag mit einem Nachtgebet zu beschließen, ist  nicht ein Monopol der Klöster, sondern eine gute geistliche Übung für Jeder-Mann und Jede-Frau!

Zurück zu Korbinian:

Wenn er gehofft hatte in dieser seiner Einsiedelei auf Dauer bleibende Ruhe und volle Befriedigung zu finden, so hatte er sich in sich selbst getäuscht. Sein lebhaftes Wesen drängte ihn zu einer Betätigung nach außen. Was er durch Gebet, Betrachtung und Lesung sich an religiöser Erfahrung sammelte, daran lies er seine Diener teilhaben, indem er sie zu einem christlichen Leben anleitete und ihnen Unterwei­sung gab.

Erinnern wir uns noch an die Geschichte mit dem ver­schwundenen Maultier?

Die Diener suchten bis in die Nacht hinein, fanden es aber nicht. Korbinian tat das seine: Er wachte im Gebet fast die ganze Nacht. Dem Dieb war es in dieser Zeit schlecht ergan­gen, das Tier lief und lief, unter Bäumen durch und mitten durchs Gestrüpp, bis es in der Morgendämmerung zurück zum Hof fand, immer noch mit dem Dieb auf dem Rücken. Jetzt griff Korbinian ein, bewahrte diesen vor der Rohheit der Diener, die ihn wohl verhauen hätten, Arbeo nennt es drastischer: „die Fäuste der Knechte“. Stattdessen mahnt Korbinian zur Sanftmut. Er gibt dem Dieb sogar noch Geld mit, Silberstücke, in der Hoffnung, dass dieser durch diese Liebestat eine neue Gesinnung bekommt und sein Leben ändert.

Da steckt, liebe Zuhörer und Zuhörerinnen,

auch viel für uns heute drin: Viel zu oft rufen wir nach Konsequenzen, Strafen, Maßnahmen etc. Aber dadurch wird die Welt nicht besser. Wenn die Mama oder der Papa das Kind wieder auf den Arm nimmt oder umarmt, dann wird die Welt besser!

Damals machte dies alles die Runde. So kam es, dass sich der eine oder andere Nachbar hinzudrängte, um Korbinians Worten zu lauschen. Das zog Kreise, so dass er vor einer größeren Schar von Zuhörern förmliche Predigten hielt. Das konnte nicht lange so bleiben, denn er war nicht Priester, nicht beauftragt und wurde auf einmal kritisch von Männern der Kirche beäugt. Wie es weiterging, hören sie nächsten Sonntag von Frater Matthäus.

Für uns heute: Wir suchten beim Vorbereitungstreffen nach solchen Orten der Einsiedelei in unserem Leben:

Drei Spuren dahin sind:

  • Wenn wir sagen „gut dass wir hier sind“: z.B. zu Hause wenn ein Unwetter übers Land geht, oder zusammen an einem Tisch.
  • Mit den Kindern zusammen zu sein, in dem schönen Alter, in welchem sie Geschichten hören wollen, man miteinander etwas spielen, malen oder kneten kann, oder auch kuscheln. -> Wenn Sie einmal zum Elternabend der Firmung eingeladen werden, sieht es anders aus.
  • Oder den Lieblingssport machen und dabei ganz im eigenen Körper daheim sein, den Kopf mal frei bekom­men.

Jesus auf dem Berg mit drei Vertrauten,
der Hl. Korbinian in seiner Einsiedelei,
und heute am Sonntag wir dort wo wir sein werden:
Alles Orte, um Gott zu begegnen, der mitten unter uns ist!

Amen.

 

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Seit vielen Jahren inzwischen habe ich mir angewöhnt, die Jahreslosung aus dem Losungsbuch der Herrnhuter Brüdergemeinde zu meinem eigenen Satz für das neue Jahr zu machen, so wie das viele Christen der verschiedenen Konfessionen tun. Und, dass ich sie tatsächlich immer mir und anderen regelmäßig sage, dazu hilft mir, wenn ich sie als Vers vor der Kommunion spreche. Da wird dann mir und den anderen etwas zugesagt, zugesprochen, ein Wort Gottes, das ich empfange, ähnlich konkret wie die Kommunion.

Als ich die Losung für dieses Jahr zum ersten Mal gehört habe, war für mich zunächst klar: Nein, diesen Satz werde ich nicht bei jedem Gottesdienst sprechen. Und ich möchte Sie jetzt an den Gedanken teilhaben lassen, auch an dem Unbehagen, das ich zunächst hatte. Ich sage auch gleich zu Beginn, es sind unfertige Gedanken, es ist keine Abhandlung, vielleicht eher eine Meditation.

Die Jahreslosung für 2024 heißt: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Und mein erster Reflex war: Nein, das möchte ich nicht, ich weiß, dass mir das nicht liegt, dass ich nicht immer in Liebe bin, und dass man mir das auch ansieht. Ich bin nicht immer lieb und liebevoll, ich ärgere mich auch, ich bin mit meinen Gedanken woanders. Es stimmt einfach für mich nicht, und es ist dann eben unglaubwürdig. Das war meine erste Reaktion – allerdings ist mir sehr schnell auch klar geworden: Genau darum geht es doch auch nicht. „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ – Es wäre ein großer Irrtum, wenn man Liebe immer an einer äußeren Erscheinung festmachen könnte. Wenn jemand besonders spricht, besonders nett und freundlich und verständnisvoll ist, dann ist das Liebe und anders eben nicht. – Nein, so ist es nicht. Haben wir nicht alle schon die Erfahrung gemacht, dass hinter sehr deutlichen Worten viel mehr Liebe sein kann als hinter manchem Säuseln. Wenn Eltern sich die Mühe machen, ihrem Kind klare Grenzen zu setzen, dann hat das oft viel mehr mit Liebe zu tun, als wenn sie ihm alles durchgehen lassen, vielleicht nur, weil sie sich nicht unbeliebt machen wollen, vielleicht auch, weil es sie gar nicht interessiert. Ob ich Liebe habe, ist mir nicht von vornherein äußerlich anzusehen, ja selbst mein Ärger kann mit Liebe zu tun haben, weil er vielleicht von einer Enttäuschung kommt, von einem enttäuschten Vertrauen, dass ich jemanden ernst genommen habe, dass ich ihm geglaubt habe und getäuscht wurde.

 

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ – dieser Satz kann aber auch noch anders missverstanden werden, wenn ich ihn z. B. vor allem als Appell höre, als Aufforderung. Dann muss ich schon wieder etwas tun. Und dann kommen uns schnell Menschen in den Sinn, die immer zuvorkommend sind, immer freundlich und hilfsbereit, immer vorbildlich, und trotzdem fühlen wir uns nicht ganz wohl in ihrer Nähe, alles hat etwas Gequältes und Gekünsteltes, irgendwie hat man schnell ein schlechtes Gewissen, weil man ja selbst nie gut genug ist, und manchmal vermisst man auch so ein Stück Echtheit. „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ – das ist nicht zuerst eine Aufforderung. Der Apostel Paulus hat fast überwältigend erfahren, dass er aus der Gnade Gottes lebt, und dass diese Gnade Gottes uns in unserm Tun immer schon zuvorkommt, diese Gnade Gottes ist Liebe. Und wenn wir heute das Fest Taufe des Herrn feiern, dann können wir uns an unsere Taufe erinnern: Die Stimme aus dem Himmel: „Du bist mein geliebter Sohn“, dürfen wir hören als zu uns gesprochen: „Du bist mein geliebter Sohn, du bist meine geliebte Tochter“, auch wenn wir wissen, dass dieses „mein geliebter Sohn“ bei Jesus noch einmal eine andere Qualität hat, eben nicht zu überbieten ist. Aber wir sind die geliebten Kinder Gottes – das hat auch Paulus erfahren, und darum ist für ihn alles, was wir tun können, eine Antwort auf die Liebe, die uns geschenkt wurde, oder viel besser noch: ein Mitgehen mit der Gnade, die uns geschenkt ist. Nicht noch eins draufsetzen, nicht noch besser sein zu wollen, sondern dankbar zu werden für das, was an mir geschehen ist, darum geht es. Manchmal bedeutet das vielleicht sogar, weniger zu tun, die Freiheit nämlich, etwas nicht tun zu müssen.

Und auch das ist ein schweres Missverständnis: Liebe Gottes ist oft nicht erfahrbar, sie muss gesagt und geglaubt werden, sie ist nicht abzulesen am Erfolg im Leben, sie ist nicht daran messbar, ob mir im Leben viel glückt und gelingt. Nein, es gibt Menschen, die viel Leid zu tragen haben, und es wäre ein verantwortungsloser Unsinn, wenn man glauben würde, dass diese Menschen weniger von Gott geliebt sind. Nein, oft wissen wir einfach nicht, warum Glück und Gelingen so ungleich verteilt sind, und wir müssen viele Fragen, die hier entstehen, schmerzlich offenlassen und aushalten. Vielleicht werden sie uns einmal beantwortet werden.

 

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Wenn wir nun aber nach allen Missverständnissen noch einmal fragen: Was meint dieser Satz aber positiv, – dann würde Paulus uns wahrscheinlich antworten: Ich habe diesen Satz an den Schluss des Briefes an die Gemeinde in Korinth gestellt. Im selben Brief habe ich doch einen Text über die Liebe geschrieben, den Text, den ihr so gern bei Hochzeiten lest, in diesem Text steht eigentlich alles drin: Die Liebe ist langmütig und gütig, sie macht sich nicht groß, sie bleibt bescheiden, sie sucht nicht ihren Vorteil, sie ist nicht nachtragend, sie freut sich nicht am Unrecht, aber sie freut sich an der Wahrheit. Liebe erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, sie hält allem stand. Und, die Liebe hört niemals auf. Liebe wird hier fast als eigene Person beschrieben, in Wirklichkeit ist es eine Grundhaltung, die die Beziehungen bestimmt, die Beziehung zu mir selbst, zu meinen Mitmenschen und zu Gott. Liebe, so verstanden, ist die Dankbarkeit gegenüber Gott, für die Gnade, die mir geschenkt ist, Liebe ist die richtige Haltung zum Mitmenschen, der ebenso von Gott geliebt ist, ihn immer wieder mit den Augen Gottes sehen. Liebe ist, mich groß zu sehen, weil ich vor Gott groß sein darf und den Mitmenschen genau so groß zu sehen, selbst dann noch, wenn er sich selbst nicht entsprechend verhalten sollte.

 

„Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ – Und nun sehe ich doch noch einen großen Appell. Es gibt für Paulus keine Spaltung zwischen einem religiösen und einem profanen Bereich: Alles, wirklich alles, was ihr tut, geschehe in Liebe. In einer Welt, die von diesem Satz geprägt ist, ist tatsächlich kein Platz für Feindseligkeiten, für Gewalt oder für Krieg. Immer geht es nur um den Menschen, dass er groß sein darf, und es geht um Gott. Amen.

 

 

 

                                              L: Jes 60,1-6  
                                              Ev: Mt 2,1-12

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Wir feiern heute noch einmal Weihnachten. Es hat sich eigentlich nichts geändert, die Christbäume stehen immer noch da. Sie nadeln zwar schon ein bisschen. Das Christkind liegt immer noch in der Krippe, wir singen immer noch die gleichen Lieder, vielleicht einige andere Strophen.

Ein paar kleine Veränderungen lassen sich aber doch feststellen zum „ersten“ Weihnachten. Es sind ein paar Figuren mehr in den Krippendarstellungen zu sehen: Die Könige, die Weisen, die Sterndeuter sind eingetroffen, auch in unserer Jahreskrippe im Kreuzgang.

Und es gibt noch einen Unterschied zu dem Weihnachten, das wir bereits gefeiert haben. Bei diesem Weihnachten bringt nicht das Christkind etwas, sondern dem Christkind wird etwas gebracht. Von den Königen heißt es im Evangelium: Da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar. Die Seiten der Geschenke, das Geben und Nehmen haben die Seiten getauscht.

Obwohl, so ganz braucht das nicht stimmen, denn vielleicht haben manche Menschen auf diesen Tag noch einmal etwas bekommen oder sie haben erst zum heutigen Tag ihr Weihnachtsgeschenk erhalten. Ich kann sagen, dass ich zwei Menschen kenne, die gestern etwas geschenkt bekommen haben.

Der erste, den ich nennen möchte, ist unser Fr. Johannes. Er hat gestern einen neuen Traktor, einen neuen Bulldog, einen Fendt geschenkt bekommen. Allerdings keinen echten, oder sagen wir besser, keinen großen, sondern einen kleinen, eine Modellausgabe, die aber durchaus in einer gewissen Perfektion erahnen lässt, was ein großer in echt kann. Und ich weiß genau, unser Fr. Johannes wüsste das auch, was der in echt kann.

Der zweite, der etwas geschenkt bekommen hat, der bin ich. Ich habe gestern eine Kerze geschenkt bekommen, zum Abschluss von Exerzitien, die ich in den letzten Tagen in Oberfranken bei den Benediktinerinnen in Kirchschletten gehalten habe. Es ist eine schlichte und einfache Kerze, die aber doch etwas Besonderes hat. Auf diese Kerze ist etwas geschrieben oder besser gesagt, es ist etwas in sie hineingeschrieben, nämlich: Wo? Wozu? Wann? Woher? Wohin? Wer? Warum?

Diese Worte nehmen das Thema der Exerzitien „die Fragen Jesu“ auf. Aber diese Kerze mit diesen Worten ist für mich auch eine Brücke zum heutigen Tag, zum zweiten Weihnachten, zum Fest Erscheinung des Herrn.

Es ist ein Fest voller Licht, vielleicht sogar noch mehr als beim ersten Weihnachten: Auf, werde licht, Jerusalem, denn es kommt dein Licht und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir. Denn siehe, Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht leuchtend auf der Herr. So haben wir es in der Lesung aus dem Buch Jesaja gehört. Es geht um ein besonderes Licht, es geht um ein anderes Licht, ein Licht, das mit Wünschen und Hoffnung zu tun hat, ein Licht, das Perspektive und Zukunft kennt, ein Licht das neue Wege aufzeigt und erkennen lässt.

Und dann steht da heute noch eine Frage im Raum: Wo ist der neugeborene König der Juden? Diese Frage lässt Menschen aufbrechen und suchen, die Sterndeuter kommen von weit her. Aber diese Frage lässt auch aufhorchen und sogar erschrecken. Sie kommt einem König Herodes zu Ohren, sie wird ihm gestellt und er erschrickt und mit ihm ganz Jerusalem, wie es der Evangelist Matthäus erzählt.

Herodes hat keine Antwort auf diese Frage! Herodes lässt bei den Spezialisten nachfragen, und wahrscheinlich gehen ihm noch viele andere Fragen durch den Kopf: Wo? Wozu? Wann? Woher? Wohin? Wer? Warum?

Es sind Fragen, die wir auch kennen. Fragen die sich auch uns stellen, nur in anderen Zusammenhängen. Es sind Fragen, die zum Leben gehören. Es sind Fragen, die uns aufhorchen, manchmal auch erschrecken lassen, weil wir keine Antwort auf sie haben und zugleich noch viele andere Fragen aufwerfen: Wo? Wozu? Wann? Woher? Wohin? Wer? Warum?

Weihnachten: Wo? Wozu? Wann? Woher? Wohin? Wer? Warum?

Fragen und Licht. Licht und Fragen. Dieser Zusammenhang kommt in der sprachlichen Wendung zum Ausdruck, dass Menschen „ein Licht aufgehen kann“, dass Menschen Antwort auf ihre Fragen finden, dass Sie Antwort bekommen auf das, was sie suchen. Wo? Wozu? Wann? Woher? Wohin? Wer? Warum?

Wo ist der neugeborene König der Juden? In Bethlehem und Bethlehem ist überall.
Wozu? Zu unserem Heil, zu unserem Glück.
Wann? Wenn die Zeit erfüllt ist, immer wenn es Zeit ist.
Woher? Vom Himmel, dort wo unsere Sehnsüchte zuhause sind.
Wohin? Auf die Erde, also überall wo Menschen leben.
Wer? Der Menschensohn, einfach der Mensch.
Warum? Weil Gott die Welt so sehr geliebt hat, weil er jeden Menschen liebt.  

Fragen lassen Menschen aufhorchen und Fragen lassen Menschen aufbrechen. Die Sterndeuter sind dem Stern gefolgt, weil sie Antwort auf ihre Fragen finden wollten. Der Stern hat sie dorthin geführt, wo alle ihre Fragen beantwortet wurden und wo alles plötzlich keine Frage mehr war. Sie gingen in das Haus hinein und sahen das Kind und Maria, seine Mutter, da fielen sie nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.

 Als dieser Jesus groß war, hat er den Menschen viele Fragen gestellt und auch Antworten eingefordert. Aber auch die Menschen haben ihm viele Fragen gestellt und er hat Antwort gegeben für das Leben der Menschen, für die Zeit und für die Welt.

Wir feiern noch einmal Weihnachten, vielleicht mit weniger Geschenken oder gar ohne Geschenke. Wir dürfen dafür unsere Fragen mitnehmen, wir dürfen unsere Fragen stellen und sie damit auch ein Stück hergeben. Die vielen Fragen unseres Lebens, die sich da und dort immer wieder stellen: Wo? Wozu? Wann? Woher? Wohin? Wer? Warum?

Ich komme, bring und schenke Dir, was du mir hast gegeben. Nimm hin, es ist mein Geist und Sinn. Herz, Seel und Mut nimm alles hin und lass dir’s wohl gefallen. Mit all meinen Fragen!

 

 

                                             L: Num 6,22-27
                                             Ev: Lk 2,16-21

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Vermutlich, ja sogar sehr wahrscheinlich sind wir heute Nacht alle miteinander um eine Million Euro „reicher“ geworden. Ich meine jetzt nicht, dass jedem einzelnen von uns eine Million überwiesen oder ausbezahlt wird, sondern mit Ablauf des alten Jahres hat ein Lotto Tippschein, ein Los seine Gültigkeit verloren, das vor vier Jahren einen Gewinn von einer Million erzielt hatte, aber bis jetzt nicht eingelöst wurde. Wenn dieser Fall eintritt, was zwar nicht oft vorkommt, dann sehen die Bestimmungen vor, dass das Geld in den Bayerischen Staatshaushalt für gemeinnützige Zwecke einfließt. So gesehen sind wir als Bewohner im Freistaat Bayern eben um eine Million Euro „reicher“ geworden.

Vielleicht haben Sie in den letzten Tagen über die Medien auch mitbekommen und verfolgt, dass die staatliche Lotterieverwaltung Aufrufe gestartet hat, um den Gewinner, vermutlich aus dem Raum Memmingen, wo eben der Tippschein abgegeben wurde, doch noch zu finden, damit ihm das Geld ausbezahlt werden kann, das er gewonnen hat und das ihm zusteht.

So am Rande wurde auch spekuliert, warum sich der Gewinner nicht gemeldet hat. Ist der Tippschein verloren gegangen? Wurde er achtlos weggeworfen? Kann sich jemand nicht mehr daran erinnern? Lebt der Lottospieler überhaupt noch oder ist er gestorben, vielleicht verunglückt? War es ein Mann oder eine Frau, jung oder alt? Was hätte er mit dem Gewinn gemacht?

Je mehr man darüber nachsinnt oder spekuliert, was in den letzten Tagen auch geschehen ist, kommt man darauf, dass sich hinter diesem nicht eingelösten Tippschein eine Lebensgeschichte, vielleicht ein Schicksal verbirgt, das vermutlich für immer im Dunkeln bleiben wird.  

Vor wenigen Tagen bekam ich ein Buch in die Hand, dessen Titel mich sehr angesprochen hat: Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede. Ich begann zu blättern und zu lesen und fand lauter Lebensgeschichten von Frauen, die um das Jahr 1900 im damals noch selbständigen Oberhausen, heute ein Stadtteil von Augsburg gelebt haben. Es ging darin um die Lebensbedingungen, die Glücksvorstellungen, die Erfüllung aber auch die Enttäuschungen. Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede. Eben deshalb dieser Titel, der wie eine Zusammenfassung, ein Resümee all dieser Geschichten klingt.

Wenn ich mir den Abschnitt aus dem Evangelium anschaue, den wir gerade gehört haben, ihn mir noch einmal in Erinnerung rufe, dann ist da auch ein Lebensausschnitt beschrieben, der in diesem Buch stehen könnte und ebenso zusammengefasst werden könnte: Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede.

 Maria hat ein Kind geboren unter nicht gerade optimalen Bedingungen und von anderen Menschen werden plötzlich Dinge erzählt, ja sogar Erwartungen in den Raum gestellt, die Maria nicht einordnen konnte.

Das, worauf sie vermutlich keine Antwort wusste, konnte sie nicht nur stehen lassen, sondern sie hat es angenommen, vielleicht auch ein Stück weit hingenommen, denn Maria bewahrte, wie es heißt, alles in ihrem Herzen und dachte darüber nach. Im Herzen bewahren, damit ist meines Erachtens nicht gemeint, dass Maria das so mir nichts dir nichts geschluckt hat oder in sich hineingefressen hat, sondern mit diesem „im Herzen bewahren“ ist die Hoffnung, ja die Überzeugung verbunden, dass es einen Weg, eine Lösung geben kann und geben wird. Eine Lösung, die nicht unbedingt auf der Hand liegt. Eine Lösung, die vielleicht schwierig ist. Eine Lösung, die Zeit braucht. Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede.

 In Augsburg findet sich eine ziemlich einzigartige Mariendarstellung, ein Bild, geschaffen von dem Augsburger Künstler Johann Georg Melchior Schmidtner Anfang des 18. Jahrhunderts, das Maria als Knotenlöserin zeigt. Sie hält ein mit vielen Knoten verknäultes weißes Band in den Händen und versucht, einen Knoten nach dem anderen zu lösen. Maria wirkt konzentriert, aber nicht genervt. Sie versucht sich durchzuarbeiten, geduldig und doch zielstrebig.

Vielleicht kennen Sie dieses Gnadenbild oder waren selber schon einmal dort in St. Peter am Perlach unmittelbar neben dem Rathaus.

Anfang Oktober des letzten Jahres war ich zu Dreharbeiten bei der „Knotenlöserin“ für den Beitrag mit dem roten Faden in der Sendereihe „Zeit und Ewigkeit“, und ich war ganz beeindruckt, wie viele Menschen im Laufe des Tages dorthin kamen: Männer und Frauen, Junge und Alte, um eine Kerze anzuzünden für so manchen Knoten im Leben, der nicht so leicht zu lösen ist oder wo keine Lösung in Sicht zu sein scheint. In den Drehpausen zwischen den einzelnen Szenen ergab sich sogar manch kurzes Gespräch. Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede.

 Liebe Schwestern und Brüder, mit dem heutigen Neujahrstag beginnen wir nicht nur einfach ein neues Kalenderjahr, sondern wir wagen auch irgendwie einen Neuanfang. In den vielen guten Wünschen, die sich Menschen heute zusagen, kommt eine gewisse positive Aufbruchstimmung zum Tragen, so nach dem Motto: Neues Spiel, neues Glück!

Ja, wir können vielleicht manches hinter uns lassen, weil es sich erledigt hat, weil es irgendwie verfallen ist, so wie der Lottoschein. Das kann schmerzlich sein, das kann aber auch befreiend sein. Die vor uns liegende Zeit wird Vieles für uns bereithalten, neue Chancen, neues Glück, aber auch Herausforderungen und vielleicht auch so manche Enttäuschung.

Es werden Probleme, Knoten auftauchen, die gelöst werden sollen und gelöst werden wollen. Maria, die Patronin des ersten Tages im neuen Jahr, kann uns ein Vorbild, vielleicht auch eine Hilfe sein. Die Geduld, aber auch die Zielstrebigkeit, wie Maria auf dem Gnadenbild dargestellt ist, die wünsche ich Ihnen, die wünsche ich uns von ganzem Herzen. Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede.

 In diesem Sinne ein gutes neues Jahr! Und vergessen wir es nicht, wir sind heute Nacht vermutlich alle miteinander um eine Million „reicher“ geworden. War das nicht ein guter Anfang? Und wenn sich der Gewinner doch noch in letzter Minute gemeldet hat, dann sei ihm der Gewinn von Herzen gegönnt.

Schließe ab mit dem, was war.
Sei glücklich mit dem, was ist.
Sei offen für das, was kommt.
Das Leben ist schön – von einfach war nie die Rede.

 

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst! So lautet der Refrain eines Kindergeburtstagsliedes, das sehr eingängig ist und auch so klingt. Das mit seinen einfachen Worten sozusagen besticht und Menschen in seinen Bann ziehen kann, weil Leben immer ein Geschenk ist, für mich selber aber auch für andere.

Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst! Einem logischen Denken, das in unserer Welt eine große Rolle spielt, kann dieser Text natürlich nicht standhalten. Wie können wir etwas vermissen, was wir gar nicht gekannt, erlebt oder erfahren haben? Weil in unserer Welt aber nicht alles logisch ist und auch nicht immer logisch sein kann und sein muss, deshalb stimmt es doch, denn wir alle kennen und haben Menschen um uns herum, zu denen wir es nicht treffender sagen können: Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst!

 Heute an Weihnachten feiern wir Geburtstag, das Geburtsfest unseres Herrn Jesus Christus. Die Botschaft, die mit diesem Fest verbunden ist, klingt nicht für alle Zeitgenossen logisch. Und die, für die diese Botschaft etwas bedeutet, scheinen in unserer logischen Welt immer weniger zu werden. Aber für uns, die wir heute Weihnachten feiern und deshalb in unserer Basilika zusammengekommen sind, stimmt das doch auch, oder? Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst, auch wenn wir das in unseren Liedern anders ausdrücken.

Heuer steht noch eine Art anderer Geburtstag buchstäblich in diesem Raum: Die Bilder, die Fresken in unserer Basilika sind 100 Jahre alt, 1923/24 von Prof. Otto Hämmerle geschaffen. Da und dort finden sich Jahreszahlen, die auf ihre Entstehung hinweisen.

Aus diesem Grund haben wir als Klostergemeinschaft als Weihnachtskarte das Deckenbild aus dem Seitenschiff gewählt, das die Geburt und Kindheit Jesu zeigt. Ist Ihnen das schon einmal aufgefallen, was da an der Decke ist? Ein Scheyrer, dem ich die Karte mit diesem Motiv zu Weihnachten geschickt habe, hat mir fast reumütig zurückgeschrieben: „Bin schon 1000-Mal daran vorbei gegangen, aber es ist mir nie so aufgefallen“.

Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst!

 Liebe Schwestern und Brüder, auch Bilder fallen nicht einfach vom Himmel, sondern sie entstehen, man könnte fast sagen, sie werden geboren, weil sie sich entwickeln und entwickeln dürfen. Das Bild in unserem Seitenschiff zeigt nicht nur die Geburt Jesu, wie sich das Otto Hämmerle vorgestellt und ins Bild gebracht hat, sondern dass dieser Jesus gewachsen ist, dass er erwachsen werden durfte. Auch der 12-jährige Jesus im Tempel ist dort zu sehen, der mit seiner Ansicht über Gott und die Welt nicht immer nur auf Zustimmung gestoßen ist.

Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst!

Dieses Bild und die anderen Bilder in unserer Basilika machen mir aber auch noch etwas anderes deutlich: Es geht nicht um ein Mannsbild, sondern es geht um ein Menschenbild. Es geht um das Bild des Menschen und das Bild vom Menschen. Die Texte aus der Bibel, die wir gerade gehört haben, sagen es so: Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt: oder anders ausgedrückt: Gott ist ein Mensch geworden.

Er hat gelebt wie ein Mensch.
Er hat gezeigt, wie man als Mensch leben kann.
Er hat gezeigt, wie Menschen miteinander umgehen können.
Er hat gezeigt, wie Menschen zusammenleben können.

Er hat kritisiert und er hat in Frage gestellt. Er hat Menschen Ansehen gegeben und ihnen Würde zugestanden, sie ihnen zurückgegeben, wo man sie ihnen genommen hatte. Der Evangelist Johanns hat es so formuliert: In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Allen, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden. Allen!

Jesus hat keinem Menschen vorgeworfen, so wie du bist, kannst du nicht von Gott sein, sondern das haben andere über ihn gesagt. Und diese anderen waren Menschen, die ein sehr enges Gottesbild und Menschenbild hatten. Ein sehr strenges Gottesbild, so dass auch das Menschenbild vor allem mit großen Forderungen verbunden war und das die Messlatte so hoch gesetzt hatte, dass sie kaum jemand erreichen konnte.

Es geht nicht um ein Mannsbild, sondern es geht um ein Gottesbild und um ein Menschenbild.

Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst! Wenn ich das so sage, fällt mir der Satz ein, den unsere benediktinischen Mitbrüder im sächsischen Kloster Wechselburg, einem Priorat der Abtei Ettal, das heuer seinen 30. Geburtstag begehen konnte, über ihr Wirken gesetzt haben: „Gott suchen, wo er nicht vermisst wird.“

Liebe Schwestern und Brüder, wir könnten und wir würden nicht Weihnachten feiern, wenn es diese Botschaft nicht geben würde, die Otto Hämmerle vor 100 Jahren hier in unserer Basilika auf seine Weise und viele andere Künstler an anderen Orten an die Decken gemalt haben.

Diese Botschaft ist nicht in erster Linie für Bilder gedacht und darin zu sehen, sondern sie hat vor allem mit dem Leben und den Menschen zu tun.

  Die Botschaft Jesu hat das Leben von vielen Menschen und damit auch unser Land geprägt. Ohne jemand etwas abzusprechen, keinem Menschen und auch keiner Religion, möchte ich deshalb sagen: Das Christentum und seine Botschaft gehören zu Deutschland, ja es gehört in unsere Welt.

Ich hoffe, dass Menschen nicht die Erfahrung machen müssen, es zu vermissen: Da gab es doch mal was, oder? Warum konnten Menschen aus einer solchen Hoffnung leben?

Es geht an Weihnachten nicht um ein Mannsbild, sondern es geht um ein Gottesbild und deshalb auch um ein Menschenbild. Deshalb feiere ich voll Freude jedes Jahr wieder gerne Weihnachten und sage mir, auch wenn es nicht bis ins Letzte logisch ist: Wie schön, dass Du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst!

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Etwas, was uns als Menschen auszeichnet, ist das Gefühl, das menschliche Gefühl. Wir nehmen etwas wahr und wir reagieren darauf. Es gibt ganz verschiedene Gefühle, angenehme und weniger angenehme. Jeder nimmt sie anders wahr und jeder wird auch anders darauf reagieren. Um diese Situation der unterschiedlichen Gefühle irgendwie beschreiben zu können, haben wir ganz verschiedene Ausdrücke und Redewendungen in unserer Sprache dafür gefunden. So sagen wir beispielsweise: Es liegt etwas in der Luft.

Ich glaube, so könnte man sagen, um das irgendwie einzufangen, was Menschen bei aller Unterschiedlichkeit in und an den weihnachtlichen Tagen bewegt: Es liegt etwas in der Luft.

So erfüllt jetzt auch einiges an Gefühlen und Empfindungen diesen Raum unserer Basilika. Ich glaube sagen zu können, dass es keine „dicke Luft“ ist, aber es ist sehr wohl eine dichte Atmosphäre. Es sind Gefühle und Empfindungen, die gar nicht so leicht in Worte zu fassen sind, auch deshalb liegt etwas in der Luft.

 Zu diesem Tag gehört auch dieser Textabschnitt aus dem Lukasevangelium, den wir als Weihnachtsevangelium kennen, und in dem auch etwas in der Luft liegt, weil er voll ist an unterschiedlichen Gefühlen und Empfindungen, die da so nebeneinanderstehen und eigentlich gar nicht zusammenpassen wollen.

Da ist die kaiserliche Anordnung, dass sich Menschen in Steuerlisten eintragen lassen müssen, damit am Ende die Kasse wieder stimmt. Was das mit Menschen macht und was das für Menschen bedeutet, ist zunächst einmal völlig zweitrangig. Ein Umstand, der in den letzten Tagen und Wochen auch bei uns Menschen bewegt und aufbringt und der deshalb heute Abend und heute Nacht auch in der Luft liegt.

Und dann sind da noch die Hirten, Menschen, die ohne viel Aufhebens einfach ihrer alltäglichen Arbeit nachgehen und die anscheinend am Rande des großen Weltgeschehens, oder was man dafür hält, völlig unbeachtet zu leben scheinen. Ausgerechnet sie, deren Leben von dem Grundsatz „nichts Besonderes“ geprägt zu sein scheint, merken als erste, dass etwas in der Luft liegt, dass sich etwas zu verändern scheint, dass etwas Neues beginnt: Leben, neues Leben, anderes Leben!

Es liegt etwas in der Luft. Menschen nehmen etwas wahr, aber sie können es oft nicht deuten und einordnen. Das kann Menschen Angst machen, das kann Menschen neugierig machen, das kann Menschen aber auch Kraft und Mut geben, etwas anzupacken und anzugehen.

Es liegt etwas in der Luft. Die Hirten merken, dass etwas anders ist und anders wird. Ihre erste Reaktion ist Angst: Was soll das bedeuten? Was soll das werden? Der Hinweis, den die Hirten dafür brauchen und auch bekommen lautet: Fürchtet Euch nicht. Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt.

 Das, was in der Luft liegt, wird auf einmal ganz konkret, es liegt in der Krippe.

Das, was in der Luft liegt, hat es in sich, und das müssen sich die Hirten durch die Engel gesagt sein lassen.

Das, was in der Luft liegt, hat Auswirkungen auf die Zukunft, es hat Veränderungspotential:  Euch ist der Retter geboren, er ist der Christus der Herr.

Es liegt etwas in der Luft. Ja, viel liegt in der Luft. Für manche ist es vielleicht nur der Duft von Glühwein und anderen typischen Düften und Gerüchen, die wir mit Weihnachten verbinden und die auch ihre Wirkung haben.

Es liegt etwas in der Luft, was Menschen bewegt, was sie nicht einfach abschütteln und ablegen können und was in Tagen wie diesen besonders deutlich wird, positiv wie negativ.

Es liegt etwas in der Luft, weil es immer noch diese Botschaft von einem Kind gibt, von diesem Kind, das in einer Futterkrippe liegt.

Ein älterer Mitbruder, der mir seine Freundschaft geschenkt hat und den ich für seine seelsorgliche Erfahrung sehr schätze, hat es in seinem sehr persönlichen gehaltenen Weihnachtsgruß so formuliert.

„Lieber Abt Markus, ich bin nach wie vor überzeugt, dass wir den Futtertrog, die Krippe mit dem Kind Jahr, für Jahr notwendig haben, um hinzugehen, abzuladen und neue Kraft zu schöpfen für das, was kommt und wo wir Menschen gefordert sind, auch wir in unserem Dienst.“

Es liegt etwas in der Luft, weil wir Menschen sind und ganz unterschiedlich fühlen, empfinden und reagieren. Für all das, was wir vielleicht nicht in Worte fassen können, sei es versucht, so zu beschreiben:

Nach so viel Suchen und Irren sagst Du uns: Geht nach Betlehem.
Nach so vielen Wegen hierhin und dorthin sagst Du uns: Kommt und seht.
Nach so viel Zweifel und Trostlosigkeit sagst Du uns: Ihr seid am Ziel.
Nach so viel Tod und Tränen rührst du uns an: Und siehe, wir leben.
Nach so viel Kälte und Einsamkeit bist du uns nahe: Heute und immer.
Nach so viel Hass und Gewalt schenkst du uns deinen Frieden.
Nach so viel Dunkel und Nacht lässt du uns den Himmel aufgehen.

Es liegt etwas in der Luft, weißt du es nicht, hörst du es nicht, der Herr ist ein ewiger Gott, der die weite Erde erschuf. Das liegt in der Luft, etwas Großes und Schönes.

 

                        Lesung: Mal 1, 14b – 2, 2b.8–10
                        Evangelium: Mt 23,1-12

Liebe Schwestern und Brüder!

Der Prophet Maleachi schreibt einige belehrende Worte an sein Volk. Worum geht es? Es gibt offenbar Zweifel daran, dass Gott wirklich mächtig ist, dass er wirkt, dass er seine Heilsversprechen einlöst, dass er Frieden und Gerechtigkeit schafft. Und Maleachi beginnt seine Ermahnungen: „Ein großer König bin ich, spricht der Herr, mein Name ist bei den Völkern gefürchtet.“ Es gibt keinen Zweifel, dass dieser mächtige Gott mit seinem Volk ist, dass er wirkt, Heil wirkt.

Im zweiten Teil wendet sich der Prophet an die religiösen Führer, an die Priester. Sie haben eine Verantwortung; wenn sich im Volk Misstrauen und Zweifel breit machen, dann hat das auch mit ihrem Verhalten zu tun. Offenbar leben sie nicht überzeugend, offenbar leben sie selbst nicht dieses Vertrauen in den Gott, von dem sie reden, offenbar sorgen sie sich mehr um sich, lassen soziale Missstände zu und kümmern sich nicht weiter darum.

Und Maleachi schließt mit einer Erinnerung, er kleidet sie in eine Frage: „Und wir, haben wir nicht alle denselben Vater? Hat nicht der eine Gott uns alle erschaffen? Warum handeln wir dann so, einer gegen den andern? Warum entweihen wir den Bund unserer Väter?“ Diese Sätze sind etwa 2500 Jahre alt. Allerdings, was Jesus 500 Jahre später wieder den religiösen Führern seines Volkes sagt, klingt nicht nur ähnlich, sondern noch viel deutlicher. Die Schriftgelehrten und Pharisäer haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt, sie sind die geistliche Autorität oder wollen jedenfalls so verstanden werden. Darum tut alles, was sie sagen, aber schaut nicht auf ihr Tun, das ist abschreckend. Sie schnüren schwere Lasten zusammen, kleinliche Gebote und Gesetze, und sie passen gut auf, dass sie auch von möglichst allen eingehalten werden. Dabei wissen sie, dass das einfach Volk sich gar nicht an all die kleinlichen Vorschriften halten kann. Sie lassen es also einfach zu, dass Menschen von vornherein draußen stehen müssen, dass sie religiös keine Chance haben. Und bei alledem bleiben sie, die Schriftgelehrten und Pharisäer, noch die Angesehenen, und sie betonen und genießen ihre Sonderstellung: Auffallende Gewänder, Ehrenplätze bei den Versammlungen, sie genießen es, wenn man sie besonders begrüßt, mit allen Ehrentiteln. Und dann kommt Jesus auf eine ähnliche Erkenntnis wie Maleachi. Einer ist unser Vater, der im Himmel, darum sollt ihr auch niemanden Vater nennen, darum sollt ihr niemanden Meister oder Lehrer nennen, nur einer ist euer Lehrer, Christus, ihr alle seid Brüder und Schwestern. Aus dieser einen Herkunft ergibt sich eine Gleichwertigkeit, eine gleiche Würde. 500 Jahre liegen zwischen Maleachi und Jesus, die mahnenden Worte des Propheten haben offenbar nicht viel verändert an dem Bedürfnis einiger, über den Anderen zu stehen, mehr sein zu wollen, besser sein zu wollen, angesehener zu sein. Denn Jesus kritisiert schärfer, er kritisiert konkreter. Offensichtlich braucht es diese verschärfte Kritik, denn die Unterschiede sind tiefer geworden, sie haben sich fest eingegraben in das Bewusstsein, der einen, die erhaben über den anderen stehen, die prüfen und beurteilen und deren Opfer schließlich auch Jesus sein wird und den anderen, die sich wegducken, die für sich nichts beanspruchen und zu beanspruchen haben, die darum wissen, dass sie unbedeutend sind und nichts vorweisen können. Auf diesem Hintergrund wird das Wort verständlich: „Der Größte soll euer Diener sein, denn wer sich selbst erhöht wird erniedrigt, wer sich selbst erniedrigt wird erhöht werden.“ Es geht nicht darum, sich künstlich klein zu machen, im Bild gesprochen, am Boden zu kriechen, sondern es geht viel eher darum, das Gemeinsame zu erkennen, die gleiche Würde, und sich dementsprechend zu verhalten.

Es wäre nun leicht, diese Rede Jesu auf die Kirche heute zu übertragen. Denn es sind wieder 2000 Jahre vergangen, und wir spüren: Das gibt es doch immer noch: diejenigen, die die Ehrenplätze haben wollen, die sich in den Vordergrund drängen, diejenigen, die auf große Äußerlichkeiten Wert legen. Und es sind nicht nur die religiösen Führer, sondern es sind auch die anderen, die sehr gern eine Hierarchie haben wollen. Es gibt also, kurz gesagt, diejenigen, die gern Hochwürden genannt werden und es sein wollen, und es gibt die anderen, die sie nicht aus dieser Rolle herauslassen, die immer wieder gern einen Hochwürden vor sich haben möchten, nicht einen Menschen. Über all das muss sehr viel gesprochen werden, und es wird manche Synodalen Prozesse dazu brauchen. Aber aufpassen müssen wir in der Kirche dabei, dass wir mit all diesen Fragen nicht doch nur um uns selbst kreisen. Denn es geht schließlich um etwas Anderes und Größeres. Haben wir nicht alle denselben Vater? Oder: Nur einer ist euer Vater, der im Himmel! Diese Sätze sind uns nicht nur gegeben, damit wir uns daran stärken, sondern dass wir sie der Welt sagen: Haben wir nicht alle denselben Vater? Das ist im Grunde die einzige Möglichkeit, um Verhärtungen, Verkrustungen aufzubrechen, das ist die Möglichkeit, um bei aller Unterschiedlichkeit von Menschen oder Gruppen, doch das Gemeinsame freizulegen, zu betonen und dann daraus etwas abzuleiten: Wenn wir denselben Vater haben, dann kann es nicht sein, dass Streit zwischen uns ist, dass Krieg zwischen uns ist, dann ist der Mensch neben mir nicht zuerst „Der Andere“ krank oder behindert, reich oder arm, nicht ein Schwarzer oder ein Weißer, nicht Ausländer oder Fremder, sondern zuerst ist er Bruder oder Schwester, dann gibt es auch nicht zuerst glaubende Menschen und Nicht- oder Andersgläubige, sondern von mir aus darf ich, ja muss ich den anderen immer schon von dieser gemeinsamen Abstammung her sehen und annehmen, auch unabhängig davon, wie er oder sie selbst sich versteht. Wir spüren hier, welche Kraft in unserem jüdisch- christlichen Glauben steckt, welche heilende Wirkung er entfalten könnte, wenn wir damit wuchern. Und natürlich werde ich den Krieg in der Ukraine nicht damit beenden, dass ich nach Moskau gehe und Wladimir Putin daran erinnere, dass wir geliebte Kinder desselben Vaters sind, -er wird mich eher für einen Spinner halten-, aber was wir unseren Kindern mitgeben, was wir selbst leben, vorleben, was wir in unser Lebensumfeld ausstrahlen, das ist nicht wenig. Hier können wir viel tun, und das hat große Wirkung. Denn umgekehrt ist es doch auch so: Wenn Menschen fähig dazu sind, anderen das Existenzrecht abzusprechen, wenn sie andere, wehrlose, auf bestialische Weise umbringen, wie wir es am 7. Oktober erschreckend gehört haben, dann ist mit diesen Menschen vorher auch viel passiert: Es ist ihnen unheimlich viel Hass eingetrichtert worden, es ist ihnen eingeimpft worden, dass der andere kein Recht hat, ja dass er eigentlich kein Mensch ist, dass es also nie und nimmer sein kann, dass wir denselben Vater haben.

Liebe Schwestern und Brüder! Und wir, haben wir nicht alle denselben Vater? Wir können diese Worte, die einem Volk gesagt sind, heute nach 2500 Jahren mit Fug und Recht auf alle Menschen ausdehnen. Bedenken wir, was das heißt. Und leben wir die Geschwisterlichkeit, die sich daraus ergibt. Das ist das einzige und wirksamste Medikament, das unserer Welt gegen den Wahnsinn der Gewalt und der Barbarei helfen kann.
Amen.

 

 

 

                                 Lesung: Sach 9,9-10

                                Evangelium: Mt 11,25-30

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Texte des heutigen Sonntags sind ein Zuspruch, sind Tröstung, sie sind wirklich wohlwollende Worte; sie sind aber ebenso eine Zumutung, sie werfen Fragen auf, sie lenken unseren Blick auf manches Unschöne; und genau in dieser Doppeldeutigkeit erweisen sie ihre prophetische Kraft, das sei einmal vorweggesagt.

Beim Propheten Sacharja ist von dem König die Rede, der kommt, und ganz Jerusalem hat Grund, darüber zu jubeln, denn er ist ein König, der Frieden bringt; allein die Tatsache, dass er auf einem Esel daherkommt, ist die Botschaft seiner Friedfertigkeit. Und seine Herrschaft wird groß sein, für Kriegstreiber, Aggressoren und Diktatoren ist da kein Platz mehr, endlich.

Auch im Evangelium begegnet uns ein großer Zuspruch, schon, wenn Jesus dankt für die Unmündigen und Kleinen, denen etwas eröffnet ist. Ich hoffe, Ihnen geht es ähnlich wie mir, dass wir uns angesprochen fühlen bei diesen Unmündigen, weil wir, wenn wir uns realistisch einschätzen, immer wieder merken, dass wir nicht die großen Weltveränderer und Weltverbesserer sind, dass der Radius, in dem wir überhaupt etwas bewirken könnten, denkbar klein ist, und dass vieles passiert, ohne, dass wir überhaupt gefragt werden. Trotzdem, uns ist etwas offenbart, und manchen Bedeutenden und Großen offenbar nicht, wenn wir diesen Zuspruch ganz ernst nehmen. Und dann diese Einladung, kommt alle zu mir, die ihr euch müht und beladen seid. Ich will euch Ruhe verschaffen. Wer diese Worte beispielsweise in der Vertonung Georg Friedrich Händels im Messias auf sich wirken lässt, der merkt, das ist pures Wohlwollen, ja da möchte man sich fallen lassen, dem möchte man wirklich vertrauen.

Und genau um solch ein Vertrauen geht es, denn beide Texte sind eben auch eine Zumutung. Der Friedenskönig und sein Reich, alles schön und gut, aber was Menschen im Moment erleiden müssen in der Ukraine, ist der blanke Horror, und da gibt es nichts anderes zu hinein zu deuteln, es ist eine kleine Clique in Moskau, die für dieses unsagbare Leid die Verantwortung trägt, es geht um Machtgier und Größenwahn, und der einzelne Mensch spielt da überhaupt keine Rolle, geschweige denn das, was er erleidet. Und die übrige Welt erstarrt fast in Ratlosigkeit, denn diese Clique hat Mittel in der Hand, die für die ganze Welt gefährlich sein können. Was ist da mit so verheißungsvollen Worten: Ausmerzen werde ich die Streitwagen aus Efraim, ausgemerzt wird der Kriegsbogen?

Und auch im Evangelium bleibt uns diese Frage: Bei allem Wohlwollen, „mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht“, ein paar Kapitel weiter werden wir miterleben, wie jemand gezwungen wird, das Kreuz Jesu mitzutragen, offenbar, weil Jesus es allein nicht schafft, weil er selbst darunter zusammen zu brechen droht.

Das Schlüsselwort heißt auch hier wieder Vertrauen, darum möchte ich dieses Wort einmal in den Mittelpunkt stellen. Vertrauen hat etwas mit Erfahrung zu tun. Ein Mensch, der nie im Leben Gutes erfahren hat, wird es schwer haben mit dem Vertrauen. Und selbst das Urvertrauen des Kindes ist nicht einfach von vornherein da, sondern wird beschrieben, als das Grundvertrauen in andere Menschen und die Umwelt, das Kinder in den ersten Jahren durch positive Erfahrungen erwerben. Bezogen auf die Lesung heißt das: Wenn ein Mensch erfahren hat, dass Frieden ein viel größerer Wert ist, als jedes Machtgehabe und jeder Größenwahn, wenn jemand erfahren hat, dass Gott etwas mit diesem Frieden zu tun hat, dass dieser Friede ein Geschenk ist, etwas, das nicht einfach verordnet werden kann, wenn jemand in seinem Leben einmal erfahren hat, dass Gewalt, Macht, dass jede Kraft an ein Ende kommen kann, einfach so zerbröselt, dann wird es ihm möglich zu vertrauen, dass die Worte des Propheten eine tiefe Wahrheit enthalten. Und auf das Evangelium bezogen: Wenn ein Mensch Wohlwollen erfahren hat in seinem Leben, einfach so ohne Vorbedingungen, als freies Geschenk von guten Menschen, wenn ein Mensch erfahren hat, dass er das Wichtigste in seinem Leben nicht machen kann und nicht kaufen kann, wenn jemand erfahren hat, dass das Wichtigste im Leben freies Geschenk ist und irgendwie Geheimnis bleibt, dann erst kann er ohne Misstrauen sich dem öffnen, der da sagt: Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt, ich will euch Ruhe verschaffen. Vertrauen setzt gute Erfahrungen voraus. Die guten Erfahrungen sind der Grund, auf dem ein Mensch steht und festen Halt findet, und ganz klar: Je mehr gute Erfahrungen ein Mensch in seinem Leben machen kann, desto mehr wächst und stärkt sich ein tiefes Vertrauen in ihm. Und dazu kommt ein Zweites: Vertrauen ist auf Zukunft ausgerichtet. Wie soll ein Mensch, der Im Krieg oder anderen sehr belasteten Lebensverhältnissen aufwächst, wie soll solch ein Mensch vertrauen können, wenn er nicht die Hoffnung haben kann, dass es eine Zeit geben wird nach dem Krieg, eine Zeit nach dem Leid, nach der Krankheit, eine Zeit nach der Belastung. Hier sehe ich ein großes Problem unserer Zeit: Wir wundern uns, dass Mensch so schwer Vertrauen fassen können, dass sie sehr leicht zu verunsichern sind und dass das ziemlich heftige Folgen hat. Ein wesentlicher Grund besteht meines Erachtens darin, dass uns die Zukunft verlorengegangen ist, zwar nicht wirklich, aber im Bewusstsein vieler Menschen eben doch, das Leben spielt sich im Wesentlichen hier auf der Erde ab, was danach kommt weiß niemand – so ist doch die allgemeine Überzeugung. Siehe dein König kommt zu dir, das ist immer auch etwas Zukünftiges, er wird den Frieden verkünden, seine Herrschaft wird groß sein – die Wahrheit dieses prophetischen Textes besteht eben darin, dass diese Zukunft immer noch aussteht, dass sie nur bruchstückhaft und anfanghaft erfahren werden kann, dass die volle Erfüllung einer Wirklichkeit vorbehalten ist, die wir Shalom oder Himmel nennen.

Auch die Zusagen des Evangeliums tragen diesen Zukunftsgedanken in sich: Nichts ist fertig, immer ist die volle Erfüllung noch ausstehend. Aber Jesus gibt uns ein wesentliches Hilfsmittel in die Hand: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir.“ Dieser Satz ist nicht zu verwechseln mit der Aufforderung, das Kreuz zu tragen. Genau darum geht es hier nicht. Ein Joch soll eben keine Last sein, sondern ist das Geschirr, das dem Lasttier aufgespannt wird, damit es die Last tragen kann, damit diese Last leichter wird.

Liebe Schwestern und Brüder, Nehmt mein Joch auf euch, wir könnten beim Betrachten der heutigen Texte auch sagen: Lasst euch in mein Vertrauen einspannen, lasst euch dieses Vertrauen von niemandem zerstören. Erinnert immer wieder eure positiven Erfahrungen, und vor allem vergesst nicht: Ihr habt eine große Zukunft, lebt aus dieser Hoffnung, die euch niemand nehmen darf. Amen.

 

 

     

                                  Lesung: Jer 20, 10-13

                                  Evangelium: Mt 10,26-33

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Der Herr rettet das Leben des Armen aus der Hand der Übeltäter. Mit dieser Überzeugung endet die Lesung aus dem Propheten Jeremia. Und was Jeremia vorher beschreibt, ist so schlimm, dass es niemand freiwillig erleben möchte: Verleumdung, ringsum Grauen, alle lauern darauf, dass er stürzt und zu Fall kommt. Was Jeremia erlebt, ist lebensgefährliche Feindseligkeit und wofür eigentlich? Nein, nicht für irgendeine böse Tat, die er selbst begangen hätte, sondern als Reaktion auf seine Botschaft, auf seine Überzeugung, als Reaktion auf die unbedingte Treue zu seinem Gott. In diesen Sätzen des Jeremia ist sein ganzes Leben, sind viele seiner Erfahrungen zusammengefasst: Abgelehnt, verspottet, verfolgt zu werden, das hat er erfahren, immer wieder. Und wenn wir auf diese jammervolle Gestalt des Jeremia schauen, und wir wissen, diese Gestalten gibt es durch die Geschichte hindurch bis heute in allen möglichen Variationen, dann gibt es nur eine entsprechende Haltung dazu, nämlich Mitleid. Und die Überzeugung: Der Herr rettet das Leben des Armen entspricht genau dieser Haltung: Auch Gott kennt Mitleid, auch Gott ist schließlich Mitleid. Ich möchte darum dieses Wort Mitleid heute einmal in den Mittelpunkt stellen. Mir ist klar, dass es nur angerissene Gedanken sind, Anregungen, alles müsste weiter gedacht werden.

Mitleid ist zunächst nicht zu verwechseln mit einer Empfindlichkeit oder gar Wehleidigkeit, die die eigene Person betrifft, sondern Mit-Leid ist immer auf den anderen ausgerichtet. Mitleid erschöpft sich auch nicht in einem mitleidigen Blick, sondern ist immer viel mehr. Es setzt die Fähigkeit voraus, wahrzunehmen, was der andere empfindet oder erleidet, und gleichzeitig den Willen, ihm etwas von seiner Last abzunehmen, diese Last kleiner zu machen, Leid mit zu tragen, wo es sich nicht verhindern lässt.

Mitleid, so könnte manch einer vielleicht sagen, ist doch eigentlich eine ganz menschliche Grundhaltung, dazu braucht es kein Christentum. Das klingt zunächst plausibel, und tatsächlich sollte jede Erziehung und Prägung darauf abzielen, dass uns die Haltung des Mitleids selbstverständlich wird. Aber wir können heute feststellen, dass Mitleid eben keine Selbstverständlichkeit, ist, wenn es nicht ins Wort gehoben, immer wieder betont und genährt wird und überhaupt als Wert anerkannt wird. Ich habe als Kind erfahren, wie gedankenlos man etwas mitmacht, wenn wir unsere Straßenfegerin, die offenbar eine Behinderung hatte, so lange getriezt haben, bis sie laut tobend mit dem Besen um sich schlug und doch niemand traf, wir waren ja alle schnell weg. Gott sei Dank hatte ich Eltern, die mir hier eine Richtung gaben und mich für Mitleid aufschlossen. Das einfache „Soetwas macht man nicht“ reicht eben nicht, sondern es braucht mehr, es braucht dieses „Ich nehme wahr dass ein anderer leidet, das tut weh, und das will ich nicht.“ Wir können beobachten, dass solch eine Prägung in Vergessenheit gerät, ja das Mitleid am Ende etwas ist, was man sich einfach nicht mehr leisten kann. Unsere Welt wird immer enger, unsere Ressourcen werden immer knapper, ich muss am Ende sehen, dass für mich genug bleibt, und ein anderer kümmert sich ja nicht darum. Mitleid wird da zum Luxus. Und ein Mitleid, dass aus solchen Nützlichkeitserwägungen kommt, bleibt meist auf den eigenen Vorteil, auf die eigene Familie, den Clan, das eigene Volk beschränkt, Deutschland immer zuerst, so steht es auf dem T-Shirt der deutschen Patrioten. Nein, ganz einfach selbstverständlich ist Mitleid nicht. Wenn man sich den Humor vieler Jugendlicher heute auf Tiktok und anderswo anschaut, dann geht es oft darum, dass irgendjemand blamiert und dämlich dastehen muss. Wie der sich wirklich fühlen mag, – allein diese Frage ist uncool. Mitleid muss gelernt werden, Mitleid muss als Wert geachtet und vermittelt werden.

Der Herr rettet das Leben des Armen aus der Hand der Übeltäter. – dass Gott Mitleid hat, das ist die wichtige Erkenntnis des Propheten Jeremia, das ist die Erkenntnis, die sich durch die ganze Bibel zieht. Und das Evangelium am vergangenen Sonntag begann mit den Worten: Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; und dieses Mitleid spricht auch heute aus dem Evangelium, aus all den Mut machenden Worten: Fürchtet euch nicht, ihr seid mehr wert als alle Spatzen. „Christus“, so deutet Dietrich Bonhoeffer das Neue Testament, „Christus erfuhr alles Leiden an seinem eigenen Leibe als eigenes Leiden.“ Und er folgert daraus: „Wir sind gewiss nicht Christus, (aber) wir sind Werkzeuge in der Hand des Herrn der Geschichte, wir können das Leiden anderer Menschen nur in ganz begrenztem Maße wirklich mitleiden. Wir sind nicht Christus, aber wenn wir Christen sein wollen, so heißt das, dass wir an der Weite des Herzens Christi teilbekommen sollen in verantwortlicher Tat und in echtem Mitleiden. Tatenloses Abwarten und stumpfes Zuschauen sind keine christlichen Haltungen.“ Mitleid ist eine christliche Grundhaltung, so hieß denn auch der zentrale Satz in dem Kommentar, den wir Mönche am vergangenen Sonntag zum Evangelium gehört haben.

Bei aller Wertschätzung des Mitleids gibt es natürlich auch Gefahren. Wer mit sich selbst nicht gut umgeht, bei dem gerät auch das Mitleid mit anderen irgendwie in eine ungesunde Schieflage. Worte wie „Helfersyndrom“ beschreiben solche Phänomene. Da ist jemand ganz mit dem anderen beschäftigt, und die Sorge für sich selbst bleibt irgendwie auf der Strecke. Es kann sein, dass manche Menschen wirklich nicht viel für sich brauchen, trotzdem halte ich das Gebot Jesu: „Du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst“, hier für eine gute und notwendige Korrektur.

Ein andere Gefahr ist, dass man die Haltung des Mitleids als Schwäche auslegt. Menschen, die Mitleid tatsächlich verinnerlicht haben, erscheinen manchmal zögerlicher, nicht so entscheidungsfreudig, unentschlossen, sie bringen nichts weiter – wie man hier in Bayern gern sagt. Tatsächlich ist es so, dass die Haltung des Mitleids oft dazu führt, viel mehr mit zu denken, viel mehr Verständnis zu entwickeln, eine gewisse Rücksichtslosigkeit oder sogar Brutalität, die man für manche Entscheidungen bräuchte, ist solchen Menschen dann einfach nicht möglich oder sie wollen sie einfach nicht.

Und eine dritte Gefahr besteht darin, dass Menschen, die Mitleid sehr stark verinnerlicht haben, manchmal nicht mehr damit rechnen, dass andere dies eben genau nicht so tun. Es scheint ihnen undenkbar, dass es wirklich Bosheit gibt, Faulheit, Schmarotzertum, Lüge, und dass es Menschen gibt, für die Mitleid ein Fremdwort ist. Hier entsteht eine gefährliche Naivität, gerade aktuell im Blick auf Russland ist das sehr deutlich zu beobachten.

Doch bei allen Gefahren oder Missverständnissen müssen wir festhalten: Unsere Welt lebt vom Mitleid, unsere Welt lebt von einem mitleidenden Gott und unsere Welt lebt im letzten von Menschen, die sich von diesem Gott leiten lassen, weil sie wissen: Der Herr rettet das Leben des Armen aus der Hand der Übeltäter. Amen.

 

                                Lesung: Hos 6,3-6

                                Evangelium: Mt 9,9-13

Liebe Schwestern und Brüder

Vor einiger Zeit habe ich erlebt, wie es bei einem Gottesdienst zu einer kleinen Panne gekommen ist. Mitten in einem Lied fiel mir plötzlich auf, dass die Orgel nicht mehr so klang, wie sie eigentlich klingen müsste, der Grund war, dass der Schalter einen Wackelkontakt hatte und sich der Motor einfach ausgeschaltet hatte. Ich konnte gut zur Orgel sehen und feststellen, dass der Organist, schon etwas älter und schwerhörig, noch nichts bemerkt hatte und einfach sehr korrekt weiterspielte. Auch in der Gemeinde hatten viele gar nichts bemerkt, nur einige wenige, waren verunsichert oder amüsiert und sangen einfach nicht mehr mit. Irgendwann merkte dann auch der Organist, dass etwas nicht stimmte, ruckelte etwas am Schalter, und der Motor sprang wieder an. Nun ist es aber nicht so, dass die Orgel sofort wieder klare Töne hervorbringt, erst musste sich das System wieder mit Luft füllen und so gab es einige Misstöne. Und wieder gab es einige, die gar nichts merkten, andere, die verunsichert waren und manche fanden es einfach komisch, und sie können sich vorstellen, dass es nicht so ganz einfach für mich war, den Gottesdienst mit der nötigen Ehrfurcht weiterzufeiern. Wenn die Orgel keine Luft bekommt, dann kann der Organist spielen so gut und richtig er will, es kommt nichts oder nichts Richtiges dabei raus.

Was hat diese Begebenheit mit Pfingsten zu tun. Als Kirche, und dabei brauchen wir uns keine engen kirchlichen oder institutionellen Grenzen vorstellen, leben wir vom Geist Gottes, vom Heiligen Geist, darum bezeichnen wir Pfingsten auch als das Geburtsfest der Kirche, weil wir feiern, dass dieser Geist sichtbar erfahrbar auf die Jüngergemeinde herabgekommen ist. Aber dieser Geist ist immer da, mehr oder weniger deutlich erfahrbar, mehr oder weniger laut, er ist die Grundlage allen christlichen Lebens, und nicht erst dort, wo man von ihm ausdrücklich spricht. Dieser Geist hat auch Wirkungen, wir erfahren ihn in verschiedener Weise und sprechen von den vielfältigen Gaben des Heiligen Geistes. Aber vor jeder Differenzierung, so könnten wir sagen, immer und überall, wo etwas Gutes geschieht, wo Menschen zu ihrem Recht kommen, wo es um die Freiheit von Menschen geht, wo es um Respekt geht, um Wahrheit, Frieden, um echte Freude, überall dort, wo Leben wächst und sich entfalten kann, überall dort haben wir mit dem Geist Gottes zu tun, er ist die Kraft, aus der wir leben. Allerdings manchmal scheint es, als ob der freie Fluss dieser Lebenskraft irgendwie behindert ist. Und das ist dann fast so, wie wenn der Orgel ganz plötzlich die Luft ausgeht. Da ist dann nicht sofort Totenstille, nein, da werden manche Töne ungenau, dann kann man noch eine ganze Weile weiter singen, es kann auch sein, dass viele gar nichts merken, ja es kann sogar sein, dass derjenige, der verantwortlich ist, noch eine ganze Zeit routiniert weiterspielt, es ist möglich, dass Menschen die ganze Angelegenheit komisch finden, dass sie verärgert sind und nicht mehr mitmachen.

Und all diese verschiedenen Aspekte finden wir momentan in der Kirche, auch wenn vieles ganz sicher viel zu einfach dargestellt ist, wenn ich das mal so 1:1 übertrage. Die verärgert sind, die nicht mehr mitmachen, die das alles komisch finden und sich zurückziehen – viele treten aus der Kirche aus, manche bleiben, oft trotzdem sehr distanziert. Es gibt Menschen, die nichts merken oder nichts merken wollen, für die ist alles klar, wozu braucht es irgendeine Veränderung. Es gibt auch Verantwortliche, die einfach weitermachen, und die darauf achten, ja keinen Fehler zu machen, obwohl sie merken müssten, dass ihnen längst die Luft ausgeht. Manch einer ähnelt dabei dem Laternenanzünder aus dem kleinen Prinzen, der die Aufgabe hat, die Laterne auf seinem kleinen Planeten an und auszuknipsen, wenn es Nacht und Tag wird. Und er tut das, auch wenn der Planet sich immer schneller dreht, so dass er am Ende nur noch mit dem An- und Ausknipsen beschäftigt ist – ein völlig sinnloses Tun.

Und es gibt die, die merken, dass etwas nicht oder nicht mehr stimmt, die immer wieder darauf hinweisen, die man abtut, die man als Querulanten und Störenfriede empfindet, weil sie darauf hinweisen, dass Veränderungen anstehen, und dass nicht alles so weiterlaufen kann. Und es gibt schließlich auch diejenigen, die ein wenig am Schalter ruckeln, die etwas wagen, die etwas unterbrechen, und die vielleicht dafür sorgen, dass wieder gute frische Luft durch die Kirche oder auch durch die Gesellschaft strömen kann. Und natürlich kann es dabei passieren, wie bei der Orgel, dass die neue Luft zunächst Misstöne hervorbringt. Dass da nicht alles schon ausgereift und zuende überlegt ist, aber dass es trotzdem besser ist, etwas zu beginnen als einfach nur abzuwarten. Also wie viel Kritik, wie viel Argwohn muss sich beispielsweise der Synodale Weg gefallen lassen, es kann ja gar nicht gehen, und weil es von vornherein verhindert wird, darum wird vieles auch gar nicht gehen, leider!

Und dennoch sind diejenigen, die wachsam sind, die merken, manches stimmt nicht mehr, die das zu sagen wagen und die den Mut haben etwas zu verändern, diejenigen, vor denen ich großen Respekt habe; Menschen, die die Kirche erhalten und in eine Zukunft führen, weil sie in Wirklichkeit aus der tiefsten Überzeugung leben: Gottes Geist geht mit uns, er lässt uns nicht allein.

Im bekanntesten Pfingstlied singen wir in der 2. Strophe: Der Geist des Herrn erweckt den Geist in Sehern und Propheten. Angesehen waren die Seher und Propheten nie, weder im Alten Israel noch in der Kirche. Sie wurden verdächtigt, verlacht und bekämpft, aber sie haben Wege aus manchen Krisen gewiesen. Aus ihnen wirkt der Geist, der auf das Erbarmen Gottes weist und Heil in tiefsten Nöten. Die Seher und Propheten sind oft sehr nah am Menschen, barmherzig, weil sie nicht von oben herab belehren, weil sie um manche Not wissen, weil sie die tiefe Not der Menschen kennen, und den Mut haben in diesen Situationen von einer Hoffnung zu sprechen, nicht leichtfertig, vielleicht sehr zurückhaltend, vielleicht durch schweigende Anteilnahme. Und durch diese Seher und Propheten ist in schweren und dunklen und unsicheren Zeiten doch immer wieder Veränderung möglich geworden: Seht aus der Nacht Verheißung blüht, die Hoffnung hebt sich wie ein Lied und jubelt Halleluja.

Liebe Schwestern und Brüder! Wer sieht und erkennt heute nicht in manchen Erscheinungen diese Nacht, wer würde leugnen, dass wir heute in mancher Hinsicht dunkle, schwere und unsichere Zeiten erleben, in der Kirche aber ebenso in der Gesellschaft und oftmals weltweit. Aber wir dürfen doch glauben an die Verheißung, wir dürfen doch hoffen, wir dürfen auch jubeln, ja, wir müssen es, weil wir wissen, dass Gottes Geist uns gegeben ist, und dass er uns nicht mehr verlässt. Amen.

 

                             Les: 1 Kor 12,3b-7.12-13
                             Ev: Joh 20,19-23

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Es ist ein schönes Zeichen, manchmal vielleicht auch ein schöner Brauch, dass sich Menschen aus irgendeinem Anlass oder zu einem Anlass etwas schenken. Das können ganz unterschiedliche Dinge sein, die Menschen so verschenken bzw. bekommen. Wir nennen sie manchmal auch „Aufmerksamkeiten“. Mit solchen Aufmerksamkeiten bringen wir Zuneigung, Wertschätzung oder auch Dankbarkeit für etwas oder auch gegenüber jemanden zum Ausdruck: Es ist schön, dass es Dich gibt, ich bin froh, dass Du da bist!

Ich denke, wir alle haben so etwas schon einmal getan, mit Aufmerksamkeiten andere Menschen bedacht, ich hoffe aber auch, dass wir selber solche Zeichen der Aufmerksamkeit bekommen haben. Manchmal haben es solche Aufmerksamkeiten aber auch in sich, wie wir sagen, weil sie uns nicht nur einfach froh und glücklich machen können, sondern weil sie uns auch herausfordern, anspornen oder auch nachdenklich machen.

Es ist schon lange her, da habe von jemandem, den Anlass weiß ich gar nicht mehr, dieses kleine Kästchen bekommen, mit dem Wunsch: „Da kannst Du etwas hineintun, was für Dich wichtig ist!“ Lange stand es einfach so auf meinem Schreibtisch. Es verschwand oft hinter oder unter dem, was in Form von Papier wichtig werden kann, um dann und wann wieder zum Vorschein zu kommen. Es erinnerte mich immer an diesen Begleitsatz: „Da kannst Du etwas hineintun, das für Dich wichtig ist!“ Irgendwann kam mir der Gedanke an einen Spruch in den Sinn und was er bedeuten kann, wenn wir sagen: „Jetzt hast an Dreck im Schachterl.“  Dieses kleine Kästchen ließ mich einfach nicht los, es stellte sozusagen Ansprüche und Anfragen an mich, nämlich: Was ist für mich wichtig?

Was könnte das sein, was für mich wichtig ist und darin auch Platz hat? Groß ist es ja nicht. Einmal habe ich einen Schlüssel hineingetan und ihn dann lange gesucht, weil ich nicht mehr daran gedacht habe, dass ich ihn da hineingelegt habe. Dann waren mal Schweizer Franken drin, die nach einem Urlaub übriggeblieben sind. Aber das war es einfach nicht, das Wichtige, das da hineingehören könnte. Vor einem knappen Jahr habe ich etwas gefunden, das da für mich hineingehört, das darin Platz hat und seitdem seinen Platz darin gefunden hat: Etwas Wichtiges!

Bei einer Firmspendung bekam ich ein Symbol überreicht, das die jungen Menschen in der Zeit der Vorbereitung begleitet hat: Einen roten Faden.

Der rote Faden ist in unserem Sprachgebrauch ein Zeichen der Orientierung, der Zuversicht, aber auch der Sinnhaftigkeit von Leben und Tun. Etwas zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben. Menschen haben und brauchen so etwas wie einen roten Faden, damit sie wissen, wo es in ihrem Leben hingehen oder wie es in ihrem Leben weitergehen soll. Das ist etwas Wichtiges, auch für mich!

Genau diesen roten Faden hatten die Jünger, die Freunde Jesu, nach seinem Tod verloren: Sie wussten nicht mehr, wie es weitergehen soll, ja noch mehr, sie hatten Angst vor dem Leben und ihrem Lebensumfeld: Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten. So hat heute der Evangelienabschnitt, den wir gerade gehört haben, begonnen. Es war auch eine Situation, wo man sagen bzw. hören könnte: Jetzt haben sie den Dreck im Schachterl.

Mit dem Anhauchen und dem Satz „Empfangt den heiligen Geist“, gibt Jesus ihnen wieder einen roten Faden und damit ihrem Leben einen neuen Sinn, einen neuen Auftrag: Vergebung zu schenken und zu bringen. Menschen Einheit und Verbundenheit zu schenken, sie dazu anzuleiten, es zu ermöglichen und selber Teil davon zu sein.

Der Apostel Paulus spricht in seinem Brief an die Korinther vom Leib und den vielen Gliedern. Dieser Gedanke zieht sich wie „ein roter Faden“ durch sein Wirken und seine Verkündigung: Der Leib mit den vielen Gliedern. Das ist ein schönes und ein herausforderndes Bild zugleich. Genau deshalb braucht es und gibt es diese verschiedenen Gnadengaben und Begabungen bei uns Menschen, damit wir sie selber nutzen und damit auch anderen nützen, Leben zu gestalten, einen roten Faden im Leben zu haben und auch zu sehen.

Liebe Schwestern und Brüder, unsere Glaubenstradition kennt viele Texte, Gebete und Lieder, in denen manchmal sozusagen in bunten und schillernden Farben gemalt und beschrieben wird, was der heilige Geist soll und kann oder was Menschen von ihm erwarten.

In den letzten Tagen ist mir bei einem solchen Heilig Geist Hymnus ein Satz aufgefallen und nachgegangen: Und leeren Herzen Liebe gib. Diesen Satz habe ich gedanklich auch in das kleine Kästchen gelegt, weil er mir wichtig geworden ist.

 Und leeren Herzen Liebe gib. In dieser Bitte an den heiligen Geist und um den heiligen Geist sind für mich Menschen enthalten, die – warum auch immer – ausgebrannt sind, die keine Kraft, keine Freude und keinen Mut mehr haben, die keinen roten Faden mehr haben und sehen.

Mit dieser Liebe ist nicht nur einfach ein romantisches Gefühl gemeint, das Menschen anzieht, das Menschen einander um den Hals fallen lässt, sondern diese Liebe ist vor allem der Respekt, in dem Menschen bei aller Unterschiedlichkeit wahrhaftig und auf Augenhöhe miteinander umgehen können. 

Diese Liebe in den Herzen der Menschen wird nicht alle Probleme auf dieser Welt mit einem Schlag lösen können. Wer es darauf anlegt, wird am Satz und der damit verbundenen Erfahrung vom „Dreck im Schachterl“ nicht vorbeikommen.

Die Liebe für leere und ausgebrannte Herzen wird Menschen immer wieder nach neuen Lösungen suchen lassen, sie wird auch mit Kompromissen und Teillösungen leben können. Sie ist der rote Faden, der auch einmal dünn, sehr dünn werden kann und doch noch hält.

Ich möchte schließen mit einem Satz, der sich wie ein roter Faden durch den Alltag der Menschen mit all seinen Problemen und Herausforderungen ziehen kann und der sozusagen auch in diesem Kästchen liegt. Er lautet: Das Leben ist nicht ein Problem, das gelöst werden muss, sondern das Leben ist ein Geschenk, das gelebt werden darf.

Liebe Schwestern und Brüder, so wünsche ich Ihnen heute nicht den „Dreck im Schachterl“, sondern immer diesen roten Faden, vielleicht aus einem Schachterl. Ich wünsche Ihnen den roten Faden im Leben und für das Leben und von ganzem Herzen ein frohes Pfingstfest.

                     Les: Apg 1,12-14    
                     Ev: Joh 17,1-11a

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Zeitungen gehören für viele Menschen zum Leben und zum Alltag des Lebens einfach mit dazu. Manchmal haben sich deshalb bei den Menschen im Umgang mit der Zeitung Rituale herausgebildet, die sich beispielsweise darin zeigen, wann Menschen Zeitung lesen. Manche beginnen mit der Zeitung den Tag während die anderen den Tag mit dem Blick in die Zeitung oder ihrer Lektüre am Abend ausklingen lassen. Es gehört aber auch dazu, wie man die Zeitung liest: Fange ich vorne an und höre hinten auf. Schaue ich mir zuerst die sog. Schlagzeilen oder bestimmte Rubriken wie den Sport-, den Wirtschafts- oder den Lokalteil an. Ich weiß, manche schauen zuerst nach den Todesanzeigen, die sich gewöhnlich – aber nicht immer – auf der letzten oder den letzten Seiten befinden. Dieses Ritual kenne ich auch.

Da gibt es aber noch etwas, was ich in der Zeitung gern anschaue und nach dem ich auch oft suche: Die Karikatur. Mit ein paar Strichen stellt da ein Zeichner Menschen unverkennbar dar und bringt Meldungen, Themen und Zusammenhänge auf die gleiche Weise, also mit ein paar Strichen, ziemlich zielsicher auf den Punkt, so dass sich Betrachter dieser Karikatur sagen können: Ja genau, darum geht’s, das steckt dahinter oder eben auch nicht.

Manche dieser Zeichner haben sich durch ihr Können und ihre jahrelange Tätigkeit einen Namen gemacht. Es gibt aber einen Karikaturisten, dessen Bilder einen Namen haben, weil sie so typisch sind, nämlich die Vater-Sohn-Bilder. In einem einzelnen Bild, manchmal in einer Folge von vier oder sechs Bildern, findet der kahlköpfige Vater mit seinem kleinen Sohn in diversen Alltagsproblemen manchmal auch ungewöhnliche Lösungen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass fast alle diese Bilder von Erich Ohser, so heißt der Karikaturist, der von 1903 – 1944 gelebt hat, schon irgendwo einmal gesehen haben.

Vater und Sohn, Sohn und Vater, dieses Thema oder besser gesagt diese Beziehung spielt auch in dem Abschnitt aus dem Johannesevangelium, den wir gerade gehörte haben, eine Rolle. In jener Zeit erhob Jesus seine Augen zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da. Verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrlicht. Den Text, der dann weiter folgt, nennen wir das hohe priesterliche Gebet und ich denke, Sie werden mir zustimmen: Es ist ein schwieriger Text, dem man nicht so leicht folgen kann und bei dem man auf Anhieb auch nicht so leicht versteht, was damit alles gemeint sein könnte.

Vater und Sohn, Sohn und Vater, diese Geschichten bzw. dieses Verhältnis haben die Bilder von Erich Ohser bekannt gemacht. Ich weiß nicht, ob Erich Ohser diesen biblischen Text gekannt hat. Es wäre interessant, wie er das in seiner Art dargestellt hätte, es wäre ja sein Thema gewesen: Vater und Sohn kämpfen sich gemeinsam durch den Alltag und finden miteinander Lösungen, die manchmal etwas ungewöhnlich, ja auch hintergründig sein können.

Durch die Art des Zeichnens hat er meistens ein Schmunzeln auf die Lippen der Betrachter gezaubert, aber damit vielleicht noch mehr einen sog. Denkanstoß ausgelöst: Warum eigentlich nicht! Warum sollte das nicht möglich sein.

Auch wenn die Worte Jesu, in der Sprache des Evangelisten Johannes, nicht sehr gefällig und auf Anhieb verständlich sind, eines kann man schon heraushören oder herauslesen: Es geht Jesus um Verbundenheit: Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein. Ich in dir und du in mir. Diese Verbundenheit ist nicht auf Vater und Sohn beschränkt, sondern es geht um die Verbundenheit unter den Menschen und es geht um die Verbundenheit zwischen Gott und den Menschen.

Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein. In diesem Satz sind auch die Probleme des Alltags und die Ursachen für zwischenmenschliche Konflikte enthalten, die Besitzverhältnisse und Zuständigkeiten: Das ist meins und das ist deins. Darauf legen wir großen Wert und wenn hier nicht sauber gearbeitet und unterschieden wird, sondern Grenzen überschritten werden, ist das der Anfang für mehr oder weniger große und kleine Konflikte.

Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein. Mit diesem Satz wird Jesus wohl kein Schmunzeln auf das Gesicht der Menschen zaubern, die das lesen oder hören, aber er könnte einen Denkanstoß liefern, wie man Probleme des Alltags auch lösen könnte. Denn ob Christ oder nicht, ob Mann oder Frau, ob jung oder alt, egal welcher Nationalität, welcher Hautfarbe oder Rasse, um dieses Thema kommen wir nicht herum: Verbundenheit!

Oder anders ausgedrückt, wir sitzen als Menschen auf dieser Erde alle im selben Boot. Entweder wir finden miteinander Lösungen oder wir gehen mehr oder weniger schnell alle miteinander unter. Wie das aussehen könnte, davon steht manchmal etwas in den Zeitungen und Zeichner bringen es auf ihre Weise auf den Punkt.  Denn ob erste, zweite oder dritte Welt, wie in manchem Denken unterschieden wird: Es gibt nur diese eine Welt, es gibt keinen Planeten B. Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein. Der Reichtum der Bodenschätze, aber auch der Raubbau an der Natur. Die Wettkämpfe die Menschen sportlich miteinander austragen, aber auch die Kriege, die in unterschiedlichen Teilen der Welt geführt werden.

 Liebe Schwestern und Brüder, das Anliegen, um das es geht, nämlich die Verbundenheit der Menschen kleidet Jesus in die Form eines Gebetes, das hohe priesterliche Gebet.

Ich möchte schließen auch mit einem Gebet, das dieses Anliegen aufgreift und vielleicht ein bisschen verständlicher ausdrückt.

Herr, lass das Böse geringer werden und das Gute umso kräftiger sein.
Lass die Traurigkeit schwinden und Freude um sich greifen.
Lass uns annehmen und geben können und einander behilflich sein.
Lass die Missverständnisse aufhören und die Enttäuschten Mut gewinnen.
Lass die Kranken Trost finden und die Sterbenden deine Erbarmung.
Lass uns wohnen können auf dieser Erde und die Ernten gerecht verteilen.
Lass Frieden unter den Menschen sein. Frieden im Herzen – rund um die Erde.

Wenn das gelingt, können wir es bestimmt auch in der Zeitung lesen.

                  L: Joh 2,1-11

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Manchmal geschieht es, dass wir etwas hören oder sehen und sofort verbinden wir das Gehörte oder Gesehene mit etwas anderem, das damit in diesem Moment für uns wieder ganz präsent und greifbar wird. Assoziation nennen wir das mit einem Fremdwort.

Ganz viele und ganz unterschiedliche Assoziationen werden wir aus unserem Leben und unserem Lebensumfeld kennen. Wir werden sie nie alle aus dem Stand lückenlos aufzählen können. Wenn wir aber, wie gesagt, etwas hören oder sehen, dann ist die Erinnerung an etwas anderes plötzlich wieder da.

Die Geschichte der Hochzeit von Kana, die wir gerade gehört haben, gehört für mich zu den Geschichten, die bei mir Assoziationen auslösen. Sie ist eine Geschichte, mit der ich etwas verbinde. Sie vielleicht auch.

Die Geschichte der Hochzeit von Kana ist eine Geschichte, von der wir sagen, dass sie das Leben schreibt. Also Situationen, in die Menschen geraten können, in denen sie nicht gefragt werden, ob es passt oder nicht. Menschen feiern ein Fest, das sie sich in ihren Träumen wunderschön ausmalen oder ausgemalt haben: Hochzeit. Doch dann geht etwas schief, so dass der schöne Traum zu einem Alptraum werden kann: Der Wein geht aus. Oh wie peinlich!

Die Geschichte der Hochzeit von Kana lässt mich auch an eine Hochzeit denken, die ich wenige Wochen nach meiner Priesterweihe im Jahr 2000 gehalten habe. Der schönste Tag im Leben von zwei Menschen drohte schon vor der kirchlichen Trauung zum Alptraum zu werden. Am Eingang der Kirche flossen Tränen, nicht des Glücks, sondern Tränen der Enttäuschung und der Schmach, denn die für den Nachmittag bestellte Musik hatte kurzfristig abgesagt.

Eine Geschichte, die das Leben schreiben kann und die vor nichts Halt macht. Situationen, die eintreten und Menschen nicht gefragt werden, ob es recht ist oder nicht. Eine Hochzeit ohne Musik ist so etwas Ähnliches wie eine Hochzeit ohne Wein, ein Alptraum.

Die Geschichte der Hochzeit von Kana steht aber nicht in der Bibel, um Menschen zu zeigen, welche Alpträume es geben kann, sondern die Geschichte der Hochzeit von Kana steht in der Bibel, um Menschen daran zu erinnern, dass wir einander nicht gleichgültig sein dürfen: Selber schuld! Das geht mich nichts an. Nein, so nicht!

Gott sei Dank gibt es in den Geschichten, die das Leben schreibt, immer auch Menschen, die mit einem wachen und zugleich mit einem liebevollen Blick so manche Not und Peinlichkeit entdecken, sich verantwortlich fühlen und versuchen zu helfen. Maria nimmt diese Rolle in der gehörten Geschichte ein. Sie stellt Verbindungen her, sie lässt sich nicht durch Widerstände, auch nicht von ihrem eigenen Sohn Jesus aufhalten. Dadurch kann das Leben eine Geschichte schreiben, die wir Wunder oder vielleicht einfach nur wunderbar nennen.

So tat Jesus sein erstes Zeichen in Kana in Galiläa und offenbarte seine Herrlichkeit und seine Jünger glaubten an ihn. Mit diesen Worten endet die Geschichte relativ nüchtern. Wie es das Brautpaar empfunden hat, wie sie darauf reagiert haben, wird nicht erwähnt.

Jesus tut ein Zeichen. Für mich ist das zeichenhafte daran, dass viele mitwirken und mitwirken müssen, damit zeichenhaftes, wunderbares und Wunder in dieser Welt geschehen können.

Ein Sprichwort aus Afrika formuliert es so: Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern.

Diesen Spruch möchte ich an den Anfang dieses Monats Mai stellen und damit ein kleines Zeichen setzen, dass es auf jeden einzelnen von uns ankommt, das Gesicht der Welt zu gestalten und da, wo es nötig ist, auch zu verändern. Angesichts der Probleme und Herausforderungen, denen unsere Welt und unsere Zeit gegenübersteht, kennen Sie genauso wie ich wahrscheinlich den Gedanken: Da kann ich nichts machen. Auf einen mehr oder weniger kommt es doch nicht an. Doch, es kommt auf jeden an, auch auf mich. Wir können etwas machen, auch wenn es für sich alleine genommen nicht viel oder fast verschwindend gering ist: Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern.

Viele kleine Dinge tun. Das können auch die Maiandachten in den nächsten Wochen sein. Hier bei uns in Scheyern wird eigentlich immer nur die erste Maiandacht in der Basilika gefeiert. Die in den nächsten Wochen folgenden finden in den Kapellen und an Feldkreuzen in unserer Pfarrei statt. Menschen kommen einfach zusammen, um sozusagen vor Ort miteinander zu beten und zu singen. Dabei schauen wir auch immer auf Geschichten, die das Leben schreibt, in unserem eignen Leben und im Leben anderer Menschen.

Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern.

 Ich weiß, bei den Maiandachten gibt es viele Assoziationen an Kindertage, wie das einmal war, was mir aufgefallen ist oder was mir einfach gefallen hat an diesen Andachten. Vielleicht genügt ein Satz aus einem Gebet oder einem Lied, so dass wir Verbindungen, Assoziationen herstellen, zu diesen Tagen und zu Menschen, die uns nahegestanden sind.

Liebe Schwestern und Brüder, dem Brautpaar bei der Hochzeit von Kana konnte geholfen werden. Das Wasser in den gefüllten Krügen wurde zu Wein. Und wie ging die Geschichte der Hochzeit in meiner Heimat weiter, bei der die Musik abgesagt hatte und die so zu einem Alptraum hätte werden können?

Der Hochzeitslader begleitete das Paar bis zur Kirche und hat es mir am Eingang der Kirche sozusagen übergeben. Er sagte zu mir: „Pfarrer, mach Du jetzt dei Sach. Heut‘ derfst ruhig a bisserl länger predigen. Und i schaug dawei, dass i a Musi herbring.“

I hob mei Sach gmacht. Ob ich länger gepredigt habe, weiß ich nicht mehr. Aber eines weiß ich noch ganz genau: Als wir aus der Kirche kamen, stand eine kleine Musikgruppe da, die der Hochzeitslader in aller Eile unter seinen Freunden zusammengetrommelt hat. Die Hochzeit konnte ihren Lauf nehmen, der Tag war gerettet.

Viele kleine Leute an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern. Jeder von uns an seinem Ort und auf seinem Platz.

            Les: Apg 2,14.22b-33
            Ev: Joh 21,1-14

 

Liebe Schwestern und Brüder!

„Es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr“ Dieser Satz tauchte vor einigen Wochen auf meinem Bildschirm am Computer auf, als ich mittels Suchmaschine eigentlich etwas anderes gesucht habe. Und Sie kennen es wahrscheinlich aus eigener Erfahrung, der Trick des Internets ist dabei mal wieder aufgegangen. Ich habe diesen Satz angeklickt, weil er irgendwie mein Interesse geweckt hat.

„Es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr“ Das war die Überschrift zu einem Artikel, der sich mit einem Thema unserer Zeit und auch unserer Gesellschaft befasste, das immer noch als Tabuthema gilt, nämlich Essstörungen.

„Es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr“ Wenn Menschen beim Essen in irgendeiner Weise „auffällig“ werden, dann steht mehr, viel mehr dahinter. Es sind Probleme, die ihre Ursache nicht im Essen, in der Ernährung haben. Essstörungen beginnen im Kopf. Oft beginnen sie schleichend und werden erst allmählich sichtbar. Viele Faktoren spielen hier zusammen, was es nicht leicht macht, sie in den Griff zu bekommen, sie zu heilen. Betroffene haben keinen gesunden Zugang zu ihren Gefühlen und Bedürfnissen, sie können ihre eigenen Grenzen nicht wahrnehmen und einschätzen.

„Es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr“ An diese Überschrift musste ich denken beim Lesen und beim Blick auf das heutige Evangelium. Darin fragte Jesus seine Jünger, die irgendwie zerknirscht am Ufer des Sees sitzen: „Meine Kinder, habt ihr nicht etwas zu essen?“ Man könnte diese Frage als banal ansehen, weil sie zumindest in unseren Breiten so klingt. Natürlich haben wir zu Essen, wir haben immer zu essen. Wir haben nicht nur genug zu essen, sondern auch ein großes Sortiment, um auszuwählen. Aber ich glaube Jesus stellt diese Frage ganz bewusst, weil es ihm nicht nur ums Essen geht, sondern um etwas anderes und um viel mehr.

Dieses „Mehr“ liegt nicht in erste Linie in der Erfolglosigkeit der vergangenen Nacht, in der sie nichts gefangen haben, sondern dieses „Mehr“ liegt in den Erlebnissen, die hinter ihnen liegen und die der Grund dafür sind, warum sie wieder in ihre Heimat Galiläa zurückgekehrt sind. Jesus war offensichtlich gescheitert, jämmerlich am Kreuz gestorben und wenn es dumm gegangen wäre, dann hätte es auch ihnen selber an den Kragen gehen können. Dem Petrus wird der Satz der Magd nicht nur in den Ohren klingen, sondern noch in den Knochen stecken: „Du warst doch auch mit diesem Jesus zusammen!“

Von all dem, was sie so begeistert und angezogen hatte, war nicht mehr viel übrig und so stellte sich zwangsläufig die Frage, wie es weitergehen soll. Sie kehren, ebenfalls als Gescheiterte in ihre Heimat zurück und nehmen ihre Tätigkeit als Fischer wieder auf, aber auch hier ist nichts mehr wie vorher: Sie fangen nichts. Nichts, überhaupt nichts.

Als Jesus in ihre Mitte tritt, erkennen sie ihn nicht. Wie denn auch, er ist doch gestorben, aus und vorbei. Trotzdem folgen sie dem Aufruf, dem Rat des Fremden entgegen aller beruflicher Erfahrung doch noch einmal auf den See hinauszufahren und das Netz auf der rechten Seite auszuwerfen. Dann beginnt es ihnen zu dämmern, was er immer gesagt oder vielmehr nur angedeutet hat: Es ist der Herr!

Sie fangen unglaublich viel und schließlich lädt Jesus sie zum Essen ein, denn es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr: Er lädt sie ein ins Leben zurückzukehren und sie kehren wieder ins Leben zurück. Jetzt wussten sie, dass es der Herr, ihr Herr war.

„Es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr“ Was heute die Forschung und die Medizin in Begriffe zu fassen versucht, es gibt 11 Klassifizierungen von Essstörungen, das kennen wir eigentlich schon lange aus unserer Sprache. Viele Redewendungen drehen sich ums Essen und dabei steckt so viel mehr dahinter.

Wenn uns etwas auf den Magen schlägt, dann meinen wir damit, dass Erlebnisse und Erfahrung, die wir im Leben machen, nicht spurlos an uns vorüber gehen, negativ aber auch positiv. Liebe geht nämlich bekanntlich durch den Magen.

Nicht nur das Jubelpaar, das heute unter uns ist, könnte dazu vielleicht jetzt etwas sagen, sondern wahrscheinlich wir alle. Wenn es Menschen schmeckt, dann ist die Welt um sie herum irgendwie in Ordnung. Es ist Ausdruck eines Wohlbefindens. Ob es schmeckt hängt nicht nur davon ab, was auf den Tisch kommt, sondern auch in welcher Situation sich Menschen befinden, wer oder was sozusagen mit am Tisch sitzt.

Als ich vor nunmehr fast 30 Jahren in unser Kloster eingetreten bin, da haben die damals alten Mitbrüder immer mal wieder gesagt, dass man auch am Essverhalten eines Menschen feststellen kann, ob die Berufung passt oder nicht. Ob es jemanden schmeckt, ist zwar nicht das letzte Kriterium, aber es sagt und drückt schon etwas aus, vielleicht mehr als man auf den ersten Blick denkt. „Es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr“

 Liebe Schwestern und Brüder, nicht nur Liebe geht durch den Magen, sondern vieles andere auch: Trauer, Angst, Sinn oder Sinnlosigkeit, Erfolg oder Erfolglosigkeit, Mut oder Mutlosigkeit. All das muss sozusagen verdaut werden. Auch der Glaube macht hier keine Ausnahme:  Auferstehung und alles, was damit verbunden ist, muss verdaut werden, geht durch den Magen.

Habt Ihr etwas zu essen, so fragt Jesus seine Jünger.

Ihnen liegt vielleicht eine ganz andere Frage auf der Zunge, nämlich: Was gibt es heute zu essen? Vielleicht kennen oder wissen Sie auch schon die Antwort und freuen sich auf etwas. Wenn dem so ist, dann wünsche ich Ihnen nicht nur einen guten, sondern auch einen gesegneten Appetit, denn es geht nicht ums Essen, es geht noch um viel mehr. Eigentlich jedes Mal, wenn wir uns an den Tisch setzen. Auch jetzt, wenn wir jetzt am Tisch der Eucharistie Platz nehmen.

Wenn wir das Leben teilen, wie das täglich Brot, wenn alle, die uns sehen, wissen: Hier lebt Gott: Jesus Christ, Feuer, das die Nacht erhellt, Jesus Christ, du erneuerst unsere Welt.

Wenn wir das Blut des Lebens teilen, wie den Wein, wenn man erkennt: In uns wird Gott lebendig sein: Jesus Christ, Feuer, das die Nacht erhellt, Jesus Christ, du erneuerst unsere Welt.

                  L: Apg 4,13-21
                  Ev: Mk 16,9-15

 

Liebe Freunde unseres Klosters,

liebe Schwestern und Brüder!

Vom sog. Guinness Buch der Rekorde wird wohl jeder und jede von uns schon einmal gehört haben, die einen mehr, die anderen weniger. In diesem Buch, das seit 1955 erscheint, werden Höchstleistungen und Extremwerte aus ganz verschiedenen Bereichen des Lebens und der Welt gesammelt und aufgelistet. Von Zeit zu Zeit erfahren wir davon, dass es mal wieder jemand in dieses Buch der Rekorde geschafft oder dass er einen darin verzeichneten Rekord übertroffen hat.

Dieses Buch lebt nicht nur davon, dass Menschen wissen wollen, was da alles drinsteht, sondern es lebt vor allem davon, dass es Menschen gibt, die da unbedingt mit einem Rekord hineinwollen. Deshalb gibt es in diesem Buch wirklich ganz tolle Dinge, aber auch solche, die man zweifelhaft nennen könnte oder als solche ansieht. Es gibt aber auch Rekorde, bei denen wir nicht so recht wissen, zu welcher Art wir sie zählen sollen, weil wir nicht um die Bedeutung oder die möglichen Auswirkungen wissen.

Übrigens, wenn ich richtig informiert bin, kostet der Eintrag in das Buch für einen neuen Rekord 825,- Euro und bei einem bereits bestehenden Rekord 650,- Euro.

Vor wenigen Wochen habe ich in einem Interview von einem Menschen gehört, der einen neuen Rekord aufgestellt hat. Eine Frau konnte bei der Zahl Pi 15637 Stellen hinter dem Komma richtig aufzählen. Das hat exakt 2 Stunden und 41 Minuten gedauert. Diese Frau laden wir mal zum Freundeskreistreffen ein, oder? Dann ist das Programm gesichert.

Interessant an diesem Rekord fand ich ihre Erzählung bzw. Erklärung, wie sie das gemacht hat, sich diese vielen Kommastellen zu merken. Sie sagte, dass sie sich in Gedanken eine Art Reiseroute durch ihr Leben mit Ereignissen und Erlebnissen eingeprägt, diese mit Zahlen kombiniert und dann einfach nacherzählt hat. Logisch, oder?

Das Leben eine Art große Zahl, bei diesem Beispiel allerdings nicht vor dem Komma, sondern hinter dem Komma – auch das fand ich irgendwie bemerkenswert. Meistens schauen wir ja darauf, was vor dem Komma steht und nicht unbedingt auf das, was hinter dem Komma steht. Da runden wir schnell mal auf oder ab.

Was vor dem Komma steht, scheint das zu sein, was augenscheinlich zählt, aber was nach dem Komma steht, geht ins Detail, macht es vielleicht interessant und unverwechselbar.

Vor einer Woche haben wir Ostern gefeiert und wir feiern es sozusagen 50 Tage lang bis Pfingsten. Der Vergleich einer Lebensreise mit den Erlebnissen und Ereignissen, ist für mich so etwas wie 50 Kommastellen danach.

In den biblischen Texten, die wir in dieser Zeit hören, wird versucht zu beschreiben, wie das bei den Menschen angekommen ist, welche Auswirkungen das für das Leben der Menschen hatte, wie sich Menschen darin wieder finden: Auferstehung, die Begegnung mit dem Auferstandenen.

Maria aus Magdala spielt in diesen Geschichten eine besondere Rolle, immer wieder wird sie in diesen Erzählungen erwähnt und auch so manches Detail aus ihrem Leben. Heute so ganz nebenbei, dass Jesus sieben Dämonen bei ihr ausgetrieben hat, was immer das in ihrer Lebensgeschichte genau heißen mag.

Es wurde im heutigen Evangelium aber auch erwähnt, dass diese Botschaft von der Auferstehung nicht immer gleich auf Gehör und Zustimmung gestoßen ist, sondern auch Zweifel und Ablehnung ausgelöst hat. In der Lesung aus der Apostelgeschichte werden Verbote ausgesprochen, fast so etwas wie eine Art Nachrichtensperre. Es hat aber alles nichts genutzt.

Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen. Mit diesem Auftrag des Auferstandenen endete der Evangelienabschnitt. Und tatsächlich, die Botschaft von der Auferstehung hat sich über die ganze Welt ausgebreitet und ausgedehnt. Sonst wären wir heute wohl nicht hier

Man könnte auch sagen, diese Botschaft hat einfach Kreise gezogen, Kreise in ganz verschiedene Kulturen, Kreise vor allem in ganz verschiedene Lebensgeschichten hinein mit den Details, den Erlebnissen und Erfahrungen, auch in mein ganz persönliches Leben hinein.

Kreise ziehen. Bei Kreisen spielt die eingangs erwähnte Zahl Pi eine wichtige Rolle. Pi, landläufig eben nur mit 3,14 abgekürzt, ist dieser Faktor für die Berechnung des Umfangs (d x pi) bzw. der Fläche (r2 x Pi) eines Kreises. Je länger die Zahl hinter dem Komma, umso genauer fällt die Berechnung bzw. Beschreibung aus.

Die Zahl Pi, 3,14, hat eben viele, sehr viele Stellen hinter dem Komma, so wie sich das Leben aus ganz vielen und verschiedenen Details zusammensetzt, die alle zum Leben dazu gehören, auch wenn man viele nicht oder nicht immer beachtet oder einfach über sie hinwegsieht.

15637 Stellen der Zahl konnte diese Frau fehlerfrei aufzählen. Hilfe war ihr dabei, ihr Leben wie in einer Reise nachzuerzählen.

Kreise ziehen, das hat viel mit Glauben und Auferstehung zu tun. Der Glaube an den Auferstandenen und an die Auferstehung hat einfach Kreise gezogen.

Ein Lied drückt es so aus:

Zieh den Kreis nicht zu klein.
Wenn du singst, sing nicht allein, steck andere an, Singen kann Kreise ziehn.

Wenn du sprichst, sprich nicht allein, sprich andere an, Sprechen kann Kreise ziehn.

Wenn du hörst, hör nicht allein, steck andre an. Hören kann Kreise ziehn.

Wenn du weinst, wein nicht allein, steck andre an. Weinen kann Kreise ziehn.

Wenn du lachst, lach nicht allein, steck andre an. Lachen kann Kreise ziehn.

Zieh den Kreis nicht zu klein.

Auch in diesem Sinne, willkommen zum Freundes-Kreis-Treffen.

Predigt 2. Ostersonntag 2023

                 Lesung: Apg 2,42-47
                 Evangelium: Joh 20,19-31

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Begegnung des Auferstandenen Jesus mit dem Apostel Thomas ist uns gut bekannt, obwohl wir sie nur aus dem Johannesevangelium kennen, die anderen Evangelisten haben diese Erzählung nicht. Offenbar war sie aber Johannes sehr wichtig, und dass sie der Kirche wichtig war und ist, erkennen wir allein daran, dass diese Erzählung jedes Jahr gelesen wird, am Weißen Sonntag ist Thomas dran, dass wissen sehr viele. Da geht es zunächst um den Zweifler Thomas. Am Ostersonntag hatte er den Satz ausgesprochen: Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe, wenn ich meine Finger da nicht hineinlegen kann und meine Hand nicht in seine Seitenwunde, dann glaube ich nicht. Thomas ist ein realistischer Mensch, und Thomas ist ein, das könnte man sagen, sehr moderner Mensch. Man kann fast den Eindruck haben, als ob der Evangelist Johannes hier prophetisch ein paar Jahrhunderte überspringt und in unserer Zeit landet, die Menschen heute in den Blick nimmt, Menschen, die frei geworden sind von irgendwelchen utopischen Wunschvorstellungen und die sehr realistisch dem Leben begegnen. Und da ist es klar, dass ein toter Mensch nicht einfach wieder zum Leben kommt, ein toter Körper wird nicht wieder lebendig, sondern bleibt tot.

Eine Woche später findet dann diese besondere Begegnung statt. Thomas ist mit den anderen versammelt, Jesus ist wieder da, er geht auf den Thomas zu, und er zeigt ihm seine Wundmale, ja er fordert ihn geradezu auf, diese Wunden zu berühren. Damit wird einerseits jeder Zweifel beiseite geräumt, und das Bekenntnis des Thomas folgt prompt: Mein Herr und mein Gott, und das heißt auch: hier geht es noch um mehr, hier geht es um Beziehung. Den Finger in die Wunde legen, das ist nicht angenehm weder für den der es tut, noch für den, der es an sich geschehen lässt; den Finger in die Wunde zu legen, das schmerzt; den Finger in die Wunde zu legen, das ist gefährlich, denn eine frisch zugeheilte Wunde könnte schnell wieder aufgehen, von Infektionen ganz zu schweigen; den Finger in die Wunde zu legen, das braucht darum sehr viel Behutsamkeit, auf keinen Fall Gewalt; den Finger in die Wunde zu legen, das hat darum sehr viel mit Vertrauen zu tun, mit Vertrautheit, das darf nicht jeder. Doch bei aller Vorsicht können wir nicht daran vorbei, dass es in den Ostererzählungen diesen Passus gibt, nämlich die Aufforderung Jesu, den Finger in seine Wunde zu legen. Und damit bin ich bei dem, was daraus sprichwörtlich oder sinngemäß geworden ist. Am Anfang der Kirche, ist uns die ausdrückliche Aufforderung ins Stammbuch geschrieben, den Finger in die Wunde zu legen, das heißt übersetzt, Dinge beim Namen zu nennen, die nicht stimmen, die letztlich nicht dem Evangelium, der Botschaft Jesu, seinem Reden und Tun, entsprechen. Und in der Tradition der Kirche begegnet uns dieser Auftrag in verschiedener Formulierung. Der heilige Benedikt spricht von der correctio fraterna, übersetzt, die  brüderliche Zurechtweisung oder vielleicht noch besser gesagt: gute Kritik üben. Unter den geistigen Werken der Barmherzigkeit finden sich die beiden Werke „Unwissende belehren“ und „Sünder zurechtweisen“. Und es besteht kein Zweifel, dass jegliches Zusammenleben von Menschen eines Instrumentariums bedarf, mit dem Missstände benannt werden können in einer guten Weise. Wir schwer tut man sich z. B. in der Familie wenn das Zusammenleben belastet ist durch das Alkoholproblem eines Partners, eines Elternteils; wer spricht das aus, wer steigt da aus und sagt: Ich halte es nicht mehr aus? Oder, wenn es dran ist, dass der junge Mensch nicht mehr auf Kosten der Eltern lebt, sondern sich auf eigene Füße stellt, wer spricht das aus? Oder, wie schwer tut man sich, den alten Eltern zu sagen, ihr könnt nicht mehr alleine wohnen, ihr braucht Hilfe? Oder, Du kannst nicht mehr Auto fahren, das ist eine Gefahr, für dich und für andere. Wer solch eine Verantwortung übernimmt, ist meistens der Buhmann, der Böse, obwohl er höchsten Respekt verdient. – Den Finger in die Wunde legen.

In der Gesellschaft ist es ähnlich. Herum zu motzen und alles Mögliche zu kritisieren ist relativ leicht, zumal unsere sozialen Netzwerke hier die beste Möglichkeit bieten, anonym den größten Unsinn und die dümmsten Banalitäten zu verbreiten, die dann doch von irgendwem geglaubt werden. Dinge in guter Weise zur Sprache zu bringen und zwar dort, wo sie hingehören, dort wo es Mut kostet, das ist etwas anderes. Ich halte nicht viel von der Aktion, sich hier in Deutschland auf die Straße zu kleben, aber ich habe sehr großen Respekt vor Klimaaktivisten, die sich mit ihrer Botschaft auch nach Russland oder China trauen.

Auch in der Kirche tun wir uns schwer, Dinge beim Namen zu nennen. Menschen tragen heute noch die Folgen von Gewalt und sexuellen Übergriffen, weil andere, viele, Menschen weggeschaut haben, weil man einen Priester oder Ordensmenschen doch nicht kritisiert hat: „Es kann doch nicht sein, dass der so etwas tut.“ Menschen sind Opfer geworden, und der Schaden, den die Kirche insgesamt hat, ist immens, weil man ihr nichts Gutes mehr zutraut. Und lernen wir daraus? Viele engagieren sich heute in der Kirche, sie erleben einen Reformstau, sie wollen Veränderungen, weil sie davon überzeugt sind, dass unsere Welt Kirche braucht, die christliche Botschaft braucht, und weil sie diesen freiwilligen Rückzug aus der Gesellschaft nicht einfach hinnehmen möchten. Und sie müssen erleben, dass auch sie zu Buhmännern gemacht werden, dass man sie verdächtigt, dass man ihnen die Anbiederung an den Zeitgeist vorwirft oder ihnen unterstellt, sie würden oder wollten die Kirche spalten.

Oder: in unseren immer kleiner werdenden Gottesdienst-gemeinden oder geistlichen Gemeinschaften, wo man sich gegenseitig stützen müsste, gibt es, gefühlt, immer mehr Menschen, die in ihrer Spiritualität oder Frömmigkeit zu Extremen neigen und sich dabei auch noch irgendwie zum Maßstab stilisieren. Bei genauerem Hinsehen hat das alles oft wenig mit Frömmigkeit zu tun, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass man es einfach nicht aushält, einer von vielen zu sein, dass man sich irgendwie abheben muss, dass man besser sein muss, frömmer eben. Der Dichter Matthias Claudius hat für solches Getue das Wort Frömmelei gebraucht, und er hat damit den Finger in eine Wunde gelegt.

Liebe Schwestern, den Finger in die Wunde legen, das benennen, was nicht stimmt, das benennen, was mir zu schaffen macht, meine Zweifel, den Finger in die Wunde legen und dann glauben, Mein Herr und mein Gott – darum geht es im heutigen Evangelium. Allerdings beginnt auch die heutige Begegnung zunächst mit dem Satz: Friede sei mit Euch! Dieser Zuspruch gilt allen, und die Frage, die damit verbunden ist, gilt allen: Willst Du diesen Frieden, willst du ihn dir schenken lassen, willst du diesen Frieden nicht nur für dich, sondern ebenso für deinen Nächsten? Immer dann, wenn wir den Finger in eine Wunde legen, dann kann und darf es im Letzten nur darum gehen, um diesen Frieden.
Amen.

                                   Dem Leben entgegen

Liebe Schwestern und Brüder!

Seit ein paar Wochen steht in der Antarktis am Südpol ein Wegweiser, der in Richtung des oberbayrischen Tittmoning zeigt und der zudem auch die exakte Entfernung angibt, nämlich 13277 km. Vielleicht haben Sie sich vor ein paar Tagen auch über diese Meldung im Radio bzw. in der Zeitung gewundert oder – so wie ich – noch mehr amüsiert.

Ein Schreinermeister aus Tittmoning bekam von einem Forscher, der am Südpol arbeitet, den Auftrag, einen Wegweiser in einer ganz speziellen Machart, also „arktistauglich“, anzufertigen, der dann in dessen Heimat Sandstedt bei Cuxhaven zeigen soll. Sozusagen als Dreingabe hätte der Schreiner dann sein Firmenschild mit anbringen können. Er beschränkte sich jedoch auf den Hinweis nach Tittmoning.
Sollte jetzt jemand das sein, der nicht weiß, wo Tittmoning liegt, dann wissen Sie jetzt wenigstens, wo ein Wegweiser nach Tittmoning steht.

Schon eine verrückte Idee, oder? Aber vielleicht steckt hinter dieser, dem Anschein nach verrückten Idee die Erfahrung, dass wir in unserem Leben und in unserem Alltag Wegweiser brauchen, ja dass wir auf sie angewiesen sind. Deshalb gibt es sie überall auf der Welt, nicht nur am Südpol. Wir sind auf die Wegweiser angewiesen, um uns orientieren zu können, damit wir wissen, welchen Weg, welche Richtung wir einschlagen sollen.

Wegweiser sind aber nicht nur Schilder mit den Orts- und Kilometerangaben, sondern auch Menschen können Wegweiser sein, vielleicht sogar noch viel wichtigere Wegweiser, weil sie uns sagen können, wo es hingeht oder wie es weitergehen kann, weitergehen soll. Das gilt ganz besonders für die Situationen, die uns ausweglos erscheinen und in denen wir orientierungslos geworden sind, in denen die Zukunft oft noch viel weiter entfernt zu sein scheint als der Südpol.

Das heutige Evangelium führt uns an einen Ort, den man als unwirtlichen bezeichnen könnte, und den Menschen nicht unbedingt gerne oder freiwillig aufsuchen, nämlich einen Friedhof. Durch die Umstände eines Todes, über die wir in den vergangenen Tagen in den Passionserzählungen gehört haben, ist die Situation ausweglos geworden. Sie mag den Menschen genauso kalt und frostig vorkommen wie am Südpol.

Die Menschen im Evangelium, die zu diesem Friedhof kommen, wissen nicht mehr, wie es weitergehen soll und weitergehen kann: orientierungslos! Das leere Grab tut sein Übriges dazu. Alles, was sie dort noch vorfinden, verunsichert sie noch mehr. Wie soll es weitergehen?

Maria von Magdala scheint sich am ehesten oder schnellsten wieder zu fangen, als sie ihren Namen hören darf, gesprochen von einer Stimme, die ihr bekannt vorkommt und allmählich sogar wieder vertraut wird. Diese vertraute Stimme wird ihr zum Wegweiser. Weil sie auf diese Stimme hört und zu den Brüdern geht, wie es der Auferstandene ihr aufträgt, wird sie selbst zum Wegweiser für andere: Ich habe den Herrn gesehen. Er lebt, ich habe ihn gesehen.

Wegweiser zu finden und zu sehen gehört zum Geheimnis des Osterfestes und ist fast so etwas wie ein Inbegriff des Osterfestes. Es steckt in so manchem Brauch, der mit diesem Fest verbunden ist. Wenn Kinder heute Ostereier suchen, dann brauchen auch sie solche Hinweise und Wegweiser, die ihnen durch andere – in welcher Form auch immer – sozusagen an die Hand gegeben werden. Schaut mal da hin! Könnte nicht da etwas sein?

Wie geht es weiter? Wo geht es weiter? Geht es überhaupt weiter? Das sind Fragen aus Erlebnissen und Erfahrungen unseres Lebens, die weit über Ostern hinaus reichen. Für diese Fragen, die sich Menschen immer wieder stellen und denen sich Menschen stellen müssen, kann das Ostergeschehen eine Art Wegweiser sein.

Wegweiser gibt es ganz viele und ganz unterschiedliche, auch in den Zeichen dieses Festes: die Osterkerze und ihr Licht, das Wasser, die frischen Blumen und auch die Speisen, die sie heute mitgebracht haben, damit sie gesegnet werden.

Ich sah für mich einen solchen Wegweiser in einer Karte, die ich zu Ostern von jemanden geschickt bekommen habe, der mir vertraut ist und dem ich vertraue, weil ich ihn auch fragen kann: Was meinst Du? Was könnte ich oder was sollte ich da tun?

Diese Karte hat mich angesprochen, nicht nur weil mein Name genannt wurde, sondern weil darin auch eine Frage aufgegriffen war, die ich genauso gut kenne, wie sie wahrscheinlich auch: In welche Richtung geht’s?


In welche Richtung geht’s?
So fragen wir im Kleinen und im Großen.
Manchmal übersehen wir – oder fehlt ein Orientierungsschild.

In welche Richtung geht’s?
So fragen schon Kinder und Jugendliche im Blick auf Schule und Beruf und die Frage bleibt im Erwachsenenalter.

In welche Richtung geht’s?
So fragen wir gegenwärtig in all den Verunsicherungen in unserer Welt durch Kriege, Naturkatastrophen, Klimawandel, Energiekrise und Inflation…

In welche Richtung geht’s?
So fragen wir persönlich im Blick auf unsere Zukunft, vor allem wenn Krankheit oder ein Schicksalsschlag uns heimsucht.

In welche Richtung geht’s?
So fragen wir Christen im Blick auf unsere Kirchen oder im Blick auf unsere Ordensgemeinschaften oder unsere je eigene Lebens- und Glaubensgeschichte.

 Da geschah es, dass einer aufstand und zeigte wohin es geht: DEM LEBEN ENTGEGEN!

Dem Leben entgegen! Schlagen wir mit Ostern Wege ein, die zum Leben führen, die zum Leben verhelfen. Wenn für uns Ostern mit dieser Einladung und Botschaft „dem Leben entgegen“ zum Wegweiser wird, dann können auch wir, wie Maria von Magdala, für andere Menschen zum Wegweiser werden. Menschen, die nicht wissen, wie es weitergehen soll oder in welche Richtung es geht.

Dem Leben entgegen!  Für Dich, wer immer Du bist und wo immer Du auch wohnst, in Scheyern, in Tittmoning, am Südpol oder woher auch immer Sie heute in unsere Basilika gekommen sind. Es stand einer auf und zeigte, wohin es geht: Dem Leben entgegen!

In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gesegnetes und orientierungsreiches Osterfest. Halleluja!

Predigt Osternacht 2023

                     Lesung: Röm 6,3-11
                     Evangelium: Mt 28,1-10

Liebe Schwestern und Brüder!

Wie wird das eigentlich sein, Ostern ganz konkret? Diese Frage hab ich mir vor kurzem gestellt, als ich am Bett einer 90jährigen Frau deren Sterben miterleben konnte. Ganz ruhig, ganz still, ist es zu Ende gegangen, und die einzige Sorge dieser Frau, ich könnte allein sein beim Sterben, war unbegründet, denn wir standen zu fünft an ihrem Bett. „Ein Sterben, fast wie im Bilderbuch“, so haben wir hinterher gesagt. Wie wird das sein, Ostern für diese Frau: Keiner weiß das, aber ich wage mir vorzustellen, dass dieser Friede nicht gestört wird, dass diese Frau genau so ruhig aufgeweckt wird, und dass sie etwas erleben darf, das über alles hinaus geht, was diese 90 Jahre ausgemacht hat. Und vor allem dies: Nicht allein sein. Erfüllung – hier war schon beim Sterben etwas davon zu spüren.

Natürlich weiß ich: Nicht jeder Mensch stirbt so, nicht jedem ist das so geschenkt. Menschen werden manchmal herausgerissen aus ihrem bisherigen Leben, durch Krankheit oder Unfälle, vielleicht sogar durch Leichtsinn oder Schuld anderer. Und der Gedanke, da ist etwas noch nicht zu Ende, es hätte noch Zeit gebraucht – dieser Gedanke begleitet Menschen vielleicht bis in den Tod hinein. Menschen sterben, und vielleicht hat man das Gefühl, sie haben doch noch nie gelebt, wirklich gelebt, immer haben sie nur am Leben der anderen teilgenommen, sozusagen als blinder Passagier. – Und wenn Ostern wirklich Erfüllung sein soll, dann gibt es hier vielleicht noch einiges zu tun. Menschen sterben, vielleicht mit einem ungelösten Konflikt, vielleicht mit einer Schuld, ohne dass sie Gelegenheit hatten oder die Kraft dazu, noch einmal ein Wort der Versöhnung zu sagen oder zu hören, Menschen sterben im Krieg, als Soldaten, die Befehle ausführen müssen, als zivile Opfer, die eben nur zur falschen Zeit am falschen Ort waren, blindes Schicksal; Menschen sterben und manch ein Tyrann wird vielleicht aufwachen mit der schmerzlichen Erkenntnis: das Leben all der Menschen, die ich so verheizt habe, ist genauso viel wert wie mein eigenes. Welch eine bittere Erkenntnis und welch eine Reue, die da noch kommen müssen! Wir könnten diese Reihe noch fortsetzen, aber vielleicht ist die Antwort längst klar: Ostern lässt sich nicht auf einen Nenner bringen, Ostern kann sehr verschieden sein, Ostern hat viele Facetten, Ostern wird etwas sehr Persönliches sein, und es ist dabei nicht unwesentlich, wie ein Mensch gelebt hat.

Wir feiern heute Ostern, und auch unsere Liturgie hat etwas von dieser Vielschichtigkeit. Wir haben uns langsam vorgetastet bis zur eigentlichen Osterbotschaft im Evangelium. Wir haben das Licht am Osterfeuer entzündet und in die dunkle Kirche getragen. Wir haben uns über das Licht gefreut, den großen Lobpreis auf die Osterkerze gehört, in der wir Christus verehren. Aber auch hier spüren wir, völlig eindeutig sind diese Zeichen nicht, das Feuer, das für uns Wärme und Licht ist, es kann auch zerstören.

Wir haben die Lesungen gehört: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde, die Erde war wüst und wirr, und Finsternis lag über der Urflut. Gott sah, dass es gut war, so heißt es jedes Mal, und das sollen wir mit diesen Geschichten auch hören, aber selbst hier spüren wir die andere Seite: Es ist doch auch eine Gewalt, die da Ordnung bringt ins dunkle Chaos, es ist eine gewaltige Macht, die uns auch Angst machen kann. Oder die große Befreiungsgeschichte, das Volk Israel am Roten Meer, unbeschadet zieht das Volk durch das Trockene, gleichzeitig kommen die Verfolger um in den Fluten. Immer spüren wir diesen Hauch von Ambivalenz, auch wenn wir seit Kindertagen wissen, es geht ums Leben, und es geht um einen Gott, der das Leben will, der unser Leben will; aber Ostern lässt sich nicht einfach auf einen Nenner bringen, Ostern hat viele Facetten. Und das spüren wir sogar noch, wenn wir das Evangelium hören. Die beiden Frauen kommen zum Grab, gleich nachdem der Sabbat vorüber war, es ist noch früh, Sonntag, die Arbeitswoche beginnt. Und das Erste, was sie erleben, ein gewaltiges Erdbeben und ein Engel, der Stein wird vom Grab gewälzt, außergewöhnliche Erscheinungen, die nicht nur Freude verbreiten, die Wächter können diese Erscheinungen nicht deuten, sie erschrecken, sie sind wie erstarrt, wie tot fallen sie zu Boden. Aber zu den Frauen redet der Engel:

Fürchtet euch nicht – ein Satz, der so oder abgewandelt fast 400 Mal in der Bibel vorkommt, die Sprache Gottes, sein Erkennungsmerkmal. Und dann erfahren die Frauen: Ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten, er ist nicht hier, er ist auferstanden. Und wie zur Bestätigung bekommen sie den Ort gezeigt, an dem er lag. Doch da dürfen sie nicht lange verweilen, schon folgt der Auftrag: Geht zu den Jüngern, sagt ihnen, er ist von den Toten auferstanden, in Galiläa werdet ihr ihn sehen.

Und genau das tun die Frauen, weg vom Grab mit Furcht, ja, aber vor allem mit großer Freude. Und in dieser Stimmung begegnet ihnen Jesus, die Frauen werfen sich vor ihm nieder, aber sie erkennen ihn, für sie es ist kein Erschrecken, und es ist keine Angst. Trotzdem wird ihnen der Auftrag des Engels noch einmal gesagt und noch einmal das „Fürchtet euch nicht.“ Furcht hat mit dem Zweifel zu tun, mit der Ambivalenz, mit dem Nicht-genau-wissen, Jesus will, dass ihm vertraut wird.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir Ostern feiern, dann stehen wir in der Tradition dieser Frauen; Auch wir sind oft wie auf dem Weg zum Grab, wir erleben Unsicherheit, vielleicht Sorge, wir haben mehr Fragen als Antworten, wir erfahren mehr Tod als Leben. Wichtig ist, dass wir gehen, hingehen. Und wenn dabei die Botschaft dieser Frauen unsere geworden ist, dann haben wir einen Kompass durchs Leben, dann ist aus der Ambivalenz Eindeutigkeit geworden, dann können wir aus der Vielschichtigkeit des Lebens die Stimme Gottes heraushören. Wenn wir von diesen Frauen lernen, dann erkennen wir auch die Eindeutigkeit in unserer Liturgie: Sie will sprechen von einem Gott, der da ist, und der alles in seiner Hand hält, sie will sprechen von dem Licht, das Hoffnung ist, Kraft und Wärme, sie will sprechen von den tiefen Erfahrungen, die Menschen gemacht haben, die Halt geben, festen Boden unter die Füße. Wenn wir von diesen Frauen lernen, wenn wir uns von ihnen an die Hand nehmen und führen lassen, dann begegnen wir Jesus dem Auferstandenen. Und der spricht auch uns an: Fürchtet euch nicht. Wenn wir auf diese Frauen hören, dann werden wir irgendwann auch wissen, wo unser Galiläa ist, wo wir Jesus begegnen und sehen. Und dann wird am Ende unser persönliches Ostern das Fest der Begegnung mit ihm, ein Fest in großer Freude und Erfüllung.
Amen.

Ins Gesicht geschrieben

Wir Menschen haben nicht nur ein Gesicht, sondern wir Menschen machen auch ein Gesicht. Als Gesichtsausdruck bezeichnen wir diese Eigenschaft an uns Menschen. Aus unserem Gesichtsausdruck kann man mehr oder weniger gut ablesen, in welcher Stimmung wir uns befinden oder wie uns zumute ist. Man kann an unserem Gesicht etwas ablesen, weil das Leben mit seinen Erfahrungen und Erlebnisse uns sozusagen etwas ins Gesicht schreibt.

In der Passion Christi, der Leidensgeschichte, die wir gerade gehört haben, geschehen Dinge, die an Menschen nicht spurlos vorübergehen, sondern die Spuren hinterlassen, sich sozusagen in den Gesichtern der Menschen abbilden. 

Beim Kinderkreuzweg heute Vormittag haben die Kinder den Menschen, die auf den großen und plakativen Kreuzwegtafeln zu sehen waren, ins Gesicht geschaut und konnten dabei ganz gut herauslesen, was in diesen Menschen wohl vorgeht. Da gab es Schmerz, Trauer, Hilflosigkeit und Verzweiflung, aber auch Gleichgültigkeit, Spott, Häme, Verachtung und Hass. Alles, was Menschen so umtreiben und erfüllen kann, schreibt sich in unser Gesicht.

In den sozialen Kommunikationsmitteln, mit denen nicht nur die Kinder ganz selbstverständlich umgehen, werden über kleine Gesichter, die sog. Smileys, ganze Botschaften verschickt, die man sonst aufwendig, ausführlich beschreiben und in Worte fassen müsste. Diese Smilyes werden immer mehr und ausgefeilter, so dass sich darin praktisch das ganze menschliche Leben abbilden lässt. Es gibt auch ein Smiley für den Schuldigen oder den Leidenden, den Gleichgültigen und den Teilnahmslosen. Auch die Entscheidung, das Urteil, das über Jesus gefällt wurde, ließe sich ganz leicht darstellen: Daumen rauf oder Daumen runter. Die Passion in Smileys, in Gesichtern dargestellt.

Jesus ist das menschliche Gesicht Gottes und auch er hatte damit eine Botschaft. Jesus hat Menschen angeschaut und hat ihnen dadurch Ansehen verliehen, auch in den Situationen und Lebenslagen, wo man nicht gerne hin-, sondern lieber wegschaut oder drüber hinwegsieht. Jesus das menschliche Gesicht Gottes. Das, was mit ihm und an ihm geschehen ist, hat sich ihm ins Gesicht geschrieben. Ein Lied greift das so auf: Du edles Angesichte, vor dem sonst alle Welt erzittert im Gerichte, wie bist du so entstellt. Wie bist du so erbleichet, wer hat dein Angesicht, dem sonst ein Licht nicht gleichet, so schändlich zugericht? 

Jesus hatte nicht nur ein Gesicht, sondern er machte auch ein Gesicht. An seinem Gesicht konnte man ablesen, was ihm ins Gesicht geschrieben wurde. In ihm schaut uns Gott an, auch an den Karfreitagen unseres Lebens und mit allem, was uns dadurch ins Gesicht geschrieben wird und geschrieben ist.

 

Aufgetischt                                                              

Liebe Schwestern und Brüder!

Wenn Menschen, wenn wir davon sprechen, dass „ganz schön aufgetischt“ wurde, dann werden wohl die meisten an ein gutes Essen denken, das durch die Reichhaltigkeit, die Vielfalt, den Geschmack, die Art der Zubereitung auf uns nicht nur einen Eindruck gemacht hat, sondern auch einen meistens positiven Eindruck bei uns hinterlassen hat und deshalb auch im Gedächtnis geblieben ist. Da wurde ganz schön aufgetischt und man hat vielleicht sogar Mühe, es zu beschreiben.

Diese Redewendung vom Auftischen hat in unserer Sprache auch noch eine andere Bedeutung. Wenn ganz schön aufgetischt wird, dann kann damit auch gemeint sein, dass etwas zur Sprache kommt, mit dem man eigentlich nicht gerechnet hat, etwas, was Menschen beschäftigt und ihnen nachgeht und so einen positiven oder auch einen negativen Eindruck, vielleicht einen „faden Nachgeschmack“ hinterlassen kann. Auch Lügen können in diesem Sinn „aufgetischt werden“.

Es fand ein Mahl statt! So haben wir gerade im Evangelium gehört. Die Speisekarte bzw. die Menüfolge des Mahls wurde allerdings nicht erwähnt. Wir können sie uns aber erschließen aus der ersten Lesung im Buch Exodus. Beim Paschamal gab es immer das Gleiche, nämlich ein Lamm, Bitterkräuter und ungesäuertes Brot. Die Zubereitung und der Zeitpunkt sind etwas ganz Besonderes. Es wird aufgetischt, damit etwas in Erinnerung bleibt, nämlich die Erinnerung an die Errettung Israels aus Ägypten.

Es fand ein Mahl statt! Neben den erwähnten Speisen tischt Jesus während des Mahles noch etwas auf, etwas ganz Besonderes, mit dem seine Jünger nicht gerechnet hatten. Was er ihnen da sagt und deutlich machen will, könnte man auch so formulieren: Er schenkt ihnen reinen Wein ein und gibt ihnen hartes Brot zu essen. Das einander dienen und einander beistehen ist für Jesus die Vollendung der Liebe! Da er die seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung. Reiner Wein und hartes Brot.

 Diese Art der Liebe im Zeichen der Fußwaschung macht nicht nur Eindruck, sondern sie verstört und löst Widerspruch aus, bei dem sich Petrus zum Sprecher macht: Niemals Herr!

Jesus bleibt hartnäckig und schenkt sozusagen noch einmal nach und tischt auf. Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Bespiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.

Das müssen die Jünger erst mal schlucken und daran haben sie zu beißen. Eigentlich ist es bis heute so geblieben. Reiner Wein und hartes Brot! Aber dieser reine Wein ist der Wein des Heils und dieses harte Brot ist das Brot des Lebens. Von beidem können Menschen leben und auch für beides können Menschen leben. Dieser reine Wein und dieses harte Brot, das Jesus auftischt, stiften Sinn und Gemeinschaft.

Wo es die Gelegenheiten für das einander Dienen und einander Beistehen gibt, das tischt uns sozusagen der Alltag jeden Tag auf und wir haben genug Kreativität und Erfindergeist, es in die Wirklichkeit werden zu lassen. Manchmal fehlt uns dazu die Zeit oder auch der Mut.

Ein Lied aus unserem Gotteslob formuliert es so und ermuntert uns dazu, es einfach zu versuchen, es einfach zu tun. Es wird Eindruck machen und es wird Eindruck hinterlassen. 

Wenn wir das Leben teilen, wie das täglich Brot, wenn alle wissen, die uns sehen: Hier lebt Gott.

Wenn wir das Blut des Lebens teilen, wie den Wein, wenn man erkennt: In uns wird Gott lebendig sein.

Wenn wir uns öffnen für den Herrn in dieser Zeit, Wege ihm bahnen , dass er kommt und uns befreit.

Wenn wir die Liebe leben, die den Tod bezwingt, glauben an Gottes Reich, das neues Leben bringt:

Jesus Christ, Feuer das die Nacht erhellt, Jesus Christ du erneuerst unsere Welt.

Reiner Wein und hartes Brot, das die Welt ein Stückchen heller machen kann. Durch uns, aber auch für uns.
Reiner Wein und hartes Brot! Aufgetischt für uns!

                                  Gen 12,1-4a
                                  Evangelium: Mt 17,1-9

Liebe Schwestern und Brüder!

Ich erinnere mich sehr gut an meine erste Begegnung als Grundschulkind mit Abraham. Ein alter Mann wird aus seinem bisherigen Leben herausgerissen: Zieh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Wie begeistert konnte unsere damalige Seelsorgehelferin sprechen über das, was Abraham geschehen war, welchen Mut er aufbringen musste, alles stehen und liegen zu lassen und als alter Mann noch einmal ins Unbekannte aufzubrechen, aber auch über die Verheißungen, die er mit auf den Weg bekam: Ich werde dich zu einem großen Volk machen und: ein Segen sollst du sein. Und in diesem Zusammenhang hörte ich auch zum ersten Mal den Begriff „Vater des Glaubens“. Es hat sich mir damals wahrscheinlich ganz tief etwas eingeprägt: Glauben hat mit Veränderung zu tun, mit einem Weg, mit Aufbruch, mit Wagnis.

Und ich bin heute noch davon überzeugt, genau diese Erkenntnis oder eher dieser Eindruck war und ist richtig. Auch dann, wenn für viele andere die Themen Glaube, Kirche Religion eher von anderen Eindrücken geprägt wurden. Vermutlich gibt es viele, für die Kirche und Glaube eher mit altehrwürdiger Feierlichkeit verbunden sind, oder mit Architektur, Kunst und Ästhetik, mit Musik, mit aufwendigen Gewändern, mit Traditionen. Ja, es scheint nicht wenige zu geben, die von der Kirche zuallererst erwarten, dass sich nichts ändert; Kirche ist dann sozusagen der Fels in der Brandung, gerade in einer Zeit, die so schnelllebig ist, der wir oft nur hinterher hecheln und nie zur Ruhe kommen. Gerade da braucht es doch Orte, wo man ankommen, zuhause sein kann, und nicht das Gefühl hat, dass schon wieder etwas von mir erwartet wird, dass ich schon wieder etwas machen muss. Und tatsächlich haben alle diese Assoziationen, die wir mit Kirche und Glauben verbinden, auch ihre Berechtigung, jedenfalls ein Stück weit.

Und trotzdem bin ich überzeugt, die Erkenntnis von damals, die muss heute bedacht werden. Abraham, der Vater des Glaubens, das heißt, am Anfang unserer jüdisch-christlichen Glaubenstradition steht die Erfahrung eines Gottes, der einen Menschen herausruft aus seiner Gewohnheit, aus seinem bisherigen Leben, aus seiner geordneten Welt; am Anfang steht die Erfahrung eines Gottes, der diesen Menschen auf einen Weg bringt, in Bewegung bringt, in eine Veränderung hinein und eben auch in eine Ungewissheit. Nichts wird so bleiben, wie es war, alles steht auf dem Spiel. Und wenn dem Abraham Verheißungen mit auf den Weg gegeben werden, Segen und ein großes Volk, dann ist er selbst doch jemand, der von diesen Verheißungen gar nicht so viel wahrnehmen wird. Ein Sohn wird ihm zwar noch geboren werden, aber selbst den ist er zunächst seinem Gott zu opfern bereit. Dass dieser Gott solch ein Opfer gar nicht will, das kann er nur dankbar lernen, ein Geschenk des Aufbruchs, von sich aus weiß er es nicht.

Aufbruch, Bewegung, Veränderung, Wagnis – wenn das Wesensmerkmale unseres Glaubens sind, dann kann unsere Zeit, die uns so herausfordert, nicht wirklich so glaubensfeindlich sein, wie wir manchmal meinen. Natürlich, und das ist mit Händen zu greifen, unsere Kirche, so wie wir sie gewohnt waren, wird sich sehr verändern, und wenn es nicht aktiv zugelassen oder gestaltet wird, dann geschieht es halt dadurch, dass Menschen ihr einfach den Rücken kehren, sie nicht mehr interessant finden oder aber in ihren überkommenen Formen keine Antwort mehr finden, auf die Fragen, die das Leben heute an sie stellt. Um nicht missverstanden zu werden: Dass Glaube und Kirche für Menschen heute zunehmend uninteressant zu werden scheinen, das hat viele Ursachen, und es ist nicht damit getan, alles umzukrempeln, sich jung zu gebärden, so zu tun, als hätte Tradition überhaupt keine Berechtigung… Nein, das kann es alles nicht sein. Die evangelische Kirche steht leider auch nicht in Blüte, jedenfalls nicht als Ganze. Andererseits kann es uns nicht egal sein, dass Kirche in manchen Regionen unserer Gesellschaft schon jetzt großflächig verschwindet, es kann uns nicht egal sein, dass Kinder und Jugendliche kaum mehr Geistliche erleben können, die für sie interessant sind, weil die inzwischen ein Durchschnittsalter haben, mit dem junge Menschen einfach nichts mehr anfangen können. Es kann uns nicht egal sein, wenn die wenigen, die sich für einen geistlichen Beruf interessieren, eigentlich Manager werden müssen für Sozialgroßräume, und dann doch abends in ihre leere Wohnung zurückkommen, um dort ziemlich einsam zu sein, es kann doch nicht sein, dass der Begriff Weltkirche bedeutet, dass jede Entscheidung von jedem Punkt der Erde mitgetragen werden muss und es keine regionalen Unterschiede geben kann. Diese Liste von Dingen, die eigentlich nicht sein können, ließe sich fortsetzen. Die Tatsache, dass es viel Missbrauch in der Kirche gegeben hat, offen oder vertuscht, ist ein Zeichen dafür, dass Dinge auch über einen langen Zeitraum falsch eingeschätzt werden können und korrigiert werden müssen. In diesem Zusammenhang und bezogen auf den bereits verstorbenen Kardinal Lehmann, den ich trotzdem weiterhin schätzen werde, hat der jetzige Bischof von Mainz vor 2 Tagen gesagt: „… (Er) und auch andere Leitungspersonen, ein ganzes System hat versagt. Auch die Theologie hat versagt, weil sie überhöhte Priesterbilder entwickelt und ausgebaut hat.“ Haben wir den Mut, daraus zu lernen und wirklich entsprechende Konsequenzen zu ziehen? Oder mit einem Zitat von Dietrich Bonhoeffer gefragt: „Muss es so sein, dass das Christentum, das einstmals so ungeheuer revolutionär begonnen hat, nun für alle Zeiten konservativ ist? Dass jede neue Bewegung ohne die Kirche sich Bahn brechen muss, dass die Kirche immer erst zwanzig Jahre hinterher einsieht, was eigentlich geschehen ist? Muss das wirklich so sein?“

Liebe Schwestern und Brüder, gerade eben waren wir mit Jesus und einigen seiner engsten Freunde auf dem Berg, wir waren dabei bei der Verklärung, wir haben Jesus gesehen, ganz strahlend, und wir haben die Stimme Gottes gehört. Das ist die Verheißung, mit der wir unterwegs ein dürfen. Und Petrus wollte drei Hütten bauen, er wollte den Augenblick festhalten, er wollte da bleiben, verweilen, vielleicht in Anbetung verharren. Gott sei Dank, ist Jesus nicht weiter darauf eingegangen, auch Petrus musste wieder mit, den Berg hinab. Dort ist unser Ort – vorerst. Amen.

 

                                                                L: Joel 2,12-18
                                                               Ev: Mt 6,1-6.16-18

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Frauengemeinschaft hat’s erkannt: Ein Faschingsmensch ist der Abt Markus keiner. Und trotzdem habe ich mich am vergangenen Samstagnachmittag beim Faschings-Krapfen-Kaffee köstlich amüsiert bei allem, was an Sketchen geboten und an Liedern gesungen wurde. Ja, Musik kann Menschen mitnehmen, so wie sie sind, und da abholen, wo sie sind.

Auch als Nicht-Faschingsmensch gibt es so eine Art kleines persönliches Faschingsritual, wenn ich eine CD von Rainhard Fendrich hervorkrame, die ich mal zum Geburtstag geschenkt bekommen habe. Rainhard Fendrich, das ist der mit dem „A Herz wia a Bergwerk“. Ein Lied auf der CD hat mich auf ganz eigene Weise mitgenommen, weil es mir so vorher noch nie aufgefallen war. In seiner unverwechselbaren Art und seinem Dialekt singt er da.

Ja aber vü vü schener is des G’fühl, wenn i a Liad g’spia in mir.
Vü vü wärmer als die Sonn‘ mi wärmen kann is ma dann.

Rainhard Fendrich singt in seinen Liedern „vü vom G’fühl“, er singt viel vom Gefühl und meint damit sicher in erster Linie die angenehmen Gefühle, die wir als Menschen im Leben kennen und auch brauchen. Wenn man in seine Lieder aber noch ein bisschen mehr hineinschaut, dann meint er mit dem G’fühl nicht nur diese angenehmen Gefühle, sondern auch ein Gespür, das wir Menschen genauso brau­chen für unser Leben.

So hat mich in diesem Jahr dieses Lied vom G’fühl in die Fastenzeit hineinbegleitet, die wir mit dem heutigen Aschermittwoch beginnen. Es ist eine Zeit mit vü G’fühl, wie Rainhard Fendrich vielleicht sagen würde. Es ist eine Zeit, in der es viel auf das Gespür, das richtige Gespür von uns Menschen ankommt. Das Gespür für den richtigen Zeitpunkt, das Gespür für das richtige Maß, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig, das Gespür für den eigenen Körper und auch das Gespür für ein gutes Gefühl.

In diesem Sinne zieht sich das G’fühl, das Gespür wie ein roter Faden durch die Texte aus der Bibel, die wir gerade gehört haben.

Der Prophet Joel fordert Menschen auf, die Herzen zu zerreißen und nicht Kleider. Es geht um das Gespür für Innerlichkeit und Äußerlichkeit und den Unterschied zwischen beidem. Es geht auch um das Gespür, dass wir im Leben nicht nur etwas gewinnen können, sondern auch etwas zu verlieren haben. Wenn der Bezug zu Gott sich auf Äußerlichkeiten beschränkt, dann wird es genauso wie zwischen Menschen keine Beziehungen geben können, sondern dann geht es um Erbringen von Leistungen. Joel kann aber am Ende sagen: Da erwachte im Herrn die Leidenschaft für sein Land und er hatte Erbarmen mit seinem Volk. Aus den „zerrissenen“ Herzen werden beziehungsfähige Herzen und es gelingt Beziehung.

Der Apostel Paulus weist in dem Abschnitt aus dem zweiten Korintherbrief auf ein Gespür hin, was wir auch Unrechtsbewusstsein nennen. Zu merken, wo Unrecht geschieht und geschehen ist, dass Fehler passiert sind oder etwas schief gegangen ist. Und zugleich der Wunsch und die Sehnsucht nach Versöhnung. Also dem Wiederherstellen einer gestörten, vielleicht sogar einer zerstörten Beziehung: Wir bitten an Christi Statt: Lasst Euch mit Gott versöhnen!

 Und schließlich der Evangelist Matthäus, der ein Gespür zur Sprache bringt, das gerade für unsere Zeit mit den vielen Effekten und ihrer Vermarktung von entscheidender Bedeutung ist, nämlich wann wird etwas zu Show, zur bloßen und reinen Show. Das Persönliche im Leben braucht kein Rampenlicht um zur Geltung zu kommen, weder in der Fastenzeit, noch darüber hinaus. Auch hier geht es um a G’fühl, um ein untrügliches Gespür, nämlich dass ein Tun, was auch immer und wie viel auch immer, authentisch ist und zu einem Menschen und seinem Leben auch passt.

Ja aber vü vü schener is des G’fühl, wenn i a Liad g’spia in mir.
Vü vü wärmer als die Sonn‘ mi wärmen kann is ma dann.

 Vü vü G’fühl!

 So wünsche ich uns allen eine gesegnete Fastenzeit, möge sie eine Zeit mit vü G’fühl, mit einem guten Gespür sein, das auch ein gutes Gefühl im Leben hinterlässt.

 

  

Gottesdienst zum Valentinstag in Herrenrast

                                                L: Mt 5,35-37

 

Liebe Liebende,
liebe Verliebte, liebe Sonstige!

 

Das gibt’s doch gar nicht! So sagen wir, wenn wir unser Erstaunen, unsere Verwunderung, manchmal auch unseren Ärger oder unsere Enttäuschung zum Ausdruck bringen.

Das gibt’s doch gar nicht! Es gibt es nämlich doch, selbst dann, wenn wir etwas überhaupt nicht für möglich gehalten hätten, wenn wir es nie und nimmer gedacht hätten oder es noch so sehr befürchtet hätten. 

Das gibt’s doch gar nicht! Hinter diesen Situationen, Begebenheiten oder Erlebnissen können sich viele kuriose und unglaubliche Geschichten und so mancher spektakulärer Zufall und Vorfall verbergen.

Das gibt’s doch gar nicht! Oder doch? Die Radiomacher beim Bayerischen Rundfunk müssen sich immer etwas einfallen lassen, um das Interesse der Hörer zu wecken und sie so bei Laune, also am Radio zu halten.

Wer so, wie ich, Bayern 1 Hörer ist, der weiß, dass der Morgenmoderator Marcus Fahn seit einiger Zeit unter diesem Motto „Marcus will’s wissen. Das gibt’s doch gar nicht oder doch“ nach Menschen sucht, in deren Leben es etwas gibt, von dem die Mehrzahl der anderen Menschen sagt und glaubt, dass es so etwas doch gar nicht gibt.

So wurde beispielsweise nach einem Menschen gesucht, der als Fluggast plötzlich wider Willen selber zum Piloten wurde.

Es wurde gefragt, ob es jemanden gibt, der sein Haus komplett selber gebaut hat.

Ob es eine FFW gibt, bei der der Frauenanteil über 50 % liegt.

Ob jemand über 20 Jahre blind war und dann wieder sehen konnte.

Ob jemand als Baby im Krankenhaus vertauscht wurde.

Ob jemand rückwärts genauso schnell wie vorwärts reden kann.

Ob jemand seinen Lebensretter, seine Lebensretterin geheiratet hat.

Dann gab es auch die Frage, ob es jemanden gibt, der bei der Hochzeit „NEIN“ gesagt hat.

Als ich diese Frage im Radio hörte, da dachte ich mir: Die kenne ich auch! Bei Hochzeitsvorbereitungen mit „heiratswilligen oder heiratswütigen Paaren“ wurde mir, nachdem ich die Fragen bei der Trauung durchgegangen bin, auf die ich ja immer „JA“ erhoffe, die Frage gestellt: „Hat denn schon einmal jemand „NEIN“ gesagt?“ Meine Antwort darauf lautet dann immer: „Sie könnten die Ersten sein!”

Bei mir hat also noch niemand „NEIN“ gesagt, sondern ich bekam auf meine Fragen immer ein JA zu hören, manchmal kräftig, manchmal zaghaft, aber wie ich hoffe, immer aus ganzen Herzen.

So war ich dann wirklich gespannt, ob sich bei Marcus Fahn jemand gemeldet hat. Tatsächlich, es gab jemanden, der „NEIN“ gesagt hat. Vielleicht ist er ja heute sogar hier, dann könnte er die Geschichte selber erzählen und wir würden alle sagen: Das gibt’s doch gar nicht!

So abwegig wäre das gar nicht, denn Franz Xaver Eckmann, der bei der Trauung „NEIN“ gesagt hat, kommt aus Schweitenkirchen. Er hat „NEIN“ gesagt, aber anders als die meisten gedacht haben. Es gab bei der Trauung, die eine Doppeltrauung war, eine Namensverwechslung. Die Bräute hießen beide „Karin“. Er wurde von der Standesbeamtin nach der Karin mit dem falschen, also anderen Familiennamen gefragt. Und so hat er wahrheitsgemäß „NEIN“ gesagt. Das Missverständnis wurde aufgeklärt und dann konnte er bei der „richtigen Karin“ doch „JA“ sagen.

Ob Jesus bei dieser Geschichte auch geschmunzelt und gesagt hätte: Das gibt’s doch gar nicht! Jedenfalls ist sich Jesus der Tragweite dieser kleinen Wörter ja und nein sehr wohl bewusst. Haben wir doch gerade aus seinem Mund gehört: Euer Ja sei ein Ja und euer Nein sei ein Nein; alles andere stammt vom Bösen.

Ja und Nein sollen nicht so einfach daher gesagt sein, sondern es braucht Menschen, die dahinterstehen und mit ihrem Leben dafür einstehen. Es geht um Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit, es geht um Vertrauen weit über diese Worte hinaus.

Heute an diesem Tag sind Sie da, weil Sie einen Menschen an Ihrer Seite wissen, zu dem Sie ja sagen konnten und immer noch ja sagen können. Vielleicht sind auch Menschen unter uns, die sich das so sehr wünschen würden oder in dieser Hoffnung bitter enttäuscht wurden. Auch dafür ist heute Platz und Raum.

Zu einem Menschen ja sagen zu können, ist ein großes Glück, was aber nicht heißt, dass man dann zu allem „Ja und Amen“ sagen muss, sondern dass es auch ein Nein geben darf und vielleicht geben muss, so wie es die Geschichte aus dem Radio gezeigt hat.

Mit ja und nein zu spielen, es einfach zu sagen, ohne zu überlegen, was es wirklich bedeutet, ist nicht nur ein Risiko, sondern verletzt die Gefühle eines anderen und zerstört Vertrauen, was für das Gelingen des Lebens und des Zusammenlebens unerlässlich ist. Deshalb, so glaube ich, ist es Jesus ein Anliegen, so dass er sagt: Euer Ja sei ein Ja und euer Nein sei ein Nein; Und fügt hinzu: Alles andere stammt vom Bösen. Es geht nicht um ein großmächtiges Schwören bei allen möglichen Dingen, sondern es geht um das Halten und um das Leben.

Zu einem Menschen „JA“ sagen zu können, ist ein großes Glück. Ich hoffe, nein ich glaube, dass Ihnen das allen bewusst ist, sonst wären sie wahrscheinlich heute nicht hier. Franz Xaver Eckmann hat erzählt, dass er mittlerweile 30 Jahre verheiratet ist und dass er weiß, was er an seiner Karin hat.

Ein Sprichwort drückt das so aus:

Glücklich ist nicht der, der alles hat, was er will.
Glücklich ist der, der es zu schätzen weiß, was er alles hat.

Ich glaube, unsere bayerische Sprache kann das noch viel schöner und liebevoller sagen:

Ja, weil i di mog!

 

                                      L: Jes 58,7-10

                                    Ev: Mt 5,13-16

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Es gehört zum Auf und Ab unseres Lebens, dass Ereignissee, Erlebnisse und Begegnungen Spuren in unserem Leben hinterlassen, auch wenn wir es vielleicht nicht immer gleich merken oder wahrhaben wollen. Manche bezeichnen es auch als Schicksal, dass solche Spuren Fragen aufwerfen oder Manches plötzlich in Frage stellen können. Wir kommen ins Nachdenken, vielleicht auch ins Grübeln. Es stellen sich Zweifel ein oder wir beginnen zu hadern mit Gott und Welt, wie wir die Bandbreite der Themen auch zusammenfassen.

Eine solche Frage, die in unseren Gedanken plötzlich auftauchen und uns beschäftigen kann, lautet: Wofür lohnt es sich zu leben? Wenn Menschen diese Frage in den Sinn kommt, wenn sich diese Frage plötzlich stellt, dann hat sich etwas verändert, vielleicht auch verschoben, so dass wir unser Leben neu ausrichten, das Gleichgewicht unseres Lebens neu finden müssen.

Wir leben in einer Zeit der Veränderungen, die durchaus sehr rasant über uns hereinbrechen können, sei es nun in die kleine persönliche Welt oder in die sog. große und weite Welt. Wenn wir auf die letzten drei Jahre zurückschauen, dann wird uns vielleicht bewusst, was da mit einem Schlag anders geworden ist, positiv wie negativ.

Tag für Tag erreichen uns über die Medien Meldungen aus aller Welt, die auch nicht spurlos an uns vorübergehen. Ich weiß schon, vieles, was wir so über die Nachrichten aus aller Welt erfahren, geht  zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus, und doch kann uns die eine oder andere Meldung, aus welchen Gründen auch immer, nahegehen und auch nachgehen.

Ich muss zugeben, dass ich inzwischen sehr selten Nachrichten im Fernsehen schaue. Ich mag mir die Bilder, die so oft Schreckensbilder sind, nicht mehr anschauen. Ich bin dazu übergegangen, mir die Nachrichten im Radio anzuhören oder in der Zeitung nachzulesen. Was ich auf diese Weise erfahre, reicht aus, und ich erspare mir die dazugehörigen Bilder.

Manche wissen es, dass ich bekennender Bayern 1 Hörer bin. Da ist mir neben den Nachrichten ein Programmpunkt aufgefallen, der mir wichtig, ja fast kostbar geworden ist, nämlich: „Die gute Geschichte“. Die höre ich mir gerne an, wenn es mir von meinem Tagesablauf ausgeht.

Diese guten Geschichten sind nicht nur aus unserem Land, sondern aus der ganzen Welt, die weil sie nicht in irgendeiner Weise spektakulär sind untergehen und in den Meldungen keine Erwähnung finden. In der „guten Geschichte“ wird davon erzählt, wie sich Menschen durch Gesten, durch Angebote, durch Dienste und vor allem mit viel Ideenreichtum gegenseitig helfen, unterstützen, aufrichten und damit oft auch ein Antwortversuch auf die Frage sein können: Wozu lohnt es sich zu leben?

Auch diese Geschichten merke ich mir nicht alle, aber auch hier gehen mir manche irgendwie nach, worüber ich auch froh bin. Zum Beispiel die von einem kleinen Jungen, der bei einem Verkehrsunfall im Gegensatz zu den anderen Insassen des Fahrzeugs nicht verletzt wurde, von den Einsatzkräften ein Stofftier bekam, das für ihn in dieser Situation sehr hilfreich war, weil er es einfach festhalten konnte. Als er erfahren hat, dass diese Stofftiere durch Spendengelder finanziert werden, war er spontan bereit, sein angespartes Taschengeld dafür zu spenden, dass auch anderen Kindern auf diese Weise geholfen werden kann.

Und wenn ich dann wieder Nachrichten aus den Kriegs- und Krisengebieten höre, weiß ich, dass dort die Menschen diese Frage, wofür es sich zu leben oder auch zu kämpfen lohnt, ganz anders beantworten werden. An dieser Stelle sei allen gedankt, die in unserem Land und an unserem Ort den Geflüchteten beistehen. Da gibt es Tag für Tag auch viele gute Geschichten, die es nicht ins Radio schaffen, obwohl man durchaus die eine oder andere Geschichte auch melden könnte.

Wofür lohnt es sich zu leben? Diese Frage spielt bei den Texten, die wir gerade aus der Bibel gehört haben, eine Rolle, auch wenn uns das zuerst vielleicht nicht auffällt. Der Prophet Jesaja bringt es so auf den Punkt: Wenn du den Darbenden satt machst, dann geht im Dunkel dein Licht auf. Der Dienst am Nächsten ist immer auch ein Dienst an mir selbst. Er geht auch an mir nicht spurlos vorüber. So fährt Jesaja fort: Wenn du dann rufst, wird der Herr dir Antwort geben, und wenn du um Hilfe schreist, wird er sagen: Hier bin ich.

Wofür lohnt es sich zu leben? Auch Jesus hat dafür eine kurze aber eine sehr klare Antwort: Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt! Er fragt nicht danach, ob wir damit einverstanden sind, ob uns das passt oder recht ist, sondern er mutet es uns zu und er traut es uns auch zu. Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt!

Dieses Tun, oder besser gesagt, dieses Sein geht nicht spurlos an Menschen vorüber. Auch wenn es dabei um nichts Spektakuläres handelt und keine Massenbewegung auslösen wird, es wird die Welt und auch Menschen verändern: So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

Liebe Schwestern und Brüder, gute Geschichten gibt es viele auf der Welt, auch über Bayern 1 hinaus. Gott sei Dank! So bekam ich einmal eine Karte, die ich mir aufgehoben habe und auf der folgendes zu lesen stand:

Wofür es sich zu leben lohnt:

Für das Vogelkonzert am frühen Morgen.

Für die Sonnenstrahlen, die uns hinauslocken in die Natur.

Für die ersten Frühlingsblumen nach dem Winter.

Für die langen, lauen Sommernächte.

Für den Geschmack des Sommers auf unserer Zunge.

Für den Anblick herrlich leuchtender Bäume.

Für einen warmen Tee in kalter Jahreszeit.

Für Musik, die das Herz berührt.

Für die Atempausen im Alltag.

Für all die Menschen, die wir lieben.

Für unsere Dankbarkeit und die unermüdliche Hoffnung!

 

Ihr seid das Salz der Erde, ihr seid das Licht der Welt.

So soll und so kann euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.

 

                                             

                                                                L: Mal 3,1-4

                                                              Ev: Lk 2,22-40

 

Liebe klösterliche Nachbarn,

liebe Schwestern und Brüder!

 

In den Weihnachtskrippen, die sich immer noch in vielen Häusern und Wohnungen finden, wird die Weihnachtsgeschichte, die Geburt Jesu Christi in Bethlehem, auf ganz unterschiedliche und oft sehr phantasievolle Art und Weise dargestellt. Meistens erfahren diese Krippen etwa zwei Wochen nach Weihnachten zum 6. Januar eine Umstellung, wenn die Heiligen Drei Könige Einzug halten. Dann bleiben die Krippen vielleicht noch bis zum darauffolgenden Wochenende stehen, um dann wieder abgebaut und verpackt zu werden bis zum nächsten Jahr.

So war es bei der Krippenausstellung in der Kapitelkirche auch geplant. Durch verschiedene Umstände blieb sie heuer aber länger stehen und wurde an den vergangenen Wochenenden doch noch von zahlreichen Interessierten besucht. Dabei ist manchen aufgefallen, dass Krippen ja nicht nur auf das Weihnachtsgeschehen beschränkt sind, sondern sozusagen eine Fortsetzung haben können, was wir ja auch aus unserer Jahreskrippe im Kreuzgang kennen, nur dass da eben immer nur eine Darstellung zu sehen ist und nicht viele verschiedene nebeneinander.

Heute Abend konnten wir daher die Kerzensegnung vor der Darstellung des heutigen Festes begehen, nämlich der „Darstellung des Herrn“.

Darstellungen sind immer der Versuch, etwas anschaulich und verständlich zu machen, es den Menschen näher zu bringen. Darauf kann nicht einmal unsere hochtechnisierte Welt verzichten und liefert neben Powerpoint Präsentationen eine Unmenge von Schaubildern und Graphiken, in denen Sachverhalte auf ihre Weise dargestellt und erläutert werden. Es sind und bleiben aber immer Darstellungen.

Das ist auch der Hintergrund und Ursprung dieses Festes der Darstellung des Herrn. Jesus wird von seinen Eltern in den Tempel gebracht, um ihn nach religiösem Brauch Gott darzubringen. Die Eltern Jesu machen und stellen damit klar, in welcher Welt sie mit ihrem Leben zuhause sind. Sie bringen ihr Kind Gott dar, dem sie jedes Leben verdanken. Neben dieser Darstellung gibt es noch eine ganz andere, zuerst nicht bedachte Darstellung, nämlich das was im Evangelium ausführlich geschildert war: Für Simeon und Hanna wird anschaulich klar, wer und was dieses Kind ist. Simeon spricht es aus: Meine Augen haben das Heil gesehen!

Darstellung hat immer auch mit Vorstellung zu tun. Wie ich mir etwas vorstelle, davon wird auch abhängen, wie ich etwas darstelle. Künstler haben sich deshalb viele Gedanken, auch sehr persönliche Gedanken gemacht, wie sie sich etwas vorstellen. Meistens kennen wir nur das Endprodukt, nämlich die Darstellung. Hinter all diesen Darstellungen in unseren Kirchen und auch bei den Krippen stecken ungeheuer viele und unterschiedliche Vorstellungen.

Deshalb gibt uns das heutige Fest der Darstellung des Herrn auch eine Frage mit auf den Weg, nämlich: Wie stelle ich mir Heil vor, was ist für mich Heil? Oder: Wie würde ich Heil darstellen, so dass ich sagen kann: Schau, das ist für mich Heil!

Für Simeon und Hanna war es das Kind, dieses Kind; Zeichen dafür, dass Leben weitergeht, auch wenn das eigene Leben zu Ende geht. Das Kind, das durch sein „Aufleben“ auch verändern wird.

Manchmal frage ich Eltern beim Taufgespräch: „Und wie ist es Eltern zu sein?“ Darauf bekomme ich meistens zur Antwort: „Schön, wunderschön!“ Gott sei Dank! Manchmal wird auch hinzugefügt: „Auf einmal ist alles ganz anders.“ Leben verändert!

Was stelle ich mir unter Heil vor? Welche Vorstellung habe ich vom Heil? Die Meinungen werden darüber sicher auseinandergehen, aber sie werden sich immer wieder in einem Punkt treffen: Es geht um das Leben, ob ich ganz bildliche und plastische Vorstellungen oder eher abstrakte Vorstellungen habe.

Deshalb gibt es auch ganz unterschiedliche Lebensentwürfe, die immer in der Frage nach dem Heil gründen. Das ist auch der Grund, warum wir als Ordensleute diesen Weg eingeschlagen haben. Es ging einmal und es geht immer noch um unsere ganz persönlichen Vorstellungen vom Heil. Die Vielfalt der Ordensgemeinschaften zeigen ja auch, dass es verschiedene Wege und Vorstellungen vom Heil gibt und geben darf. Die Ordensgemeinschaften sind ein ganz bunter Haufen, auch wenn man uns das farblich nicht immer ansieht. Dillinger Franziskanerinnen, Arme Schulschwestern, Familie Mariens, Herz Jesu Missionare, Benediktiner. Das sind die unterschiedlichen Gemeinschaften, die heute hier beieinander sind und darüber hinaus gibt es noch viele andere mehr.

Darstellung des Herrn. Jesus war kein „Selbstdarsteller“, der sich in den Vordergrund gedrängt hat, aber er hatte Vorstellungen vom Heil, die nicht nur das eigene Leben im Blick hatten, sondern die Vielfalt der Wege zum Heil. Wer am vergangenen Sonntag im Gottesdienst war, der hat vielleicht noch die Seligpreisungen im Ohr. Das sind Jesu Vorstellungen vom Heil.

Es gibt so viele Wege zu Gott wie es Menschen gibt. Dieser Satz geht zwar auf Romano Guardini zurück, aber auch der verstorbene Papst Benedikt XVI. verwendete ihn immer mal wieder.

Ich möchte schließen mit einem Text, der das Leben Jesu so beschreibt:

Für die Anderen:
Er ist kein Selbstdarsteller.

Er überlässt es anderen, ihn vorzustellen.
Dann wird er selbst zum Darsteller

und hinterlässt seine Vorstellungen den Anderen.

Darstellung des Herrn. So ist es auch unsere Aufgabe, jeder auf seinem Platz, wir als Ordenschristen in unseren Gemeinschaften und Sie mit Ihrem Leben in Ihrem Lebensumfeld, diesen Jesus darzustellen, ihn anschaulich zu machen.

Wenn wir uns dabei Mühe geben, um es bayrisch zu sagen, dann schau‘n wir auch etwas gleich.

 

2022

 

Weihnachten 2022                                        Mir fehlen die Worte

Liebe Schwestern und Brüder!

Mir fehlen die Worte! Kennen Sie diesen Satz? Ich denke schon und ich glaube auch, Sie kennen vor allem die Situationen und das Gefühl, wenn wir für etwas keine Worte haben oder finden oder wenn wir um Worte buchstäblich ringen müssen.

Mir fehlen die Worte! Vielleicht liegt es noch gar nicht so lange zurück, dass Sie das für sich gedacht oder gesagt haben, denn auf Weihnachten hin nehmen wir es uns ja auch immer vor, anderen Menschen irgendwie gute Worte zu sagen oder zu schreiben.

Mir fehlen die Worte! Bei der Weihnachtspost, die ich verschickt habe, gab es auch heuer wieder Briefumschläge, die ich immer wieder nach hinten gelegt habe, denn ich wusste nicht, was ich den Menschen schreiben sollte, die sich hinter der bereits aufgeklebten Adresse verbergen, weil deren Lebenssituationen und Lebensumstände bedrückend und belastend sind oder auch nach vielen Jahren immer noch sind.

Mir fehlen die Worte! Dazu gehörte auch eine Mail an ein Brautpaar, mit dem ich immer noch in Kontakt bin. Sie haben vor vier Jahren hier in unserer Basilika geheiratet, aber ihr sehnlichster Wunsch nach einem Kind ist bis jetzt unerfüllt geblieben. Was soll man da schreiben? Was soll man da sagen? Allein schon das Wort oder die Frage „Und?“ könnte den Schmerz und die Traurigkeit darüber neu aufflackern lassen.

Mir fehlen die Worte! Manchmal können Worte so schwer sein und schwerfallen, sie können so kleinlaut und vergeblich sein.

In den Tagen des Advents hörten wir in den Gottesdiensten immer wieder Texte aus der Bibel, die solche Situationen eingefangen haben. Beim Propheten Jesaja heißt es „Tröstet, tröstet ja mein Volk“ Ja wie denn? Welche Worte können das?

Genauso der Ruf und die Aufforderung des Vorläufers Johannes: „Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe“ Ja warum denn? Warum denn gerade ich? Sollen doch zuerst einmal die anderen!

Und unsere Medien versorgen uns Tag für Tag mit Meldungen und Details von allen möglichen und unmöglichen Ereignissen aus aller Welt, so dass uns vielleicht auch dieser Satz in den Sinn kommt „Mir fehlen die Worte“ oder die Frage aufkommt: Warum lässt Gott das alles zu?

Liebe Schwestern und Brüder, wir haben gerade die Antwort Gottes gehört. Oder sollte ich besser fragen, haben wir die Antwort Gottes gehört? Gerade wurde es uns vorgelesen und in unseren Krippen versuchen wir es darzustellen. Und das Wort ist Fleisch geworden. Das ist die Antwort Gottes, da wo Worte fehlen, da wo Fragen unbeantwortet bleiben.

Und das Wort ist Fleisch geworden, diese Antwort Gottes ist der Inhalt dieses Festes Weihnachten.

Jedes Kind, das geboren wird, ist bis heute Teil dieser Antwort Gottes in die jeweilige Zeit hinein. Kinder sind aber keine einfache und keine leichte Antwort, weil sie herausfordern und Antworten einfordern mit der schlichten Frage: Warum? Warum tust du das? Warum tust du das nicht? Bei der Frage nach dem Warum können Menschen auch Worte fehlen oder es verschlägt ihnen die Sprache. Der Kabarettist Michael Mittermeier nimmt sich in einem Sketch selber aufs Korn, weil er seiner Tochter immer sagt, sie soll den Fahrradhelm aufsetzen, während er das selber meistens nicht tut. Darauf sagt er: Es ist so verdammt schwer zu lügen!

Mir fehlen die Worte! Und das Wort ist Fleisch geworden! Wilhelm Wilms bringt das in einem Text zum Ausdruck der überschrieben ist: „Der geerdete Himmel“.

Wusstest Du schon, dass die Nähe eines Menschen gesund machen, krank machen, tot und lebendig machen kann?

Wusstest Du schon, dass die Nähe eines Menschen gut machen, böse machen und froh machen kann.

Wusstest Du schon, dass das Wegbleiben eines Menschen sterben lassen kann, das Kommen eines Menschen wieder leben lässt?

Wusstest Du schon, dass die Stimme eines Menschen einen anderen Menschen wieder aufhorchen lässt, der für alles taub war?

Wusstest Du schon, dass das Wort oder das Tun eines Menschen wieder sehend machen kann, einen der für alles blind war, der nichts mehr sah, der keinen Sinn mehr sah in dieser Welt und in seinem Leben?

Wusstest Du schon, dass das Zeithaben für einen Menschen mehr ist als Geld, mehr als Medikamente unter Umständen mehr als eine geniale Operation?

Wusstest Du schon, dass das Anhören eines Menschen Wunder wirkt? Dass Wohlwollen Zinsen trägt, dass ein Vorschuss an Vertrauen hundertfach auf uns zurückkommt?

Wusstest Du schon, dass DU dieser Mensch sein kannst?

Und das Wort ist Fleisch geworden. Jeder Mensch kann, jeder Mensch soll und jeder Mensch ist Teil dieser Antwort Gottes, da wo Worte fehlen oder auch fehl am Platz sind.

Mir fehlen die Worte. Liebe Schwestern und Brüder, lange habe ich mich gedrückt vor diesem Mail an das Brautpaar vor vier Jahren. Doch am Freitag kam spät abends eine Mail, in dem folgendes stand:

„Hallo Abt Markus, wie geht es Ihnen?
Vermutlich sind Sie gerade jetzt sehr im Stress.
Für uns ging ein großer Wunsch in Erfüllung.
Am 12.11.2022 kam unser Sohn Bastian auf die Welt.
Wir wünschen Ihnen schöne Weihnachten“

Da war ich platt. Ich könnte fast sagen, mir fehlten die Worte. Damit hatte ich nicht gerechnet. Und so fielen mir die Worte plötzlich leicht und sie vielen kurz aus: Herzlichen Glückwunsch und frohe Weihachten!

Mir fehlen die Worte! Eigentlich hätte ich mir auch jetzt viele Worte sparen und einfach sagen können: Herzlichen Glückwunsch Jesus! Du bist immer noch die beste Antwort Gottes, da wo uns die Worte fehlen, denn du bist das Wort das Fleisch geworden ist.

Frohe Weihnachten!

 

 

Heilige Nacht 2022                            Weil’s nicht Wurscht ist

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Tage sind gezählt! Meistens verbinden wir mit diesem Ausdruck eher negative Gedanken und Assoziationen.

Die Tage sind gezählt! Die Tage, die nun hinter uns liegen, wurden auch gezählt und zwar ganz intensiv. Obwohl wir in diesem Jahr die längste Adventszeit hatten, die es geben kann, im kommenden Jahr wird es die kürzeste sein, wird im Advent immer gleich gezählt und zwar vom 1. Dezember, 24 Tage lang.

Damit wir uns beim Zählen leichter tun und nicht den Überblick verlieren, gibt es ganz viele und vor allem ganz verschiedene Adventskalender. Hatten Sie auch einen Adventskalender? Ich habe heuer einen ganz besonderen Kalender geschenkt bekommen. Leider kann ich Ihnen den nicht mehr zeigen, weil es ihn nicht mehr gibt. Mein Adventskalender in diesem Jahr, war eine Wurst, genauer gesagt eine Salami, die, wie es sich für einen Adventskalender gehört, in 24 gleiche Abschnitte eingeteilt war.

Ich muss zugeben, dass ich mir nicht jeden Tag, wie vorgesehen oder gedacht eine Scheibe abgeschnitten habe, sondern dass ich jeweils am Sonntag mit meinen Mitbrüdern die Wurstscheiben der zurückliegenden Woche geteilt habe. Heute beim Frühstück gab es die letzten und so ist von diesem Adventskalender nichts mehr übrig.

Ob die Wurst jetzt ein geeigneter oder angemessener Adventskalender war, darüber können die Meinungen sehr wohl auseinander gehen, aber die Wurst hat mich sozusagen auf andere Gedanken gebracht, was ja im Advent durchaus geschehen kann und geschehen soll. In unserer Sprache spielt die „Wurst“ in dem Sinn immer wieder eine Rolle, weil man mit der Verwendung dieses Wortes Dinge und Sachverhalte auf den Punkt bringen kann.

Wenn es so gesehen um die Wurscht geht, dann handelt es sich um etwas Wichtiges. Es geht um Entscheidung und Entschiedenheit oder es braucht Einsatz, den vollen Einsatz, weil es eben nicht egal, also nicht Wurscht ist, ob etwas getan wird oder nicht. Und es ist auch nicht Wurscht, wie etwas ausgeht, weil es um Gelingen oder um Scheitern geht.

Liebe Schwestern und Brüder, es ist nicht Wurscht, ob wir Weihnachten feiern oder nicht, denn es steht mit diesem Fest auch etwas auf dem Spiel, was mit dem Zusammenleben der Menschen auf dieser Erde zu tun hat. An Weihnachten werden wir daran erinnert, dass unser Leben gelingen oder scheitern kann. Das gilt für das Zusammenleben im Kleinen genauso wie im Großen.

Das Weihnachtsevangelium, das wir gerade gehört haben und wahrscheinlich auch irgendwie in Auszügen kennen, besteht aus dem Wechsel von Situationen, die man auch so beschreiben könnte: Es gibt Menschen, denen ist etwas Wurscht und es gibt immer auch die, für die es nicht Wurscht ist. Das beginnt schon mit der behördlichen Anweisung zur Volkszählung, bei der die persönliche Situation von Menschen zweitrangig oder gar uninteressant ist. Dem Kaiser Augustus sind die einzelnen Menschen Wurscht, die gehen in der Zahl unter. Für den einzelnen Menschen ist es das nicht, der zu seinem Geburtsort gehen muss.

Genauso verhält es sich bei der Herbergssuche, wo Menschen an ihre Grenzen gelangen und nicht mehr weiterkönnen, weil sie am Ende ihrer Kräfte sind. Auch die Botschaft von der Freude und vom Frieden berührt die einen und die anderen berührt sie nicht.

Nur weil es Menschen gab und nur weil es Menschen gibt, denen menschliches Schicksal nicht gleichgültig ist, kann es Rettung geben und gibt es einen Retter. Auch das sagt uns Weihnachten, jedes Jahr.

Aus den Tagen des Advents ist mir immer noch ein Lied im Gedächtnis, das wir als Klostergemeinschaft bei unseren Gebetszeiten immer wieder gesungen haben und in dem es heißt: Aus hartem Weh die Menschheit klagt, sie stand in großen Sorgen.

 Viele Menschen haben Sorgen, große Sorgen, auch wenn wir uns eingestehen müssen, in einem Teil der Erde leben zu dürfen, wo das Jammern manchmal auf einem hohen Niveau geschieht. Und doch sind es Sorgen! Es sind Sorgen, die Menschen umtreiben und belasten.

Aus hartem Weh die Menschheit klagt, sie stand in großen Sorgen. Man könnte diese Sorgen auch Herausforderungen nennen, die angegangen werden müssen und dabei ist es nicht Wurscht, ob der eine mitmacht oder nicht, denn es kommt auf jeden Einzelnen an.

Es hilft uns nichts, das Böse zu verneinen; gegen das Böse hilft uns nur, die Welt so mit Gutem anzufüllen, dass schließlich das Böse keinen Platz mehr hat. Und so hilft es uns nichts, den Krieg zu beklagen; vor dem Krieg schützt uns nur ein Verhältnis der Nationen, in dem sie sich zusammenwirkend alle wohler fühlen als auseinanderstrebend. So hat es der österreichische Schriftsteller Hermann Bahr unmittelbar vor dem ersten Weltkrieg gesagt.

Es geht also um die Wurscht und an Weihnachten geben wir uns deshalb alle Mühe, die Welt mit Gutem anzufüllen, wenigsten in der kleinen Welt unseres Lebensumfelds. Nur weil es Menschen gibt, denen andere nicht Wurscht sind, gibt es Rettung und gibt es einen Retter.

Das Geheimnis dieses Retters, den wir an Weihnachten feiern, besteht nicht darin, dass er einfach alles gut oder anders macht, sondern dass wir uns von ihm, wie bei einer Wurst, sozusagen eine Scheibe abschneiden können. Jesus hat im Umgang mit den Menschen, ihre Sorgen ernst genommen, ob sie nun groß oder klein waren. Jesus hat nicht gezaubert, aber er hat Wunder gewirkt und damit auf Wege aufmerksam gemacht, die Menschen nicht für möglich gehalten haben und bist heute nicht für möglich halten.

Ein Text bringt das so zum Ausdruck:

Ein Licht geht über uns auf: Geboren ist Christus, der Retter und Herr.
Freut euch, ihr Einsamen, er wird euer Bruder.
Freut euch, ihr Blinden, er öffnet euch die Augen.
Freut euch, ihr Lahmen, er lehrt euch das Tanzen.
Freut euch, ihr Geduckten, er richtet euch auf.
Freut euch, ihr Verstummten, er lässt euch singen.
Freut euch, ihr Verzagten, er steht euch zur Seite.
Freut euch, ihr Verlorenen, er holt euch heim.
Freut euch, ihr Trauerenden, er wischt die Tränen von Euren Augen.
Freut euch, ihr an den Rand gedrängten, er holt euch in die Mitte.
Freut euch, ihr Verbitterten, er füllt euer Herz mit Liebe.

Es ist nicht Wurscht, ob die Welt Weihnachten feiert oder nicht. Deshalb wünsche ich Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.

                             
                               Evangelium: Lk 23,35b-43

Liebe Schwestern und Brüder!

„Ein 15jähriges Mädchen hält die Hand ihres 1jährigen Sohnes. Die Menschen nennen sie eine Schlampe, weil niemand weiß, dass sie mit 13 vergewaltigt wurde. Die Leute nennen ein anderes Kind fett. Niemand weiß, dass es eine schwere Krankheit hat, die zu Übergewicht führt. Die Leute nennen einen Mann mit Narben im Gesicht hässlich. Niemand weiß, dass er 4 Menschen aus einem brennenden Haus gerettet hat. Wenn du, genau wie ich, gegen Mobbing bist, poste das.“

Dieser Text ist ihnen vielleicht bekannt, in den letzten 2 Wochen habe ich ihn mehrmals als Whatsapp-Nachricht bekommen oder als Statusmeldung gesehen. Ich selbst gebe solche Nachrichten meist nicht weiter, nicht weil ich dagegen bin, vielleicht ist es ein bisschen Bequemlichkeit, sicher aber auch die Sorge, dass viele solcher Nachrichten dazu führen, dass man abstumpft, dass man sagt, ach schon wieder sowas. Und dann wäre die Wirkung genau das Gegenteil von dem, was man mit solchen Texten eigentlich erreichen will. Aber das alles ändert nichts daran, dass mich solche Nachrichten berühren, und dass ich dasselbe Anliegen teile, kein Mobbing, sondern Aufmerksamkeit für das, was Menschen erleiden, was sie Großes leisten, oftmals unbemerkt, nicht laut, es wird nichts an die große Glocke gehängt. Eigentlich sind alle diese Menschen das sympathische Gesicht der Menschheit. Und ihnen allen ist gemeinsam, dass der erste äußere Eindruck falsch ist, der hässlich entstellte Mann, das fette Kind oder aber das Mädchen, das viel zu früh Sex hatte. Es bringt ihnen einen verächtlichen Blick ein, Hohn und Spott und genau das Gegenteil von dem, worauf sie einfach ein Recht hätten: Respekt. Das Gegenteil von Mobbing ist Respekt, Respekt vor jedem Menschen sowieso, Respekt vor dem, was Menschen leisten, Respekt aber vor allem auch vor dem, was Menschen oftmals erleiden und was ihnen nicht auf der Stirn geschrieben steht.

Genau diese Menschen, sind das sympathische Gesicht der Menschheit. Allerdings erst auf den zweiten Blick, mit dem ersten kurzen flüchtigen Blick oder mit dem eben nur kurzen Aufhorchen werden sie meist nicht richtig wahrgenommen. Und solche Menschen gibt es vielfach. Ich denke an viele in meinem Alter oder noch älter. Menschen, die seit Jahrzehnten darunter leiden, dass andere so leben, als hätten wir noch fünf Erden in Reserve. Menschen, die mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, die sich gut überlegen, ob sie dieses oder jenes wirklich brauchen, die ihren Garten nachhaltig und ökologisch bewirtschaften, die beim Kauf von chemischen Produkten darauf achten, dass es möglichst biologisch abbaubar ist, die mit großer Mühe versucht haben, diese Ehrfurcht vor der Schöpfung an die jüngere Generation weiterzugeben, und die sich heute von jungen Klimaaktivisten vorwerfen lassen müssen, warum habt Ihr denn nichts gemacht? Ich denke an Menschen in meinem Alter, die über Jahrzehnte so leben, dass ihretwegen kein Tier in Massentierhaltung gequält werden muss und die sich deswegen doch kein Schild umhängen können, dass sie Vegetarier sind oder gar Veganer. Ich denke an Menschen, die wenig von Pflegenotstand reden, die ihren Dienst tun, in Kliniken, Heimen oder ambulant, vorbildlich und verlässlich, oder Menschen, die sich um ihre Angehörigen kümmern, zuhause, im Heim oder im Krankenhaus, und das tun und übernehmen, was ihnen möglich ist. Oder Menschen die trotz aller aufgezwungenen Bürokratie, sich als Betreuer kümmern um Alte oder Behinderte. Ich denke an die vielen, die in der Flüchtlingsarbeit tätig sind, und die sich dabei manchen dummfrechen Kommentaren oder Angriffen aussetzen. Ich denke auch an die vielen, die sich in unseren Kirchengemeinden engagieren in allen möglichen Diensten. Menschen, die sich von außen oft den Vorwurf gefallen lassen müssen: Und für diesen Verein tust Du noch etwas? Und die innerhalb der Kirche immer wieder spüren: Ich bin nur Helfer, zu sagen haben andere. Ich denke auch an Menschen, ihr tägliches Gebet sehr ernst nehmen, die jeden Tag eine ganze Reihe Menschen vor Gott bringen, die das als ihre wichtige Aufgabe erkennen, auch weil anderes ihnen nicht mehr möglich ist, und die erfahren, dass diejenigen für die sie beten, sie gleichzeitig als wunderliche Alte belächeln. Es gibt überall Menschen, die ihren Beruf, ihren Dienst ganz sorgfältig tun, sich die größte Mühe geben und doch mit dem Image leben müssen, der ihrer Berufsgruppe unsinnigerweise anhaftet, die Lehrer, die vormittags Recht und nachmittags frei haben, die Sozialarbeiter, die nichts können als irgendwie schwätzen, nach dem Motto: Schön, dass wir mal drüber geredet haben, und viele andere Berufe, bei denen manchen schlicht die Vorstellung fehlt: Was könnte das schon sein, was der großartig zu tun hat? Es gibt, kurz gesagt, viele Menschen, die in großer Verantwortung leben, auch wenn ihnen das oft wenig Anerkennung einbringt, auch wenn man sie verspottet, belächelt oder ihnen vielleicht sogar unlautere Absichten anhängt.

Sie alle, mir gefällt, dieser Begriff, sind das sympathische Gesicht der Menschheit, und das bedeutet auch, die Menschheit kennt auch unsympathische Gesichter, die Menschheit hat oftmals die Fratze des Bösen, der Lüge und Verdrehung, der Gewalt und der wirklich unlauteren Absichten.

Und was hat dies alles mit dem Fest Christkönig zu tun?

Im Evangelium haben wir von jemandem gehört, der von den führenden Männern verlacht wurde: „Andere hat er gerettet, nun soll er sich selbst retten, wenn er der Gesalbte Gottes ist.“ Auch die Soldaten, die nur Handlanger des Bösen sind, sie verspotten ihn. Und dem einen Verbrecher, der mit ihm am Kreuz hängt, fällt in seinem eigenen Todeskampf nichts Besseres ein, als diesen anderen zu verhöhnen: „Bist du denn nicht der Christus? Dann rette dich und auch uns!“ Fast scheint es allerdings, als ob der Hohn und ein letzter Funke Hoffnung doch nicht so ganz weit auseinanderliegen.

Und genau der, der da so jämmerlich steht, geschlagen, gescheitert und verspottet, genau der ist es, den wir als Christus, den König, verehren. Das ist die große Herausforderung und Zumutung des Christentums. Und dieser König will gar nicht hauptsächlich angebetet werden, er will in allen Opfern und in all den sympathischen Gesichtern der Menschheit wiedererkannt werden. In der großen Gerichtsrede des Matthäusevangeliums, die auch zum heutigen Fest gelesen wird, heißt der zentrale Satz: Was ihr für einen der geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, das habt ihr mir getan. Und ein Lied im Alten Gotteslob hatte folgenden Text:

  1. Was ihr dem geringsten Menschen tut, das hat ihr Ihm getan, denn er nahm als unser Bruder jedes Menschen Züge an.
  2. Man verhöhnt ihn bei den Leuten, Böses dichtet man ihm an; er wird überall verdächtigt, wo er sich nicht wehren kann.
  3. *. Immer ist er unter denen, die gekreuzigt worden sind; in unmenschlichen Systemen lebt er wehrlos wie ein Kind. Mitten unter euch steht er unerkannt.

Amen.

*Kleine Anmerkung: Diese Strophe war im DDR-Gotteslob nicht abgedruckt.     Warum wohl?

                               Lesung: Sir 3,17-18.20.28-29
                               Evangelium: Lk 14,1.7-14

Liebe Schwestern und Brüder!

Essen ist etwas Schönes, vermutlich werden Sie mir alle zustimmen. Und wenn wir jetzt hier darüber sprechen würden, wo und wann wir in der letzten Zeit gut gegessen haben, was das denn war usw. – wir würden wahrscheinlich lange nicht fertig werden. Essen ist vielmehr als eine biologische Notwendigkeit oder als Nahrungsaufnahme zur Erhaltung unseres Energiestoffwechsels oder Ähnliches, Essen hat etwas mit Kultur zu tun, mit Gemeinschaft und Beziehung, Essen ist Leben. Das spüren wir heute immer wieder, obwohl wir uns an Mittagessen aus Großküchen oder auch an fast Food ebenso gewöhnt haben, und das galt für die Menschen in der Umgebung Jesu noch vielmehr. Immer wieder spielt in den Erzählungen des Neuen Testaments das Essen, das Mahl eine wichtige Rolle, orientalische Gastfreundschaft ist ein wesentliches Stichwort dabei, Jesus spricht vom Himmel in den Bildern vom großen Gastmahl oder Hochzeitsmahl, und all diese Reden finden auch auf dem Hintergrund statt, dass es eigentlich eine große Armut gab, viele Menschen hatten nur sehr wenig, sie lebten sehr bescheiden, viele Bettler gab es, aber die Vorstellung von einem guten reichhaltigen Essen, – dieses Sehnsuchtsbild, das bleibt und begleitet das Leben, erst recht dann, wenn man nicht so oft satt wird.

Zu einem guten und gepflegten Essen gehört auch eine gewisse Tischordnung: Ganz oben sitzen die Gastgeber und die besonderen Gäste, Sie kennen solche Ordnungen, vielleicht auch die Mühe, die es manchmal macht, die Gäste richtig zu platzieren. Sie kennen aber vielleicht auch das angenehme Gefühl zu wissen: hier ist mein Platz, hier bin ich richtig. Genau in diese Richtung geht anscheinend die Belehrung Jesu, Nimm deinen richtigen Platz ein, setz Dich schon gar nicht auf einen Platz, der eben nicht für dich bestimmt ist. In einem Kommentar zu diesem Evangelium habe ich einmal etwa Folgendes gelesen: Manchmal wollte Jesus wahrscheinlich nur ganz einfache Anstandsregeln vermitteln, es wäre falsch, hier mehr hinein zu interpretieren. So sehr ich meine, dass das allgemein vielleicht zutreffen kann, so sehr möchte ich hier dem Kommentar widersprechen. Nein, es geht um sehr viel mehr als eine Anstandsregel: Wer selbst vielleicht schon einmal auf einem falschen Platz gesessen hat, von dem er wieder runtergebeten wurde oder wer eine ähnlich peinliche Situation erlebt hat, der weiß, mit welch unangenehmen Gefühlen dies verbunden ist, wie man sich schämt, und wie diese Scham bleiben kann, man mag sich nicht mehr an diese Situation erinnern. Scham verletzt mich zutiefst, er nimmt mir etwas von meiner Würde. Wenn man dazu weiß, dass es manche Menschen gibt, die es immer wieder auf die vordersten Plätze drängt, ja die es nicht aushalten, einen Raum zu betreten ohne von allen aufmerksam wahrgenommen zu werden, dann wird ihnen mit diesem Hinweis Jesu gesagt: Benimm dich doch nicht so würdelos, tritt doch mal einen Schritt zurück, nimm dich zurück, nimm dich wahr und ordne dich richtig ein. Es ist Jesus insgesamt ein großes Anliegen, dass Menschen sich nicht würdelos verhalten, dass sie sich nicht schämen müssen, dass sie nicht bloßgestellt werden; genau darum diese Ermahnung.

Darum passt es auch, wenn er weiter dazu ermahnt, Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde einzuladen – das waren die Menschen, die tatsächlich völlig draußen waren. Wir müssen feststellen, dass die damalige Gesellschaft wie blind gegenüber solchen und anderen Behinderungen war. Zwar kennen wir eine ganze Reihe von Geboten, die auf die Armen abzielen, und man hat auch niemanden einfach verhungern lassen, aber echte menschliche Würde, die hat man ihnen einfach nicht zugestanden. Wenn Jesus sie einlädt, wenn er selbst sich mit Sündern und Zöllnern an einen Tisch setzt, dann war das etwas Revolutionäres, dann hat er sich selbst damit ins Aus, ins Abseits, begeben. Aber er hat nebenbei etwas erfahren, was er hier so beschreibt: „Du wirst selig sein.“ Das größte Geschenk eigentlich.

Dass der Mensch seinen Platz findet, dass er sich richtig einordnet, dass er bewahrt bleibt vor einer falschen Selbsteinschätzung und einem würdelosen Verhalten, dass er sich nicht schämen muss, und dass schließlich durch den richtigen Platz auch das ganze übrige Leben richtig wird, dass der Mensch vor Gott richtig ist, das meint das Wort gerecht in der Bibel, genau das ist das Anliegen Jesu im heutigen Evangelium.

Und wenn ein Mensch seinen Platz nicht klar hat, wenn er sich immer wieder überheben muss, ins rechte Licht setzen muss, wenn er es nicht aushält, einmal nicht beachtet zu werden? Wenn Sie solche Menschen kennen, dann tun Sie gut daran, ihnen möglichst aus dem Weg zu gehen. In der Weisheitslehre bei Jesus Sirach findet sich ein guter Hinweis, den diese Menschen beherzigen sollen: Bleibe bescheiden, je größer du bist, desto mehr demütige dich. Und Jesus Sirach spricht eine große Warnung aus: „Es gibt keine Heilung für das Unglück des Hochmütigen, denn eine Pflanze der Bosheit hat in ihm Wurzel geschlagen.“

Liebe Schwestern und Brüder, diese Weisheit der Bibel erleben wir gerade sehr schmerzlich. Denn der Krieg, der eine Tragödie ist und so viel Unheil anrichtet, hat im Tiefsten keine andere Ursache als die, dass Menschen ein völlig überhöhtes Bild von sich und ihrer Mission haben und meinen, das Rad der Geschichte mit Gewalt zurückdrehen zu müssen. Was andere dabei denken, was Menschen fühlen, was sie erleiden, ist dabei völlig nebensächlich: „Ich habe diese Mission zu erfüllen“ – Es gibt keine Heilung für das Unglück des Hochmütigen, denn eine Pflanze der Bosheit hat in ihm Wurzel geschlagen.

Liebe Schwestern und Brüder, lassen wir uns von der Weisheit der Bibel und vom Geist Jesu inspirieren: Denken wir nicht zu klein von uns aber auch nicht zu groß, denn all unsere Größe ist Geschenk, für das wir einfach nur danken können. „Mein Freund, rück weiter hinauf“, das ist der Satz, den wir uns von Gott sagen lassen dürfen und das wird für uns eine Ehre sein. Amen.

                  Lesung: 18,20-32
                  Evangelium: Lk 11,1-13

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Texte des heutigen Sonntags fordern uns einiges ab, obgleich es vertraute Texte sind; Sodom und Gomorrha, die beiden untergegangenen Städte in der Nähe des Toten Meeres, waren lange Zeit sprichwörtlich für unhaltbare Zustände und eine sexuelle Freizügigkeit. Und das Vaterunser ist unser bekanntestes Gebet, das viele Christen mehrmals täglich sprechen, wenn auch in einer etwas anderen Form als im Lukasevangelium. Aber schauen wir genauer hin. In der Lesung begegnet uns Abraham, der Vater des Glaubens, wie wir auch sagen. Abraham hat eine Gotteserfahrung gemacht, er hat erfahren, dass dieser Gott mit ihm spricht, nicht nur irgendwie, sondern so, dass Abraham weiß, was er von ihm erwartet, und dass diese Erwartung Gottes fortan sein Leben bestimmen wird: Er wird fortziehen in ein unbekanntes Land, trotz seines Alters, trotz seines Wohlstands, den er sich mit viel Mühen erworben hatte. Und Abraham geht mit einer Verheißung los: Leben in Sicherheit und zahlreiche Nachkommen. All das können wir auch als Segen bezeichnen.

Abraham weiß, dass alles Leben unsicher ist, dass alles brüchig ist, er weiß, dass Naturkatastrophen, Krankheit, Krieg und schließlich der Tod dem Menschen alles nehmen können, manchmal sogar sehr schnell. Und er weiß auch, das alles hat mit Gott zu tun, Gott ist nicht nur gut, er sorgt nicht nur für den Menschen, nein, er zürnt auch und er straft, und der Mensch ist diesem Walten Gottes ausgeliefert. So ungefähr sind die Weltsicht und das Gottesbild bei Abraham und seiner Umgebung bisher, die Erzählung aus dem Buch Genesis spiegelt diese Sicht wider. Und man kann mit dieser Unbegreiflichkeit, ja Unberechenbarkeit, Gottes unterschiedlich umgehen. Das Besondere an Abraham ist, dass er sich traut, diesem Gott gegenüber das Unbefriedigende der Situation darzustellen, diesen Gott anzugehen, nicht in erster Linie für sich selbst, sondern für die anderen. „Es werden Unschuldige leiden, wenn Du diese Stadt zerstörst, das kannst Du doch nicht tun.“ Und Abraham erlebt, dass dieser Gott mit sich reden lässt, ja, wieder unsere menschliche Vorstellung, dass man mit ihm Feilschen kann, wie auf einem orientalischen Markt, einem Basar. Das ist eine völlig neue Gottesvorstellung, eine neue Sicht auf die Welt: es ist nicht alles Schicksal, nicht alles vorherbestimmt, nicht alles gerechte Strafe Gottes, sondern es ist einfach nicht in Ordnung, und das soll dieser Gott ruhig wissen, von ihm erwarte ich etwas anderes, – so ungefähr könnte man beschreiben, was in Abraham vorgeht.

Diese Haltung wird bei Jesus noch viel deutlicher: Auch Jesus lebt nicht in einer heilen Welt, er erlebt viel Ungerechtigkeit um sich herum, viel Elend, auch er kann nicht alles lösen, nicht alles heilen, aber er lädt ein zu einer Haltung des unbedingten Vertrauens: Bittet, dann wir euch gegeben werden, sucht und ihr werdet finden, klopft an, und es wird euch geöffnet. Und Jesus selbst muss die Spannung aushalten, dass das Erwünschte nicht immer und nicht sofort und oft nicht wie erhofft, eintritt, sondern dass Gott sich scheinbar lange bitten lässt, dass er Gebete nicht zu hören scheint, dass er das Elend nicht aus der Welt schafft. Es geht nicht in erster Linie um die Lösung, sondern es geht in erster Linie darum, wie ich als Mensch mit dem Elend, mit der Fragwürdigkeit des Lebens, mit aller Bosheit und allem Unrecht, wie ich mit alledem umgehen kann und als Mensch überleben kann. Ich möchte das mit einem aktuellen Beispiel verdeutlichen. Mich treiben seit Februar die Bilder aus der Ukraine um, dabei habe ich lange aufgehört mich mit den Tagesmeldungen abzugeben, wer evtl. irgendwo Gewinne oder Verluste erzielt oder Ähnliches. Ich sehe vor allem, dass einem Volk ein Krieg aufgezwungen wurde, das gar nicht anders kann als sich zu wehren oder unterzugehen; ich sehe, wie hier mit Skrupellosigkeit und Brutalität getötet, zerstört und vernichtet wird. Mir gehen aktuell die Bilder nicht aus dem Kopf von den Menschen, die einen russischen Pass bekommen, und die dabei ein frohes Gesicht in die Kamera machen müssen, weil sie wissen, wenn ich das nicht tue, dann kann ich auch ganz schnell mal erschossen werden, das dann allerdings nicht vor der Kamera.

Mich treibt dies um, und ich weiß es geht vielen, vielleicht den allermeisten so, es ist gar nicht einmal die persönliche Angst, sondern es ist das Entsetzen vor so ungehemmter Bosheit gepaart mit einem unheimlichen Zynismus, der einzelne Mensch zählt überhaupt nicht, nur meine Wahnsinnsidee von einem großen Reich.

Wie können wir umgehen mit dieser Wirklichkeit, wie können wir sie aushalten. Es gibt verschiedene Wege, z. B. das Verdrängen. Es hat mich in dieser Woche fast erschüttert, dass wir mit mehreren Seelsorgern in einer Besprechung waren, wir hatten so kurz vor den Sommerferien keine ganz tiefen Themen, an denen wir hart arbeiten mussten, aber wir haben es geschafft, zwei Stunden zusammen zu sein, und das Wort Ukraine ist nicht einmal gefallen. Aber das ist nur ein Beispiel, die Verdrängung ist überall mit Händen zu greifen, das Tagesgeschäft ist doch auch wichtig usw.

Es gibt auch die Rationalisierung oder die Versachlichung: Wir haben ja doch keine zuverlässigen Informationen, es gibt doch keine neutrale Berichterstattung, so hört man immer wieder. Und das stimmt zum Teil, aber wo der Krieg stattfindet und wer darum Opfer und wer Täter ist, das liegt auf der Hand, und daran kann man nicht vorbei. Er gibt eine ganze Reihe solcher Rationalisierungen.

Jesus fordert uns zu etwas anderem auf, nicht zu Verdrängung, nicht zur Rationalisierung, sondern er fordert uns auf, das, was wir als großes Unrecht empfinden, das, was wir nicht verändern können, immer wieder vor Gott zu tragen, auszusprechen, ihm zu klagen, ihn zu bestürmen: „Das kannst Du doch nicht zulassen.“ Jesus fordert uns auf, dies alles mit einem großen Vertrauen zu tun, auch dann, wenn Lösungen nicht so ausfallen wie erwartet, auch dann, wenn unsere Gebete scheinbar nicht erhört werden, Jesus fordert uns zu einer Haltung auf, die mit Gott ernst macht, die ihn ernst nimmt.

Liebe Schwestern und Brüder, von Dietrich Bonhoeffer gibt es eine Formulierung, die oft missverstanden wurde, die Sicht nämlich von einer Welt, als ob es Gott darin nicht gäbe. Gemeint ist, dass wir nicht zuerst Gott für alles verantwortlich machen können, dass wir nicht Wunder einplanen können als überirdischen Eingriff, dass wir nicht immer so tun, als ob da einer wäre, „der alles so herrlich regieret“, und wir nichts zu tun hätten.

Wir können heute diese Formulierung vielleicht auch umkehren. Und das ist nicht das Gegenteil von Bonhoeffers Anliegen. Jesus lädt uns eine zu einer Weltsicht, als ob es Gott wirklich gäbe, Jesus lädt uns ein zu Vertrauen und Hoffnung bei allem vernünftigen Realismus. Und diese Haltung des Vertrauens ist die einzige Möglichkeit, dass wir bewahrt bleiben vor Verzweiflung, Verrohung, Zynismus und Fatalismus.

Bittet, dann wird euch gegeben werden, sucht und ihr werdet finden, klopft an, und es wird euch geöffnet. Amen.

                    L: Gen 15,5-12.17-18
                    Ev: Mk 9,2-10 (Lesej. B)

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Von manchen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gibt es Zitate, die jetzt andere in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen für ihre Zwecke verwenden und gebrauchen. Ein solches Zitat von Helmut Schmidt lautet: Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen. Das ist schon ein markanter und auch ein provokanter Satz, den Helmut Schmidt in einer hitzigen Wahlkampfrede gesagt hat. Diesen Satz haben sich Menschen gemerkt. Nicht mehr klar ist jedoch der konkrete Anlass, auf den er bezogen war und warum er so gesagt wurde.

Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen. Je nach Zusammenhang wird dieser Satz, wenn er verwendet wird, Befürworter und Kritiker finden und es wird dabei auch darauf ankommen, was man mit dem Wort „Vision“ verbindet. Eine Vision kann das Bild für ein Ziel in der Zukunft sein, das man anstrebt, verfolgt, um es zu erreichen. Es kann sich bei einer Vision auch um eine Einbildung handeln, ein Trug- oder Wunschbild, das mit der Realität nichts zu tun hat. Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen.

Gerade haben wir Textabschnitte aus der Bibel gehört, die Visionen sind, die visionären Charakter haben. Wie diese Texte bei Menschen, bei Ihnen ankommen, hängt davon ab, ob Sie das als Ziel, das sie enthalten, als erstrebenswerte Hoffnung ansehen oder als Trugbild, das mit der Lebensrealität nichts zu tun hat.

In der Lesung aus dem Buch Genesis steht Abraham vor der Frage, ob sein Lebenswerk umsonst war, also ob mit seinem Tod alles, wofür er sich eingesetzt und Mühen auf sich genommen hat, zu Ende ist, weil er keine Kinder hat, an die er es weitergeben könnte. Die Vision, die er hat, die Hoffnung, die er bekommt lautet: Sieh dir die Sterne am Himmel an, so zahlreich werde ich deine Nachkommen machen. Es wird also weitergehen.

Im Evangelium haben wir davon gehört, wie Jesus seine Jünger mit auf den Berg nimmt und sie dort einen Blick über diesen Raum und diese Zeit hinauswerfen lässt. Der Anlass zu dieser Schau ist, dass er sie auf seinen Tod vorbereiten will. Was kommt danach? Wie geht es dann weiter? Jesus spricht von der Auferstehung. Es wird also weitergehen. Vielleicht stimmen wir den Jüngern nicht nur zu, sondern wir stimmen in ihre Worte ein: Und sie fragten einander, was das sei, von den Toten auferstehen. Was verbinden wir mit „Auferstehung“?

Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen. Ob ein Arzt in diesen Fragen allerdings weiterhelfen kann? Es sind Fragen, die Menschen bis heute beschäftigen. Es sind keine Fragen, die sie sich einbilden, sondern es sind Fragen, die das Leben aufwirft und den Menschen zumutet.

So fragen sich Menschen bis heute immer wieder, ob und warum ein Lebenswerk nicht weitergeht, wofür sie eigentlich gelebt haben, ohne, aber manchmal auch mit Nachkommen, wenn etwa Kinder einen Betrieb nicht übernehmen oder weiterführen wollen, sondern ganz andere Wege gehen oder andere Interessen haben. Und bis heute fragen sich Menschen auf den Friedhöfen, wenn sie dort Abschied nehmen müssen, ob das jetzt alles war, ob damit buchstäblich das Gras über das Leben eines Menschen, über das, was ihn ausmachte und auszeichnete, zu wachsen beginnt.

Das, was Abraham und Jesus in diesen Situationen verbindet, ist, dass sie nicht aufgehört haben für ihre Sache zu leben, daran zu glauben und darauf zu hoffen. So konnte es weitergehen, und so ist es weitergegangen.

Helmut Schmidt war in seiner Zeit als Politiker Realist genug, um zu wissen, dass es Visionen zur Lösung der Herausforderungen braucht und auch gibt, Visionen, für die es sich lohnt, daran zu arbeiten, dafür zu leben, daran zu glauben und darauf zu hoffen. Er wusste aber genauso gut, dass man sich in Einbildungen, in Trug- und Wahnbilder auch verrennen kann.

Liebe Schwestern und Brüder, jede Zeit hat ihre Herausforderungen, auch unsere. Mit den kriegerischen Auseinandersetzungen praktisch vor unserer Haustür wird das mehr Menschen bewusst, auch durch die Auswirkungen, die wir zu spüren bekommen, seien es die steigenden Preise oder die geflüchteten Menschen, die bei uns schon angekommen sind und noch ankommen werden. Gerade deshalb braucht auch unsere Zeit in vielen Fragen Visionen, wie es weitergehen soll, wie es weitergehen könnte, denn es muss und wird ein danach geben.

Es gibt eine Zeit nach Corona und es gibt auch eine Zeit nach dem Krieg, auch wenn das jetzt noch in großer Ferne zu liegen scheint. Diese Visionen für die Zukunft fallen nicht vom Himmel, sie müssen erarbeitet und durchdacht, es muss darum gerungen werden, es braucht auch eine ehrliche Selbstreflexion und dabei wird sich auch entscheiden, ob die Visionen eine Chance auf Wirklichkeit haben oder ob sie eine Einbildung, ein Wunschdenken bleiben werden. Visionen fallen nicht vom Himmel, aber beim Blick in den Himmel können sie Menschen in den Sinn kommen und auch in die Herzen gelangen.

Ich möchte schließen mit einem Text, der sozusagen mit einem Blick in den Himmel Ansätze für die Visionen für die Zukunft auf die Erde holt.

Gut, dass du da bist Gott,
wenn es dunkel wird,
wenn das Schwarze überwiegt,
wenn Nächte sich ausbreiten.

 Gut, dass du da bist Gott:
Du Lichtzeichen auf dem Weg.
Du Hoffnungsschimmer in der Not.
Du Lichtpunkt aus der Ewigkeit.

 Gut, dass du da bist Gott.
Ich hoffe auf dich, du Flamme im Dunkel.
Ich vertraue dir, Du neuer Morgen.
Ich baue auf dich, du Lichtzeichen zur rechten Zeit.

 Gut, dass du da bist, Gott!

Wenn es solche Visionen nicht mehr gibt, sollte man dann vielleicht zum Arzt gehen!

 

                  L: Joel 2,12-18
                  Ev: Mt 6,1-6.16-18

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Auf keinen grünen Zweig kommen. So drückt es unsere Sprache bildlich und zugleich prägnant aus, wenn Menschen – bei was auch immer – keinen Erfolg haben, weil sich nichts tut und rührt, weil nichts Neues zu keimen und zu wachsen beginnt, das einmal Früchte, also Erfolg bringen könnte.

Auf keinen grünen Zweig kommen. Keinen Erfolg, sondern Misserfolg zu haben und zu erleben, gehört zu den unangenehmen Erfahrungen von uns Menschen, die uns auch zu schaffen machen können, weil wir uns hilflos oder ohnmächtig fühlen. Erfolg dagegen beflügelt uns und manchmal merken wir dabei sogar die Mühe nicht, die damit verbunden ist und die wir aufbringen.

Auf keinen grünen Zweig kommen. Diese Tatsache lässt uns vielleicht auch fragen, warum das so ist und welche Ursachen es haben könnte. Vielleicht hat man die Sache oder das Problem nicht richtig eingeschätzt oder man hat den Ernst der Lage noch gar nicht erkannt und geht es deshalb nicht richtig an. Es kann aber auch sein, dass es an einer echten Motivation fehlt, so dass man eben auf keinen grünen Zweig kommen kann und kommen wird.

Der heutige Tag, der Aschermittwoch, lädt uns ein, ehrlich auf unser Leben zu schauen. Der hl. Benedikt spricht in seinem Kapitel über die Fastenzeit davon, in aller Lauterkeit auf unser Leben zu achten und da wo es nötig ist, Veränderungen anzupacken, damit Neues und Gutes hervorkommen kann.

Das Zeichen des Aschenkreuzes, das wir heute empfangen, ist Ausdruck der Ernsthaftigkeit und Ermunterung zugleich: Kehr um und glaub an das Evangelium. Kehr um und lebe!

Die Texte aus der Bibel, die wir heute gehört haben, geben uns sozusagen Tipps, wie das gelingen kann, doch wieder auf einen grünen Zweig zu kommen. Das Buch Joel macht es ganz kurz: Zerreißt Eure Herzen, nicht Eure Kleider. Oder mit anderen Worten ausgedrückt: Nimm doch mal einen anderen Blickwinkel ein, nimm es dir zu Herzen, damit es dir nicht zu Kopf steigt.

Der Apostel Paulus verweist in seinem zweiten Brief an die Korinther auf den richtigen Zeitpunkt und nennt ihn die Zeit der Gnade: Jetzt ist er da der Tag der Rettung. Auch er kennt wahrscheinlich die Erfahrung des ständigen Auf- und Verschiebens. Mit dem Slogan „des homma glei, des machma morgn“ wird man eben auf keinen grünen Zweig kommen.

Der Evangelist Matthäus schließlich stellt indirekt die Frage, warum wir überhaupt etwas verändern wollen. Um andere zu beindrucken oder selber Fortschritte zum Guten zu machen? Die Öffentlichkeitsarbeit, so wichtig sie auch sein kann, ist nicht das Ziel, sondern sie kann Gefahr laufen, so viel Raum und Zeit in Anspruch nehmen, dass man am Ende wieder auf keinen grünen Zweig kommt.

Auf keinen grünen Zweig kommen. Solche Redewendungen und Formulierungen haben oft einen biblischen Hintergrund oder gar dort ihren Ursprung. Nach der Sintflut lässt Noah in zeitlichen Abständen zunächst einen Raben und dann eine Taube aus der Arche fliegen, um zu erkunden, ob und wie weit das Wasser zurückgegangen ist. Als die Taube schließlich mit einem frischen Ölzweig im Schnabel zurückkehrt, weiß Noah, dass Neubeginn und Neuanfang unmittelbar bevorstehen. Dieser Neuanfang wird besiegelt mit dem großen Bundes- und Friedensschluss zwischen Gott und den Menschen: Meinen Bogen setze ich in die Wolken!

Liebe Schwestern und Brüder, diese Taube mit dem Ölzweig im Schnabel ist aber auch zum Ausdruck des Friedens und der Sehnsucht nach Frieden geworden. Vielleicht ist uns in diesen Tagen dieses Zeichen begegnet, oder wir haben es selber verwendet. Dahinter steckt die bittere Erfahrung, dass dort, wo und solange die Waffen sprechen, dieser Friede keine Chance hat, also auf keinen grünen Zweig kommen wird.

Um des Lebens willen müssen wir aber immer wieder auf diesen grünen Zweig kommen in allen Bereichen des Lebens, in der kleinen und persönlichen Welt, aber vor allem in der großen Welt, in der Ukraine und den anderen Krisengebieten unserer Erde, die es ja auch noch gibt.

Vor diesem Hintergrund möchte ich meine Gedanken mit einem Gebet schließen, das zum Ausdruckt bringt, dass der Friede auf keinen grünen Zweig kommen wird, wenn wir ihn nicht alle zu unserem ganz persönlichen Anliegen machen und da wo wir sind, zu leben versuchen.

Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens,
dass ich liebe, wo man hasst;
dass ich verzeihe, wo man beleidigt;
dass ich verbinde, wo Streit ist;
dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist;
dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht;
dass ich die Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält;
dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert;
dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.

 Herr lass mich trachten,
nicht dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste;
nicht dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe;
nicht dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe;

 Denn wer sich hingibt, der empfängt;
wer sich selbst vergisst, der findet;
wer verzeiht, dem wird verziehen;
und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben.

Wieder auf einen grünen Zweig kommen!

 

                  L: Sam 26,2.7-9.12-13.22-23
                  Ev: Lk 6,27-38

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Am vergangenen Montag war Valentinstag. In der Werbung legt man großen Wert darauf, diesen Tag in Erinnerung zu rufen und zu halten, um damit die entsprechenden Produkte und Aufmerksamkeiten von Liebe und Zuneigung wie Blumen oder Pralinen unter die Leute zu bringen.

Wenn Sie am vergangenen Sonntag hier bei uns im Gottesdienst waren, dann kamen Sie an diesem Valentinstag auch nicht vorbei, denn es wurde darauf hingewiesen, dass das Dekanat Scheyern am Montagabend in der Basilika Ilmmünster einen Segnungsgottesdienst zum Valentinstag anbietet. Dieser Gottesdienst hat stattgefunden und die Teilnehmerzahl war durchaus erfreulich. Es gibt einen treuen Stamm von Paaren, die immer kommen, aber man sieht durchaus auch neue Gesichter, soweit man das durch die Masken hindurch sagen kann.

Bei diesem Gottesdienst in Ilmmünster begann ich meine Predigt mit folgenden Worten: „Liebe Verliebte, liebe Liebende, liebe Sonstige!“ Ich weiß, dass ich mit dieser Anrede „liebe Sonstige“ die Schmunzler und Lacher auf meiner Seite habe, ich weiß aber auch, dass ich mit den „Sonstigen“ auch Situationen und Phasen in Beziehungen anspreche, die nicht so einfach zu beschreiben und in Worte zu fassen sind.

Ein Klassenkamerad von mir, dem ich den Predigttext per Mail geschickt habe, hat mir darauf geantwortet: „Ich gehöre dann zu den: Liebe Sonstige“. Das hat mich nicht nur verwundert, sondern fast ein bisschen erschreckt, weil ich keine Anzeichen von Krisen in seiner Ehe wahrgenommen hatte. Auf meine vorsichtige Nachfrage, ob ich etwas nicht mitbekommen habe, bekam ich zur Antwort: „Inzwischen geerdet, aber mit einer großen Portion von den anderen Anreden.“

„Liebe Verliebte, liebe Liebende, liebe Sonstige!“ Es gibt Situationen und Phasen in Partnerschaften und Beziehungen von Menschen – das gilt für alle Beziehungen, auch in einer Klostergemeinschaft – in denen sich Menschen schwer miteinander tun, wo es ein Ringen, ein Sich-Auseinandersetzen gibt, wo auch gekämpft wird und Verletzungen nicht ausbleiben. Es geschieht, weil einem am anderen immer noch etwas liegt, weil er einem nicht gleichgültig ist und wo die Gefahr des Zerbrechens durchaus besteht: Liebe Sonstige!

Liebe Sonstige, das könnte heute auch über den Abschnitt des Lukasevangeliums geschrieben werden, in dem Jesus von einer ganz speziellen Liebe, nämlich von der Feindesliebe spricht. Er bringt damit Situationen ins Spiel, in denen man sich nicht um den Hals fallen wird, sondern eher an die Gurgel gehen würde: Liebt Eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln. Liebe Sonstige!

 

Dass man so ein Verhalten nicht einfach aus dem Ärmel schüttelt, sondern dass solche Situationen Menschen auch an ihre Grenzen bringt, das ist Jesus durchaus bewusst. Aber manchmal wird es keinen anderen Ausweg geben, als es wenigstens zu versuchen, um vielleicht etwas zu retten oder auch um das Gesicht, die eigenen Prinzipien zu wahren.

In der Lesung aus dem 1. Buch Samuel haben wir in dem Abschnitt von den Auseinandersetzungen zwischen König Saul und David gehört. David hätte die Möglichkeit gehabt, diesem Zwist ein für allemal ein Ende zu machen, wenn er Saul getötet hätte oder hätte töten lassen, der seinerseits David immer wieder nach dem Leben trachtete. Er hat es aber nicht getan. Liebe Sonstige!

Jesus fordert zur Barmherzigkeit auf und warnt davor zu richten, damit man nicht selber gerichtet wird. Dass das schwierig ist und dass es auch schief gehen kann, das merkt die Gemeinschaft der Kirche gerade in diesen Wochen und Monaten in unserem Land.

Ihr wird vorgeworfen, nicht ganz zu Unrecht, mit den Verfehlungen und Versäumnissen in den eigenen Reihen sehr barmherzig umgegangen und verfahren zu sein, während man gegenüber anderen sehr hart vorgegangen und mit ihnen sehr rigoros umgegangen ist. Das höre ich immer mal wieder im Gespräch mit Menschen, die die Worte zu bestimmten Themen wie geschieden Wiederverheiratet, Homosexualität, Abtreibung von der Kanzel als „abkanzeln“, also als sehr unsensibel empfunden und auch erlebt haben. Ich weiß auch, dass es das nicht nur zu der Zeit gegeben hat, als die Kanzeln noch in Betrieb waren, sondern dass es so etwas bis in die Gegenwart hinein gibt. So kann es durchaus sein, dass Menschen mit solchen einschlägig negativen Erfahrungen auch heute hier unter uns sind.

Ich für mich kann sagen, dass ich das Glück hatte, Heimatpfarrer zu erleben, die versucht haben, den Lebensumständen und den Lebensverhältnissen, also den „Sonstigen“ irgendwie gerecht zu werden und sie nicht in Predigten bloß zu stellen. Dass das nicht immer gelungen ist und Enttäuschungen nicht ausblieben, versteht sich fast von selbst. Aber es hat mich geprägt und es war auch irgendwie der Ansporn, den Beruf des Seelsorgers nicht einfach zu ergreifen, sondern ihn zu wagen und zu versuchen. Wenn ich das hier so erzähle, dann denke ich vor allem an den, der mir vor 22 Jahren die Primizpredigt gehalten hat. Heuer werden es 10 Jahre, dass er im Alter von nur 63 Jahren gestorben ist. Seine letzte Seelsorgsstelle waren die Einrichtungen der Regens Wagner Stiftung, wo der Auftrag Menschen zu lieben, ihnen gerecht zu werden noch einmal in einer ganz eigenen Weise herausgefordert und angefragt war.

Liebt Eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch misshandeln.

Liebe Sonstige! Vor wenigen Tagen hat Papst Franziskus dazu aufgerufen, die Kirche zu lieben, so wie sie ist, auch mit ihren Fehlern und Schwächen. Damit hat er Menschen nicht nur verwundert, sondern auch enttäuscht oder gar verärgert. Kann man diese Kirche lieben?

Ich bin mir nicht immer sicher, ob er weiß oder nachvollziehen kann, warum Menschen gerade in unserem Land so aufgewühlt und aufgebracht sind. Ich glaube aber, dass er um die falsch verstandene Barmherzigkeit der Vergangenheit in die eine Richtung und die unglaubliche Härte in die andere Richtung gegen Andersdenkende und nicht Linientreue weiß. Er spricht immer wieder von einer verbeulten und beschmutzten Kirche. Es wird sich zeigen was sich verändern oder nicht verändern wird, auch vor dem Hintergrund, was Jesus uns mit der Feindesliebe und was damit verbunden sein kann, zumutet.

Ich möchte schließen mit einem Text, der dieses Anliegen Jesu etwas einfacher, aber nicht weniger ernst zum Ausdruck bringt:

Den andern nicht besitzen, beherrschen, benutzen, beschämen, sondern ihn einfach lieben.
Den andern nicht bekämpfen, beneiden, kleinmachen, nachmachen, sondern ihn einfach lieben.

Einfach lieben, als ob das immer so einfach wäre. Es gibt nämlich nicht nur Verliebte und Liebende, sondern vor allem viele Sonstige.

                         L: Mt 13,1-13

                                

Liebe Verliebte, liebe Liebende, liebe Sonstige!

Es gibt Gegenstände in unserem Leben und in unserem Lebensumfeld, mit denen wir Tag für Tag umgehen und an die wir uns so gewöhnt haben, dass wir uns gar nicht mehr viele Gedanken über sie machen. Ihre Wichtigkeit und ihre Bedeutung kommen uns erst dann wieder so richtig in den Sinn und ins Bewusstsein, wenn wir sie nicht finden oder nicht mehr haben.

Ein solcher Gegenstand, den ich meine, ist der Schlüssel. Auch wenn Schlüssel heute vielleicht ganz anders aussehen. Egal welche Form und Gestalt sie haben, wenn ich einen Schlüssel nicht mehr habe, wenn ich ihn nicht mehr finde oder wenn ich ihn verloren habe, wird mir seine Bedeutung, seine Wichtigkeit bewusst: Ich habe keinen Zugang mehr!

Ich hoffe, ich habe jetzt niemanden erschreckt, so dass er gleich nachgeschaut hat, ob er den Schlüssel auch abgezogen und eingesteckt hat.

Auch über einen echten Schlüssel hinaus, wird der Schüssel als Symbol benutzt, etwa bei Codewörtern und der Begriff „Schlüssel“ wird verwendet, um die Bedeutung von etwas anderem hervorzuheben. Wir sprechen dann von einer „Schlüsselposition“, von einer „Schlüsselstellung“ oder von „Schlüsselfragen“. Es gibt „Schlüsselprozesse“ und „Schlüsselreize“ und die Physiotherapie kennt den „Schlüsselpunkt“. Alles was mit Schlüssel in Verbindung gebracht wird, bedeutet dann besonders wichtig und auch entscheidend.

Der Valentinstag könnte so eine Art „Schlüssel-Tag“ sein, weil er dazu einlädt, auf etwas zu schauen, das mit einem „Schlüsselerlebnis“ zu tun hat, nämlich als man einen Menschen kennengelernt hat, der mehr war als nur ein guter Bekannter, ein Freund oder ein Vertrauter, sondern der zum Menschen an meiner Seite geworden ist.

Diese Schlüsselerlebnisse des Kennenlernens, Schätzenlernens und Liebenlernens sind ganz unterschiedlich, bei der Hochzeitsvorbereitung erfahren wir so manches. Manchmal bahnen sie sich lange an und manchmal geht es ganz schnell. Jemand hat mir mal erzählt, dass er sofort wusste: „Das wird mal meine Frau!“

Schlüsselerlebnisse sind Erfahrungen und Erlebnisse, die auch so etwas wie ein Schlüssel zum persönlichen Glück sind. Zum Beispiel die eben zitierte „Liebe auf den ersten Blick“.

Wenn man „Schlüssel zum Glück“ in die Suchmaschine des Internets eingibt, dann bekommt man sozusagen einen ganzen Schlüsselbund angeboten. Und wie das bei Schlüsseln so ist, nicht jeder passt in ein Schloss und nicht jeder „Schlüssel zum Glück“, der uns angeboten wird, passt auf jede Lebenssituationen.


Ich möchte ein paar dieser „Glücksschlüssel“ nennen, die ich gefunden habe.

Viele kleine Dinge sind der Schlüssel zum Glück.

Dankbarkeit ist der ultimative Schlüssel zum Glück.

Gelassenheit ist häufig der Schlüssel zum Glück.

Vergebung ist der Schlüssel zum Glück.

Der Schlüssel zum Glück: loslassen lernen.

Manchmal suchen wir den Schlüssel zum Glück so lange, bis wir merken, dass er schon steckt.

Erfolg ist nicht der Schlüssel zum Glück, sondern Glück ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn du liebst, was du tust, wirst du erfolgreich sein.

Der Schlüssel zum Glück ist, mit dem zufrieden sein, was man im Augenblick ist und hat. Diese Zufriedenheit verändert den Blick auf Dinge, so dass der Geist des Friedens verweilen kann.

Und zum Schluss noch ein etwas eigenartiger Schlüssel, den ich gefunden habe: Was ist eigentlich der Schlüssel zum Glück? Umgib dich mit Tieren und halte dich von Idioten fern.

Von einem anderen Schlüssel haben wir heute schon gehört, der uns wahrscheinlich gar nicht als solcher aufgefallen ist. Es war das Gleichnis vom Sämann, das Jesus erzählt hat und in dem man sich mit seinem Leben und den unterschiedlichen Situationen wiederfinden kann.

Ein Sämann gings aufs Feld, um zu säen. Man könnte es so zusammenfassen: Von nichts kommt nichts! Das gilt für das Leben, das gilt auch für Beziehungen oder bestimmte Phasen in Beziehungen. Es braucht eine Grundhaltung der Bereitschaft etwas dafür zu tun, etwas zu investieren.

Damit ist es aber noch nicht getan. Damit etwas wachsen kann, braucht es auch Zeit. Das ist für Menschen unter Umständen sehr schwierig, wenn Geduld angesagt ist oder gar eingefordert wird.

Dann kommt noch die Erfahrung der Realität hinzu, dass nicht alles aufgehen wird und von Erfolg gekrönt sein muss. Man darf sich nicht so schnell entmutigen lassen.

Was dann wirklich aufgeht, müssen nicht immer 100 % sein, 60 oder 30-fach, wie Jesus sagt, ist nicht nichts, sondern auch etwas. Es muss nicht immer das Beste sein, sondern es sollte vor allem etwas Gutes sein. Manchmal darf man es auch „gut sein lassen“.

Schlüssel zum Glück gibt es ganz viele und ganz verschiedene. Zum Glück gibt es keinen Generalschlüssel, wenn es ihn gäbe, dann hätte ihn sich schon lange jemand patentieren lassen.

Bei meiner Schlüsselsuche für das Glück ist mir eine Studie aufgefallen, die zu dem Ergebnis kommt, dass für das Glück an erster Stelle „gute Beziehungen“ stehen. Wenn dem so ist, dann sind Sie, die Sie heute da sind, Fachmänner und Fachfrauen eines besonderen „Schlüsseldienstes“, der reich ist an Schlüsselerlebnissen und Schlüsselerfahrungen.

Zu dem Schlüsselbund, den ich Ihnen heute angeboten habe, möchte ich noch drei Schlüssel hinzufügen, die ganz unscheinbar klingen und die mit dem Raum zu tun haben, in dem wir jetzt sind. Sie heißen Glaube, Hoffnung und Liebe.

Menschen, die aus der Hoffnung leben, sehen weiter.
Menschen, die aus der Liebe leben, sehen tiefer.
Menschen, die aus dem Glauben leben, sehen alles in einem anderen Licht.

Und weil man Schlüssel auch gerne verlegt oder übersieht, habe ich diese Schlüssel auf oranges Papier kopiert, damit man sie bei Bedarf gleich hat und einsetzen kann.

Schlüssel zum Glück!

  

                    Les: 1 Kor 15,1-11      
                    Ev: Lk 5,1-11

 

Liebe Schwestern und Brüder!

I mog nimmer! Kennen Sie diesen Satz? Oder anders gefragt: Kennen Sie einen solchen oder so ähnliche Gedanken? Ja, ich kenne diese Gedanken, sie sind mir nicht fremd und sie sind auch irgendwie aktuell.

I mog nimmer! Das klingt nach Vergeblichkeit, Erfolglosigkeit, Aussichtslosigkeit, Enttäuschung, vielleicht sogar nach Verärgerung: Es reicht!

 I mog nimmer! Diesen Gedanken finden wir heute auch im Evangelium, auch wenn er als Satz so nicht dasteht, aber er schwingt mit, er ist da. Jesus fordert Simon auf, er soll auf den See hinausfahren und die Netze zum Fang auswerfen. Die Begeisterung des Simon hält sich in Grenzen, seine Reaktion ist nicht: Bitte sehr, bitte gleich, sondern er gibt zur Antwort: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und haben nichts gefangen. Es wäre auch kürzer gegangen: I mog nimmer!

 Da ist einer, der sein Handwerk, das Fischen, versteht, aber er kennt auch die Situationen und die Momente, die Menschen denken oder sagen lassen: I mog nimmer!

Liebe Schwestern und Brüder, es gibt ganz viele und ganz unterschiedliche Situationen, in denen solche Gedanken aufkommen. Die kennen Sie genauso wie ich. Irgendwie habe ich aber den Eindruck, dass dieses „I mog nimmer!“ in manchen Bereichen des Lebens sozusagen gerade in der Luft liegt.

Da ist immer noch dieses Virus, das mit uns seit zwei Jahren Achterbahn fährt, uns scheinbar zum Narren hält. Wir haben dieses versucht und jenes, Isolation und Quarantäne hin, Abstände, Masken und Impfen her. Es scheint nicht in Griff zu bekommen. Eine Karikatur hat es Anfang Januar so auf den Punkt gebracht. Unter der Überschrift „Verhandeln mit Omikron“ sitzt der Bundesgesundheitsminister am Verhandlungstisch und sagt: „Also: Wir verkürzen die Quarantäne, dafür halten Sie sich bei den schweren Verläufen zurück.“ Darauf das Virus, das auf der anderen Seite des Tisches sitzt: „Probieren Sie’s. Ich verspreche gar nix.“ Wer davon betroffen ist oder tagtäglich damit zu tun hat oder die Auswirkungen zu spüren bekommt, dem wird bei einer solchen Karikatur nicht unbedingt zum Schmunzeln oder zum Lachen zu Mute sein.

So ist es wohl auch bei dem anderen Thema, das gerade die Zeitungen und vor allem die sozialen Kommunikationsmittel füllt. Ein Thema, das Menschen aufwühlt und sie aufbringt und sie denken und sagen lässt: I mog nimmer! Seit 12 Jahren ist das Thema Missbrauch in der Kirche virulent und es scheint kein Ende zu nehmen, im Gegenteil, es tun sich immer neue und mehr Abgründe auf: I mog nimmer!

Diesen Gedanken gibt es bei Betroffenen, bei ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch bei vielen, denen Glaube, die Botschaft Jesu, etwas bedeutet hat und immer noch bedeutet. 

Fahr hinaus auf den See! Dort werft die Netze zum Fang aus! Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. – I mog nimmer! – Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen.

Doch wenn Du es sagst! An den, der zu Simon „fahr hinaus“ gesagt hat und noch vieles andere auch, erinnert der Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther: Das Evangelium ist der Grund, auf dem ihr steht. Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet, wenn ihr an dem Wortlaut festhaltet, den ich euch verkündet habe.

Auch wenn Paulus vom Wortlaut spricht, so sind damit nicht die einzelnen Buchstaben und Worte gemeint, sondern vor allem die Zusammenhänge und Schlüsse, die Jesus mit seinen Geschichten und Gleichnissen den Menschen ins Leben mitgegeben, aber auch ins Stammbuch geschrieben hat.

Diese Botschaft hat nicht nur dem Simon wieder neuen Schwung, neue Kraft gegeben, sondern viele andere Menschen angesprochen, bis heute.

Die ersten Christen nannte man zuerst die „Anhänger des neuen Weges“. Ein neuer Weg, ein neues Denken, eine neue Sichtweise des Lebens. Im Johannesevangelium gibt es diese Geschichte vom zweiten Anlauf zum Fischfang auch. Dort gibt Jesus aber noch den Tipp, sie sollen die Netze auf der rechten, auf der anderen Seite auswerfen, es vielleicht ein bisschen anders machen, als sie es gewohnt waren oder gelernt hatten, oder was die lange und auch gute Erfahrung sie immer tun ließ. Auch das könnte ein Aufhänger für die Anhänger des neuen Weges gewesen sein. Dieser neue Weg ist aber in die Jahre gekommen. I mog nimmer!

Der Erfolg, den diese scheinbar nur geringen Veränderungen gebracht haben, ist gewaltig. Die Netze sind voll, übervoll, so dass sie zu reißen drohen und gar nicht mehr händelbar sind. Dieser Erfolg ist aber nicht ungefährlich. Die Boote sind bis zum Rand gefüllt, so dass sie fast untergehen. Auch durch Erfolg und im Erfolg kann man untergehen, wenn man nicht aufpasst.

Liebe Schwestern und Brüder, es anders zu machen, vielleicht nur ein bisschen anders, ist gar nicht so einfach, es kommen schnell Gedanken und Befürchtungen auf, wo das wohl hinführen wird, was es alles zur Folge hat oder haben könnte. Jesus hat vieles anders gemacht und hat zum Andersmachen Mut gemacht: Ich aber sage Euch!

Das, was sich in der Gemeinschaft der Kirche daraus entwickelt hat, hat sicher viel Gutes hervorgebracht, aber eben nicht nur Gutes. Außerdem ist es nicht so einfach vom Himmel gefallen, sondern hat sich entwickelt und man hat aus Fehlern auch gelernt. So wie der Apostel Paulus in dem Abschnitt aus dem Korintherbrief, den wir gehört haben, seinen Fehler zugibt: „Ich habe die Kirche Gottes – die Anhänger des neuen Weges – verfolgt. Ich bin der geringste unter den Aposteln, ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden.“

Der Simon hat das damals nicht alleine geschafft, sondern das Evangelium erzählt, dass er Jakobus und Johannes zu Hilfe holt, mit denen er zusammenarbeitete. Alleine hätte er keinen Erfolg gehabt, alleine wäre er wahrscheinlich untergegangen. Zusammenarbeiten bedeutet aber nicht nur Handlangerdienste, sondern Zusammenarbeit bedeutet auch etwas einbringen können und einbringen dürfen, am Erfolg teilhaben.

So wünsche ich mir in dieser Stimmung und den Gefühlen des „I mog nimmer!“ Zusammenarbeit der Kirche mit allen, die auch etwas zu sagen haben zum Menschen, zum Leben, zur Welt, zur Schöpfung. Die Naturwissenschaften und Humanwissenschaften haben vieles erforscht und entdeckt, und können auch Lösungen anbieten, was so nicht in der Bibel steht, aber doch mitschwingt und da ist: Eine stetige Suche nach Wahrheit.

Doch wenn du es sagst! Das lässt den Petrus es noch einmal, trotzdem wieder, versuchen.

Doch wenn du es sagst! Wer könnte ein solcher heute sein? Es gibt schon welche, denen Menschen vertrauen und solche Menschen werden Sie auch in Ihrem Umfeld haben. Einen möchte ich heute hier nennen, der durch seine Andersartigkeit in der Sprache und im Umgang mit den Menschen anspricht und auf den auch die Medien aufmerksam geworden sind. Es ist Pfarrer Rainer Maria Schießler aus München. Ich weiß, die einen mögen ihn und die anderen nicht. Ich habe ihn ich im Rahmen einer Firmung persönlich kennengelernt und er ist ein kreativer Kopf. Das ist nicht immer einfach, das muss man auch aushalten. Er sagt zu dem Gutachten: „Es ist Aufbruchstimmung, die uns hier vor Ort umgibt, und nicht Untergangsangst. Wer aber jetzt geht, entzieht sich diesem Neufang, und nur dafür gibt’s keine Argumente für mich.

Wer es ein bisschen frömmer mag, den verweise ich auf das Lied, mit dem wir heute den Gottesdienst begonnen haben: Lass uns in deinem Namen Herr, die nötigen Schritte tun. (GL 446) So hieß der Refrain, der immer am Anfang und nicht am Schluss stand. Die letzte Strophe endete mit den Worten: Gib uns den Mut, voll Glauben Herr, mit dir zu Menschen zu werden.

Das Evangelium ist der Grund auf dem ihr steht. Durch dieses Evangelium werdet ihr gerettet.

                                                   Les: Mal 3,1-4                                                                                                                                                                           Ev: Lk 2,22-40

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Und wie war’s? Diese Frage wird uns wahrscheinlich schon öfter gestellt worden sein und wir werden in Zukunft auch immer wieder gefragt werden: Und wie war’s? Unser Gegenüber möchte nicht nur gerne wissen, wie und was sich ereignet oder abgespielt hat, sondern er interessiert sich dafür, wie wir etwas erlebt oder besser gesagt, wie wir es empfunden haben und wie es deshalb vielleicht noch nachwirken kann und nachwirken wird.

Und wie war’s? So fragen mich auch immer wieder meine Mitbrüder, wenn ich von Veranstaltungen ganz verschiedener Art zurückkomme. Meistens lautet die Antwort „schön“, obwohl es das andere auch gibt. Aber da bleibe ich meistens etwas wortkarg, weil es entweder nicht viel zu erzählen gibt oder weil ich es nicht erzählen will bzw. kann.

Es gibt keine Zufälle. Es gibt nur Begegnungen, die entweder ein Fest, eine Lektion oder ein großes Geschenk sind. So habe ich kürzlich mal irgendwo gelesen und ich glaube, das beschreibt kurz und prägnant, wie wir etwas erleben und empfinden und was wir dann auf diese Frage antworten: Und wie war’s?

Es gibt keine Zufälle. Es gibt nur Begegnungen, die entweder ein Fest, eine Lektion oder ein großes Geschenk sind.

 Unser Leben setzt sich aus ganz vielen und unterschiedlichen Begegnungen zusammen und das Leben wird durch Begegnungen auch geprägt oder sogar beeinflusst und bestimmt, vielleicht das ganze Leben lang.

Der Inhalt des heutigen Festes mit den unterschiedlichen Namen „Darstellung des Herrn“ oder „Mariä Lichtmess“ ist Begegnung. Begegnung in ihrer Unterschiedlichkeit, ihrer ganzen Fülle und Breite. Das zieht sich auch wie ein roter Faden durch die Texte, die wir gerade aus der Bibel gehört haben. Das Leben setzt sich aus Begegnungen zusammen, es wird davon geprägt, beeinflusst, bestimmt und auch verändert. Am deutlichsten kommt es in dem Abschnitt aus dem Lukasevangelium zum Ausdruck.

Jesus wird von seinen Eltern in den Tempel gebracht. Dabei treffen sie nicht nur auf diese beiden alten Menschen Simeon und Hanna, sondern es geschieht Begegnung. Begegnung, die nicht folgenlos geblieben ist, sondern nach der wohl jeder etwas zu sagen hätte auf die Frage: Und wie war’s?

Von Simeon sind uns ein paar Sätze überliefert, die wohl nicht mehr unserem Sprachgebrauch entsprechen, aber es lässt sich doch erkennen, dass es für ihn eine entscheidende, vielleicht die entscheidendste Begegnung seines Lebens war: „Meine Augen haben das Heil gesehen.“ Es geht ihm etwas auf, das ihn nicht mehr loslassen wird.

Von Hanna wird nichts berichtet, aber im Umkehrschluss lässt sich aus dem, was wir so nebenbei über ihr Leben erfahren – eine betagte Frau, die längste Zeit ihres Lebens Witwe, aber kein resignierter, sondern immer noch ein suchender und wacher Mensch geblieben – schließen, dass sie offen war für diese Begegnung und dass diese wohl nicht spurlos an ihr vorüber ging, sondern Eindrücke hinterlassen hat, ähnlich wie bei Simeon.

 Es gibt keine Zufälle. Es gibt nur Begegnungen, die entweder ein Fest, eine Lektion oder ein großes Geschenk sind.

 Auch für die Eltern Jesu war es eine entscheidende Begegnung, die an beiden Spuren hinterlassen hat, auch wenn Simeon nur zu Maria diesen Satz sagt, der erschrecken und erschaudern lässt: Dir wird ein Schwert durch die Seele dringen.

Was Simeon damit gemeint hat, kennen wir aus unserem Glaubensvollzug und wir nennen es das Geheimnis unseres Glaubens, das auch eine Kehrseite haben kann: „Deinen Tod, oh Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir“, aber auch „Dir wird ein Schwert durch die Seele dringen.“

Liebe Schwestern und Brüder, zurzeit melden sich Menschen zu Wort, oder auch wieder zu Wort, die keine guten Begegnungen mit Glaube und Kirche gehabt haben. Auch das hat Spuren hinterlassen und begleitet Menschen ihr Leben lang. Den Betroffenen wünsche ich, dass es jetzt  zu Begegnungen kommt, in denen Heilung und Heil wenigstens ansatzweise erfahren werden kann.

Das ist das eine, was derzeit in den Zeitungen steht. Wer heute den Pfaffenhofener Kurier aufgeschlagen hat, der konnte lesen, dass unser Mesner, Bernhard Kürzinger, heute am 2. 2. 2022 auf 22 Dienstjahre zurückblicken kann. Und wie wars? In dem Artikel ist zu lesen, was sich in diesen 22 Jahren alles ereignet hat. Man erfährt aber auch direkt oder zwischen den Zeilen, wie für Herrn Kürzinger diese 22 Jahre waren, wie er sie erlebt und empfunden hat.

Es gibt keine Zufälle. Es gibt nur Begegnungen, die entweder ein Fest, eine Lektion oder ein großes Geschenk sind.

 Und wie war’s? Liebe Schwestern und Brüder, Begegnungen können ganz unterschiedlich sein und werden auch so empfunden. Es gibt schöne und weniger schöne, aber sie haben alle Auswirkungen auf unser Leben. Ich hoffe und wünsche für Sie, aber auch für mich, dass sie uns weiterbringen, dass sie uns helfen, dass wir unser Leben auch in einem anderen Licht sehen können und dass wir einmal auf die Frage „Und wie war’s? sagen können: Ich habe Heil gesehen und erfahren.

 

 

                             Les 1 Kor 12,4-11
                             Ev: Joh 2,1-11

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Planungen laufen auf Hochtouren. So möchte ich ein Geschehen zusammenfassen, von dem ich, von dem wir nur am Rande etwas mitbekommen. Aber das, was ich eben mitbekomme, lässt darauf schließen, dass viel, sehr viel im Hintergrund geplant und vorbereitet wird. Ich meine die Hochzeiten, die in diesem Jahr stattfinden werden oder, vielleicht besser gesagt, stattfinden sollen. In der letzten Woche habe ich mal in den Basilika-Kalender geschaut und festgestellt, wenn ich richtig gezählt habe, dass sich heuer hier bei uns 53 Paare das JA-Wort geben wollen. Und so wird geplant, viel geplant.

Aus Begegnungen mit Brautpaaren im Zusammenhang mit ihrer Hochzeit in den letzten Jahren, weiß ich, dass sich Menschen um das Drumherum viele Gedanken machen. Ob das immer so sein müsste, weiß ich nicht. Manchmal glaube ich, dass es auch mit etwas weniger gehen könnte oder gehen müsste, aber das müssen die Paare letztlich selber wissen. Es ist ihr Fest.

Dass bei einem Fest auch immer etwas schief gehen kann, das haben wir gerade im Evangelium gehört: Der Wein geht aus. Also schlecht geplant oder zu knapp berechnet angesichts der Trinkfreudigkeit der Gäste? 

Ob diese Sorge die Hochzeitspaare von heute auch noch beschäftigt oder plagt? Ich glaube eher nicht, sondern da gibt es ganz andere Themen und ganz andere Sorgen. Zum Beispiel, ob die Hochzeitsfeier überhaupt stattfinden kann und wenn ja, mit wie vielen Gästen. Diese Tatsache, die den Umständen der Zeit geschuldet ist, hat im letzten Jahr zur Absage oder Verschiebung so mancher Hochzeit geführt und es wird auch heuer so sein. Die erste Hochzeit in diesem Jahr hätte am kommenden Samstag stattfinden sollen: Abgesagt!

Die Unterschiedlichkeit der Sorgen und wie sie Menschen ganz konkret erleben und empfinden, auch und vor allem außerhalb von Hochzeitsvorbereitungen, führt manchmal zu einem Vergleich oder einer Bewertung, die in folgender Formulierung zum Ausdruck kommt: Deine Sorgen möchte ich haben!

Deine Sorgen bzw. ihre Sorgen möchten wir haben. Diesen Satz hat sich die Wiener Städtische Versicherung als Werbeslogan zu Eigen gemacht: Ihre Sorgen möchten wir haben. Damit wird geworben und es trifft einen wunden Punkt von uns Menschen: Was machen wir, wenn…? Was tue ich, wenn dieses oder jenes eintritt?

Es braucht jemanden, der die Not oder Notlage möglichst frühzeitig erkennt und Hilfe bzw. Abhilfe schafft. In der Geschichte im Evangelium ist das Maria. Es wäre wohl etwas zu hochgegriffen, Maria als erste Versicherungsmaklerin zu bezeichnen, aber sie verkörpert mit ihrem Handeln die Idee, die hinter jeder Versicherung steht, nämlich Solidarität. Man muss mit dem, was man kann und was man hat einspringen und so Menschen zu Hilfe kommen. Im Evangelium klappt das, weil es Maria sozusagen an den weiterleitet, der Abhilfe schaffen kann, auch wenn er nicht gleich darauf anspringt bzw. anspricht.

Der Apostel Paulus sagt in seinem Brief an die Korinther, dass diese Solidarität geistgewirkt ist: Jedem aber wird diese Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. Es muss nicht jeder alles können, es muss nicht jeder alles haben, aber jeder kann etwas und  dazu beitragen, dass menschliches Leben und Zusammenleben gelingen können, auch in Schwierigkeiten, auch in Notlagen: Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will. Das ist auch Auftrag, ja Sinn und Zweck der Kirche, diese Begabungen zu entdecken und zu fördern und damit Solidarität Wirklichkeit werden zu lassen und gegebenenfalls auch einzufordern.

Die Themen, die Menschen Sorgen machen und die Anlass zur Sorge geben, ändern sich mit den Umständen der jeweiligen Zeit. Heute werden sich, wie gesagt, Brautpaare nicht so sehr fragen, ob der Wein reicht, weil wohl immer genug da sein wird, sondern die aktuelle Frage lautet, werden wir überhaupt feiern können. So müssen sich auch die Hilfsangebote und die Antworten auf die Fragen der Menschen ändern.

Das zu begreifen, ist auch für die Gemeinschaft der Kirche gar nicht so leicht und wird ihr oft zum Vorwurf gemacht, dass die Antworten die Menschen nicht mehr treffen, weil sie nicht mehr zutreffen oder weil es anderes gibt, weil die Entwicklung voranschreitet.

Das trifft auch, wie ich meine, auf eine Frage zu, die sich Brautpaare trotz allem drumherum auch stellen, nämlich: Werden wir es schaffen, das zu leben, was wir uns vornehmen und gegenseitig versprechen? Und was tun Menschen, wenn es nicht gelingt? Ob die Antworten, die die Tradition hervorgebracht hat, die einzigen sind, oder könnte und sollte es auch andere oder neue geben?

Bei allem hin und her, was die gegenwärtige Zeit so aufwühlt: Menschen entdecken und wertschätzen ganz neue Fähigkeiten, die man vorher nie für möglich gehalten hätte, damit das Leben und das Zusammenleben trotzdem gelingen kann.

So gebe ich Ihnen heute eine Frage mit auf den Weg. Wo glauben Sie, dass Sie etwas dazu beitragen können, dass Menschen sich weniger Sorgen zu machen brauchen. Vielleicht bekommen bei solchen Überlegungen die eigenen Sorgen einen ganz anderen Stellenwert: Deine Sorgen möchte ich haben!

Ich möchte schließen mit einem Text von Wilhelm Wilms, der darauf abzielt, dass Menschen das, was sie tun, mit ganzem und von ganzem Herzen tun sollen. Das ist die beste Voraussetzung dafür, dass sich etwas ändert oder wie die Bibel sagt, Wunder eine Chance haben:

Wenn die Krüge in eurem Leben leer sind,
dann tut, was er euch sagt,
das einfachste von der Welt.

Gebt, was ihr habt – nie sollen wir etwas halb tun.
Sondern ganz bis zum Rand
sollen wir die die leeren Krüge füllen,
mit dem was wir haben.

Vielleicht
mit unseren Tränen
mit unseren Ängsten
mit unserer Traurigkeit

 Wer nicht an ein Wunder glaubt ist kein Realist.
Ohne Wunder geht kein Leben,
erst recht kein Leben zu zweit.

 

                                         Lesungen: Neh 8,2-10
                                         Evangelium: Lk 1,1-4;5,14-21

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Vom frühen Morgen bis zum Mittag las der Priester Esra die Weisung Gottes vor. Es ist ein unheimlich langer Wortgottesdienst, der da stattfindet, und man hat nicht den Anschein, dass es irgendjemandem langweilig wurde dabei, sondern im Gegenteil, das Volk hört zu, alle stehen, sie antworten mit Amen, sie verneigen sich bis zur Erde, ja und offenbar waren sie so ergriffen und gerührt, dass viele weinen mussten. Denn bei der Predigt, die darauffolgt, mussten sie eigens aufgefordert werden: „Heute ist ein heiliger Tag zu Ehren unseres Gottes, darum seid nicht traurig und weint nicht, macht euch keine Sorge, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke.“

Das Bild, das uns hier im Buch Nehemia vorgestellt wird, stammt aus der Zeit nach dem Babylonischen Exil, etwas mehr als 500 Jahre vor Christus. 50 Jahre Exil; eine bedeutende Anzahl und vor allem die Oberschicht der jüdischen Bevölkerung waren nach Babylon verschleppt worden, das war die Politik des babylonischen Reiches, für das kleine Volk Israel die Katastrophe schlechthin – einerseits.

Auf der anderen Seite hat diese Politik eines Großreiches es nicht geschafft, den Glauben an den Gott der Juden auszurotten bzw. in Vergessenheit zu bringen. Zwar wissen wir, dass sich viele Juden gut eingerichtet haben dort in Babylon, keineswegs haben sie Sklavenarbeit verrichtet, dass sie vornehme Stellungen bekleidet haben und dass sie gar keine Lust hatten wieder in die Provinz zurück zu kehren, als es denn möglich war; aber es gab eben auch das andere: eine kleine Schar von Menschen, die ihren Glauben und ihre Überzeugung nicht aufgegeben hatten, die ihrem Gott, ihrer Religion treu geblieben waren, die überzeugt waren, dass dieser Glaube eine große Kraft war, dass er darum Zukunft hatte und für die Menschen wichtig war. Und weil es solche Menschen gab, konnte nach dem Exil wieder religiöses Leben neu beginnen in Jerusalem, konnte Gottesdienst gehalten werden, der Tempel wieder aufgebaut werden usw.

Aber am Beginn steht fast symbolisch dieser schlichte Wortgottesdienst und die Ergriffenheit der Menschen, die doch eigentlich diese Worte kennen, die sie aber endlich wieder hören können und die sich von ihnen ansprechen lassen.

Sie können sich vorstellen, warum mich dieses Bild aus der Lesung heute so besonders anspricht.

In der vergangenen Woche wurde das in Auftrag gegebene Missbrauchsgutachten über unser Erzbistum in München vorgestellt, und obwohl ich keine Details kenne und obwohl ich auch nicht wirklich überrascht bin von dem, was da in den Medien der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, weiß ich doch: Hier ist ganz viel Unrecht geschehen, das wird uns wieder neu bewusst, hier ist Unrecht geschehen, das nicht nur aber doch auch mit einer gewissen Struktur von Kirche verbunden ist; hier hat man die eigentlichen Opfer lange nicht sehen wollen, hat arrogant oder auch hilflos über viele Wirklichkeiten und viele Zeichen der Zeit hinweg gesehen. Und das Ergebnis ist auch deshalb erschütternd, weil es kein Vertrauen mehr gibt in die Kirche als Institution, weil letztlich alle Chancen verspielt wurden, dass unsere Frohe Botschaft glaubwürdig bei Menschen heute ankommen kann. Und ich sehe bei alledem, wie wichtig diese Botschaft von einem Gott, der alle Menschen liebt, heute wäre, wie trostvoll die Botschaft Jesu heute wäre, die im Evangelium heißt: Der Geist des Herrn hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze. Diese Botschaft hat niemand anders als wir Christen, und wenn sie von uns nicht gesagt wird oder wenn wir dafür sorgen, dass sie uns niemand mehr abnimmt, dann wird diese Botschaft der Welt fehlen. Und das spüren wir doch längst, es ist mit Händen zu greifen auch in unserer Gesellschaft.

Ich sehe in dieser kleinen Gemeinde beim langen Wortgottesdienst in der Lesung ein Bild für eine erneuerte Kirche, eine Kirche, die sich neu von Gott, von seinem Wort ergreifen lässt; Ich sehe in dieser Versammlung vor dem Wassertor auch ein Bild für die Menschen guten Willens, die in dem, was da vorgelesen wird, ihre eigene Weltsicht, ihre Hoffnung und ihre Sehnsucht wieder entdecken. Ich wünsche und hoffe sehr, dass all das, was wir momentan als Erschütterung erleben, uns so demütig macht, dass wir die Kraft haben zu solch einer Kirche, wie sie Jesus uns vorgelebt hat.

Und vielleicht sagen Sie jetzt: „Ja, dann träum mal schön weiter, es wird sich nichts ändern.“ Und vielleicht haben Sie Recht.

Aber ich träume weiter, und ich weiß, dass es diese Kirche doch auch längst gibt, eine Gemeinschaft von überzeugten Christen und gutwilligen Menschen, die nicht mehr lange fragen nach einer Konfession, die sich in Gesprächskreisen, Bibelkreisen und Gebetskreisen zusammenfinden; es gibt sie längst die Menschen, die sich von ihrem Glauben getragen wissen und Dienste übernehmen im caritativen Bereich, die sich einfach ansprechen lassen von der Not, die ihnen gerade begegnet. Es gibt sie längst, die Menschen, die ihre Kirche vor Ort aufrechterhalten, die Dienste übernehmen, priesterliche Dienste, egal, ob sie jemand dazu beauftragt hat oder nicht, es gibt sie längst, diejenigen, die manchmal belächelt werden, die vielleicht im offiziellen System Kirche nie eine Chance hatten, die weggemobbt wurden und die doch für manche das sympathische Gesicht der Kirche geworden und geblieben sind, es gibt die Menschen, die an der Kirche leiden und sich trotzdem nicht beirren lassen. Es gibt die Kirche nach dem Exil längst.

In Pfaffenhofen hängt an der Kreuzkirche ein großes Plakat, und darauf ein Satz aus der Bibel: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.“

Von diesem Plakat hat mir gestern jemand ein Bild geschickt und dazu Folgendes geschrieben: „Dieses Plakat tat mir gut, denn alles, was jetzt geschrieben, gesagt, diskutiert wird, tut einfach nur weh. Alles wird im Moment in einem Topf geworfen und das ist schwer zu ertragen. Ich denke an die vielen Berufungen in unserer Kirche, die sicher renovierungsbedürftig ist, aber trotzdem Heimat.“

Ich sehe auch, dass unsere Kirche renovierungsbedürftig ist, sehr sogar. Aber ich sehe auch die vielen Berufungen, die einfach und trotzdem und oft ganz selbstverständlich gelebt werden, und das macht mir Mut.
Amen.